Johann Kaspar Riesbeck
Briefe über das Mönchswesen
Johann Kaspar Riesbeck

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Eilfter Brief.

Den 26ten May. 1770.

Ich danke dir, l. Herr Bruder, für dein Küchengeschenk. Es ist mir gar wol gekommen. Und ja doch, du sollst, so oft ich kann, die Fortsetzung meines Umgangs mit dem alten Herrn Gutmann wissen. Mit dieser Münze will ich gerne deine Gutthaten bezahlen. Ich schreibe leichter drey Bogen als ich bey meinem elenden Einkommen einen Gulden missen kann. Der Herr Gutmann hat mir auch einen Flaschenkeller mit Wein und etwas Zuckerbrod gesteuert. Aber schier, wann des Amtmanns Köchin sich nicht so wol gehalten, hätte ich mit unserm Dechant Händel bekommen. Schon um 8. Uhr am Montag kam er an. In der Kirche ist er in einem Hui fertig gewesen. Den Schulmeister schnurrte er ein bisgen wild an, weil er ihm unter der Meß, beym letzten Einschenken, zu viel Wasser in den Kelch gegossen. Von der Schule wollte er nichts hören. Er sagte, wenn Bauernkinder den Catechismus könnten, sey es genug. Man soll die Buben geschriebene Sachen lesen lernen; bey den gedruckten sey allemal Gefahr; und wenn ein Bauer nur das Unglück hätte, einen lutherischen Calender unter die Hände zu bekommen, so lerne er etwas Böses daraus. Die Flegel, sagte er, werden so zu gescheid. Wann ein gemeiner Kerl den Rosenkranz betet und sein Kerbholz aufschneiden kann, so ist er der Seele und dem Leibe nach gelehrt genug. Ich ließ ihm, wie der Rosenkranz in seiner Meß vorüber war, durch vier abgerichtete Mägdens, nach der Wandlung, ein Mißions=Lied singen. Aber das gefiel ihm gar nicht. Er hat mir scharf verboten, nicht mehr singen zu lassen, weil es uns den Ketzern gleich mache. Es schmerzet mich; aber ich muß nun wol wie er will. Um zehn Uhr giengen wir aus der Kirche, und weil es noch zu früh zum Tisch war, bot ich ihm einen Spaziergang ums Dorf an, mit dem Zusatz, wir wollten im Heimgehen den Herrn Amtmann, den ich ihm zur Gesellschaft auf Mittag geladen, in seinem Hause abholen. Gott weiß ich hatte es nicht böse gemeint; aber da war der Teufel los. Was ich, sagte er, ich sollte so einem groben Schelmen, wie euer Dorfamtmann ist, des ersten Besuch geben? Ich, als ein Commissarius Apostolicus, der hier heute den Bischof vorstellt. Da kommt er mir recht, Herr Pfarrer; ich merke wol, daß er sein Handwerk nur schlecht verstehet. Des Grobians Schuldigkeit wäre gewesen, meine Meß anzuhören; und dann mich in der Sacristey abzuholen, und zu einem Caffe oder Frühstück in sein Haus zu bitten. Ich wäre ihm aber doch nicht gegangen; denn so lange der Gutmann in seinem Hause ist, so scheue ich es wie ein mit Pestilenz und ansteckenden Seuchen angefülltes Siechenhaus. Komme der Herr Pfarrer, sprach er, wir wollen heimgehen. Ich muß ein paar Schalen Caffe trinken; mein Magen ist noch leer, sonst muß ich immer gähnen. Hat er mir einen Armsessel in mein Zimmer gestellt? Ich bin gewohnt vor dem Essen ein Halbstündgen zu meditieren.

Wir giengen also in mein Haus. Geschwind wurde der Caffe gemacht, getrunken, und ich führte ihn in sein Zimmer, welches meine l. Mutter mit Bett und andern Geräthschaften aus dem Schloß recht niedlich gemacht hatte. Der Herr Dechant schloß sich ein – und bald darauf hörete ich ihn schnarchen. Das Mittagessen war auf den Glockenschlag zwölf Uhr bestellt. Eine halbe Stunde zuvor kam unser Herr Amtmann. Ich klopfete anfänglich ganz sachte, und endlich ziemlich hart an der Thür. Sogleich hörete ich den Dechant aufspringen. Er nahm geschwind sein Brevier. Und als ich ihm das Daseyn des Herrn Amtmanns meldete, ließ er ihn zu sich kommen, murmelte noch immer als wenn er betete, beklagte sich anbey beym Eintritt sehr, daß er just De eaDe ea ... – nicht ganz gesund sey, und fast nicht fertig werden könne, weil er seine Brille vergessen, und sich die Augen ganz dick gelesen hätte. Da er mir in der Kirche so heftig gegen den Amtmann losgezogen, dachte ich, er würde ihm ein bisgen schnöde begegnen; allein er war so höflich als er mit seinem besten Freund hätte seyn können.

