Johann Kaspar Riesbeck
Briefe über das Mönchswesen
Johann Kaspar Riesbeck

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Vierter Brief.

Zwey Dinge sind einem Schriftsteller und Herausgeber die unangenehmste von der Welt. Einmal wenn man sie nicht nach ihren Absichten beurtheilet, oder dieselben gar zu weit ausdehnt: Was können sie dafür, daß andere aus einem A.B.C.=Buch ein Lehrgebäude machen? Und hernach, wenn die spitzfindige Geschäftigkeit ihrer Leser so weit gehet, daß sie Originale zu den Charaktern gefunden haben wollen. Wir mögen noch so gewöhnliche und fast alltägliche Charaktere schildern, so finden sie doch immer so gewaltig scharfsinnige Leute die Personen angeben können, die wir in Gedanken gehabt haben sollen. Wissen denn diese Herren nicht, daß es unser Amt ist die Fehler aufzusuchen, ohne darauf zu denken, ob diese oder jene Person davon angesteket seye? Ich will mich über diese bekannte Wahrheit nicht mit Anmerkungen ausbreiten. Billige und gelehrte Männer würden ohnehin Bedenken tragen zuversichtlich zu behaupten, daß der Dechant dieser Briefe ein gewisser wakerer Mann sey. Ein Vorgeben, welches um so unvernünftiger ist, als nicht ein einziger Zug auf den wahren Charakter des Mannes passet, der davor ausgegeben werden wollen. Hudibras würde von Bemühung dieser Herren gesagt haben: »Sie geben dem Autor die Kräze, um ihn reiben zu können.« Vielleicht war dieses ihre liebreiche Absicht. Allein sie mögen ihr hocus pocus so gut machen, als sie wollen, so werden doch die Züge und Nebenstände, welche diesen Charakter bestimmen, nicht verwandelt werden. Und so lange dieses nicht geschiehet, sind mein Dechant und der ihrige himmelweit unterschieden. Aus besonderer Gefälligkeit will ich ihnen doch so viel Nachricht geben: »Daß ich auf eifriges Nachfragen in sichere Erfahrung gebracht, daß der Dechant, von welchem hier die Rede ist, in der That und wirklich die angezeigten Bücher von dem Gutmann seinen Gedanken nach habe verbrennen lassen; und daß ...« Doch beynahe hätte ich vergessen, daß sie meinen Dechant nicht kennen sollen. Stossen sie also immer ihre hochweise Häupter zusammen und rathen sie. Ohne Zweifel werden sie es nun errathen. Oder fehlet es ihnen an Scharfsinnigkeit? Kommen sie, meine Herren! Ich will ihnen zu der Verwandlung des Zacharias Ronald verhelfen. Was werden sie alsdann nicht errathen können? Ihn berührte der Pudergott mit einem Zauberbande, und es wurde plötzlich ein Haubenstok.

Den 11 ten Aprill 1770.

Ich eile dir, liebster Bruder, zu melden, wie meine Anzeige bey dem Herrn Dechant aufgenommen worden. Um acht Uhr muß ich in die Kirche gehen; es ist mir also nur eine einzige Stunde zum Schreiben übrig. Freylich wünschte ich dich mündlich zu sprechen; aber ich sehe bey unserer gar zu weiten Entfernung keine Möglichkeit vor mir. Doch es freuet mich, daß dir mein Vertrauen angenehm ist; und so habe ich doch wenigstens den Trost, daß wir einander oft schreiben werden.

Wisse also, daß ich den Herrn Dechant noch im Schlafrock angetroffen, und daß er more folito mir sehr hoch und trocken begegnet. Ich habe bey mir ganz stille gedacht: Entweder wird der Mann noch Weihbischof oder ein Narre. Amen!

Seine Anrede war: Nu! Wie lauts, was hat der Pfarrer neues?

Nicht viel, aber es ist mir ein Vorfall begegnet, wo ich Ew. Hochwürden Rath und Beystand nöthig habe.

