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Den 12. May. 1770.
Gleich den folgenden Tag war ich wieder bey meinem Hrn. Gutmann und erinnerte ihn seines Versprechens. Alles, was mir dieser Mann sagt, sind mir spanische Dörfer; und doch muß ich bekennen, daß ich in und an mir selbst die Wahrheit fühle. Freylich höre ich nicht allemal gerne, wann er mir so unverblümt den reinen Spiegel vorhält, worinnen ich meinen und vieler Mitcollegen Lebenslauf mit unsanften Farben gemahlet finde. Allein er macht mich aufmerksam bis zum Ende; und dann habe ich mir vorgenommen, seine Sätze die Musterung paßieren zu lassen. Für jezo sage ich noch nichts, sondern erzähle dir nur, Herr Bruder, was Gutmann spricht.
Sie wollen meine Gedanken, sagte er mir, über die Mönche und Religiosen wissen; ich muß von den Einsiedlern den Anfang machen. Der erste,
Fertur Paulus vitae, quam Eremitiam vocant, auctor esse. Sed haec videndi ratio diu ante hunc inter Christianos, immo diu ante Christum, in Egypto, Syria, India & Mesopotamia, usitatae fuit, & adhuc inter Mahumedanos non minus quam Christianos in his ficcis & artendibus terris usitata est.Fertur ... – der lateinische Text der folgenden Erläuterung Et Paul Lucas Voyages &c. 1714. Tom. V. p. 363.
von dem wir wissen, daß er in eine Einöde geflohen, um da in Betrachtungen und völliger Ergebung an himmlische Dinge der Welt abzusagen, war der heil. Paulus von Theben. Er wich von den Verfolgungen des Kaisers Decius um die Mitte des dritten Jahrhunderts. Sein Zeitgenosse und Vertrauter war der heil. Einsiedler Antonius. Ich habe von beyden nichts zu sagen, als daß ich mit vernünftigen catholischen Kirchenlehrern glaube, sie hätten durch Frömmigkeit und gutes Exempel mitten in der Welt mehr Nuzen schaffen können, als durch ein unbekanntes Leben in einer Wildniß. Diese beyde hatte keine in Gemeinschaft lebende Schüler; aber Pachomius, ein Lernjünger des Einsiedlers Palämon im vierten Säculo, war der erste bekannte Stifter, Obere und Führer des Klosters Tabennes am Ufer des Nils, und hat die Provinz Thebais wol mit 50000 Mönchen bevölkert. Seine Regul ist noch vorhanden. Von diesem entsprossen also die Cönobiten, und wurden von nun an Mönch (das war der Einsiedler) und Cönobit in eine Gattung zusammengegossen. Nach dem Sozomenus, im dritten B. seiner Kirchengeschichte, war der armenische Bischoff Eustathius auch ein grosser und eiferiger Beförderer des Mönchstandes. Doch wohnten noch alle in Klöstern, die von Städten entfernt und in Wildnissen gelegen waren. Basilius der Grosse aber, nachmalige Bischoff zu Cäsarea, welcher auf seiner Reise nach Egypten und Libien, als dem Vaterlande der Einsiedler=Mönche, an ihrer Zucht und Einrichtung Wohlgefallen fand, war der erste, der auch in Pontus und Cappadocien den Mönchstand einführte. Doch ist dabey zu merken, daß er sie in Städte und Dörfer zog. Sie waren aber noch gröstentheils Laien, sie mußten ihre Nahrung mit Arbeit erwerben, bettelten nicht, waren fromm und dienten der Geistlichkeit in Kirchenverrichtungen als Leute eines exemplarischen Lebens. Wenn sich einige darunter fanden, die durch besondere Eigenschaften oder Gelehrsamkeit verdienten unter die Geistlichkeit aufgenommen zu werden, so wurden sie dazu berufen und gewählet.
