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»Geliebtes Kerlchen!
Was war eine Überraschung gestern, als mich Fritz von Rumohr plötzlich in meiner öden Generalstabsbude überfiel. Wir umarmten uns kräftig, keiner konnte ein rechtes Wort sprechen.
Er sieht gut aus, der Fritz, – aber denk' Dir, ich Tor vermochte es nicht über mich zu gewinnen, ihm zu sagen, wo Du seist.
Er war mir wieder ein Rätsel, mein alter Freund. Zerstreut, hastig, kurz angebunden, und dazwischen wieder von herzbezwingender Fröhlichkeit – ich wurde wie gesagt, nicht klug aus ihm.
Aber von einer Verlobung oder gar Heirat mit seiner Cousine war nicht die Rede, – keine Spur.
Da muß uns jemand einen Bären aufgebunden haben, Kerlchen, ich kann mir's nicht anders erklären, denn – wess' das Herz voll ist, dess' geht doch der Mund über, und wem hätte sich Rumohr eher anvertraut, als mir und Dir, wenn er sein braves Herz verschenkt hätte?
Jetzt kommt er nach Rotbach, aber daß Kerlelein in Rhoda weilt, weiß er nicht, das gibt noch eine fröhliche Überraschung. Wenn Du ihn also siehst, – – dann tausend Grüße!
Dein alter Erich.«
Erich muß närrisch sein, und ich verstehe überhaupt die ganze Welt und außerdem noch den Fritz von Rumohr nicht – – – – –
Ein paar Tage bin ich in tiefster Überlegung mit Erichs Brief umhergegangen, dann schrieb ich an meinen alten Freund in der Hütte sehr diplomatisch und durch die Blume, – – das heißt – – nur der Anfang und das Ende des Briefes waren verblümt, die Mitte war, glaub' ich, ziemlich deutlich:
»Ist Deine Florence nun eigentlich mit Fritz von Rumohr verheiratet?«
Worauf die Antwort kam:
»Nein, Du kleines Mädchen, aus diesem Grunde ist ja meine Stimmung so abscheulich und meine Gicht so unerträglich, weil mir die beiden, dummen Kinder einen lieben Plan meuchlings zerstört haben. Sie lieben sich nicht, diese Schafsköppe, – trotzdem alles doch so herrlich paßt. Vorgestern war Fritz bei mir, ich habe aber nur geschäftlich mit ihm geredet, er trifft in diesen Tagen in Rotbach ein. Von seinem sogenannten »Schatz«, von dem Florence faselte, habe ich natürlich nicht gesprochen, ich habe die Liebesgeschichten satt. Im Frühjahr ziehe ich mit nach Rotbach, und bringt mir dann der dumme Junge eine Erwählte, die mir nicht paßt, dann ziehe ich wieder aus und vergrabe mich für den Rest meiner alten Tage in Rumohr, dort kann mir dann der Sensenmann guten Tag sagen, und ich werde unter den alten holsteinischen Buchen für immer von dieser närrischen Welt ausruhen. Halte die Ohren steif, kleines Kerlchen, ertrage die Stiftsdame noch eine Weile, und gib wenigstens nicht eher Fersengeld, als bis ich Dich wiedergesehen habe.
Dein alter Rumohr.
Nachschrift: Grüß den Fritz, er weiß nicht, daß Du dort bist.«
So ein Brief ist doch wirklich ein herrliches Schriftstück – – ich meine – man wird so froh, wenn so ein alter Freund so verständig schreibt. – Ja. – Die Welt sieht gleich ganz anders aus, und mir wurde ganz eigen zu Mute, so daß ich anfing zu singen: »In meiner Heimat, da wird es jetzt Frühling.«
Hier ist aber niemand musikalisch, die Zwillinge fragten nur erstaunt: »Nanu?« und die Stiftsdame sagte:
»Was für eine merkwürdige Stimme Sie haben, ich möchte sie beinahe unanständig finden. – Sie wollen doch nicht zum Theater gehen?«
*
Heute erlaubte man mir zum ersten Male, nach Altenhof zu fahren, ich war wie aus den Wolken gefallen. Es war so lieb und schön dort, abends kutschierte mich Gisela selbst heim, und dann hörte ich – – Fritz von Rumohr sei in Rhoda gewesen.