Nun giengen wir zu Tische. Bis zum Braten wurde nicht viel geredet. Als ich aber eine Flasche von des Herrn Gutmanns Wein holete, und diese schier getrunken war, da wurde das Gespräch lebhafter. Der Dechant fieng an ein bisgen groß zu thun, und von der Beschwerlichkeit seines Amts, von seinem Credit bey der Curia, von der gottlosen Welt, und von den grossen Fürsten zu reden, die der Teufel gegen die Kirchen=Immunitäten aufgewiegelt, und nun am Seil führe. Es sagte, man habe auch ihm schon an seinem Kirchhof ein Grasblätzgen abstreiten, und als ein gemeines Stataliment dem Mann beylegen wollen, der den Stier halten müsse: Aber, sagt er, ich verstehe meine Sache, ich bin S. S. Theologia Promotus zu D** und ich habe dem Burgermeister eines zu schmecken gegeben, das er lange nicht verdauen wird. Auf der Canzel habe ich ihm seine Streiche vorgeworfen: Und wenn er sich nicht begriffen und mich durch den P. Florian wieder besänftiget hätte, so wollte ich ihn in drey Predigten so vor den Leuten heruntergemacht haben, daß kein Burger einen Hut mehr vor ihm abgezogen hätte. Es ist ein böser Mann; er sauft, hat schon eine seiner Mägde geschwängert, und nimmt mit beyden Händen an. Hier im Vertrauen gesagt, setzte er bey; (denn Gott bewahre mich, daß ich einem Menschen was Uebels nachsagen wollte) wir sind jetzt ohnehin gute Freunde so lange es dauert. Die Unterredung kam darauf auf unser Dorf und auf die Amtsgeschäfte. Herr Amtmann, sagte der Dechant, ich glaube sie haben auch ein schweres Ueberbein im Haus, weil sie den alten Kezer, den Gutmann bey sich beherbergen müssen? Im Gegentheil, versetzte der Amtmann, es würde mir leid seyn, wenn ich ihn verlieren sollte. Es ist zwar wahr, daß er sich manchmal ein wenig in Amtssachen mischt, und armen Leuten auch gegen meine Sprüche rathet und Schriften macht. Aber sonst ist er ruhig, immer fröhlichen Gemüths, und von guter Unterhaltung. Er zahlt alles bey mir für Kost und Wasche ordentlich. Meinen kleinen Buben hat er mir aus Spaß französisch gelehrt, und die biblische Geschichte nebst andern Historien so artig und spielend beygebracht, daß die kleine Kröte manchmal wol gar mehr weiß, als ich. Lieber Herr Bruder, da hättest du sehen sollen, wie sich das Gesicht des Dechants auf einmal verfinsterte. Es war wie ein Aprilsturm. Doch hat er sich nicht getraut ein Wort dagegen zu sagen. Ein Unglück aber für mich ist es gewesen, daß der Amtmann mich zum Zeugen des Gutmanns Wohlthätigkeit nahm, und sagte: Der Herr Pfarrer kann es am besten bekräftigen, weil er seit einigen Wochen mit ihm einen fleißigen Umgang hat. Ich winkte dem Amtmann, und wurde blaß. Der Amtmann verstummete – und der Dechant ward feuerroth. Er trank noch ein halbdutzend Gläser in der Geschwindigkeit nach einander, stund auf, entschuldigte sich gegen den Amtmann wegen noch aufhabenden Visitationsgeschäften, und lief in sein Zimmer. Sobald er den Amtmann die Treppe hinabgehen hörte, hat er mich zu sich gerufen; und da gieng der Tanz an. So, sagte er: Also ist das die Frucht meiner dem Herrn Pfarrer letzthin gegebenen väterlichen Ermahnung, daß er jetzt gar mit dem Erzfeind der Geistlichkeit, mit dem heillosen alten Spötter, dem Gutmann, Gemeinschaft und Umgang pfleget, und damit seine Seele muthwillig dem Teufel schiken will? Aber das soll mir in meinem nächsten Bericht die Curia wissen. Dann kann er brav Exercitia machen, und vielleicht gar um die Pfarrey kommen. Admonitionem salutarem hat er schon durch mich bekommen, nun kommt die Correctio episcopalis, und dann Mutatio. Mich dauert seine liebe Mutter; aber es ist aus, hier kann er nicht bleiben. Ich ließ ihn vertoben, und dann sagte ich: Ew. Hochw. haben ja selbst befohlen, ich soll noch einmal zu dem Gutmann gehen, und ihn auszunehmen suchen, wie und was er denke. Das habe ich gethan; und weil der Mann etwas weitläufig schwatzt, auch oft von kleinen Geschäften, oder Gesundheitsmängeln unterbrochen wird, so habe ich auf einmal mit ihm nicht ausreden können. Dieses hat einen zweyten, und dann noch einige Besuche erfodert. Ich darf aber auf meine Priesterschaft versichern, daß ich noch nichts anders als einen weltlichen tugendsamen Mann an ihm gefunden, der unter der Geistlichkeit einen grossen Unterschied zu machen weiß; und wann er schon für die Bettelmönche nicht gar vertrauensvoll eingenommen zu seyn scheint, so hat er mir doch insbesondere E. Hochwürden als einen gescheiden, gelehrten, einsichtlichen und aller Hochachtung werthen Mann angepriesen; er wundert sich nur, daß man sie so lange in dem kleinen Städtgen lasse, und nicht schon mit einem Canonicat an den Hof zum geistlichen Gericht berufen habe. – Gott verzeihe mir meine Nothlüge! Aber sie that ihre Wirkung – Mein Herr Dechant wurde sanftmüthiger. Ich mußte ihm mehr denn sechsmal das nämliche wiederholen. Und er selbst war so überzeugt, daß Herr Gutmann recht habe, daß er endlich gestund, es nehme ihn Wunder, warum man bey Hof nicht eben so denke. Mit einem Wort, das Ungewitter gieng für dießmal glücklich vorüber. Ja er wollte endlich gar, ich sollte mit ihm zum Gutmann gehen; er müsse den ehrlichen Mann näher kennen lernen, der ihm Gerechtigkeit wiederfahren lasse. Du kannst dir leicht vorstellen, wie unaussprechlich bange mir bey einem so unerwarteten Entschluß geworden ist; ich konnte nicht anderst, meine Zuflucht mußte ich zu einer andern Lüge nehmen. Ich fieng daher an, ihm vorzustellen, wie übel es sich schicken würde, wenn der Herr Dechant dem Gutmann den ersten Besuch geben wollte; alle Leute im Dorf würden glauben, er gienge zum Amtmann, und das könne zuletzt ein Präjuditz für die nachfolgende Visitationen werden. Zudem sey der Herr Gutmann nicht wol auf, und es könnte gar leicht geschehen, daß er den Besuch anzunehmen ausser Stand wäre; dieses könnte sich seine Hochwürden nicht anderst als zum Schimpf rechnen. Ich setzte bey, er habe mir selbst gesagt, sein erster Ausgang in die Stadt soll zu dem Herrn Dechant seyn. Endlich gestund ich gar, daß der Wein, der seiner Hochwürden so gut geschmeckt, ein Geschenk von Herr Gutmann sey. Gott lob! Damit war alles gut. Er entließ mich in Gnaden, sagte, er müsse schreiben, und glaublich hat er eine Stunde im Sessel verdaut.