Diese bisdaher im Orient blühende Mönchschaft wurde endlich durch die H. H. Hieronymus und Athanasius in die Gegend um Rom gebracht, und von dannen mit der Zeit in den ganzen Occident ausgesäet. Es entstunden auch zugleich die Frauenklöster zu Rom selbsten, weil man das weibliche sich Gott widmende Geschlecht nicht im freyen Felde umwandern lassen wollte; und diesem Exempel folgten die Mönche. Der H. Martinius, Bischof von Tours, der von einem Kriegsmann ein Einsiedler und endlich Bischof und gallischer Apostel worden, bauete sich selbst mit 80. Mönchen ein Kloster. Die meiste Geistlichkeit richtete sich nach seinen Gesetzen; und, da er der erste Heilige gewesen, dessen Gedächtniß die lateinische Kirche öffentliche Ehre erwiesen, so ist sich gar leicht einzubilden, daß auch dieses dem Mönchstand schon einen grossen Vorschub gegeben. Was der H. Augustinius für ein fruchtbarer Stammvater gewesen, und daß er hauptsächlich den Mönchstand mit dem geistlichen verknüpfet, ist bekannt.
Gegen das Ende des 5ten Jahrhunderts wurde der H. Benedictus geboren. Seine zahlreiche Nachkommenschaft hat sich nachmals durch die von ihnen abgerissene Regul des H. Columbani gegen Ende des 6ten, und des H. Bernardus im 12ten Säc. in verschiedenen Zweigen des mächtigen Stamms also ausgebreitet, daß man, wenn der Erzählung des P. Cassinus in seinen Privilegiis Regularium zu trauen ist, vor den Zeiten des Costnitzer=Conciliums bereits 15074. berühmte Aebte, 18. Päbste, 184. Cardinäle, 1564. Erzbischöffe, 3512. Bischöffe, und 5559. Heilige aus diesem Orden gezählt haben soll. Ich habe nichts entgegen, setzte Herr Gutmann hinzu; denn wir können nicht läugnen, daß man in der Gelehrten Welt diesem Benedictiner=Orden eine Menge geschickter, vernünftiger Leute, und wohlgeschriebene Werke zu verdanken hat. Da diese Kloster fast allein in den barbarischen Unwissenheits=Zeiten vom 9ten bis 15ten Jahrhundert uns historische Nachrichten erhalten, auch zeithero in der Diplomatik grosses Licht angezündet, und noch wirklich hier und da darunter sehr wackere, vernünftige und denkende Männer im Verborgenen stecken.
Ich glaube, die Kirche Gottes hätte mit diesen ihre zahlreichen, und schon mit gar ansehnlichen geistlichen Gütern begabten geistlichen Hülfsvölkern gegen den Teufel und seinen Anhang genug haben können. Besonders weil um damalige Zeiten der römische Stuhl in der größten Macht und unumschränkten Gewalt gewesen, die leidige Creuzzüge anbey alle Länder von den Menschen entblößt hatten, und von gefährlichen Ketzereyen ausser den Albigensern nichts beträchtliches zu hören war. Allein das 13te Jahrhundert heckte ein mixtum Regularium genus, zu deutsch eine Mißgeburt, aus, die dem allmächtigen Gott mit einem theuern Eidschwur geloben mußten, nicht zu arbeiten, sondern gleich unnützen Hummeln des arbeitsamen Bienenstocks nur das verzehren zu helfen, was andere im Schweiß ihres Angesichts eintragen und erworben würden. Der Name, sagt P. Chassimus, würde diesem neuen Kinde aus dem Modo vitae quaerendae geschöpft; man hieß sie Mendicanten, Bettelmönche. Die Dominicaner, Franciscaner, Augustiner und Carmeliter wurden, seiner Sage nach, jene vier Hauptflüsse, welche aus dem Paradies der römischen Kirche ausgegangen sind, um die ganze Erdkugel mit dem Wasser der H. Wissenschaften und Tugenden zu befeuchten: Denn so nennet sie auch der Pabst Pius V. ein Dominicaner, als er Ao. 1568. noch sechs andere Orden, die Serviten, die Minder=Brüder, die Jesuiten, die Carmeliter=Barfüsser, Trinitarier etc. unter Bettelmönche, und zwar so viel es die Jesuiten betraf mit Unrecht, zählete. Es kann seyn, Herr Pfarrer, sagt er, daß diese H. Flüsse von Anfang, als sie noch unter die kleinen Bächlein zu rechnen gewesen, wie ein lauteres Brunnwasser dahergeflossen. Es hat sich aber nachher so viel Leimen und trüber Unflat mit dem hellen Bach vermischet, daß die anwachsende Ueberschwemmungen in Wahrheit unser ganzes so heilig als einfaches Christentum mit einem modernen Schlamm überzogen haben, und also die geistliche Erndte uns nun gar viel unschmackhafte Körner des Aberglaubens zur Seelenspeise geniessen läßt.