Er hat sich nur einen Rat von Baron Rhoda holen wollen und ist gleich wieder davon geritten, als er hörte, dieser sei verreist. Aber dann sind ihm die Zwillinge zufällig begegnet und haben ihn auch zufällig angesprochen und nach dem Weg gefragt, worauf er sie höflich bis zum richtigen Weiser geführt hat.
Nun höre ich nur noch von dem »reizenden Menschen« sprechen, wie stattlich, wie schön, wie liebenswürdig er gewesen sei, und daß sie schon ganz gute Bekannte geworden seien in der kurzen Zeit.
Pinschi findet ihn etwas »eiszapfig«, wurde aber von Rinschi in längerer, entrüsteter Rede überstimmt. Ob Fritz auch nicht ein ganz klein bißchen geahnt hat, daß sein alter »Kamerad« Kerlchen ihm so nahe ist? Ich meine, das müßte man spüren – ich sehe wenigstens immer Rotbach – – auch wenn ich die Augen zumache.
*
Heute waren wir nach Friedrichswalde eingeladen zur Gräfin Arnsberg, die sieben »lebende« Töchter besitzt, wie Leutnant Heinz immer sagt. Sie interessiert sich überhaupt für junge Mädchen und ist eine liebenswürdige, muntere Dame, die für jeden ein gütiges Wort hat.
Ich wäre wohl nicht mitgekommen, Fräulein von Rhoda hätte gar nicht daran gedacht, mich mitzunehmen, wenn nicht Gräfin Arnsberg als Nachschrift auf die wappengeschmückte Karte gesetzt hätte: »Unter den jungen Namen ist selbstverständlich das dunkelblonde Lockenköpfchen mit inbegriffen, das mir neulich einen so tadellosen Hofknix machte, – den Namen der Kleinen habe ich leider vergessen.«
So fuhr ich denn namenlos, aber sehr vergnügt im Innern mit nach Friedrichswalde und fand hier eine sehr fidele Gesellschaft.
Die sieben Töchter der Gräfin sind einfach reizend, und ich finde es auch riesig praktisch, daß sie nie mit richtigen Namen genannt werden, die ja doch kein Mensch behalten könnte, sondern einfach, »A, B, C, D, E, F, G« heißen; manchmal singt die Gräfin Mutter auch nur eine fröhliche Tonleiter in die Luft, wenn sie ihre Töchter ruft, die dann alle sieben angeflogen kommen wie die Schmetterlinge.
Auch junge Herren waren eine Menge da, – meistens Offiziere, die auf Urlaub in den benachbarten Gütern sind.
Friedrichswalde liegt dicht neben Rotbach, man sieht die Fahne des Rotbacher Herrenhauses flattern, aber gleich bei unserer Ankunft, während wir Jacken und Hüte ablegten, wurde uns bedauernd zugerufen, daß »Er« nicht käme, woran sich eine eifrige Debatte schloß, ob »Er« menschen- oder gar damenscheu sei, letzteres wurde als das größere Verbrechen betrachtet.
Pinschi und Rinschi kamen nun außerordentlich zur Geltung, da sie die einzigen waren, die »Ihn« gesehen und gesprochen hatten, (o Kerlchen, wenn sie geahnt hätten!) und ihre begeisterte Schilderung seiner Vorzüge ließ sein Fortbleiben doppelt ärgerlich sein. Es wurde aber ein ganz wunderschöner Nachmittag – die Gräfin Arnsberg nahm mich richtig in Beschlag, denn es stellte sich heraus, daß sie eine Pensionsfreundin von Muusch ist und auch mein Väterchen kannte.
Ihre Augen ruhten mütterlich-zärtlich auf mir, und wenn ich von meiner »Stellung« sprach, schüttelte sie öfters den Kopf.
Mit ihrer jüngsten Tochter, Komtesse »G« freundete ich mich sehr an, ich merkte schon eine Weile, daß das liebe, lustige Mädchen mich immer anguckte, und schließlich, als sie mich in eine Ecke bugsiert und sich neben mich gesetzt hatte, erfuhr ich, daß sie meinen Erich-Bruder sehr genau aus Berlin kennt und ihn »furchtbar reizend« findet.
Als unsere liebe Unterredung zu Ende war, da nannten wir uns schon »Du«, und dann erfuhr ich auch ihren richtigen Namen »Gerlinde«, den ich sehr schön fand, aber sie sagte, ich dürfte ruhig sagen, daß er blödsinnig für ein modernes Mädchen sei, sie nähme nichts übel, worauf ich ihn auch blödsinnig fand.
