Felicitas Rose
Kerlchen als Sorgen- und Sektbrecher
Felicitas Rose

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Ob ich hier wohl lange aushalte?

Natürlich Kerlchen, – warum denn nicht? Immer tapfer sein, immer dran denken, was für unmenschlich viel Geld du auf dieser »Stelle« bekommst.

Kerlchen! Ich hab' meinen lieben Namen so lange nicht gehört. Im Flüsterton freilich, – Werchen ist ja so gut und raunt ihn mir manchmal zu, aber laut darf ihn niemand sagen, Fräulein von Rhoda ist geradezu empört über das Wort.

Und sie darf nicht gereizt werden, ich sehe das selbst ein. Nein, tausendmal nein. Ich habe ein einziges mal solch einen Zornausbruch erlebt, – um eine Bagatelle war's, ein Nichts – und so furchtbar spitzte es sich zu.

Väterchen, wieviel hast du mir doch mitgegeben! Wenn ich auch jung und dumm bin, – ich kann mich an deine schönen Worte und Kraftsprüche halten, die geben mir Festigkeit:

»Maul halten, Ordre parieren, Gott vor Augen, den König im Herzen!«

Und dann: »Nunquam retrorsum«

Väterchen, ich halt' schon aus!

Frau von Altenhof und Gisela waren erst einmal hier. O dieses Wiedersehen! Nicht aus den Armen lassen wollten sie mich! Wie lieb haben mich doch viele gute Menschen! Das will ich nie vergessen. Ach, der Tag verging viel zu rasch, wir hatten kaum über ein Zehntel von dem geplaudert, was ich so gern wissen wollte.

Aber Fräulein von Rhoda wachte ja mit Argusaugen über mich, kaum rühren durfte ich mich – und daß mich alle »du« nennen und so mütterlich-schwesterlich-zärtlich mit mir sind, das befremdet sie, und ich merke, daß es ihr durchaus nicht recht ist.

Sie ist meine Herrin.

Ich selbst bin noch nicht in Altenhof gewesen, trotzdem es mich mit tausend Armen über die Grenze zieht.

Vielleicht sind es auch nur die kleinen Ärmchen der winzigen, wonnigen Gisela-Inge, sie soll ja solch ein entzückendes Kind sein. Aber Hans von Hartwig ist verschollen. Arme, verwaiste Kinder! Glaubt mir, das Kerlchen weiß, was es heißt, heimatlos zu sein.

Wie es werden soll, wenn Wera in allernächster Zeit auf Monate hinaus nach Italien geht, – das weiß ich nicht, – ich hab' eine herzbeklemmende Ahnung, als stünde mir was bevor, – es wird wohl ein »Krach« sein.

Aber was dann? Die Stiftsdame hat ein »Dienstbuch« für mich angeschafft, nur zum Zwecke des »Duckens«. Wenn ich einmal etwas versehen habe, dann holt sie räuspernd, hustend und krächzend das Buch, darin auf der vordersten Seite mit Riesenbuchstaben »Felicitas R. Schlieden« steht. Sie selbst schreibt eine kleine zittrige Handschrift, deshalb hat sie sich 's vom Lehrer in Fraktur hinmalen lassen.

»Was soll ich da nun hineinschreiben?« krächzt sie dann.

»Nichts!«

»O doch, eine Menge, und Sie bekommen dann nie wieder einen Dienst.«

Auf so etwas kann ich nicht antworten, die Kehle ist mir zugeschnürt, ich fasse nur allerhand in der Nähe befindliche harte Gegenstände ins Auge und hab' eine namenlose Angst, diese könnten es fühlen, was ich vorhabe und ihr plötzlich alle miteinander an den Kopf fliegen.

Dieser ununterbrochene Kampfzustand strengt außerordentlich an. Wera sagt oft klagend: »Unser Kerlchen wird immer durchsichtiger.«

Ja, wie soll ich denn auch hier Fett ansetzen?

Vormittags soll ich mit Fräulein von Rhoda spazieren fahren, aber nicht etwa im Wagen, sondern sie sitzt im Fahrstuhl, und ich soll ihn schieben.

So einen Fahrstuhl hab' ich noch nie gesehen, eine Kajüte ist's, und ich bringe sie nur ruckweise vom Fleck, wobei ich rot und blau vor Anstrengung werde.

