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Immer wieder bitten mich Freunde, die nach München kommen, sie in die Welt der Linien und Farben einzuführen. Hier ein dünner Leitfaden:
Malerei ist eine Handfertigkeit, die vorgibt, ebene Flächen durch Aufpinseln von Farbe zieren zu können. Um die Preisspannung zwischen blanken und bepinselten Flächen etwas zu steigern, bezeichnen interessierte Kreise oberwähnte Geschicklichkeit gern als einen Zweig der Kunst; ohne zu bedenken, daß die willkürliche Ausdehnung des Begriffes ›Kunst‹ nicht ungefährlich ist: morgen könnte, vielleicht mit dem gleichen Recht, die Musik mit ebensolchen Ansprüchen auftreten.
Lassen wir aber Musik und Malerei als Künste gelten, so ist zu sagen: daß die Malerei zwar durch ihre Geräuschlosigkeit aufs angenehmste auffällt, hinwiederum vermöge der dauerhaften Materialien, auf denen sie ausgeübt wird, unter Umständen Folgen von Geschlechtern beunruhigen kann.
Schon die Höhlenbewohner wußten die Umrisse der Dinge spielerisch-primitiv nachzuziehen. Die Ägypter und Babylonier füllten die so umgrenzten Flächen dann bunt aus. Als man erst entdeckte, daß Leinöl ziemlich rasch trocknet, stand der Weg zu den höchsten Firnissen offen.
Manche Religionsstifter haben das Malen verboten, weil es die Gläubigen zu Gotteslästerungen anreizt.
Man kann Öl malen, Aquarell, Pastell, Gouache und Tempera; auf Leinewand, Papier, Pappe, Holz und Mörtel.
Am billigsten ist Pappe. Sie ist als Malgrund sehr sympathisch – schon weil ihr Format nicht über Klafterbreite wachsen kann.
Als ich noch jung war und gut, hießen die Gemälde:
»Ah, ein Enkerl!« – oder:
»D' Jagersbuam.«
Diese herzerquickende Art, das Genre, ist aber unmodern geworden: die Öldruckindustrie konnte es im Punkt der Wohlfeilheit mit dem Münchener Handbetrieb nicht aufnehmen; die Industrie ist im Konkurrenzkampf zusammengebrochen.
Etwas später malte man Historisches, meist Könige und Feldherren mit Pappenheimerstiefeln – bis die hohen Preise von Leder und Brokat auch dieser Kunstübung hemmend entgegentraten.
In den wirtschaftlichen Fährnissen der letzten Zeit haben sich die Maler zu einer Erwerbsgenossenschaft zusammengetan; der Preis der Bilder soll durch Trustbildung künstlich auf 3 M 50 emporgeschraubt werden.
Ich glaube nicht recht an die Möglichkeit.
Bei Landschaften vielleicht – Landschaften tragen ein individuelles Gepräge und erzielen bei verbissenen Liebhabern, denen sie grade passen, Liebhaberpreise.
Porträts aber? Da ist das Angebot zu groß. Porträts kriegt man in Schwabing, selbst solche der verzwicktesten Physiognomien, jederzeit fertig in Hülle und Fülle zu kaufen. Man lasse sich aber schriftlich einjährige Garantie zusichern der Ähnlichkeit.
Zu den Landschaften wäre noch zu bemerken: jene, wo sich links eine Sturzwelle bäumt, in der Mitte ein Torpedoboot mit Scheinwerfer und Eiszapfen – diese nennt man Seestücke, und sie sind von Professor Stöver. Bei Sieck ist hinten Nadelwald und vorn eine Wiese mit Ranunkeln. Sieck und Stöver sind also leicht zu unterscheiden.
Ebenso leicht wieder Lenbach und Schattenstein bei Porträts, indem bei Lenbach der Hintergrund aus Schokolade besteht, bei Schattenstein jedoch aus Brustzucker, nur bei den im Krieg entstandenen Werken unter Zusatz von Sacharin.
Die Bilder, wo Königin Luise das Busentuch zusammennimmt und aus Angst vor dem Parkwächter rasch die Treppe herabschreitet, weil sie hinten den Springbrunnen angedreht hat – diese Bilder sind ein Mittelding zwischen Genre, Historie und Porträt.
Triptychen leiten ihre Herkunft gewöhnlich aus der Bibel her – man erkennt sie an dem vergoldeten Kreuz über dem mittlern Rahmen.
Ferner gibt es noch Tierstücke und Stillleben, sowie Blumen. Diese beruhen meist auf weiblicher Handarbeit. Tierstücke sind in der Regel von männlichen Malern und stellen Kühe dar.
Hierzu sei erwähnt, daß man Tantchens Porträt nicht soll von Verwandten des Modells beurteilen lassen; sie finden meist einen ›fremden Zug um den Mund‹ und überhaupt das arme Tantchen sehr gealtert.
Doch kann man jetzt schon ebenso unähnlich photographieren, wie man früher gemalt hat.