Rinschi schien über irgend etwas ärgerlich zu sein, sie hatte auch alle Nase lang ihre Sachen verlegt, und immer, wenn ein Herr kam und mit mir tanzen wollte, schickte sie mich hinaus, um das Verschwundene zu suchen, als aber Leutnant von Trott mit mir suchen wollte, fand sie ihr vermißtes Taschentuch unvermutet in ihrer eigenen Tasche, wo es ja auch hingehörte.
Auf dem Heimwege sprach Baronesse Rinschi kein Wort mit mir, und auch Pinschi war recht still und schlief bald ein, denn es ist glatte Landstraße bis Groß-Rhoda, und der Wagen hatte neue Federn. Ich dachte noch recht stark über das gemütliche Fest nach, auf dem ich zum erstenmal wieder fröhlich lachen durfte, und dann dachte ich auch daran, daß in 14 Tagen ein gleicher Abend in Groß-Rhoda angesetzt war, die Stiftsdame hatte uns gleich die Einladungen mitgegeben, auf dem Lande wird ja so was gemütlich gemacht.
»Aber dann muß ›Er‹ heran,« riefen sie alle wie aus einem Munde. »Sonntag wird ›Er‹ ja wohl überall in nächster Runde Karten abgeben, und dann – frischauf zum fröhlichen Jagen!«
Ich stand am Abend noch lange, lange vor Väterchens Bild, – ach wenn er lebte, wenn er da wäre! Ich meine, es müßte mit einem Schlage alles wieder gut werden. Ich bin so allein! Väterchen, hilf mir doch!
*
Die vergangenen vierzehn Tage will ich lieber gar nicht schildern, – ich bin recht gequält worden, aber ich denke immer, sie werden es wohl auch mal müde, – ich bin ja selbst auch so müde von dem Gehetztwerden, von der vielen Arbeit, die sie früh und spät für mich haben.
Was mich immer noch ein kleines bißchen froh erhalt, das ist der Gedanke – – – »ich sehe nun bald den Fritz und darf mit ihm sprechen,« – ja, das ist's! Ich fürchte mich nicht mehr vor der Begegnung, nein, nein, ich muß endlich mal wieder ein gutes Wort hören, ich halt' es hier sonst nicht aus! Sie sind alle so kleinlich, so häßlich, so erbärmlich, – o – und die Dienstboten merken es schon, daß man sich alles mit mir erlaubt, – wenn Wera das ahnte! Und der ritterliche Baron Ernst!
Nur der alte Kutscher spricht liebe, gute Worte zu mir, aber nun hat die Stiftsdame mir auch den Stall verboten, – weil ich dann jedesmal rieche; – sie gießt sich »White Rose« aufs Taschentuch und denkt nicht dran, wieviel schlimmer sie dann riecht.
Wenn ich den Fritz wiedergesehen habe, und er zu mir gesagt hat: »Guten Tag, Kerlchen!« dann will ich von hier fort.
*
Nein, nein, nein, nein!!! – Väterchen, gelt, das leidest du nicht?! Die Stiftsdame war eben da und besah mein weißes Kleid, das ich mir für heute zum Fest zurecht gelegt habe und lächelte über die Moosrosen, die mir der gute Gärtner gegeben hat, lächelte so abscheulich, daß man alle ihre falschen Zähne sah.
Väterchen – – und dann kam's!
Ich soll heute gar nicht mit dabei sein – – »was ich mir denn einbildete – ob ich glaubte, alle besäßen den eigentümlichen Geschmack der guten Arnsberg, die ›Stützen‹ mit einzuladen.«
Und so ging es fort – – eine halbe Stunde lang – – o was hat sie mir alles gesagt! Väterchen, leide es doch nicht! Sieh, nur ein klein' Weilchen möcht' ich dabei sein, – der Fritz kommt ja, Väterchen, und ich möcht' ja nur ein einziges Mal ihn wiedersehen und seine Stimme hören, und dann will ich gleich fortgehen, weit, weit fort.
Väterchen! Siehst du denn dein armes, armes Kerlchen nicht? – – – – – – –
*
Groß-Rhoda, den 26. November 18..
So, Kerlchen, nun schreib' nur alles hin – schlafen kannst du ja doch nicht.
Ich kam gar nicht zur Besinnung heute. Treppauf, treppab jagten sie mich, ein paar von den eingeladenen jungen Mädchen sollten über Nacht bleiben, da gab es viel zu rüsten und zu sorgen, Pinschi und Rinschi hatten keine Zeit dazu, die saßen über ihren schönen Gewändern und stichelten und änderten noch mit der Kammerjungfer daran herum. Blaßblauer, zarter Tüll, wohin man sah – –.
