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Wilhelm Trübner.

Mit einem in Deutschland nie dagewesenen Virtuosentum zu verblüffen, nichts als zu verblüffen, scheint heute manchmal der höchste Ehrgeiz der Begabtesten unter den Malern. Die ehemals gegenständliche Pose und Theatralik, um deren Bekämpfung die moderne Bewegung sich unleugbare Verdienste erworben, ist nun hier bereits zur subjektiven, zur Pose und Theatralik des Malers selber geworden. Denn während der Künstler uns auffordert: »Hört in Andacht und lauscht, was euch die Kunst durch mich zu sagen hat,« und dann sein möglichstes tut, daß wir über seiner Kunst ihn selber vergessen, ruft der Virtuos uns zu: »Nun schaut her und paßt auf, was ich für ein Kerl bin und was ich euch vormache.«

Mit Speck fängt man Mäuse, sagt das Sprichwort; im Höheren gibt es mancherlei Mäuse und mancherlei Speck. Jene heut altmodische gegenständliche Theatralik war Speck für den Philister, für die höhere Tochter, für den deutschen Professor der Aesthetik von damals. Einen andern Speck braucht, um anzubeißen, das Kunstgigrl. Oskar Wilde meint, (im Bildnis des Dorian Gray), erst wenn Wahrheiten zu Akrobaten würden und auf dem Seile tanzten, könnten sie für uns interessant werden. Das sieht Oskar Wilde ganz gleich, und auch uns sind gewagte Wahrheiten, meinetwegen mit dem Drahtseil unter den nackten Beinen, noch immer lieber als solche, die in genagelten Pechschuhen auf den Gemeinplätzen des Lebens dahertrampeln. Und so mag denn auch der Künstler, wenn ihm das Tanzen an sich nicht genügt, weil er damit nicht stark und heftig genug zu wirken fürchtet, aufs Seil steigen, wo er den wahren Zauber des Tanzes, die beglückende Schönheit in der Bewegung und die Allgewalt des Rhythmus, durch allerlei Tollkühnheiten zu ersetzen hofft: wir fürchten nicht gleich für seine Seele, wir fürchten höchstens für seinen Hals. Und vor allem fürchten wir, daß er bald langweilig wird.

Mir scheint, einige Generäle der Münchner Sezession, vor denen gerade die Lärmtrommel am lautesten gerührt wurde, sind bereits an diesem Punkt angelangt. Es ist, als ob ihnen die Kunst immer nur ein Mittel gewesen sei, ein Kampfmittel, ein Mittel zum Sieg. Mit der Kunst ist es aber ein eigenes Ding; sie muß notwendig innerlich verarmen, wo sie nicht rein um ihrer selbst willen geliebt wird.

Und leicht selber lärmig wird eine Kunst, um die allzuviel Lärm gemacht wird.

Es ist auch alles gegen eins zu wetten, daß in revolutionär aufgeregten Zeiten die vornehmeren Naturen die zurückhaltenderen und infolgedessen die zurückgedrängten sein werden – was aber nicht zu verhindern braucht, daß sie doch das letzte Wort behalten. Das verhält sich manchmal erst recht so in den Revolutionen auf dem Gebiete der Kunst. Auch hier behalten oft nicht die Lautesten das letzte Wort, sondern gerade die Stillsten.

Zu diesen stillen und zurückhaltenden Naturen hat immer Wilhelm Trübner gehört. Wo die andern stürmten, oder doch zu stürmen schienen, ging er ruhig und gelassen seinen Weg, und schon heut ist es klar, daß er weitergehen wird als andere.

* * *

Eine der schönsten Errungenschaften der modernen Kunstbewegung ist diese: die Künstler dürfen heut mit einem gebildeteren Publikum rechnen als vor fünfzehn und zwanzig Jahren. Wie die Augen der Maler, so sind auch die Augen des Publikums heute feiner. Die Zahl derer, die in einem Bilde nach bloß malerischen Qualitäten suchen, ist schon sehr groß. Auch die groben künstlerischen Effekte tun's nicht mehr allein. Man darf jetzt leise sein, und gerade den Schreiern verschließen die Kunstwanderer das Ohr. Das Publikum ist bis zu einem ziemlich weiten Grad schon erzogen.