Um 5. Uhr ließ er den Schulmeister rufen. Ich muß dir sagen, lieber Herr Bruder, daß aus meinem in des Dechants Zimmer ein kleines Fenster gehet; das hatte ich mit einem Bild überhängt; und da konnte ich ungesehen alle Worte hören. Nun, wie geht es, Schulmeister, war die Anrede? Ganz gut ihr Hochw. Excellenz. Wie seyd ihr mit euerm Pfarrer zufrieden? Sehr wohl, er ist ein wakerer fleißiger und guter Herr. Vergiebt er nichts von seinem Pfarr einkommen, Juribus stolae, oder sonst am kleinen Gras oder Obstzehenden? Ich weiß nichts, als daß er den armen Leuten im Dorf umsonst tauft, und manchmal auch umsonst begräbt; hernach wenn ihn ein nothdürftiger Unterthan, der Futtermangel und doch Kühe und Kinder hat, anspricht, ihm den Graszehenden schenkt, im Obst aber nimmt, was man ihm bringt. Ey, das ist nicht recht; er ist halt noch ein junger unhauslicher Mensch; das will ich abstellen. Wie viel Kinder habt denn ihr, Schulmeister? Fünfe, wann mir sie Gott behütet; das älteste Mägden, von achtzehen Jahren, dient im Amtshaus; ein Bub von sechzehn lernt das Schusterhandwerk; der zweyte von vierzehn wird ein Schreiner; dann habe ich noch ein Mädchen von zwölf, und einen Buben von neun Jahren. Laßt ihr keinen studiren? So viel als ich weiß lerne ich sie selbst, und dann thue ich sie zu einem Handwerk. Aber warum? Euer Hochw. Excellenz können leicht ermessen, daß mein Einkommen nicht groß ist. Zum Studieren gehört Geld. Darnach laufen so viele Juristen in der Welt umher die kein Brod bekommen, weil sie wenig haben lernen wollen oder können. Die geistliche Versorgungen, Pfarreyen und dergleichen sind auch rar; und dann, wann so etwas auskömmt, so läuft man duzendweis darnach. Ich habe keine angesehene Freunde und kein Geld. Ich denke also, es sey für ein Kind armer Eltern besser besorgt, wenn es ein ganzer Handwerksmann, als wann es nur ein Achtelsgelehrter werde. Um 30. fl. nimmt es jeder Meister in die Lehr, und um 30. fl. kauft man wenig Lateinisch. Unser Schulz hat mir vor wenig Tagen mit weinenden Augen geklagt, daß ihn sein Sohn schon über 300. fl. koste, und daß er Haab und Gut bey der Gemeinde verpfänden müsse um ihm einen Titul zu verschaffen; jetzt könne er halt ein bisgen Meß lesen, und müsse fast wie ein Mezger von Haus zu Haus betteln bis er 20. kr. zu verdienen bekomme. Ihr seyd ein Geck, sagte der Dechant. Gott hat den Menschen zu einer grössern Vollkommenheit erschaffen. Da nun der geistliche Stand, wie ein jeder weiß, weit vollkommener als der weltliche ist, so sind alle Leute verbunden, wenigstens eines ihrer Kinder dem allmächtigen Schöpfer Himmels und der Erden wieder zu opfern. Freylich sehet ihr an mir das Exempel, daß man gelehrter als andere seyn muß, wenn man so hoch steigen will; aber eben darum, weil der barmherzige Gott für alle seine wahre Diener sorgen wollte, und doch nicht jeder den Kopf zum Studiren oder die Mittel hat, so ließ er durch H. H. Leute die Orden stiften. – Mit 100. Thlr. könnt ihr einen Sohn, wenn er stark und gesund ist, zu den Franciscanern oder Capucinern bringen; da ist er auf sein Lebenlang versorgt und ein Herr. Mein Schulmeister blieb ein wenig still. Hä, Schulmeister, was wollt ihr darauf antworten, rufte der Dechant. – Ich kenne ihn, und war also überaus begierig auf seine Antwort. Er hustete, reisperte sich und sprach ziemlich lebhaft: Wann ich einen Bettler haben will, so brauche ich gar nichts an ein Kind zu wenden. Euer Hochw. Excellenz nehmen es mir nicht übel, aber ich bin hie gebohren und erzogen: Wann die Herrn Terminanten kommen, so muß ich oft mit ihnen in den Häusern herumgehen, oder, was sie dem Bauern abgezwungen haben, abholen und in den Pfarrhof tragen; da weiß ich am besten wie hart es bey den Bauern hergehet. Sie geben wohl weil sie müssen; der eine aus Scham, der andere um sich reich zu stellen, der dritte weil seine Frau eine Betschwester vom dritten Orden ist; und einige aus Leichtgläubigkeit, weil der Pater Terminant den Himmel verspricht, oder mit der Hölle drohet, und der arme Mann sich für den losen Mäulern oder gar dem Vorwurf im Wirthshaus fürchtet. Aber Gott weiß es, wie manchem zu Muth ist, wenn gerade nach dem terminirenden Geistlichen der Presser in das Haus kömmt, und noch ein Stück Hausrath zu Bezahlung der herrschaftlichen Abgaben wegnimmt, da just zuvor der Pater so viel gebettelt als zur Zahlung des Pressers nöthig gewesen. Ich thue deßwegen den H. H. Orden nicht zu viel, sagte er; sie sind mir liebe Männer und fromme Herren; weil sie nichts haben so müssen sie betteln. Wir werden gelehret, das, was man ihnen giebt, sey Gott selbsten geschenkt. Ich gebe ihnen auch: Aber wann ich nicht viel im Haus habe, und selbst mit meinen Kindern trocken Brod essen muß, so lang meine Kuhe keine Milch giebt, da muß ich am besten wissen, ihr Hochw. Excellenz, wie schwer es mich ankomme Schmalz beym Krämer auf Borg zu holen, damit die Herren Franciscaner eine fette Suppe essen können. Für andere Leute habe ich nicht zu sorgen. Ich denke aber ein für allemal, von meinen Kindern soll, so lange sie gerade Glieder haben, keines betteln, und, weil ich kein Geld habe, keines studiren. – – Der Dechant hatte Mühe den Mann ausreden zu lassen. Allein, da just der Amtmann auf ein Abendspiel wieder kam, so wurde dem Schulmeister eine derbe Lauge verhütet.

Uebrigens gieng den Abend noch vollends alles gut, und man legte sich zeitlich zu Bette.

Mittwochs nach der Meß kam der Dechant unvermuthet in mein Zimmer, und verlangte meine Bücher zu sehen. Ich entschuldigte mich mit meiner Armuth, die mir nicht erlaube etwas gutes anzukaufen; und wenn ich auch Geld hätte, sagte ich, so wüßte ich nicht was es eigentlich für rechte taugliche Bücher in der Welt zu meiner Seelsorge gäbe. Das hat nichts zu bedeuten, sagte er, es ist mir lieber er habe wenig als viel – Und damit machte er meinen Schrank auf. Die ersten viere, die ihm in die Hände kamen, waren Judas der Erzschelm von P. Abraham. Gut, sagt er; das sehe ich gerne; das Werk ist geistreich und späßig; solche Predigten machen die Bauern aufmerksam, und man kann auch oft in Gesellschaft gute Gedanken anbringen und Ehre machen. Ich selbst kann ihn gewiß halb auswendig. Dann fand er Conciones Dominicales P. Iustini, Carmelitae, und die christliche Wahrheiten des Jesuiten Brean. Mit denen, ob er sie gleich nicht kannte, war er sowohl als mit P. Neumeyer, Sebast. Seiler, meinem Busenbaum, dem Firmamento veritatis des P. Katzenbergers und des Cartheusser Rossel Praxi deponendi conscientiam wohl zufrieden. Das waren nun meine eigene Bücher alle. Aber was wollte ich darum gegeben haben, wenn ich die andere hätte zudecken können: Es stunden etliche da, die mir Herr Gutmann geliehen. Es nahm das erste; es war ein Band von den Werken des Hrn. Bossuet. Was sagt er, da ist ja ein Franzos! Ich antwortete demüthig, ja, ich hätte es von dem Herrn Gutmann mit nach Hause genommen. – und dieses, fragt er: Nämlich ein Band von Fleury Kirchengeschichte. Es gehöret auch dem Herrn. Und, dieses? Es waren drey Theile vom P. Bourdalone. – Sie sind nicht weniger Herr Gutmann zugehörig. – Da haben wir es, sagte er. Höre er, Herr Pfarrer, ich will glauben, daß der Gutmann meine Meriten erkenne; warum, ich bin bekannt, und man müßte dumm seyn wann man anderst dächte. Nicht daß ich mich rühmen will. Aber ich halte doch den alten Mann in der Haut nichts nutz. Ich sehe es am deutlichsten aus den Büchern, die er ihm gegeben. Wann die Pursche da wahrcatholisch hätten schreiben wollen, so hätten sie ja deutsch geschrieben. Sehe er, mein l. Herr Pfarrer, die Franzosen sind allezeit Feinde der deutschen Nation gewesen; sie haben mich im Vierzigerkrieg auch ex odio religionis hart mitgenommen. Ihre Feldpatres hatten gepuderte Haare, und, weil sie das Concilium Tridentium nicht angenommen, so heißt man sie Jansenisten; freylich Schanzenisten; man sollte sie alle auf die Schanz thun können. Haben sie nicht die Jesuiten verjagt? Ex ungue leonem. Gebe er gleich die Bücher zurück. Es ist ein Unglück für ihn, daß er französisch versteht. In so Büchern steckt verborgenes Gift. Das heißt nichts. Wie heißt denn dieses, fragte er? Ich sagte, es wäre die wahre Andacht eines Christen von Muratori, auf deutsch übersetzt. Ja das ist eben recht. Ich habe gehöret, Gott habe ihn mit Blindheit an beyden Augen gestrafet, weil er für den Kaiser gegen den Pabst geschrieben, und in allen seinen Büchern gegen die Ketzer kein einziges Schimpfwort gebraucht. Das wird rar catholisch seyn. Hat er noch mehr etwas vom Gutmann? Nein Ew. Hochwürden. Nun heute noch schicke er ihm all das Zeug wieder. Und wann er sich doch etwas anschaffen will, so lasse er sich den Ritter von Bandel von der Post kommen. Der Mann ist ein wahres Zeughaus von catholischer Gelehrtheit. Es macht auch Spaß, aber es ist mit lauter Narreteyen die schönste Controvers. Und wenn sich nur ein Ketzer regt, so hat er gleich eines recht grob auf die Nase. Man muß manchmal für Lachen schier bersten, und gleich darauf wieder citiert er so gründlich, daß man für Anmuth weinen möchte. Hört ers, den bestell er sich; er ist für ein Jahr nicht theuer. Sehe er, da hat er ein Stück davon. Er zog eines aus der Tasche; das las [les ?] er: Ich habe zwar, fügt er bey, heute Morgen ein Blat davon verbraucht, aber er kann doch an dem Ueberrest noch den Geschmack des Mannes sehen.