Ja, wenn man nichts anders zu thun hätte, als euch jungen Leuten aufzuhorchen! Lernet eure Sachen besser in studiis, so braucht man nicht nachzuschulmeistern. – Nur kurz und geschwind!

Da fieng ich an meinen Kram auszulegen, und ihm den vollkommenen Hergang zu erzählen. Wie er einmal wußte, daß mein Vortrag den Herrn Gutmann angehe, da wurde sein Gesicht über und über feuerroth wie ein Hahnenkamm.

Das ist ein sauberer Gespann, sagte er. Man darf nur die P. P. Franciscaner hören, was der alte Lumpenkerl für Reden auf Franciscifest über den Vollkommenen Ablaß ausgestossen. Kein Wunder, daß ihr in eurem Dorf zwey Mißjahre aufeinander gehabt, und der gnädige Herr ein Bettelmann werden muß; warum giebt er ihm Aufenthalt?

Ich bemühete mich ihm den Irrthum, in dem er in Ansehung der vermeinten Freundschaft zwischen dem gnädigen Herrn und dem alten Hofmeister stekte, zu benehmen, und setzte noch hinzu: Dieser könne ja eben so gut als vierzehen Judenhaushaltungen in dem Dorfe wohnen. Aber damit bekam ich seine ganze Ungnade auf den Hals.

Indem, was Juden, ruft er aus! Ich wollte lieber 100. Juden als einen Gutmann in meinem Dorf haben. Der Pabst hat auch Juden in Rom; aber Ketzer duldet er nicht. Mit Juden kann ich noch handeln; und wenn ich sie betrüge, thue ich doch keine Sünde, sondern nur den Feinden Christi Abbruch. Juden tragen auch wol jura stolae ein. Aber so ein heilloser Gutmann, der sich auf Vernunft verläßt, der die halbe Welt durchwandert, und mit seinem bisgen Lesen gescheider seyn will, als unser einer, so einen Kerl sollte man in einem Christcatholischen Gebiet nicht leiden. Laufe der Herr Pfarrer nur fein fleißig zu diesem Atheisten, so wird er bald werden, wie sein Vorfahrer, der alle Tage bey ihm gesessen, und allerley verbotene Bücher mit sich nach Hause genommen, ohne die Licentium legendi bezahlt zu haben. Beym Auskehren hat sichs gefunden. Schon mit 68. Jahren schickte ihm Gott die Wassersucht. Was glaubt er wohl Herr Pfarrer, was ich für Bücher bey ihm angetroffen? Eine Oetingische Lotterie=Bibel, die zu Nürnberg gedruckt war, wo der ganze Magistrat, wie ich höre, Lutherisch seyn soll. Deutsche Predigten von einem gewissen Tillotson aus Engelland, wo der Pabst als Antichrist behandelt wird. Andere zu Amsterdam gedruckte, von wannen ich mein Lebtag gehöret, daß man nichts als Stokfische und Häringe kommen läßt. Zum Spaß habe ich ihn sehen wollen, von was einige andere Bücher handeln; sie waren aber lateinisch, und da hätte mich die Zeit gereuet. Auf einem deutschen stuhnd zwar Muschenbroek Philosophie; aber wie ich es aufmachte, fand ich über den Capiteln Vernunftlehre, Geisterlehre etc. und allerley in Kupfer gestochene Cirkel mit Buchstaben, Sonnen, Dreyeck und andere gewisse Merkmale, daß es zur Hexerey, Gott segne uns! gehören müsse. Der alte Gutmann forderte seine Bücher wieder. Aber ich machte kurzen Proceß, und warf sie mit einander in das Feuer.

Dem Herrn Dechant mag das Verbrennen solcher Bücher noch hingehen. Aber wenn man auf einer Lutherischen Hohen Schule Geßners Idyllen von einem R. aus heiligem Eifer verbrennen siehet, so muß man über die Barbarey mitten in unsern aufgeklärten Zeiten erstaunen, und solche Urkunden des Unverstandes beweinen.