Früher war's nicht so. Gerade die Gebildeten waren da die Schlimmsten. Das Verhältnis besonders unserer Dichter zur bildenden Kunst war ein absolut laienhaftes. Selbst die Besten, wie etwa Paul Heyse, machten kaum eine Ausnahme. Die Aesthetiker von Fach aber verwirrten und verirrten mehr, als daß sie aufklärten ...

* * *

»Natürlich liegt der Wert eines Kunstwerks in dem darin sich äußernden Geist. Der künstlerische Geist ist aber ganz etwas anderes als das, was der Laie sich darunter vorstellt. Immer sucht der Laie den Geist da, wo er nie sein kann, und findet ihn deswegen nicht.

»Wenn aber der Wert eines Kunstwerks nur in der künstlerischen Darstellungsweise liegt, so muß notwendigerweise in dieser auch der künstlerische Geist enthalten sein. Beim akademisch populären Kunstwerk liegt der Geist immer im Gegenstand, da das akademische Können für sich allein keinen Wert, also auch keinen Geist hat, folglich darauf angewiesen ist, den geistigen Wert ganz allein vom Gegenstand zu beziehen. Dem künstlerischen Geist, den der Laie nicht erkennt und deswegen als gar nicht vorhanden betrachtet, steht der vom Laien so hochgeschätzte unkünstlerische Geist gegenüber, nämlich der aus andern Gebieten, Poesie, Geschichte Mimik usw., entlehnte Gedankeninhalt. Reine Kunst ist dem Laien keine Kunst, mithin auch reinkünstlerischer Geist kein Geist ...

»Wie in jeder Kunst, liegt auch in der Malerei der hohe oder niedere Grad von künstlerischem Geist in dem größeren oder kleineren Maß von künstlerischem Können und dem darin sich äußernden höheren oder niederen Grad von künstlerischem Geschmack. Was der Laie guten Geschmack nennt, ist natürlich ganz was anderes, es ist der akademische Geschmack, und wo er diesen vermißt, wird er nur Geschmacklosigkeit sehen ... Da wo der Geschmack am höchsten ausgebildet ist und am feinsten und individuellsten zum Ausdruck kommt, sieht der Laie nur Geschmacklosigkeit, ebenso wie er da nur Geistlosigkeit findet, wo der höchste künstlerische Geist allein vorhanden ist.«

Bei welchem deutschen Aesthetiker oder Schriftsteller, bei welchem Vischer, Pfau oder Heyse hätte man vor dreißig Jahren solche Sätze lesen können? In Frankreich ja. Dort sprach schon 1858 Theophil Gautier ganz gleiche Gedanken aus. L'on a – schreibt er – dans ce dernier temps confondu l'idée littéraire avec l'idée pittoresque: rien n'est plus dissemblable. Si l'on disait qu'une nature morte de Chardin, représentant une raie, un paquet de céleri, Un chaudron ou un pot de grès, contient souvent cette idée pittoresque qui manque à de vastes compositions cycliques, palingénésiques, philosophiques, historiques, ethnographiques et prophétiques, on étonnerait peut-être bien des gens du monde; mais, à coup sûr, l'on surprendrait fort peu les artistes, très convaincus d'avance de cette vérité.

Gewiß, sie waren immer überzeugt, die Künstler. Aber ihre Gedanken darüber klar auszusprechen, dazu waren sie selten befähigt, Sie betrachteten das auch gar nicht als ihre Sache.

Wilhelm Trübner denkt anders – denn von ihm sind die oben zitierten Sätze. Er hat sich, der große Künstler, nicht gescheut, unter die Kunstschriftsteller zu gehen. Seine Betrachtungen über »Die Verwirrung der Kunstbegriffe« sind aber auch ein seltenes Büchlein, das unter die ersten Faktoren gerechnet werden muß, die an der fortschreitenden ästhetischen Bildung unserer Zeit mitgewirkt haben. Trübner hat sich damit ein großes Verdienst erworben. So klar und einfach und schlagend sind die künstlerischen Grundbegriffe in Deutschland noch nie ausgesprochen worden. Die Gegensätze von philosophischer Idee und künstlerischer Idee, von akademisch-konventioneller und reinkünstlerischer, von dekorativer und monumentaler Malerei sind mit einer solchen Schärfe und Prägnanz und zugleich mit so einfachen gemeinverständlichen Worten definiert, daß es eine wahre Lust ist zu lesen und eine wahre Lust zu lernen. Denn das ist vor allem ein Büchlein, aus dem man viel lernen kann.