Was ist denn das für ein geschriebener Zettel, fragte er, der da an die Schrankthür genagelt ist? Es sind Titel von Büchern, die ich gerne nach und nach anschaffen möchte, wann uns Gott Leben und gute Jahre verleihet. Laß er mich das Ding lesen, sagte er. Van Espen, Jus Ecclesiasticum. Der ist nicht rein. Der Pater Lector von E** versichert mich, daß der Mann in Rom nicht wol angesehen sey. Summa Conciliorum von Ludovico Bail. Was Beil? Das ist ein Kerl der ärger geschrieben hat als der Teufel selbst. Er soll ein Dictionarium für die Schulen in Holland herausgegeben haben; da müssen alle Wörter kezerisch seyn; denn er ist zu Rom verboten. Hiffenwetter Dialogi apologetici pro statu Petrino seu ecclesiastico. Laß er das Ding weg; ich sehe das ist gegen einen Jesuiter geschrieben. Herr Pfarrer, er hat so gut bey den Jesuiten als ich studiert. Ein Vogel muß nicht in sein eigen Nest machen. Cabassutius Notitita ecclesiastica. Der Name gefällt mir nicht. Was will er mit dem Gezeugs machen? Geographisch Wörterbuch, Historisch Wörterbuch, Haushaltungslexicon. Mein, wer hat ihm die Narrenteyen in den Kopf gesetzt? Ich bitte ihn, nicht gescheider als andere ehrliche Leute werden zu wollen. Wer weit fragt, geht weit um. Selig sind die Einfältigen im Geist. Wenn man in das verfluchte Lesen kömmt, da grübelt man nach. Und der Teufel streut immer Unkraut darunter. Wir lesen nicht, daß Christus der Herr, der die ewige Weisheit gewesen, eine Bibliothek mitgeschleppt; und von den Aposteln hat auch keiner in Buchläden eingekehet. Im Gegentheil sehen wir, daß sie immer gegen die Schriftgelehrte geschmähet haben; zum Zeichen, daß schon damals allerhand verbotenes Gezeug mit kezerischen Propositionen muß gedruckt worden seyn. Spare er das Geld für ein sauber Kleid, oder ein gut Glas Wein. Ein Pfarrer bekömmt doch immer gute Freunde, die ihn besuchen; und da muß man seinem Stand doch Ehre machen. Glaube er mir, ich meine es gut, und weiß was für ihn taugt.

Als er mir eben noch einen Haufen Lehrstücke geben wollte, wurde vom Schulmeister gemeldet, daß der P. Guardian und P. Fulgentius von E** angekommen seyn, um Ihro Hochw. Excellenz aufzuwarten. Ich versperrte geschwind meinen Schrank, und steckte den Schlüssel tief in Sack. Der Dechant gieng in sein Zimmer, und die Herren P. P. wurden von mir zu ihm begleitet. Bey dem Eingang bükten sich beyde P. P. so tief, daß ich glaubte, sie würden den Herrn Dechant wie einen H. Leib verehren. Der Guardian führte das Wort, und schäzte sich überaus glücklich, wieder einmal die hohe Ehre zu haben, seine Hochw. Zu sehen. Er schwazte von der demüthigen Aufwartung und schuldigen Hochachtung, und empfahl sich und sein armes Klösterlein zur alles vermögenden Protection. Ich habe in meinem Leben nicht so viel und so tiefgebeugte Complimente gehört. Der Dechant versicherte sie seiner Wohlmeinung, und versprach bey allen Gelegenheiten ihrer eingedenk zu seyn. P. Fulgentius hatte ihm zwar auch das H. Meßopfer offerirt; aber, da der Dechant schon gelesen hatte, so gieng der Franciscaner allein in die Kirche. Ich ließ die Herren beysammen, und gieng in mein Zimmer an das bedeckte Fenster. Da hörete ich allerley Neuigkeiten.

Er ist noch ein junger Mann, sagte der Dechant; (das war von mir gesprochen) er weiß noch nicht viel, aber er ist doch fromm und gehorsam. Ja, sagte der Guardian; doch habe ich gehört, daß er nun schon mehrere Tage hinter einander bey dem alten Gutmann gewesen. Ich warne deßwegen euer Magnificenz Noscitur ex socio. Man gehet selten mit einem rußigen Kessel um ohne sich zu beschmüzen. Des Herrn Amtmanns alten Kindsmagd habe ich zwar durch ihren Beichtvater, den P. Benignus, befehlen lassen, ein wenig Acht auf beyder Umgang zu haben; aber bis jezo hat sie noch gar nichts referiren können. Das Mensch sagt, es lägen immer Bücher auf dem Tisch, und der Herr Pfarrer schriebe dann und wann etwas in sein Taschenbuch; wenn sie aber in das Zimmer trette, so redeten gleich beyde französisch. Ich weiß nicht was daran ist; allein diese Magd, wir haben sie in die Gürtel=Brüderschaft aufgenommen, behauptet, es gehe bey dem Gutmann nicht richtig her. Sie habe in der Wallburgisnacht, kurz vor 12. Uhr, den alten Kerl das Fenster aufmachen gehöret; gleich darauf seye es nicht anderst gewesen, als wann in seinem Zimmer der böse Feind rumore. Es wäre ein Sessel gefallen und das Nachtlicht ausgelöscht. Sie habe darauf aus ihrem goldenen Himmelsschlüssel das Gebet, das man zur Beschwörung des Ungewitters gebraucht, andächtig gesprochen, weil es auch kräftig gegen die Hexen eingerichtet ist; und da sie, wie es dabey vorgeschrieben ist, in die Luft Weyhwasser gesprüzet, so glaubte sie damit verhütet zu haben, daß der Gutmann nicht habe ausfahren können. Denn als sie noch vor 5. Uhr Morgens ihm Feuer angemacht, habe sie ihn deutlich reuspern hören. Aber ganz verstört sey sie gewesen, wie sie ihm das Theewasser gebracht; und weilen sie auf die Kohlen mit Fleiß ein wenig Hexenrauch geworffen, so habe der Alte sich sehr über Gestank beklägt, und gleich alle Fenster aufmachen lassen. Die stärkste Probe ist, sagte er, daß, als das Mensch, auf ihres Beichtvaters Geheiß, ihm bey seinem letzten Anfall des Zipperleins heimlich ein Amulet unter das Kopfkissen geleget, er die ganze Nacht nicht ruhen können, sondern beständig schlaflos gewinselt hat. Ja, sagte der Dechant, das kann wohl seyn; aber ohne stärkern Anlaß kann ich ihn nicht deferieren. Es ist Schade um den Mann; denn wie ich höre, so hat er doch ein gutes Judicum. Er weiß die Leute nach ihrem Verstand zu schätzen, und er soll wirklich von Männern meinesgleichen nicht ohne Grund urtheilen. Referendissime Domine, ne credas! erwiederte der Guardian. Ich darf meinen Autoren nicht nennen, aber er hält uns alle für Esel. Das mag er wol für sie denken, versetzte der Dechant. Aber ich weiß doch, daß er vollkommen wohl unterrichtet ist, daß er etwas weiß; und wenn sie so sprechen wollen, Herr Pater, so bitte ich sie zu glauben, daß ich nicht mit zu der Gesellschaft des H. Antonii gehöre. Behalten sie den Esel für sich. Ey, sprach der Guardian, an der besondern Gelehrtheit von eurer Magnificenz kann freylich niemand zweifeln, wer nur jemal das Glück gehabt hat, eine einzige Predigt von ihnen zu hören; aber so ein Feind der Geistlichkeit, wie Gutmann, macht Distinctionen. Er denkt für dieselbe wohl, in so viel er sie als noch einen Gelehrten betrachtet; allein abstractive, qua Geistlichen und Priester, nego. Denen allen ist er spinnenfeind, quod probo. Er hat letzhin einen Bauern, der eingethürmet worden, weil er dem Amtmann 1. fl. Straf nicht erlegen konnte, trocken in das Gesicht gesagt; »Er hätte ja das Kalb, das er uns, zu Ehren des H. Vaters Francisci, aufziehen muß, verkaufen, und sich damit einstweilen helfen können. Die Franciscaner dürften kein Eigentum haben; wir hätten es also nicht zurückfodern und er uns einmal ein anders geben können.« Quasi vero, als wann so ein Bauer nicht lieber 4. Wochen im Thurm bleiben, als der Religion seinen Gehorsam zu bezeigen sich weigern soll. Das ist endlich wahr, sagte der Dechant; der Mann hat, als ein Syncretist betrachtet, teuflische Principia. Wissen sie was? Lassen sie ihm weiter nachspüren; wenn ich ihn auf dem mindesten Fehltritt gegen unsere Hierarchie ertappe, so soll er seines Elendes kein Ende wissen. Aber genug hiervon.