Die Augustiner- und Carmeliter-Orden sind nicht sonderlich zahlreich in Deutschland. Sie haben noch denn und wenn einen geschickten Mann; ich selbst kenne deren einige, die ich hochschätze. Die Dominicaner machen auch keinen gar grossen Haufen, und sind wegen ihrer ungeschliffenen, unwissenden und schwelgenden Lebensart nun bey uns in ziemlicher Verachtung. Serviten und Trinitarier kennet man hierzu Land kaum. Die Jesuiten gehören nur dem Namen nach, und dieses abusive in diese Bettelgemeinschaft; mithin zähle ich sie unter die Mönchenclasse. Aber Herr Pfarrer, die viele Legionen Franciscaner und Capuciner, welche unser Vaterland wie die Heuschreken überschwärmen, und den armen Landmann fast auffressen, diese möchte ich vermindert wissen. Sind sie (jedoch ihre priesterliche Würde in Ehren zu halten) in der menschlichen Gesellschaft eben das, was Ratten und Mäuse in der Arche Noe gewesen.
Fruges consumere nati.
Sie verzehren und verderben mehr als andere, und lassen aller Orten stinkende Spuren zurück.
Man darf nur auf die erste Zeiten ihrer Entstehung zurückgehen, und da lesen was die Kirchengeschichte uns erzählet, um zu sehen, was der blinde Enthusiasmus damaliger Zeiten für schnelle umsichgreifende und tiefe Wurzeln gefaßt. Ao. 1206. fiengen des H. Francisci seltsame Begeisterungen an. Vier Jahre nachher geselleten sich sieben andere ihm zu. Und als er Ao. 1219. bey Assiß, in Gegenwart seines guten Freundes des H. Dominiks, an Pfingsten ein General=Capitel versammlete, waren schon mehr als 5000. Brüder seines noch nicht bekräftigten Ordens beysammen. Sie campirten auf dem Felde. Die Städte Assiß, Perussa, Foligna, und Spoletto ernährten sie, und ein Haufen herbeygelaufenes Volk aus allen Ständen trugen alles mögliche bey, ihnen da Nöthigste anzuschaffen. Man glaubte unter ihnen ein rauhes büssendes Leben, innerliche Freude und Friede, die vollkommendste Unterwürfigkeit gegen ihren heil. Stifter, den engen und wahren Weg des Evangeliums, und die Ursache zu finden, warum es dem Reichen so schwer werde in den Himmel zu kommen. Allein, wie sehr auch der H. Franz in Gegenwart des Cardinals Hugolinus die Demuth predigte, und die Abweichung von der Regul als die künftige Abnahme des Ordens gleichsam weissagete, so waren doch schon mit Bruder Elias und Johannes, beyden Vorstehern von Toscana und Bononien, mehr andere dreiste genug, durch besagten Cardinal unter die Hand Francisco vorstellen zu lassen: Er möchte seine Brüder mit zu Rath ziehen, die mehr als er verstühnden und einer Regierung fähiger wären, da er nichts als ein einfältiger in Wissenschaften ganz unbewanderter Mann sey. Sie wollten man soll sich von den Reguln des H. Benedicts, Augustins und Basils nicht so weit durch eine ausserordentliche Strenge entfernen, und nicht besser scheinen wollen als ihre Väter gewesen. Man siehet hieraus, daß der Keim des künftigen Hoffahrts-und Abänderungengeist schon in den Erstlingen des Saamens heimlich gärete. Und obschon der H. Stifter damals sie mit der ihm von Gott gebotenen Einfalt, Demuth, und Schuldigkeit, mittelst ihrer Handlungen, wie er sagte, die Thorheit des Creuzes zu predigen, zur Ruhe, auch gar zur Unterwürfigkeit an die Bischöffe verwiesen, so ließ er doch durch Pabst Honorius, den 11. Jun. Des nämlichen Jahres, seine Stiftung bekräftigen. Und da dieser Pabst, von welchem Gerard Laricius, in summa Theologica sagt, daß er auch den Deutschen, die nach dem Tischgebet seine Gesundheit trinken würden, 60. Tage Ablaß verliehen