Aber das rührte sie nicht, sie rief mir nur zu: »Fräulein, was haben sie für einen entsetzlichen Teint! Sie müssen mehr Gemüse essen.«

Neulich begegnete uns bei so 'ner Ausfahrt Herr von Rhoda, der auf die Felder ritt. Sein hübsches, braunes Gesicht wurde ebenso rot vor Ärger als meins vor Anstrengung, er wendete beinahe ohne Gruß sein Pferd und nach kaum einer Viertelstunde kam atemlos in seiner Begleitung der Julius an, unser stärkster Knecht. Er nahm mir ohne weiteres die Kajüte aus den Händen, während Herr von Rhoda seine Tante ansah und ernst bemerkte: »Fräulein Schlieden wird das nie mehr tun, es ist viel zu schwer für sie.«

Fräulein von Rhoda biß die Lippen aufeinander, – in Gegenwart der Dienstboten sagt sie nie etwas zu Familiengliedern, und vor ihrem Neffen hat sie überhaupt etwas Dampf – der Knecht Julius aber fuhr sie über Stock und Stein nicht allzu liebreich; die Stiftsdame hat seine Braut unter häßlichen Anschuldigungen vom Hof gebracht, das frißt noch an dem armen Kerl, aber er brauchte doch nicht so toll über Gräben und Hecken mit der Kajüte zu setzen. –

Seit diesem Tage gehört ein riesengroßer Posten Geduld dazu, die Stichelreden der Dame mit anzuhören, und »Geduld« ist wohl die schwächste Seite von mir.

Hole ich auch nur eine Gabel oder Löffel und Teller, so ruft die Stiftsdame sofort:

»Ach, es wird Ihnen doch nicht zu schwer sein?«

Und das in einem Ton – – – – –!

O jemine, mein ganzes Tagebuch wird hier ein Klagelied Jeremiä.

Gestern war eine kleine, nette Gesellschaft im Schlosse, zu Ehren von Leutnant Heinz und seinen Kameraden, die vom benachbarten Manövergelände hergeflitzt sind. Ich habe zum ersten mal wieder gesungen, erwischte aber zum Unglück das süße Liedchen »Elslein von Caub.«

Und der zweite Vers lautet:

»Was nützet Reichtum und Gesind',
Was aller Ahnen Zahl?
Ist kalt das Herz, für Liebe blind – –
Ade dann, Welt zumal!«

So bezog es die Stiftsdame auf sich und verschwand in ihre Gemächer, mit mir natürlich. Ich nahm keine liebe Erinnerung von diesem Abend mit und nach dem Befehl: »Bringen Sie mir ein Glas Wasser, wenn es Ihnen nicht zu schwer wird,« durfte ich mich ins Bett legen.

*

Brief von Herrn Rumohr senior an Kerlchen.

»Liebes, kleines Mädchen!

Deine Briefe an Fräulein von Hartwig, die sie mir alle heraufbringt in meine schmerzvolle Einsamkeit, sind nicht sehr erheiternd. Es steckt so 'ne krampfhafte Fröhlichkeit drin, als wolltest du uns mit aller Gewalt glauben machen, du seist dort auf Rosen gebettet. Na, ich glaub's schon und möchte mich nicht eine einzige Nacht in 'n Rosenstrauch schlafen legen. Was Fräulein von Rhoda für 'ne Art Heckenröslein ist, kann ich mir ungefähr denken, sie war schon als junges Mädchen mehr Dorn als Rose. Rotbach liegt ja nicht fern von Rhoda, da sind wir oft 'nübergeritten früher.

Ich fange Grillen mehr denn je. Liebe Wünsche und Pläne sind mir zerstört, und viel habe ich nicht mehr in meinem Alter auf Lager. Dazu der Schmerz in meinen Potentaten, – nicht mal eine Reise über die große Pfütze erlauben sie mir, wenn meine Florence Hochzeit macht.

Aber sie sind wolkenlos glücklich die beiden da drüben, und das ist ja die Hauptsache.

Gott befohlen, liebes Kerlchen! Du fehlst uns Alten sehr.

Wolfgang von Rumohr.«

*

Aus Kerlchens Tagebuch.