Auch wäre noch über Kokoschka zu sprechen. Er ist nicht volkstümlich. Als ich unlängst seine Ausstellung besuchte, sie hing schon zwei Wochen – da bekam ich das Billett Nr. 5. Wieder zwei Wochen später: Nr. 6. In der Zwischenzeit war niemand dagewesen. – Das war in der Provinz, in Karlsbad. In Wien ist man snobistischer. Dort interessiert man sich für den interessanten Maler und streitet lebhaft, welches seiner Bildnisse Gustav Meyrink vorstelle, welches Peter Altenberg. Der Streit ist müßig, da sich das Meyrinkporträt dem Kenner sofort durch eine grüne Emanation verrät, die den embryonalen Kopf umgibt.
Auch Schwalbachs Frauenbilder zeigen viel Grün, doch ist es mit Lila durchsetzt. Laien halten daher die Bilder oft für Entwürfe zu den neuen Reichsbanknoten, und die feinen Übergänge von Grün und Lila sollen angeblich die Nachahmung der Banknoten fast unmöglich machen. Alles Unsinn. Laien sollen nicht über Malerei urteilen. In Wahrheit will Schwalbach in Petroleum ertränkte Frauen darstellen.
Die Fachbildung der Maler geschieht auf Kunstakademien und kunstgewerblichen (nicht, wie man oft fälschlich sagen hört: kunstverderblichen) Schulen. Doch sucht, wer sich irgend lieb hat, alles, was er da lernte, möglichst bald abzuschütteln.
Sehr wichtig sind Privatschulen – wenn auch nicht sosehr als Bildungsstätten wie als die den Malersleuten eigentümliche Form der Polygamie.
Die Maler leben bald paarweis, bald scharenweis in Schwabing, auf die private Wohltätigkeit angewiesen, nagend am Bettelstab.
Sie kaufen einander gegenseitig die Bilder ab, um sie zu übermalen – da Gemälde doch immer wohlfeiler sind als Leinwand.
Die ewige Beschäftigung mit Kohle und Farben stumpft ihren Reinlichkeitssinn ab; schon nach wenigen Tagen kann selbst das scharfe Auge der Schlawinermutter den Sohn aus dem schwärzlichen Gewimmel nicht mehr herausfinden.
Der Mangel an Modellgeld entfernt von der Naturanschauung: Hungerhalluzinationen führen zu verzerrten Linien, Farbenillusionen. Daher: Expressio-, Infantil-, Dada-, Explosionismus.
Kauft man aber ein Bild, so kommt der Maler zu Geld und hört sofort zu schaffen auf, wodurch die Kunst wiederum geschädigt ist. Für Mäzene ein schreckliches Dilemma.
Wenig Maler nämlich üben l'art pour l'art aus. Von diesen wenigen nur kann man sagen: sie wären, auch ohne Hände geboren, Maler geworden.
Die meisten malen nur mit dem Maul.
Die reichen Amerikaner kommen, mit dreiundzwanzig Dollar in der Tasche, als Ententemissionare her und fragen den Hotelportier:
» I wish to have my portrait painted.«
»Wos mögen S'?«
»Ich wünsch, mich lassen zu malen. Uer ist mehr kostbar – Mister Stöck oder Mister Häbbermänn?«
Der Portier der ›Vier Jahreszeiten‹ antwortet dann: »Stuck«; der Portier im ›Bayerischen Hof‹: »Habermann.«
Nun, wenn man schon dulden muß, daß die Zunftkritik hinter ihrer Zeit zurückbleibt – von den Hotelportiers wenigstens sollte man ein grades Urteil in Dingen der Kunst erwarten dürfen.
Meine Herren Portiers! Was Sie da reden, ist dummes Zeug. Stuck und Habermann sind überhaupt indiskutabel; Hengeler, Zank, Schmutzler sind Petrefakte; Marr, Erler, Zumbusch, Dietz – Plusquamperfekta; Seewald, Caspar, Pechstein wurden gestern abend abgetan. Vielleicht gilt Kubin noch etwas, Davringhausen oder die Lore Zeller; ich weiß es aber nicht bestimmt, denn ich war heut noch nicht im Kaffeehaus.
Man kaufe nur gerahmte Bilder – Rahmen sind unter allen Umständen eine vorteilhafte Kapitalanlage, da sie im Preis immerfort steigen. Man kann einen schönen Rahmen auch stets für wenig Geld neu füllen lassen, wenn einem das alte Sujet nicht mehr gefällt.
Man hänge das Bild so auf, daß des Malers Signum rechts unten bleibt, und ist dann beinah sicher, nicht verkehrt gehängt zu haben. Doch kann man moderne Gemälde ohne Schaden für die künstlerische Wirkung als Quer- oder Längsformat gebrauchen – je nachdem, ob die zu schmückende Wand schmal oder breit ist.
Immer suche man dunkle Winkel der Wohnung aus: da stören die Gemälde nicht so sehr und schlagen nicht leicht ein.
Bei Pastellen wird ein Teppichklopfer genügen.
Aquarelle wäscht man mit heißem Wasser und Seife.
Ölgemälde mit einer Mischung von Terpentin und rauchender Schwefelsäure zu gleichen Teilen.
Bleistiftzeichnungen sind am leichtesten zu reinigen: mit Radiergummi; nötigenfalls helfe man mit einem scharfen Messer nach.
Man setzt jetzt große Hoffnungen auf den Messingkäfer, der sich in der letzten Zeit, besonders in Süddeutschland, rasch vermehrt hat; das liebe Insekt soll Leinewand, Papier und Pappe ratzekahl wegfressen.