habe, einen ziemlich übertriebenen Eifer für diese zu Stürmung der Höllenpforten gewidmete Recrouten gehabt haben muß, wie aus seinen sowohl für die Anhänger Francisci als Dominici ertheilten Bullen und Empfehlungen erhellet; auch sein Nachfolger Gregorius IV. welches eben der Card. Hugolinus gewesen, von dem ich ihnen eben als einem enthusiastischen Freund des H. Francisci gesprochen, den neuen Orden, zu offenbarem Abbruch aller andern Geistlichen, besonders der Bischöffe und Pfarrer, mit unbeschreiblich grossen Freyheiten und Ausnahmen begabt; so nimmt mich nicht Wunder, daß diese verzogene Neulinge übermüthig werden, und nach Verlauf kaum der ersten 20. Jahre so wol der gesammten Geistlichkeit zu vielfältigen Klagen Anlaß gegeben, als besonders unter sich in offenbare Streitigkeiten verfallen sind.
Lesen sie, Herr Pfarrer, die Klagen, welche der Clerus der deutschen Nation im Jahre 1479. geführet, und sie werden finden, daß ich ihnen nichts weis zu machen begehre. Sie beklagten sich ausdrücklich §. 23: Insuper Fratres menticantium obtinuerunt, & in dies obtinere nituntur diversa enormia, ac juri communi contraria privilegia exorbitantia, de obtinendis beneficiis etiam majoribus, & de regendo Ecclesias parochiales, ac alias curatas; & de ministrando simpliciter ecclesiastica Sacramenta, in praejudicium libertatis Saecularium Clericorum & rectorumparochialium Ecclesiarum fqq.Insuper ... – Obendrein behaupten die Bettelmönche gegenwärtig diverse Privilegien und damit verbundene Einnahmen, die ihnen, weil im Gegensatz zu den bischöflichen und pfarrbezirklichen Rechten, rechtmäßig nicht zustehen. (Leibnitz Cod. Juris Gent. Diplom. I. Part. p. 439.) Diese Streitigkeiten und Klagen der Geistlichkeit waren um so heftiger, als sie gerecht gewesen und selbst die H. H. Stifter dieser Orden ganz anders als ihre Nachfolger gedacht haben. Baronius auf das Jahr [1]676. N. sagt: »Daß die Mönche sich dem Gehorsam der Bischöffe durch ihre Freyheiten entzogen haben, seye nicht einmal dem H. Francisco angenehm gewesen; wohl aber dem Bruder Elias, welchen er einen Menschen nennet, der nicht divino spiritu, sed carnis prudentia beseelet worden seye.« Freylich sind diese gute Kinder den Verordnungen ihres H. Vaters nicht immer getreu geblieben. Er befahl bey dem General=Capitel 1219. ausdrücklich, und zwar per obedientiam, quod ubicunque sint, non audeant petere aliquam litteram in Curia Romana.per ... – für alle Zeiten, an allen Orten, nicht auf die Befehle der römischen Kurie zu hören Der H. Bernard ist in diesem Streit auch auf der Bischöffen Seite. Er schrieb an Eugenium III. ... quodque magis delendum inter Ecclesias inimicitias graves, perpetuaesque discordias ... und fährt fort: ... Tunc tibi licitum censeas, fuis Ecclesias mutilare membris, confundere ordinem, perturbare terminos, quos profuerunt Patres tui?quodque ... – jeder Orden strebt nach immer mehr Reichtum, was zu schwerer Feindschaft innerhalb der Kirche und letztlich zu ewiger Zwietracht führen wird ... sonst wird aus diesen Rechten, für die Kirche als Ganzes gesehen, eine große Rechtlosigkeit und Unordnung geschehen. Aber bey dem allem werden wir uns doch in Acht nehmen müssen, die Sache der Bischöffe gegen die Mönche mit gar zu grossem Eifer zu verfechten, sonst möchte auch mit uns in dem alten Styl gesprochen werden; hat ja Johannes Seresberiensis schon angemerket, daß sie gleich mit Feinden der Religion und Bestreitern der Wahrheit um sich werfen, wenn ihnen widersprochen wird.