Wir denken hier an andere deutsche Schriften von Künstlern über Kunst. Der alte Josef Anton Koch, der Zeitgenosse Goethes, hat ein heut ganz verschollenes Büchlein mit dem kuriosen Titel »Die Rumfordsche Suppe« herausgegeben. Auch dessen Thema ist die Unbildung des Publikums in Kunstsachen. Besonders die sogenannten Kenner werden hart mitgenommen. Selbst an Seitenhieben auf den großen Goethe fehlt es nicht. Das Büchlein ist recht geeignet, uns einen bedeutenden Künstler auch als geistreiche und interessante Persönlichkeit näherzurücken. Positives zu lernen ist daraus nicht.

Dann schrieb Anselm Feuerbach seine dithyrambischen Aphorismen, die in seinem »Vermächtnis« zusammengestellt sind. Hier gewinnen wir besonders wertvolle Einblicke in das tragische Ringen der Künstlerseele mit sich und der Kunst, mit ihrer Zeit und ihrem Schicksal. Zur Psychologie des Künstlers enthielt das Buch die überraschendsten Beiträge, es gehört zu den bleibenden Büchern unserer nationalen Literatur. Aber ein Lehrbuch ist es nicht und will es nicht sein, dazu ist es viel zu viel Selbstgespräch einer einsamen Seele.

Ein solches, ein Lehrbuch, will das andere Buch sein: »Das Problem der Form in der bildenden Kunst« von Adolf Hildebrand. Und das ist es auch in hohem Grade. Die ganze deutsche Universitätsästhetik ist davon beeinflußt. Kein heutiger Schulästhetiker, der von diesem Büchlein nicht gezwungen worden wäre, umzulernen vom Grund aus. Ruhm genug für das Buch und seinen Verfasser. Aber gemeinverständlich ist das Büchlein nicht, für weitere Leserkreise ist es spanisch. Selbst Professoren der Aesthetik reden ihm oft genug nach, ohne es verstanden zu haben.

Am meisten mit Trübners »Betrachtungen« berührt sich Klingers Schrift »Malerei und Zeichnung«. Die beiden mögen sich ergänzen.

»Bilde Künstler, rede nicht.« Gewiß. Aber Trübners literarische Tätigkeit und deren weitgreifende ersprießliche Wirkung hat doch wieder einmal gezeigt, wie vorsichtig jede allgemeine Vorschrift, auch die noch so sakrosankte, aufzunehmen ist.

* * *

Auf den Kunsterziehungstagen, der neuesten pädagogischen Errungenschaft, reden fortwährend so viele gescheite Leute ein Langes und Breites über die Erziehung zur Kunst durch die Schule, auch Leute, die eigentlich wissen müßten, daß nur Künstler, einmal durch ihre Werke und dann durch ihre Persönlichkeit, zur Kunst erziehen, heranziehen, hinanziehen können, daß hingegen der Nichtkünstler oder doch der nichtkünstlerische Mensch Verderben anrichtet in dieser zarten Sache, sobald er mit seinen knotigen Fingern auch nur daran rührt.

Und immer wieder reden und reden sie, und tun, als ob sie keine Ahnung davon hätten, daß doch, wie die Dinge liegen, mehr als 95% aller Lehrer in Ewigkeit keine Künstler sein werden. Und könnte doch jeder die Erfahrung haben, – aussprechen hört man sie genug von Künstlermenschen – wie einem ein wunderbares Gedicht von Goethe oder sonst einem Dichter das ganze Leben lang nicht mehr recht munden wollte, nur weil es einem einmal in der Jugend von irgend einem Schulmeister verekelt worden ist – ganz abgesehen davon, daß die Schule derartig verbureaukratisiert und daß dem einzelnen Lehrer durch eine Kette von Vorschriften, die ins Minuziöse gehen, derartig der Hals verschnürt ist, daß er sich nicht rühren und regen kann.