Was macht denn mein Confrater, der Dechant von O**? Sie wissen, daß mir der Mann von Herzen zuwider ist. Er bleibt der alte, antwortete der Guardian. Hoffart und aufgeblasene Dummheit sind seine Tugenden. Ich schickte letzthin den P. Damasus auf den Termin in seine Pfarrey. Meynen sie, daß er ihn über Nacht behalten? Ey bey Leide nicht. Die Köchin sagte gleich, es wären ihre Better alle, wegen der Durchreise der Dauphine, zu G** weggeliehen, und noch nicht wieder heimgegeben worden. Das war aber nicht wahr; denn wir haben uns erkundiget. Allein der Mann kann noch in ein grosses Labyrinth kommen. Des Schultheissen Frau kömmt oft in den Pfarrhof. Sie ist schwanger. Ihr Mann ist vor einiger Zeit nach Wien in das W*** gefahren. Ich habe ihr den Tag aufgeschrieben, und will ihr gewiß nachrechnen. Ihre Nachbarin hat mir gesagt, die Schultheissin grüsse allemal den Herrn Dechant so freundlich, und man sehe wohl, daß sie Schuld daran sey, daß das Dorf nicht gepflastert werde, damit sie Ursache habe über den Kirchhof heimzugehen, wann sie vom Garten kömmt. Man soll von keinem Menschen übel richten; aber, das sind schwere Judicia .... Wissen euer Magnificenz schon, was vor drey Wochen im Schloß zu M** paßiert. Der gnädige Herr, der bekanntlich des Jägers Frau gerne siehet, hat die gnädige Frau, die ihn auf dem Heustok erwischen wollen, erbärmlich geprügelt. Sie ist darauf in die Stadt gefahren, und hat sich zu dem sardinischen Lieutenant in Sicherheit gegeben, mit dem sie ihr Herr immer vexirt. Ich habe unserm Bruder Dismas, dessen Schwester in der Schloßküche dienet, aufgegeben, mir von der ganzen Sache genaue Nachricht zu verschaffen. – Der Amtmann von S** wird nächstens den Abschied bekommen. Er hat seinem gnädigen Herrn Geld schaffen sollen; und da fand sichs, daß er vielmehr einen guten Freund gewarnet nichts herzuleihen, weil er nichts wieder bekomme. Wir haben es erfahren, und den gnädigen Herrn davon durch die dritte Hand benachrichtigen lassen. Der Amtmann ist ein böser Mann. Ehe er zu dem Dienst gekommen, hatten wir immer von der Dorfgemeinde jährlich zwey Klafter Holz. Der gottlose Mensch hat es abgestellt, und die Bauern darzu genöthiget, daß sie jezo das nämliche Holz dem Schulmeister geben, unter dem Vorwand, er sey schlecht besoldet, und man könne sonst keinen tüchtigen Menschen für die Jugend bekommen. Ich hoffe einen andern, der uns sehr gewogen ist, an seine Stelle zu bringen. Wir haben den Kammerdiener, der viel gilt, auf unserer Seite; und da muß die Sache gehen.... Vom Hof höret man wunderliche Sachen. Der Regierungsrath G**, ein bekannter Freygeist, hat dem Fürsten ein Project in das Cabinet gegeben, welches von Verminderung der Klöster, und Verbesserung der Pfarreyen die ketzermäßigsten Sätze enthält. Der Fürst, wie denn so Herren sind, soll es sehr wol aufgenommen haben. Ecce den Finger des Allerhöchsten! Just mußte das Jubiläum kommen. Da bekam sein Beichtvater der P. V***, ein geschickter Jesuit, die Gelegenheit ihm in die Eisen zugehen; und es wurde unterdrückt. Ich habe durch einen geheimen Cancellisten, der einen Bruder in unserm Orden hat, eine Abschrift davon überkommen. Sub sigillo kann ich Euer Magnific. eröfnen, daß ich durch unsern P. Victorinus an einer Widerlegung arbeiten lasse. Ich habe ihm im Namen des P. Provincialis befehlen müssen, tapfer mit Ketzern und Excommunicationen um sich zu werfen. Wenigstens macht es beym Volk aufsehen und dem Fürsten einen üblen Namen. Jetzt sind wir mit aller Macht daran, den Regierungsrath wegzubeissen. Denn ich fürchte, er läßt nicht nach. Das Jubiläum ist vorbey; grosse Herren aber wankelmüthig. Daß aber sicher dieser Regierungsrath der Verfasser des gottlosen Projects sey, wissen wir von seiner Frau. P. Saltantius ist ihr Beichtvater, und weil sie eine Scrupulantin ist, muß er alle Wochen zwey oder dreymal bey ihr seyn. Der Regierungsrath siehet es gar nicht gerne. Und da muß man ihr das Gewissen ein wenig warm und orthodox halten. P. Fulgentius kam von der Kirche zurück; mithin unterbrach er das Gespräch.

