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Den 14. Aprill. 1770.
Gestern, lieber Herr Bruder, habe ich deinen Brief von dem 21. dieß erhalten. Ich hoffte von dir Anweisungen zu bekommen, wie ich mich gegen die offenbar irrige Meynungen des Schulmeisters setzen, und auch bey dem Gutmann wohl bewaffnet erscheinen könnte; allein, ich weiß nicht was ich aus deinem gelinden Ton machen soll, und bin, die Wahrheit zu gestehen, noch unruhiger als zuvor. Du sagst, ich müsse mich erkundigen ob mein Schulmeister auch bey andern Leuten, oder in der Schule, von solchen Dingen rede; dann das müsse ich eben nicht leiden; sonsten aber entschuldige den Mann sein gutes Herz, in Ansehung dessen, was er etwan gefehlt haben sollte, ihm Gott gewiß verzeihen würde. Warum setzest du das etwan zuerst, und das gewiß hernach? Ich bilde mir ein, man müsse es umkehren; dann nach unserm Professor hat er gewiß gefehlet. Zu einer Ketzerey gehören nach dem Busenbaum zwey Sachen, Judicium erroneum als das materiale, und pertinacia als das formale. Atqui: Der Schulmeister hat mir behauptet, die göttliche Barmherzigkeit würde über kurz oder lang alle Menschen, die einen Gott glauben und rechtschaffen leben, zu Gnaden aufnehmen; hernach setzte er hinzu: Er lasse sichs nicht nehmen, ecce pertinacia! Ergo ist er ein Ketzer. Deine Distinction, daß der kein Kezer sey, der bereit ist seine Meynung der Kirche zu unterwerfen, kann hier nichts gelten. Ich glaube, dieses gienge noch so an, wenn man an Kleinigkeiten z. B. an solchen, die nicht von unsern Theologen, sondern nur aus der heil. Schrift hergenommen sind, zweifelte. Aber du siehest ja wohl, daß der Schulmeister eine Sünde in dem heiligen Geist begehet. Er sündiget für die Ketzer auf die Barmherzigkeit Gottes, und gegen das Ansehen unserer ganzen Geistlichkeit. Das ist freylich noch das Beste, daß er gegen keinen Menschen sich das mindeste von dergleichen Gottlosigkeiten verlauten lassen, auch in der Schule und Christenlehre sich redlich und auferbaulich nach dem Catechismus verhält, und seine Schulkinder nichts lehret, als was vorgeschrieben ist. Letzthin in den Fastnachtstagen hat er mir zwar einen Streich gespielet, der mich beynahe böse gemacht hätte, und den ich ihm kaum vergessen kann. Ich lasse alle Tage, damit die Kinder ihre Religion gründlich lernen, eines von ihnen an dem Ende der Nachmittagsschule aus des P. Cochems Legende das Leben des Tags=Heiligen laut vorlesen. Am Fastnachts=Montag und Dienstag aber brachte mein Schulmeister den öconomischen Landwirthschafts=Calender, der zu Stuttgart im Luthertum gedruckt ist, mit in die Schule, nahm den Buben die Legende weg, und sagte: Kinder, ich muß euch doch auch einmal etwas nützliches zu eurer Fastnachts=Veränderung lesen. Ihr seyd zur Landwirthschaft geboren; da könnet ihr viel gute Sachen lesen und hören, die zum gemeinen Leben taugen: Er las ihnen viele Blätter selbst vor, und erklärte die Worte, die sie nicht verstunden. Ich hätte vielleicht nichts von der ganzen Sache erfahren, wenn nicht zu allem Glück die Kinder am Dienstag erst Abend um sechs Uhr aus der Schule gegangen wären. Ich fragte des Korbmachers Buben, warum so spät? Habt ihr vielleicht heute doppelte Capitel gelesen? Nein, antwortete der Bube, heute und gestern hatte P. Cochem Ruhe, der Schulmeister hat etwas mitgebracht, wo von Ackern, vom vom Wetter, Gesundheit, Wiesen und so Sachen inne stund. Er wollte um vier Uhr zu lesen aufhören; aber nur die kleinen giengen fort, und wir Grosse wollten alle nicht aus der Schule gehen; so hat uns das Ding gefreut: Wir haben ihn gebeten, er soll uns noch mehr lesen, und wenn es nicht Nacht worden wäre, säsen wir noch beysammen. Wenn wir uns wohl hielten und fleißig wären, sagt er, da wolle er uns nach und nach das ganze Buch auslesen; und wer die schönste Schrift auf Ostern brächte, dem wolle er es gar schenken. So geht's, dachte ich, wenn man nicht hinten und vorne dran ist. Ich habe aber den Mann brav ausgefilzet und ihm den Calender weggenommen.
Du sagst, mein l. Herr Bruder, in deinem Brief, ich soll mir punktenweis aufschreiben, was ich an dem Gutmann auszusetzen hätte; und dann soll ich zu ihm gehen, und ihm in aller Höflichkeit meinen Anstand an seinem gemuthmaßten Unglauben sagen. Ja sogar, ich sey es als Seelsorger verbunden, damit ich ihm entweder von dem Irrweg helfe, oder, wenn er sich vernünftig erkläre, bey andern seinen verletzten Leumund retten könne. Ich will dir folgen; und wenn ich mich nicht irre, so habe ich dir in meinem vorigen schon geschrieben, was mir an diesem Mann nicht gefällt. Nun will ich es ordentlich zusammentragen, und Morgen Nachmittag Gelegenheit suchen mit ihm zu sprechen. O, wenn ich den Manu [Mann ?] herumholen, und auf die gute Seite bringen könnte, ich wäre stolzer als ein chinesischer Jesuiten=Mißionarius. Und das ist viel gesagt!
Es ist morgen Marcustag; da muß ich um fünf Uhr mit der Proceßion fort. Ich gehe mithin schlafen. Ueber acht Tage die Nachricht von meiner Zusammenkunft mit Gutmann.