Z. B. ein Lehrerkollegium oder eine Landesschulbehörde setzt einen »Kanon« von Gedichten fest, die zu behandeln sind. Ein Lehrer findet, daß darunter ganz alberne Sachen sind. Andere, tausendmal wertvollere Gedichte, liegen ihm am Herzen. Diese möchte er mit seinen Schülern lesen. Ueber sie möchte er mit seinen Schülern, zu seinen Schülern reden. Er darf es nicht. Er muß sich an den »Kanon« halten. Er wird geschuhrigelt, wenn er davon abgeht, wenn er seinen eigenen Geschmack, sein eigenes Urteil sich Gesetz sein läßt. Wo soll da, ich bitt euch, der innere Jubel und das Feuer der Begeisterung bleiben, die zu wecken und zu entzünden und auf andere zu übertragen das Ein und Alles sein muß bei der Beschäftigung der Jugend mit der Kunst und dem Kunstwerk! Der euch das sagt, spricht aus Erfahrung.

Nein, ich glaube nicht an die Schule als Erziehungsanstalt zu Kunstempfänglichkeit und Kunstgenuß. Sie ist heute weiter davon entfernt als je. Das frühere Gymnasium, das unserer Urgroßväter, hat wenigstens auf einem Gebiet, auf dem der antiken Dichtung, tiefere Anregungen gegeben und damit die Grundlage geschaffen zu wirklicher innerer Bildung. Darauf verzichtet die heutige Schule. Sie gibt nur noch Wissen. Einen unendlichen Mischmasch von Wissen. Ueber dem Beischleppen dieses Wusts von disparatem Wissen verliert sie jede höhere pädagogische Absicht aus den Augen. Wenn der einzelne Lehrer Besseres will, die vielen Inspektionen, die nichts als handgreifliche Resultate verlangen, verleiden es ihm gründlich. Diese bureaukratisch bornierten Inspektionen vor allem vergiften den Geist des Unterrichts. Das Gehetz des Kasernenhofs hält durch immer breitere Tore seinen Einzug in die Schule, und während das allgemeine Geschrei über Arbeitsüberbürdung immer lauter wird, war doch die selbständige Tätigkeit der Schüler nie geringer und die eigentliche geistige Trägheit in ihnen nie größer als heute.

Nein, ich glaube nicht an die Schule als Erziehungsanstalt zu Kunstempfänglichkeit und Kunstgenuß.

* * *

Um so dankbarer müssen wir sein, wenn ein wirklicher Künstler es nicht unter seiner Würde hält, Lehrer zu sein, Lehrer nicht nur für Jünger der Kunst, sondern fürs Volk. Das aber ist Trübner in seinen Betrachtungen über die »Verwirrung der Kunstbegriffe«.

In dem Büchlein herrscht nicht nur eine seltene Klarheit der Definitionen, sondern auch eine erstaunliche Unparteilichkeit, Sachlichkeit und Gerechtigkeit. Nur ganz selten fühlt man sich versucht, dem Autor zu widersprechen. Er meint, daß es gut sei, wenn dem Publikum auch die schlechte Malerei in den Ausstellungen vorgeführt werde, weil man ja am Schlechten lernen könne, wie man es nicht machen soll. Der Künstler allenfalls. Das Publikum, dessen Urteil sich erst bilden soll, gewiß nicht.

Auch Trübners Auffassung von der Quantität auf den Ausstellungen, von dem Vielen und Allzuvielen des Dargebotenen, vermag ich nicht zu teilen. Alles zu viele wirkt eher verwirrend als klärend. Es ist vielleicht ein notwendiges Uebel, aber ein Uebel sicher. Es wirkt ermüdend, abstumpfend, übersättigend, und das einzelne Kunstwerk kann nur dabei verlieren. Das gute Einzelwerk wird, ohne daß wir es uns recht bewußt werden, entwertet. Das ist aber ein großes Unglück.

Denn wie der mysteriöse Schopenhauersche Wille in jedem Objekt, auch dem geringsten, ganz und ungeteilt enthalten ist (gerade so wie Gott in jeder der drei göttlichen Personen): so ist, und in viel einleuchtenderer Weise, in jedem guten Kunstwerk die ganze Kunst enthalten. Wer, der zum erstenmal zu Florenz in den Uffizien war, hat nicht das erfahren: er tritt heraus, getragen von Flügeln der Andacht und Anbetung, von ganzen Wogen stürmischen Gefühls, und dann sieht er in allen Gassen und in allen Schauläden die angebeteten Schöpfungen in tausendfacher und abertausendfacher Wiederholung und – wird ernüchtert.