Wir sind bald darauf zu Tische gegangen, wobey alle auf eine halbe Stunde die Sprache verloren hatten. Zwey Flaschen Margräfler belebten uns endlich wieder, und löseten uns die Zungen. P. Fultius fragte mich, ob der verstorbene Pfarrer, mein Vorfahrer, sich noch mit seinem Gepolter dann und wann im Haus hören ließ? Ich sagte, Nein: Es wäre mir auch leid, daß ich mich durch das einfältige und boshafte Geschwätz einer Nachbarin verleiten lassen, zu glauben, daß der selige Mann zum Gespenst worden sey, da ich doch seit mehrern Wochen nun durch meine Augen und Ohren überzeugt sey, daß der Lermen von Mardern und Katzen hergekommen. Ich gestand, daß ich seiner Seele mein Jubiläum gewidmet, und nachher, als das Getappe doch nicht aufgehöret, selbst mehrere Stunden auf meiner Bühne gepasset, und endlich zweymal so glücklich gewesen, dem tollen Springen und Liebeshistorien dieser Thiere mit beyzuwohnen, mich aber damit von einem sehr sündlichen Argwohn zu befreyen. Dieser Ton gefiel meinen Franciscanern nicht. Sie sahen den Dechant an, als wollten sie um Erlaubniß bitten, mich auf den rechten Weg zu weisen. Endlich sagte der P. Fulgentius: Euer Ehrwürden sind seit kurzem zu seltsamen Begriffen gekommen; es scheint fast, als wollten Sie die Gespenster läugnen! Ich antwortete, nein; aber ich glaube doch, daß man nicht so leichtsinnig alle Mährlein zu Evangelien machen, und manches ehrlichen Mannes Gedächtniß nach dem Tod noch verunglimpfen sollte. Das ist schon wahr, versetzte der Dechant: Allein man muß auch nicht gleich allzufreygebig mit dem Himmel seyn, sonst fällt man nach und nach auf ketzerische Irrthümer, und dann ist man mit dem Fegfeuer bald fertig. Ich versicherte, daß ich gewiß nicht daran zweifle; aber ich müsse zugleich gestehen, daß ich nicht mehr so leichtgläubig sey als ich es gewesen, seitdem mich meine Augen vor dem Betrug der Ohren gewarnet. Ich wisse, sagte ich, daß gar oft dergleichen Gespenster nur in dem Gehirn boshafter Leute erzeugt werden, und Ehrendiebstäle nach dem Tod blieben. Mehrere Beyspiele, die ich seit kurzem gehöret, hätten mich in meinem Urtheilen behutsamer gemacht und überwiesen, daß von 100. Gespenster- und Hexenhistorien 98. Unwahrheiten zu subtrahieren wären. Hier konnte sich der P. Guardian nicht mehr halten; er fuhr über mein keckes Geständniß mit lebhafter Hitze auf, bat den Dechant um Erlaubniß mich confundieren zu dörfen (so nennte er es); und da er den Capuz zweymal über den Kopf und wieder zurück geschupft, sagte er: Herr Pfarrer, da sind wirklich, Gott bewahre uns, teuflische Principia. Ich will es Ihnen probiren; denn was ich sage, muß Händ und Füsse haben. Ich bin zweymal Lector Philosophiae und auch zweymal Theologiae gewesen; vom Beichtstuhl will ich mich nicht rühmen, aber man darf nachfragen; und quoad Exorcismus & Benedictiones muß mir keiner gleich kommen. Nulli cedo. Haben Sie, fragte er, jemalen des R. P. Martini von Lochem [Cochem] Ablaßbuch am 5. 6. und 7ten Cap. gelesen? Ich sagte, nein! Nun so werden Sie doch dessen goldenen Himmelsschlüssel haben? Aus diesem lesen Sie (denn ich will mit Ihnen nicht von andern gelehrten Büchern unserer Ordensväter reden) nur das erste Capitel von den grausamen Peinen des Fegfeuers. Er sagt selbst, und ich hoffe, Sie werden ihm als einem Priester die Wahrheit nicht absprechen, zumalen das Buch cum Adprobatione & Censure ordinaria gedrukt, auch ein kaiserliches Privilegium dabey ist, daß die drey angeführte erschreckliche Historien keine Fabeln und erdichtete Mährlen, sondern glaubwürdige Exempel seyen, welche von einem vornehmen Geistlichen, wie auch dem Abbt Petro Cluniacense, und dann von dem andächtigen Dionysio Carthusiano, welcher 180. geistliche Bücher geschrieben, und viele Verzuckungen und Offenbarungen gehabt, als wahrhafte Geschichten verzeichnet worden. Und wenn Sie auch diesen seligen Männern nicht glauben wollten, so fragen sie nur den Ochsenwirth zu M*** was ich für Mühe gehabt, des Geist seines Schwiegervaters, der ein ganzes Jahr lang ihm durch sein Gepolter die Gäste aus dem Haus vertrieben hat, wegzubenediciren. Das war ein alter Schelm – Gott gebe ihm die ewig Ruh! Der mir viel zu schaffen gemacht hat. Anfänglich wollte der Wirth (wie halt die weltliche Leute sind) das Ding vertauschen; es kam aber durch seine Kinder an den Pfarrer. Aber der wußte schon, daß in dem Diöcesen=Benedictionale (ich verachte es darum nicht) keine kräftige Exorcismi stehen. Er machte seine Sache, so gut er es verstunde, daher und versprengte viel Weyhwasser. Ja, dachte ich, wie ich es hörte, Weyhwasser; da kann er gegen ein hartnäckiges Gespenst nicht viel ausrichten. Wir waren damals eben ein wenig auf einander erzürnet, weil er auf mein Ansprechen, dem H. Pater Francisco zu Ehren, nicht an den See fahren, und unsere terminirte Weine um Gottes willen nicht abholen wollte. Ich dachte aber gleich, du must mir doch kommen. Dictum, factum. Er lief zu den Capucinern; die gaben ihm Amuleten, Anastasiusköpfe und kleine Caravacakreuzlein. Da gieng das Gepolter erst recht an. Sein Vetter, der Jesuiter, schickte ihm geweyhte Ignatius- und Xaverius-Bilder, auch Ignatiuswasser. Aber wieder umsonst. Er versprach eine Wallfahrt zu der guten Beta [Berta ?]; er holete einen Carmeliter. Die kennen fast gar nichts, und wollten sich doch grosser Streiche ausgeben. Endlich da um sechs Uhr Abends die Magd nicht mehr in den Keller wollte, wenn er nicht den grossen Sohn mitschicke; da die Gäste sein Haus meideten; da kein Handwerkspursche mehr bey ihm einkehrte, und zwey Zünfte ihm die Herberge aufgesagt hatten, da kroch er zum Creuze, und bat flehentlich, wir möchten ihm helfen. Ich versagte ihm alles. Denn, sagte ich, er muß nun auch spüren, was es ist, wenn man unsern heil. Orden vor den Kopf stößt. Lasse er sich nun durch den Carmeliter, Jesuiter oder den Capuciner helfen; sie sind jünger in der Kirchenhierarchie als wir, vielleicht können sie mehr. Ich glaubte, daß ich es kurz sage, es sey gut, wenn er ein wenig geschohren werde; daß er wiederkommen müsse, wußte ich so. Den andern Tag schickte er gleich seinen Sohn mit der Fuhr an den See für uns, und Nachmittags ein Kalbsviertheil mit zehn Maaß Wein ins Kloster. Dieses machte mich weichherzig, obwohl der P. Desinitor nicht sogleich darein willigen und haben wollte, ich sollte ihm bis zur Wiederkunft des Weinwagens, das Gespenst auf dem Hals lassen. Ich gieng hin, und nahm, nebst einigen Ordinari=Exorcisinen, etwas Dreykönigswasser mit. Davon hat bekanntlich ein Tropfen mehr Kraft, als ein Eimer mit Kirchenweyhwasser; aber ich habe auch einen halben Tag Arbeit, bis ich es fertig bringe. An allen seinen Thüren fand ich C. +. M. +. B. +. Agatazettul, und die Capuciner- oder Jesuiter-Bilder, Creuzer von Osterkerzen und andere geweyhte Sächelchen, die alle zu leicht für seinen Schwiegervater waren. Ich ließ mir zeigen, wo eigentlich der Hauptaufenthalt des Gespensts sey. Das war ein Eck unter der Stiegen des zweyten Stockwerks. Wenn jemand bey der Nacht dort vorbey oder nur die erste Stiege hinauf gehen wollte, warf es, sagten die Leute, mit Steinen, Prügeln, und allerley Unflat; und; curios, der Magd, die ihre Kammer obenauf hatte, that es nichts. Nur in den Keller durfte sie Abends nicht allein hinabgehen. Ich ließ mir meine Kerzen anzünden, hängte den Stoll um, und fieng an. Da kam auf einmal ein Sturmwind, als wenn er das Haus über einen Haufen blasen wollte. Aber das war mir just recht: Nun dachte ich, ist der Geist in der Enge. Zweymal hat es dabey an einem alten Schrank entsetzlich gekracht. Und wie ich von meinem Dreykönigswasser nur mit einem geweyhten Palmzweig etwas an die Wände des Gangs spritzte, und das Oremus a domo etc. betete, so fuhr das eine Fenster mit einem erstaunlichen Wind auf. Da merkte ich gleich, daß der Geist seinen Abschied genommen habe. Und nachdem ich mit einem Stück eines seraphischen Stricks, welchen ein in fama sanctitatis bey uns verstorbener Pater getragen, das Fenster zugebunden, auch das Loch unter der Stiege, welches eine Gatterthür hatte, mit heiligem Wachs in forma crucis quasi versiegelt, so konnte ich den Ochsenwirth versichern, daß, wenn er noch einige heil. Messen bey uns am Antoniusaltar lesen lassen würde, sein Haus künftig frey wäre. Der Mann war sehr froh, und hat mir und meinem Socio wol aufgewartet, auch Tags darauf unserm geistlichen Vater ein schönes Almosen geschickt. Ich mußte noch, bis es Nacht worden, zu seinem Trost in dem Hause verweilen. Der Magd, die uns nach Haus leuchtete, sagte ich, sie soll mir am andern Morgen gleich melden, ob alles ruhig geblieben? Ecce, es war so. Ich habe das Mensch gefragt, wie es doch immer zugehe, daß das Gespenst sie allein mit Frieden lasse? Ach! Sagte sie, wie es in unserm Hause zugehet, können Euer Hochwürden nicht glauben. Mein Herr, der Wirth, ist als ein Metzger gewandert; da ist er viel mit lutherischen Leuten umgegangen, die haben ihm den Kopf verkehrt. Er kam aus der Fremde, schwängerte die Tochter vom Haus, seine noch lebende Frau; der alte Vater war gut, und gab sie ihm mit dem Hauswesen zur Ehe. Das sind nun schon fünf und zwanzig Jahre. Er hat nur den einzigen Sohn, der ein gar braver Mensch ist; dieser hat auch schon gewandert; wie er vor zwey Jahren wiederkam, da hätte er gleich die Wittib im Hecht heyrathen sollen. Ich war eben auch zum Ochsen in Dienst getreten. Er hat mir oft seine Noth geklagt. Das Gott erbarm. Es ist doch nicht recht, daß man den jungen Menschen hat zwingen wollen, eine alte Frau zu heyrathen, die seine Mutter seyn könnte. Ich habe ihn so viel getröstet, als mir möglich gewesen, aber ganz in der Stille. Denn Sie glauben nicht, wie meine Herrschaft fluchen und lermen kann, wenn sie den Sohn und mich mit einander reden sehen. Indessen fieng der Geist an zu poltern. Der Wirth und die Wirthin waren sehr furchtsam. Niemand als der Sohn hatte das Herz, des Abends die Stiege hinauf zu gehen. Ich selbst habe die ersten acht Tage in der Küche geschlafen. Aber, dachte ich, nun kömmt das Portiunculafest; da will ich für das Gespenst den Ablaß gewinnen. Kaum hatte ich den Gedanken gefaßt und meiner Frau gesagt, so ließ mich der Geist in Ruhe schlafen gehen. Und seither lermt er nur, wenn ich schon in meiner Kammer bin. Ich muß ihm also doch in etwas seine Pein vermindert haben. Zweymal hat er sich vor mir sehen lassen, und freundlich gelächelt. Er siehet ganz weiß aus, nur hat er beyde Hände und die Nase schwarz. Der Sohn sieht ihn oft; und wenn fremde Gäste im Haus übernachten, denn Bekannte kommen nicht mehr, so muß der Johannes im nämlichen Gang neben meiner Kammer schlafen; dann ist alles stille.