Si eis obloqueris, religionis inimicus & veritatis diceris impugnator. Und dieses sagt er, nachdem er vorhero folgende Beschreibung von ihnen gemacht hat: Procedunt ulterius, ut quo sibi plure impune liceant, a jurisdictione omnium Ecclesiarum se ipsos eximunt, & efficiuntur Romanae Ecclesiae filii spirituales.Si ... – Dieser der Religion verderbliche Widerspruch und der Wahrheit feindlich gesinnter Kampf ... Wenn diese Verhältnisse weitere Fortschritte machen, wenn sie sich immer mehr ungestraft erlauben dürfen, wenn sie weiter von allen Pflichten ausgenommen werden, sind sie nicht mehr die geistigen Söhne der Römischen Kirche. Lib. VII. c. 21. de Nugis Curial.
Schon im Jahr 1243. finde ich einen heftigen Zank zwischen beyden Bettelorden, den Predigern der Dominicanern und den Minderbrüdern oder Franciscanern, aufgezeichnet. Ihre geschworne Demuth machte sie um die Ehre des Vorzugs und Ansehens streiten. Wir sind die erste, sagten die um drey Jahre früher vom päbstlichen Stuhl bekräftigte Dominicaner; wir tragen einen ehrbaren Habit; wir sind zum Predigtamt bestimmt, welches eine apostolische Verrichtung ist, und führen dieses Amts Namen als Prediger. Aber, antworteten die Franciscaner, wir haben Gott zu lieb eine strengere und demüthigere, mithin heiligere, Lebensart angenommen, weshalben man auch von euerm Orden zu dem unsrigen, als zu einer strengern Observanz, übergehen kann. Das wollten aber die Prediger nicht eingestehen. Sie gaben vor; Ihr gehet zwar barfuß und übel gekleidet, und mit Stricken umgürtet; aber das Fleischessen, auch sogar ausser dem Kloster, ist euch nicht so wie uns verboten. Ihr dörft besser, als wir, leben, u. s. w. Mattheus Paris, der diesen Zank beschreibet, sezet hinzu, daß diese Entzweyung eine grosse und der Kirche um so gefährlichere Aergernuß erweket habe, als beyde Theile gelehrte und den Studien gewidmete Leute gewesen.