* * *

Als Maler hat Wilhelm Trübner mehr Entwicklung durchgemacht als die meisten. Er war in seinen Anfängen Romantiker und ein Schüler Canons. Da bevorzugte er noch den interessanten Gegenstand, brauchte er noch die Poesie des Gegenstandes. Dann lernte er eines Tages Wilhelm Leibl und damit sich selber kennen. Doch nicht sofort. Er griff zuerst – Bild der Karlsruher Galerie – nach den zeichnerischen Qualitäten seines neuen Meisters. Aber er erkannte schnell den Mißgriff. Der gesunde Instinkt in ihm war stärker als die Wucht des meisterlichen Beispiels. Die Holländer und Velasquez, die er fleißig studierte, taten das ihrige. Und Ziel und Weg waren ihm klar mit einem Schlag.

Ebenso hat Leibl, wie mir Trübner selber erzählte, den Jüngern Genossen schnell in seiner Sonderart erkannt und mit warmer Teilnahme ausgezeichnet. Und beide, Leibl und Trübner, gehören in der Tat zusammen. Sie sind kunstverwandt, wie Eltern und Kinder blutsverwandt sind. Sicher hat der jüngere Wilhelm dem ältern nachgestrebt, von ihm gelernt.

Er konnte sich bald sehr gut neben ihm sehen lassen. Er ist ein eigener Meister geworden, und kein kleiner, kein kleinerer. Denn, indem Trübner von den beiden Potenzen der Leibl'schen Kunst die eine fallen ließ, die zeichnerische, und sich mit allen Kräften auf die andere, die malerische, warf, wurde er bei aller Verehrung für den Meister notwendig ein anderer. Beide zusammen aber repräsentieren vielleicht das höchste malerische Können, das in unserer Zeit in Deutschland erreicht worden ist.

Trübner hat auch das mit Leibl gemein, daß gewisse Kunstschreiber ihm gern, fast mit Scheu, aus dem Wege gegangen sind. Was sollten sie über ihn sagen? Wie sein großer Namensbruder behandelte auch er fast nie literarische Motive, malte er, von seiner Frühzeit abgesehen, nie Bilder, über deren gegenständlichen Inhalt sich viel erzählen ließ. Solche Künstler sind den Schreibern immer ein wenig unheimlich.

Wenn Böcklin, der lange genug schroff abgewiesen wurde, zuletzt zu so hoher und allgemeiner Anerkennung gelangte, so verdankte er das nicht ausschließlich dem rein künstlerischen Geist seiner Bilder, welcher allein in der Vortragsweise liegt und worauf allein ein künstlerischer Ruhm sich gründen kann. Den Ausschlag gab viel eher der außerkünstlerische Geist, der in Böcklins Bildern neben dem rein künstlerischen herläuft. Es war sogar gerade das rein künstlerische Verdienst in Böcklin, das seine Anerkennung so lange verhinderte trotz des außerkünstlerischen poetischen Gehalts, womit diese Bilder dem Publikum eigentlich sehr entgegenkommen.

In Trübner aber ist von diesem Entgegenkommen nichts. Er kann schon deshalb nicht so populär werden wie Böcklin. Dafür wird aber auch jede Würdigung, die er erfährt, um so unverdächtiger sein, weil sie allein auf rein künstlerische Qualitäten gegründet sein muß und durch keine außerkünstlerische Herrlichkeit bestochen sein kann.

Hier ist einem Mißverständnis vorzubeugen. Die Enthaltsamkeit Trübners in diesem Punkt ist an sich kein Verdienst. Sie ist seine Eigenart, nichts mehr und nichts weniger. Und Böcklins rein poetische Reichtümer möchten wir nicht entbehren. Sie sind ebenfalls seine Eigenart. Aber hervorzuheben ist diese Enthaltsamkeit bei Trübner, um das, worin sein künstlerisches Verdienst begründet liegt, um so sichtbarer hervorspringen zu lassen; und zu sagen ist, daß dieser Meister aus dem altromantischen Heidelberg die Romantik auch bis auf das letzte Restchen Eierschale abgestreift hat, aber auch nicht die Poesie gelegentlich durch Witzchen und Mätzchen ersetzt, wie der große Menzel fast auf allen seinen Bildern, die populär geworden sind.

Trübner ist viel strenger. Er scheint zu sagen: So male ich; ich male für Leute, die vom Malen etwas verstehen oder es lernen wollen. Die andern sind für mich Pöbel, hol sie der Teufel.