Enfin, nach meinem Exorcisimus war drey Tag Ruhe. Als aber der Sohn mit unserer Weinfuhr nach Hause gekommen, fieng in nämlicher Nacht das Gepolter wieder an. Et, quod mirandum, das Gespenst plagte und ängstigte auch die Magd, so daß sie andern Tags wie verhext aussahe. Ich wurde gerufen, überdachte alle Umstände, und beschloß im Wirthshaus zu übernachten. Ich holte mir einen Partikul de vestimento Smi Patris nostri, wiederholte mein Exorcismos, und alles blieb stille. Ich hatte mich mit der Stoll in einen Lehnsessel gesezt, den Weyhwedel in einer und mein Benedictionale in der andern Hand. Die die Stubenthür hatte ich gegen den Gang aufgelassen und alle Leute in ihr Zimmer gehen heissen. Mit dem Glockenstreich 12. Uhr hörete ich auf der Bühne ein gräßliches Geschlepp von Ketten und Rollen. Das Gespenst kam mit schweren Schritten die Stiege herab. Ich fieng an zu beschwören, blieb aber in meinem Sessel sitzen. Und, damit ich es kurz mache, kaum hatte ich El + Elodim + Sother + Athanatos + Tetragramaton + Behyros + ausgesprochen, so flog ein noch brennender Bogen Papier in das Zimmer – und der Geist war verschwunden. Ich faßte alle meine Courage zusammen und hob das Papier auf. Eine Seite war ganz überschrieben, in dem andern halben Bogen aber hatte das Gespenst seine brennende Hand eingedrukt. Ich habe es zu Haus und kann es stündlich aufweisen. Das geschriebene weiß ich auswendig. Es hieß: »Gelobt sey Jesus Christus. Alle gute Geister loben Gott den Herrn. Ich thue dem Hochw. Herr P. Guardian zu wissen, daß ich im Fegfeuer bin, und unaussprechlich viel leide. – Ursach warum? Weil ich mit hab haben wollen, daß der Johannes die Hechtwirthin heyrathen sollen, wegen ihrem Geld. Und weilen die Ehen im Himmel gemacht werden, und mein Enkelsohn nicht mit ihr glücklich worden wäre, und ich doch mit ihm gezankt, und oft gesagt, er müsse sie nehmen, und also ihr ungerechtes Gut wollte in meinem Haus haben, so muß ich jetzt leiden. Es kann mir aber geholfen werden, wenn mein Tochtermann 24. Messen am Antonius=Altar lesen läßt, und neun Diensttage haltet, und seinem Johannes ein armes Mädgen, das fromm ist, zur Frau giebt. Da sollen Euer Hochwürden, Morgen früh um 7. Uhr, alle Leute die im Hause seyn werden mit in die Kirche nehmen, und am Antonius=Altar Meß lesen, und, wenn sie den letzten Segen geben, wohl acht haben, wer nießet; und die soll der Johannes heyrathen. Zeugniß meine Hand, die eingebrannten fünf Finger!« Ich dachte, wer muß das seyn; habe aber keinem Menschen nichts davon gesagt. Die Leute nahm ich alle mit in die Kirche. Es waren zwey Nähemädgen und die zwey Mägde, nebst dem Wirth, seiner Frau und Sohn. Ich bin selbst begierig gewesen auf des Gericht Gottes, und einen so augenscheinlichen Fingerzeig der weisen Vorbestimmung catholischer Ehen im Himmel. Und siehe! Wie ich das letzte Creuz machte, fieng übernatürlicherweise die Magd Catharina an über zehnmal nacheinander zu niesen, daß man glaubte der der Kopf müsse ihr zerspringen. Nach der Meß nahm ich alle in die Michaels=Capelle, und eröfnete dem Wirth und den Umstehenden die ganze Sache. Die Magd wollte absolute nicht heyrathen, und sagte, sie habe die Keuschheit verlobt. Der Johannes wollte auch nicht daran; und der Wirth stuzte. Als ich ihnen aber zusprach, und aus göttlicher heiligen Schrift bewiesen, daß sie sich nach dem Willen des Himmels fügen müßten, und daß das Gelübde der Keuschheit in ein anderes, z. E. mit Einschreibung in unsere drey Orden, des Ehestandes ungeachtet, verwandelt werden könne, da gaben sie sich zufrieden. Der Geist blieb von Stund an aus. Sie wurden sechs Wochen darnach copulirt, leben recht vergnügt, und sind unsere besten Gutthäter. Und sehen Sie, das ist mir selbst begegnet, Herr Pfarrer! Wer will mir noch Gespenster läugnen?