Ich hatte mein weißes Kleid trotzig in den Schrank gehängt, – ja, ich war trotzig und böse geworden, – ganz schwarz und dunkel sah es in mir aus.
Heute habe ich auch zum letzten Male die Zunge herausgestreckt, ich will es nun nie wieder tun, es ist ja etwas zu Häßliches, aber heute mußte ich sie lang und anhaltend hinter Fräulein von Rhoda herausstrecken, als sie im höchsten Staat nochmal in mein Stübchen kam und mir befahl, sobald die ersten Gäste eingetroffen seien, dieses nicht mehr zu verlassen, – ich mußte es tun, ich wäre sonst auf dem Fleck gestorben.
Um 4 Uhr fuhren die ersten Wagen vor, – lautes, fröhliches Lachen tönte aus der großen Vorhalle herauf zu mir in mein einsames Stübchen. Immer mehr Menschen kamen, aber die Gräfin Arnsberg war nicht darunter, sie hatte sich mit A, B, C, D, E, F, G erst zum Abend angemeldet. Ich hatte die Gardinen zugezogen und sah durch einen Spalt hinunter auf die Landstraße, es war solch' ein häßlicher Novembertag – »zum Abschiednehmen just das rechte Wetter«.
Und dann, – dann tönte Hufschlag, und Fritz von Rumohr sprengte aus dem Waldweg. Sein Gesicht war braun und sah ziemlich mißmutig aus, er sprang vom Pferde und warf dem Reitknecht die Zügel zu, aber, im Begriff ins Haus hineinzugehen, kam er noch einmal zurück und sprach eingehend mit dem Knecht – – da hörte ich seine Stimme zum erstenmal wieder. Und wenn er auch nur sagte, daß er den »Kismet« bestimmt kaufe, und die Zustimmung von Baron Rhoda schon da sei – – es war doch seine alte Stimme, und genau mit derselben Handbewegung wie früher fuhr er sich durch das Haar – – dann ging er ins Schloß, und ich lehnte meinen Kopf an das harte Fensterkreuz – – Väterchen!!!
Ich mochte wohl eine Stunde regungslos so gestanden haben, ganz müde und steif dehnte ich meine Glieder, und dann, als ich merkte, daß sie noch alle um den Kaffeetisch versammelt saßen, schlich ich mich leise die Treppe hinunter und huschte durch den Vorplatz über den Hof in den Pferdestall.
Niemand war darin. In seiner reinen, hübschen Box stand Kismet und schrotete gemütlich, – ich setze mich still auf die Futterkiste und schaute ihm zu und streichelte ihn dann und wann, – und – ja, ich beneidete ihn, – weil er nun bald für immer zu Fritz von Rumohr kam, – wenn auch nur in den Stall.
Meine Tränen flössen reichlich, – ach, was war ich für ein einsam, verlassenes Kerlchen!
Da kamen Schritte durch den Stall, kräftige, laute – dann eine erstaunte Stimme, etwas militärisch kurz: »Na, wer heult denn hier?« und dann war ich aufgesprungen, und der Schein der hellen Stalllampe fiel auf mein verheultes Gesicht, auf mein zerzaustes Haar, in dem ein paar Heuhalme hingen.
Ein Ausruf – – Staunen, Schreck, Jubel, was lag nicht alles in seinem Ruf: »Kerlchen!«
Und dann saß ich wieder auf der Futterkiste, und er neben mir, und ich weinte und schluchzte ganz fassungslos, Fritz hatte seinen rechten Arm um mich gelegt, mit der linken Hand hielt er meine beiden Hände, und die Worte, die er sprach, überstürzten sich vor heller Aufregung:
»Mein Liebling, mein Kerlchen, mein Kleinod, süßes, süßes Kerlelein – hier find' ich dich? So sprich doch! Gelt, du bist mein? Endlich hab' ich dich wieder! Endlich halt' ich dich! Kerlchen, süßes, einziges, hast du mich lieb?«
»Ich hab' kein Taschentuch!« flüsterte ich ihm leise und zaghaft zu, – ich wußte wirklich im Augenblick nichts weiter zu sagen, denn es war ja zu dumm, daß ich in dieser wunder-wunderschönen Stunde schnüffeln mußte.