Wera und Ernst sind abgereist. Seitdem ist es ganz öde und schrecklich hier. Kein Lachen, kein fröhliches Wort, es ist, als täten alle nur mißmutig ihre Arbeit, weil aus den Fenstern des Herrenhauses nicht mehr Werchens liebliches Gesichtchen schaut und statt des gütigen Gutsherrn der ziemlich scharfe Oberinspektor seine Befehle erteilt. Wir hatten vor der Abreise noch ein fröhliches Erntefest, d. h. die andern hatten es. Ich durfte auf Fräulein von Rhodas Befehl nur einen Pflichttanz mit dem Gutsherrn tanzen, wie die übrigen – Dienstboten auch. In mein Zimmerchen durfte ich mich auch nicht flüchten, ich mußte die Kajüte bewachen, in der Fräulein von Rhoda saß.

Der Herbst ist da mit seinen Stürmen und der bunten Farbenpracht der Wälder. Wir haben schon ein paarmal im Kamin ein loderndes Feuer entfacht, es könnte so gemütlich sein, wenn ich etwas Gescheites vorlesen dürfte. Aber nur immer das Sonntagsblättchen: »Der fromme Bote«, oder den Gothaer Almanach. Und über diese beiden Themata wird dann den ganzen Tag gesprochen. Gestern Abend kamen wir auch auf die »Rumohrs«: »Altes, sehr altes Geschlecht,« – erzählte die Stiftsdame, – »nur leider – – nicht ganz reines Blut. Steht noch auf vier Augen, – wer weiß wie bald nur noch auf zwei. Wir sind Nachbarn mit Rotbach, das den Rumohrs als Kunkellehen gehört. War verlottert und zerfallen, soll aber jetzt neue Wirtschaftsgebäude haben und einen tüchtigen Inspektor. Der wilde Rumohr kann's ja, ging als offenbarer Taugenichts übers Meer und kam als Krösus wieder.«

Ich hörte mit stark klopfendem Herzen zu, und meine Hand umschloß in der Tasche den Brief vom »wilden Rumohr«, dem »offenbaren Taugenichts und Krösus«.

*

Die Tage schleichen nur so dahin. – Ich erschrecke oft selbst darüber, wie matt und unfroh ich bin. Auch die andern meinen es, sie schreiben es nicht gerade deutlich in ihren Briefen, aber ich lese es so zwischen den Zeilen.

Bei meiner Mutti ist's wie ein leises Klagen, »daß ihr Kerlchen gar nicht mehr das Alte« sei, bei den Walküren ist's ein regelrechter »Rüffel«.

O lieber Gott, du weißt, was ich mir für Mühe gebe, besser zu sein, – ich hab' aber gewiß im Grunde ein ganz böses, schlechtes Herz, das früher nur nicht so zum Vorschein kam, weil alle immer so lieb zu mir waren. Ich hab' mal sagen hören, daß Unglück und Leid der rechte Prüfstein für ein Menschenherz seien; wer ein schwaches, ungutes Herz hätte, der würde durch Kummer ganz verbittert, aber ein wahrhaft edles Herz ginge immer herrlich und gut aus allen Prüfungen hervor.

Gewiß bin ich schlecht!

1. Wenn ich über die Stiftsdame nachdenke, dann lasse ich keinen guten Faden an ihr.

2. Möchte ich ihr die tollsten Namen geben, wenn ich vor ihr stehe, und in meinem Stübchen wüte ich oft herum und führe Reden, wie ein Straßenjunge.

3. Reiche ich nie die andere Backe hin, wenn man mich auf die eine schlägt, – ich haue wieder.

Ich bäume mich gegen das Geschick auf, und so oft sich auch meine Hände falten wollen, und ich versuchen will, zu sagen: »Lieber Gott, wie du willst,« immer kommt mein böses Herz und ruft und weint: »Warum? Warum? Warum nahmst du mir mein Väterchen? Warum muß ich Geld verdienen in diesem schrecklichen Hause, was sonst immer nur die Väter für ihre Kinder tun?«