Das bedeutendste Dokument der Trübnerschen Kunst sind seine Bildnisse. Seine Frauenbildnisse besonders. Die meisten Lenbachschen Damen nehmen sich daneben wie Farbendrucke aus. In seinen Bildnissen ist Trübner der feinste Kolorist, den sein Jahrhundert in Deutschland hervorgebracht hat. Und doch ist oft nur Schwarz und Weiß auf den Bildern. Wie alle großen Koloristen – mit Ausnahme allerdings der Venetianer – ist Trübner äußerst enthaltsam in Farben.

Trübner ging immer einen steten und langsamen Schritt. Er war nie ein Stürmer und Dränger. Dabei ist er der Modernsten Einer. Er ist kühl bis ins Herz hinan, und etwas kühl wirkt auch seine Kunst. Aber der Poesie entbehrt sie deswegen nicht. Für ein kühles deutsches Waldinnere, für einen grauen Regentag im kühlgrünen Frühling, für die Abenddämmerung in grüner Landschaft findet er die feinsten Töne. In diesen Tönen und ihrer feinen Zusammenstimmung liegt seine Poesie. Die des Musikers liegt auch in nichts anderem. Es ist immanente künstlerische Poesie, keine die nebenherläuft.

Trübners Kunst ist kühl; sie ist dafür sehr vornehm und vor allem durch und durch ehrlich.

Trübner ist in hohem Grad ein gewissenhafter Künstler.

Das fieberhafte Streben nach raschem äußerem Erfolg, an dem in unsrer Zeit so viele und oft gute Talente verderben und zugrunde gehen, – ich habe es ein paarmal schon mit angesehen –, ist ihm ganz fremd. Um so mehr kennt er das ehrliche Streben in Fleiß und Arbeit. Trübner stammt nicht umsonst aus einer alten Goldschmiedfamilie.

Er liebt die graue Dogge und das braune Pferd. Die beiden Tiere malt er immer und immer wieder. So lernt er sie immer besser. Das freut ihn. Das ist ihm schon genug Lohn und Erfolg.

Und wenn er nun nächstens ein Reiterbildnis des Großherzogs von Baden malen wird, so wird das keine Repräsentationsleinwand werden nach berühmten Mustern, aber eine Malerei von bleibendem Wert, ein Kunstwerk mit dem Stempel hoher Originalität.

Er freut sich auch ganz ungeheuer darauf.

Und freuen darf sich auch Karlsruhe, an dessen Akademie der Künstler diesen Herbst seine Tätigkeit begonnen hat, wohin er berufen wurde, als er bereits auf dem Sprunge stand, nach Berlin zu gehen.

* * *

Ein Bedenken ist auszusprechen. Trübner hatte, vor fünfzehn oder zwanzig Jahren, einen gewissen Höhepunkt erreicht. Seine Kunst trug damals den Charakter einer ruhigen vornehmen Meisterlichkeit. Die Bilder jener Periode ließ man auf sich wirken, ihre Wirkung war ungeheuer, man dachte dabei nicht an die Mache. In seinen heutigen Bildern drängt sich diese manchmal auf. Seine charakteristische Pinselführung, die mit lauter Quadraten und straffen Bandstreifen modelliert, macht von sich selber etwas allzuviel Wesen, und in seinen Schülern wird sie bereits zu jenem Virtuosentum, das wir oben charakterisiert haben. Ganz heimlich regt sich einem manchmal der Zweifel, ob Trübners neuester Weg nicht auf Abwege führe ...

Und soll ich noch etwas über die Person des Künstlers sagen? Dieser Maler, der mehr Maler ist und notwendiger Maler ist als die meisten heute, sieht aus wie ein höherer Offizier, Major oder Oberst. Dabei sagt man ihm nach, er sei befangen in Gesellschaft, schüchtern, ja ziemlich trocken in seinem Wesen. Und in der Tat, als ich ihn vor Jahren in einer geistreichen Gesellschaft kennen lernte, sprach er fast gar nicht; als ich ihn aber neulich in Heidelberg besuchte und wir einen Gang übers Schloß machten, kam er in eine so warme Beredsamkeit und sprach so tiefe und bedeutende Sachen über Kunst, daß ich aus dem Staunen nicht herauskam und noch heute überzeugt bin, noch selten eine anregendere Unterhaltung genossen zu haben.


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