Fritz sprang auf und lachte herzbezwingend und fröhlich, er drehte sich vor Entzücken sogar ein paarmal um sich selbst, so daß Kismet erschrocken zurückprallte und bedenklich die Ohren spitzte.
»Gottlob, das alte Kerlchen,« rief er entzückt, – »unverändert – unvergleichlich – mein Süßes, rasch, rasch, es ist doch gut, daß dein alter Fritz dir helfen kann!«
Er hatte gut lachen, – ach, aber ich war so froh, und sein Taschentuch roch so gut nach Juchten und Stall.
Und nachdem ich mir ordentlich die Nase geputzt hatte – da warf ich das Taschentuch in die Luft und ja – – ich schlang beide Arme um den Hals von meinem Fritz von Rumohr.
– – »Ich wollte, jetzt kämen Räuber,« sagte ich zu ihm, und er sah mich so gut, o so unbeschreiblich gut an.
Wir haben dann wohl sehr lange auf der Futterkiste gesessen, ich hatte ihm ja so viel zu erzählen.
Zwischendurch küßte er mich – ganz, ganz doll – ich durfte kein bißchen ausreißen – – und ich wollte es ja auch gar nicht – ich lag so geborgen an seiner Brust, – – ich war in meiner Heimat, ich hatte mein Väterchen wiedergefunden!
Dann sagte er mir, daß er jetzt nur in das Schloß zu der übrigen Gesellschaft ginge, um sich zu verabschieden, daß er gleich heimreite, um mit seinem Glück allein zu sein, daß er aber morgen schon ganz feierlich kommen wolle, um sich seine Braut auszubitten und dann mit mir zu Muttchen zu reisen.
»Aber ist es nicht ›echt Kerlchen‹, daß du mir noch gar nicht meine Frage beantwortet hast?« lachte Fritz, »bist du denn wirklich mein Kerlchen, Felicitas Schlieden?«
»Deins!« sagte ich, und sah ihn an, – da glaubte er mir.
Dann riß ich mich los von ihm und gab in meiner Angst, es könne jemand kommen, anstatt meinem Fritz, dem Kismet schnell einen Kuß, dann lief ich durch den dämmrigen Stall, hinauf in mein Stübchen.
Glanzvoll, strahlend schien es mir, trotzdem ich nur ein winziges Stearinlichtchen angezündet hatte, – und nun sitze ich hier – wie träumend, – kann denn nur alles wahr sein?
O Väterchen, sieh dein Kerlchen, – lieber Gott, wie bist du gut zu mir, ich will auch gut werden!
Gute Nacht, Fritz! Mein Fritz. Ich hab' dich lieb! Ich hab' dich lieb! Ich hab' dich lieb!
Nun weißt du's, gelt?
Groß Rhoda, den 27. November 1902.
»Man soll den Tag nicht vor den Abend loben!« dieses dumme Sprichwort hör' ich immerfort vor meinen Ohren sausen – – o wie ganz, ganz anders ist der heutige Tag geworden!
Heimlich verlobte Menschen sollen im allgemeinen schlecht schlafen und im besonderen an Appetitlosigkeit zu Grunde gehen, – ich bin wohl auch darin anders geraten, ich hab mir gestern Abend, als Fritz fort war, von der Mamsell ein Beefsteak braten lassen.
Und in der Nacht ließ ich nicht mal das sprichwörtliche eine Auge offen, sondern schlief fest und traumlos wie ein Dachs.
Dafür war ich heute Morgen schon vor Tau und Tag auf, – ach und so etwas von Glückseligkeit gibt es ja gar nicht noch einmal auf der weiten Welt, wie sie mich erfüllte, wenn ich daran dachte, daß mein Fritz heute kommen würde – heute – vielleicht schon in ein paar Stunden, um den Menschen da im Schlosse zu sagen, daß ich nicht nur eine bezahlte Stütze sei, – sondern auch »sein Kerlchen«!
Um vier Uhr war ich schon im Stall bei »Kismet«, – denn er war gestern Abend ja Verlobungszeuge gewesen und der einzige, mit dem ich mich über den Fall unterhalten konnte. Ich erzählte ihm denn auch nochmal alles von A–Z, und er hörte so aufmerksam zu, wie es eben nur ein kluges Pferd kann, und wieherte sehr fröhlich, als ich ihm sagte, daß ich später neben ihm durch die Wälder reiten würde – später, – wenn, – wenn – – – – – –
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