Der Dechant, welcher ganz aufmerksam zugehöret hatte, bekräftigte die Sache als unläugbar; mit dem Beysatz, er habe sich in seiner Jugend auch mit Beschwörungen abgegeben, einen Teufel ganz allein, und noch einen in Compagnie mit dem verstorbnen P. Damasus ausgetrieben, auch gegen die Hexen ein Paar recht kräftige Segen gehabt. Es sey ihm aber durch eine alte Bestie, er kenne sie wohl, das Buch gestohlen worden. Und seitdem, wann Leute von ihm Hülfe begehrten, schike er sie zu denen P. P. Franciscanern. Unser einer, sagt er, mag sich mit dem Geschmeiß nicht verfeinden, und die Herren Patres haben wirklich geheime Zwingsegen die besser als des Cleri Secularis ihre sind. Ja freylich sind sie besser, sagte P. Fulgentius; per Privilegia Pontificia ist uns auch mehr Kraft beygelegt und übertragen worden. Wer kann z. E. Hexenpantöfelein machen als wir? Ich habe das Geheimniß davon recht glücklich durch einen Capuciner aus der fränkischen Provinz erschnappt, und seitdem, wie der P. Guardian weiß, rechte Wunderdinge damit gethan. Was ist das, fragte der Dechant? Da holete P. Fulgentius seinen Theck unter dem Ermel hervor, und wies uns kleine Stücklein Holz, recht artig wie ein Pantoffel geschnizelt, woran der Absaz von schwarzlechtem [schwarzpechtem] Wachs angeklebt war. Das, sagte er, ist die wahre Panacea Coelestis gegen alle Hexerey. Wenn alle Segen, Bilder, geweyhte Wasser fehlen, so darf ich nur in dem Zimmer oder Stall eines behexten Hauses, an einem Freytag, in Commemorationem Passionis & Stigmatum, mit einem neuen Bohrer, über der Thür und einem Fenster zwey Löcher machen, ein solches Pantöfelein hinein steken, die Löcher wieder mit Zapfen und Creuzdorn zuschlagen, und dann dem verhexten Menschen oder Vieh einen Lucaszettel im Dreykönigswasser eingeben, so ist mit einem einzigen Fugite partes adversae vollends alles geschehen. Gott Lob, es hat mir noch nie gefehlt, und das ganze Kloster weiß, daß wir dadurch schöne Almosen bekommen haben.

Es sind noch keine drey Wochen, fuhr er fort, da kam eine Frau in Kindsnoth. Ich mag sie nicht nennen; es ist aber eine junge Frau, die der Herr P. Guardian wohl kennet, und wovon wir vielleicht kaum gesprochen haben. Sie ist erst seit fünf Monaten copulirt; und da hätte sie noch nicht niederkommen, oder ein todtes Kind zur Welt bringen sollen. Sie war aber überaus dick, und man sahe, daß Leute die ihr Glück beneidet, ihr Malefitz beygebracht hatten. Die Hebamme war verlegen, und kein Mensch glaubte, daß sie ihr Leben durchbringen werde. Der P. Guardian ist nicht zu Hause gewesen; da liefen die Leute zu den Augustinern und holten einen Monica=Gürtel. Des Burgermeisters Frau schikte zugleich eine Christilänge und Loretohäublein, aber umsonst; denn weil die Frau in unserer Brüderschaft eingeschrieben ist, konnte ihr nichts aus andern Klöstern helfen. Endlich bin ich geholt worden. Kaum als ich ihr den Lucaszettul, in welchen ich ein wenig von meinem Hexenpantöflein abgeschabet hatte, eingegeben, so gebar sie ein grosses starkes Kind, so aussehend, als wenn sie es ganz ausgetragen hätte. Aber damit war es noch nicht genug. Das Kind hatte die rechte Hand fest zugeschlossen; und, wie man solche eröffnete, was fand man? Den nämlichen Lucaszettul ganz unversehrt, den ich der Mutter eingegeben hatte. O Mirabilia die in Creaturis dachte ich! Wenn ich nur ein halb Duzend Lutheraner bey Handen gehabt hätte, da wollte ich ja augenscheinlich ihnen die Wahrheit unserer alleinseligmachenden Religion bewiesen haben. Drey Miracul so zu sagen an einem Stiel. Alle Malefitz verschwunden – ein fünf Monat getragenes Kind vollkommen in einer Minute auswachsen – und den Lucaszettul in der Hand. Ich bezeuge es als Priester. Und die jungen Eheleute würden schwerlich so dankbar seyn, wenn es nicht wahr wäre. Sehen sie, sagte er, der Tabak, den ich schnupfe, und dieses Schnupftuch sind von ihnen; das sind lebendige Zeugen.

Es wurde noch lange von der Sache gesprochen, und den Ketzern der Proceß gemacht. Der Dechant sagte, er wäre begierig, dem alten Schurken, dem Gutmann, mit so einem augenscheinlichen Wunderwerk eins auf die Nase zugeben. Der Wein war aus – und wir stunden von Tisch auf, weil gottlob der Dechant nach Haus wollte, und P. Guardian vorher noch mit ihm allein zu sprechen verlangte. P. Fulgentius gieng in den Garten, und meine Curiosität trieb mich an mein Fensterlein. Es betraf aber nichts anders, als daß der Guardian dem Dechant eine Heyrath zwischen dem Amtschreiber von F** und seiner im Haus habenden Base vorschlug, und wegen des Heyrathguts in Unterhandlungen eingieng.

Eine halbe Stunde hernach marschirten die Herren Franciscaner, und ich begleitete meinen Herrn Visitatorem in des Amtmanns Chaise nach Haus. Unterwegs schlief er meistens; folglich war ich seiner Ermahnungen los. Er bezeugte mit meinem Tractament zufrieden zu seyn. Und ich bin es auch, wenn nur meine dabey gemachte Schulden bezahlt wären.

Lieber Herr Bruder, da hast du einen zweytägigen Bericht. Die Augenblicke des dritten Tags, welche ich mit meinem Brief an dich zugebracht, sind mir doch die vergnügtesten. Morgen gehe ich zum Gutmann. Er muß mir meinen Lügen und aus meiner Gäste Träumen helfen. Lebe=wohl! Deine silberne Löffel habe ich apart gepackt, und dem Boten die Lieferung zu eigenen Handen befohlen.


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