Hören sie nur einmal Herr Pfarrer, sagte er, diesen Matthäum Paris, was er von den Bettelmönchen für eine Beschreibung macht: »Es ist betrübt, schreibt er, daß in einem viehundertjährigen Zeitverlauf der ganze Mönchorden nicht so viel von seiner Regul abgewichen, als dieser der erst seit 24. Jahren in Engelland sich festzusetzen angefangen. Ihre Gebäude erhöhen sie schon wie Paläste und erweitern sich täglich. Sie prangen darinnen mit unschätzbaren Kostbarkeiten, gegen die Armuth, die doch der Grundstein ihrer Gelübden ist. Sie sind sorgfältig den sterbenden Grossen und Reichen zu starkem Abbruch der wirklichen Seelsorger beyzustehen. Sie sind gewinnsüchtig und erpressen heimliche Vermächtnisse. Sie empfehlen nur ihren Orden, den sie allen andern vorzuziehen wissen, daß niemand mehr selig werden zu können glaubt, wenn er sich nicht unter die Gewissensführung der Prediger oder Minder=Brüder begeben. Sie bemühen sich Privilegien zu bekommen. Sie haben Eingang in den Rath der Könige und Grossen gefunden, sind deren Kammer- und Schatzmeister. Sie vermitteln die Heyrathen, und sind die Beytreiber der päbstlichen Erpressungen. Beissend und schmeichelnd sind sie in ihren Predigten, und entdecken die Geheimnisse der Beichten durch unschickliche Bussen. Sie verachten die längst durch die Kirche bekräftigte Orden des H. Benedicts und Augustins, da sie den ihrigen allen andern vorziehen. Die Cistertienser=Mönche schelten sie grob, bäurisch und halb weltlich; die Cluniacenser aber für hoffärtig und Epicuräer.« Man darf diesem M. Paris wohl auf sein Wort glauben. Denn ob er gleich selbst ein Benedictiner zu St. Alban in Engelland gewesen, so ist doch sein Zeugniß als eines Zeitgenossen und starken Eiferes für die Kirchenzucht ohne Verdacht eines übertriebnen Hasses. Sie können übrigens, Hr. Pfarrer, weil sie Französisch verstehen, in dem 17ten Band der Kirchengeschichte des Fleury das mehrere von der Ausartung der Bettelmönche, gleich nach den ersten Zeiten ihrer Erschaffung, lesen. Ich will ihnen das Buch mit nach Hause geben, und sie werden darinnen finden, daß sie sich zeithero nicht gebessert.
Alle Anfänge neuer Religionen, Orden und darzu gehörigen Kirchendiener, sind mit einem heftigen Verlangen in dieser Welt fromm, und in jener glücklich zu werden, begleitet gewesen. Es ist eine so allgemeine Wahrheit, daß sie sich auch auf die Heiden und sonstige politische Gesetzgeber erstreckt. Man wirft zwar den erstern eine Blindheit vor. Man sagt, sie hätten, statt dem wahren Gott zu dienen, dem Teufel geopfert. Ich nehme diesen Saz an, in so weit es die heil. Schrift und die Kirche mir gebietet; aber es kann doch auch mit dem was ich glaube ganz wohl bestehen. Die Heiden als Mitanfänger der Weltbevölkerung und Kinder der Menschen betrachtet, hatten alle das ihnen von Gott ertheilte grosse Geschenk der natürlichen Vernunft. Sie erkannten im Ursprung einen schöpfenden, einen erhaltenden Gott. Der weite oder kurze Umfang ihres Gesichtskreises bezeichnet ihnen die Werke der Allmacht. Ehe es Gott gefallen durch Mosen eine Geschichte der Schöpfung nach sinnlichen und menschlichen Begriffen für das jüdische Volk aufzuzeichnen, und dies zu unsern Zeiten erhalten zu lassen, waren die Erbsünde durch den Fall der Stammeltern, die Nothwendigkeit einer Erlösung, und alle andere darauf fussende heil. Wahrheiten verborgen. Der vernünftige Heide, der erst noch rohe Philosoph konnte sich also keinen andern Begriff machen, als daß ein unsichtbares, doch allmächtiges Urwesen die Natur gebildet, und ihr immer gleiche Gesetze vorgeschrieben habe; der tägliche Auf- und Niedergang der Sonne, des Mondes, der Sternen, das Wachstum