O Väterchen, vergib! Gelt, du hast es dies eine Mal nicht gehört, was ich gesagt habe? Ich bin so furchtbar einsam! Ich hab' so Heimweh! Bitte, sag' es dem lieben Gott, daß er mir mein frohes Herz wiedergeben soll. Wenn ich doch nur eine Menschenseele hier hätte, der ich einmal rückhaltlos alles sagen könnte, – du weißt ja, Väterchen, mit unserer Mutti kann ich nur Heiteres besprechen, – sie ist so arg zart und schreckhaft und grämt sich so um dich! Ach du! du! Mein geliebtes, einzigliebes Väterchen! Mein Kamerad! Ach, warst du bei deinem Kerlchen! Könntest du es stützen und behüten! Hei, wie sie Angst vor dir haben würde, die greuliche Stiftsdame! Wie du ihr gründlich die Leviten lesen würdest, gelt? Tüchtig! Und dann gäbst du ihr all das viele Geld wieder, das ich schon von ihr bekommen habe, sie hat es ja doch nicht gern gegeben, und dann schlügen wir ihr die Tür vor der Nase zu und marschierten los, – voran die Regimentsmusik, unsere herzliebe Artillerie, und die müßte das alte Lied spielen:

»Ich hatt' einen Kameraden, einen bessern find'st du nit!«

Ach – – – Väterchen!!! – – – – –

*

Ich bin lange nicht zum Schreiben gekommen.

Wir haben Besuch im Herrenhause, – – leider!

Fräulein von Rhoda hat ihn sich eingeladen, zwei Nichten, Baronessen Carla und Erna von Kadden: »Pinschi« und »Rinschi« genannt. O! – – – Die Stiftsdame behauptete, ich sei so langweilig und spießbürgerlich, daß sie sich während Weras Abwesenheit etwas »junges Leben« einladen müsse, und sie wiederholte dies in meiner Gegenwart den beiden »jungen Leben«, worauf mich Pinschi mitleidig, und Rinschi geringschätzig ansah. Es sind Zwillinge, schon sechsundzwanzigjährig und noch sehr hübsch. Sie brauchen auch sehr lange Zeit zu ihrer Toilette und ihrer Haarpflege, – manchmal wird es selbst der Stiftsdame zu bunt, wenn der Kaffeetisch noch um 11 Uhr vormittags aufgedeckt steht; wir beide frühstücken ja schon um sechs. Aber da muckten die Baronessen gehörig auf, und Rinschi sagte schnippisch, wer kein Haar hätte (das ging auf die Stiftsdame) oder nur plebejisch kurze Stoppeln (das ging auf mich) der könnte nicht mitreden. –

Ein wenig Abwechslung habe ich insofern durch den Besuch, als wir nun öfters einmal ausfahren dürfen, – reiten nie. O nur einmal wieder ein Pferd besteigen! Neulich ging ich in den Stall von Baron Ernst und sah zu, wie die Pferde gestriegelt wurden, faßte auch selbst kunstgerecht mit an, so daß der Reitknecht Augen und Mund aufsperrte.

Schließlich übernahm es mich so, daß ich meine Arme um den Hals des schönen, edlen Renners »Kismet« schlang und bitterlich zu weinen anfing.

Sie lachten auch gar nicht über mich, der Reitknecht ging still hinaus, und der alte Kutscher striegelte ruhig weiter und sagte:

»Nor scheene ausheilen, Freileinchen, das is das beste, Freileinchen hab'n de Pferdekrankheit, nu äben, eche kenn se, eche ha bei de Kaffalerie gedient, und denn sollt' ich Schneider werd'n, das ging nadierlich nich, eche kriegte de Pferdekrankheit, und mußte Kutscher wern. Etze bin ich in mei ff.«

Na, ich heulte auch noch ein Weilchen fort, es tat so gut. Nachmittags fuhren wir aus, es war ein köstlicher Herbsttag, und ich atmete mit vollen Zügen die reine, starke, herbe Luft.

Eine Stunde waren wir unterwegs, da drehte sich plötzlich der Kutscher auf seinem hohen Sitze herum und sprach zu uns in den Wagen herein:

»Na, nun fängt schon Rotbacher Gebiet an.«

»Das ist nicht richtig,« verwies ihn die Stiftsdame. »Rotbach beginnt genau bei dem Kilometerstein 6,0.«

»Das war früher,« belehrte sie wieder der Alte, der schon so lange in Groß-Rhoda ist, daß er sich wohl ein Dreinreden erlauben konnte. »Der Herr von Rumohr hat den ganzen großen Wald hier noch dazu gekauft, – ein Prachtsgut ist es jetzt – un – gucke, da kimmt schon's Schleßchen.«

Der Alte mühte sich sehr, ein reines Hochdeutsch zu sprechen, aber die gemütliche thüringische Aussprache brach immer wieder durch.