Mit einem Wort: Ich finde, daß der Mann nichts nutz ist. Will er das Jubiläum gewinne, so muß er mir erst alle seine Bücher einliefern. Will er nicht, so ist und bleibt er des Teufels Eigenthum. Was schwätzt so ein Bursch von Kirchenhistorie. Es giebt freylich so Bücher, aber sie gehören nicht zum Glauben. Der Catechismus ist nicht umsonst geschrieben. Und wenn man so Bücher lesen müßte, wo wollte man die Zeit hernehmen das Brevier zu beten, Messe zu lesen, ein Spielgen mitzumachen, und mit guten Freunden ein Glas Wein zu trinken? Ich sage es ihm, Herr Pfarrer, meide er den ketzerischen verdächtigen Kerl. Glaube er, was er gelernet; lehre er auch das und nicht mehr seine Bauern. Selig sind die Armen im Geist. Und er wird sogar in der Legend allemal zwanzig einfältige Heilige gegen einen gescheiden antreffen. Noch einmal, sagte er endlich, kann er zu ihm gehen; merke er aber auf alle Worte; und wenn wir ihn in einer einzigen verdächtigen Rede fangen können, so soll er bald excommunicirt seyn; da mag er dann crepieren und verscharrt werden wie ein anderes Vieh auch. Was macht er denn sonst im Dorf für Händel, fragte er letzlich?

Ich sagte, er sey in seiner Aufführung ein ganz ordentlicher gutthätiger Mann, der den Armen und Nothleidenden viel Hülfe und Gutes beweise.

Den Armen, den Nothleidenden! Ich weiß aber das Gegentheil. Es sind noch keine drey Tage als mir der Bruder Dismas von den Capucinern geklaget, daß der Gutmann ihn noch niemals vorgelassen, wenn er zu unterschiedlichen Zeiten im Dorf, Butter, Fleisch, Lichter, Flachs, Brod, Mehl, Eyer, Salz, Schmalz, Oel, Wolle oder andere Sachen terminiere. Wann der alte Kezer gutthätig wäre, so gäbe er aus so vielen Nothwendigkeiten doch den armen Capucinern, Franciscanern, Augustinern, Carmeliten oder Dominicanern etwas. Diese sind die wahre freywillige Arme, die bey ihrer vom Pabst approbirten Armuth dennoch der Kirche gegen die Ketzer beystehen und den Pfarrern aushelfen. Schwerlich wird Gott das, was man an Bauern verschenkt, für ein gutes Werk ansehen. Denn diese sind zur Arbeit geboren, und nicht freywillig, sondern gezwungen arm. Es muß doch jemand im Schweiß seines Angesichtes sein Brod gewinnen, auf daß der Fluch der Erbsünde erfüllet werde. Wann der Bauer was hat, oder geschenkt bekömmt, wird er gleich übermüthig oder faul. Und das gehet gegen seine Bestimmung.

Nun ist es gut, Herr Pfarrer. Merke er sich was ich ihm da gesagt. Junge müssen von den Alten lernen. Hat er keine Aepfel mehr? Die Fasten thut mir wehe. Ich mag nicht immer von Mehl essen; Fische sind zu theuer: Vielleicht giebt es welche in seinem Dorf. Ich stehe wieder dagegen zu Diensten, und komme ohnehin bald auf die Visitation.

Da hast du, lieber Herr Bruder, den ganzen Hergang haarklein. Aber was habe ich daraus lernen oder zu meinem künftigen Verhalten merken sollen? Ich weiß nichts, als daß er und die Mönche den Gutmann nicht leiden können, und daß ich gleich noch in der Stadt ein Körbchen Aepfel gekauft, und es des andern Tags dem Dechant von Haus aus zugeschickt.

Ich möchte dir gern mehr sagen; aber man hat mir schon mit beyden Glocken zum Altar gestürmt; nun muß ich fort. Nach Ostern das weitere.


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