und Verderben dessen was lebt, und aller anderer Geschöpfe, leitet ihn auf Betrachtungen: er hörte von seinen Aeltern die Warnungen des Verflossenen, und er zog aus beyden die Folge auf das Künftige. Entweder war es ihm wohl oder übel. War das erstere, so schrieb es es den gutthätigen Gesetzen des Urwesens zu. Er dankte im Verborgenen, weil die Grundlagen der Dankbarkeit in unsere Natur mit verwebt sind, und wir dem Gutes zudenken, der uns Gutes thut. War es ihm übel, so sprach er zu sich selbst: Das Wesen, welches alles erschaffen und bis daher erhalten hat, kann auch mich von meinem Uebel befreyen, und länger und glücklicher erhalten. Er that einen Wunsch, und dieser Wunsch war sein Gebet. Er wurde von dem Uebel entlediget. Das Mein und Dein, als eine Erfindung der Eigenliebe, und eine Folge der Vermehrung und der Gesellschaft mit Menschengeschöpfen die ausser mir sind, hatte ihn gelehret, daß die Dankbarkeit sich nicht mit leeren Worten, sondern mit Werken eines Gegendienstes, oder einer freywilligen Abgabe von etwas das mein ist, am wirksamsten bezeigen lasse. Seine erste sichtbarliche gottesdienstliche Handlung wurde also ein Opfer. Die Liebe zu seinen Kindern ließ ihn auch für diese opfern. Ein glückliches Jahr, eine gesegnete Ernte, eine reichliche Jagd oder Fischfang, gute Gesundheit, waren lauter erneute Anlässe, seine und der seinigen Dankbarkeit dem Urheber der ihn so segnenden Natur abzustatten. Dadurch bekam der Gottesdienst eine Epoche; und bisdahin war er einfach, mit den noch unerweiterten Gränzen ihres Denkens einstimmig, und allgemein.
Den Tausch, die erste Handelsart der Menschen, um sich den Ueberfluß eines andern gegen Verwechslung des Meinigen, zu meiner Nothdurft oder Vergnügen, eigen zu machen; den natürlichen Hang, mit weniger Mühe und Arbeit unser Wohlseyn zu vergrössern, sehe ich als den ersten Ursprung der Gelübden an. Uebernatürliche Begriffe darf ich, ausser dem Glauben, in der menschlichen Natur nicht suchen. Man denkt nur durch sinnliche Bilder. Wie der Mensch mit andern Menschen zu handeln gewohnt war, eben so handelte er im Sinn mit Gott. Er versprach dem Wesen, dem er aus Erfahrung die Macht Gutes zu thun zuschrieb, eine für seinen Wunsch und Hofnungen angemessene Rükgabe. Er hielte sich aber zur Erfüllung nicht verbunden, wenn seinem Verlangen keine Genüge geschahe. Die Feyerlichkeit einer menschlichen Handlung, welche derselben ein Ansehen gab, wurde mit in das feyerliche Geschäft der Dankbarkeit oder des Wunsches verbunden, und man opferte auf erhabenen Steinen, auf Hügeln, in in dun[k]keln Wäldern. Die Gottheit, die sie nur dachten und nicht sahen, konnte von Hand zu Hand nichts annehmen; und weil man ihr doch eine Wohnung zuschrieb, so glaube ich, daß man den schönen Glanz und die gutthätige Wärme der alles belebenden Sonne dazu ausgewählet. Der aufsteigende Rauch war das einzige Mittel, der Gottheit einen fühlbaren Genuß des Opfers zuzubringen. Die Opfer wurden also verbrennet. Das Wunderbare macht ausserordentliche Eindrücke und Vermuthungen, weil es über die Begriffe unserer natürlich gewohnten Erfahrung ist. Ein hoch gen Himmel aufsteigender Rauch kann also gar wohl ein vermeintliches Zeichen der gefälligen Aufnahme des Opfers gewesen seyn, und das Gegentheil einer Verwerfung der Bitte angezeiget haben. Physicalische Ursache wußte man noch nicht; mithin wurden übernatürliche hergeholet.
Ich werde hier abgerufen, mein l. Herr Bruder, sonst solltest du noch einen viel längern Brief zu lesen bekommen. Morgen will ich dir wieder schreiben; und da mein Schulmeister nach E** geht, so soll er bey dir einsprechen und meine Fortsetzung dieses Briefes mitbringen.