Ich fühlte, daß ich blaß wurde, und ganz, ganz kalt. Eine Erklärung habe ich nicht dafür, – nein, ganz gewiß nicht – – –

Wir fuhren dicht am Herrenhause vorbei, o wie entzückend lag es da, so weiß und leuchtend aus den alten, grünen Thüringer Edeltannen heraus, selbst wie ein Edelstein anzusehen.

Pinschi und Rinschi reckten ihre Hälse, um alles ganz genau zu betrachten.

»Eine Fahne ist nicht aufgesteckt,« bemerkte die Stiftsdame, »Herr von Rumohr ist also noch nicht anwesend.«

»Will er denn kommen?« fragte Rinschi neugierig.

»Freilich will er, trotzdem es auf den Winter zugeht. Die Gräfin Arnsberg war ja gestern bei mir und steckte voll Neuigkeiten. Der junge Rumohr übernimmt die Güter, die der alte Rumohr zurückgekauft hat, er selbst will später bei dem Jungen wohnen, wenn alles eingerichtet ist.«

»Ist er verheiratet?« Diesmal fragten die Zwillinge aus einem Munde.

»Der alte Herr ist Witwer – –«

»Himmel, nach dem Alten fragen wir nicht.«

»Der Junge ist unverheiratet.«

Ich wollte die Sachlage richtig stellen, aber ich brachte kein Wörtchen heraus. Was ging es denn auch das Kerlchen an? Das kannte ja nur den »Kameraden« Fritz, mit dem es gleiche Sorgen des Lebens getragen hatte, der reiche Großgrundbesitzer, dessen Schloß so vornehm und prächtig in den tiefen Waldungen lag, war ihm fremd.

Baronesse Rinschi schien immer noch über die Tatsache des Unverheiratetseins nachzudenken.

»Werden wir es erfahren, wenn er einzieht?« fragte sie und schaute wieder die stolze Besitzung an.

»Natürlich erfahren wir das, er muß doch Antrittsbesuche machen, – und dann wird er sich wohl unter den Töchtern des Landes umsehen.«

Sie lächelte vielsagend ihre Nichten an. »Ihr bleibt vorläufig den Winter über bei mir, ich hab' so meine Plänchen und Gedanken. Hihihihi!«

So ein greuliches Lachen! – Nie war mir die Stiftsdame so widerwärtig vorgekommen.

»Übrigens ist der alte Rumohr eine sehr häßliche Zugabe zu dem Jungen,« fuhr sie fort, »wenn die beiden wirklich zusammenwohnen wollen, wie es ja die Gräfin bestimmt versicherte. – Weiß der Himmel, wo sie immer gleich den Klatsch aus der Gesellschaft her hat! Ich kenne den wilden Rumohr ja aus seiner Jugend, besser wird er nicht geworden sein, höchstens böser. Und dann krank dazu! Aber es müßte ja närrisch zugehen, würde es einer schönen, jungen Frau nicht gelingen, den Überflüssigen herauszubeißen.«

Ich dachte an meinen lieben, alten Freund, an Fritz und die »schöne, junge Frau«, die jetzt gewiß schon Frau Florence von Rumohr hieß, und an das reiche Glück, das in dem weißen Schlößchen aufblühen würde. – – –

Baronesse Rinschi wälzte vergeblich kühne Gedanken, Hoffnungen und Pläne in ihrem Gehirn, sie waren schon sämtlich vernichtet. – – –

Als wir am Abend zurückkamen, mußte ich den Damen noch verschiedentlich beim Umkleiden helfen, Baronesse Pinschi bat mich höflich verlegen darum, sie scheint von Natur gutmütig zu sein, aber nicht recht zu wissen, was sie aus mir machen soll, da mich ihre Tante ja so sehr schlecht behandelt.

Ich tat ihr denn auch den Gefallen und knöpfte ihr das eine Kleid auf und das nächstfolgende wieder zu, als mir aber Rinschi einfach den Rücken zuwendete, was so viel heißen sollte, daß sie denselben Dienst ohne weiteres von mir verlangte, da ging ich, ohne ein Wort zu sagen, hinaus.

Ich weiß, damit habe ich mir eine erbitterte Feindin zugezogen.

*


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