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Die Kunst auf der Gasse.

I.

Volkskunst. Straßenkunst. Der Worte ist man überdrüssig. Die Sache, das ist etwas anderes. Man darf aber kecklich sagen, daß es am schlimmsten um eine Sache steht, die am meisten gepredigt wird. Heute will man zur Kunst erziehen, hat aber keine Ahnung vom Werden und Wachsen, und Wesen der Kunst. Oder ist das zu stark ausgedrückt? Jedenfalls war es um die Volkskunst, besser gesagt, um die Kunst im Volke, durch die Jahrhunderte hindurch nicht so traurig bestellt, als seitdem die Kunstgewerbeschul-Pädagogik dieses Gebiet entdeckt hat.

Daran ist freilich die Pädagogik nicht schuld, – ein solcher Sophist bin ich nicht – aber sie hat auch bis jetzt nichts daran zu ändern vermocht, und wo wirklich Kunst im Volke war, dahin haben die Herren nicht gesehen, das war für sie Handwerk, Banausentum (wie schon den Schulmeistern Athens) und sie haben sie gründlich verachtet. Man sagt nicht zu viel, wenn man behauptet, daß durch die Akademien das eine und durch die Kunstgewerbeschulen das andere Gebiet der Kunst verödet worden ist. Ich habe von solchen Schulen nie etwas anderes pflegen sehen, als »stilgerechtes« Kopieren. Das abschreckendste Beispiel habe ich in Karlsruhe kennen gelernt unter der Leitung des berühmten Direktors Götz. Die alten Renaissanceformen, die in ihrer ursprünglichen lebendigen Schönheit zu begreifen schon etwas wäre, hat man da, nachdem sie seit drei Jahrhunderten tot waren, von neuem totgeschlagen, indem man auf das Verkehrteste ausging, nämlich diese Formen als bloß korrekte Schablone zu sinnlosem Gebrauch neu zu gewinnen.

Eine Gewerbeschule allerdings, die unter einem Peter Behrens oder Otto Eckmann steht, wird anderes leisten; aber dieses Verdienst darf nicht der Schule als solcher zugeschrieben werden, sondern kommt allein auf Rechnung der betreffenden starken Künstler-Individualität. Ob diese durch ihre Stellung an einer Schule in ihrer Wirkung begünstigt, oder nicht vielleicht eher gehindert wird, ist sehr die Frage. Die Wirkung, die von einer lebendig-schaffenden Künstlerkraft ausgeht, ist natürlich, im weiteren Sinne des Wortes, auch eine pädagogische, und jene Schulmeisterei, die ich oben meinte, und die sich mit ihren weinerlichen Predigten, muffigen Rezepten und ratlosen Ratschlagen, sei es auf Akademien, sei es in Gewerbeschulen, sei es in Buch und Zeitung, breit macht, ist im Grunde so unpädagogisch, d. h. so unfruchtbar als möglich.

Wir haben in Deutschland unzählige alte Städte, große und kleine, mit schönen Plätzen und Straßen. Und wie schön! Ein bezauberndes Bild, wo man hinblickt. Und damals haben die Zeitungen noch keine Artikel gebracht über »Straßenkunst«, und ihre albernen Vorschläge ausgekramt. Es gab zum Glück noch gar keine. Und die Schulmeister, lateinische und andere, haben damals noch nicht über Kunst geschwätzt. Sie haben sich – für viel zu gut dazu gehalten. Sie hielten mit gesundem Standeshochmut, ihre – ihre sieben freien Künste für etwas viel Erhabeneres als – die Kunst. Wären sie doch bei ihrem Leisten geblieben und bei ihrem Hochmut.

Und warum entstanden damals ohne Zeitungsartikel und Geheime Regierungsbauräte so schöne Plätze, so wundervolle Straßenbilder; warum machte man alles schön? Ja, warum? Die Antwort ist ganz einfach. Weil damals die Handwerksmeister Künstler waren – wenn auch die Gebildeten sie Banausen nannten. Und warum waren sie Künstler? Weil sie selber wiederum bei Künstlern in die Lehre gegangen waren und nicht in akademische oder Kunstgewerbeschulen.

Diese Städte wurden gebaut durch die Jahrhunderte, und als sie dann fertig waren, so wie unsere Väter und Großväter sie noch unberührt und unbesudelt gekannt haben, da waren sie, ganz im ganzen genommen, vollkommene Kunstwerke, schön als Silhouette und schön in ihrer innern Fügung, geschlossen wie ein Krystall und einheitlich wie ein Organismus, als ob sie erbaut worden wären auf einmal hin und nach einem einheitlichen, künstlerisch klar bewußten Plan, oder als ob sie gewachsen wären, von innen heraus, notwendig. Wie ein Wunder standen sie da. Fast unbegreiflich. Und was dann seit den siebziger Jahren davon oder dazu kam, das wirkt wie eine Verstümmelung an einem lebendigen Körper, wie ein häßlicher Aussatz oder Ausschlag auf seiner Haut.

Ein solches Städtchen – wenn auch noch lange keins von den schönsten – ist Weinsberg in Schwaben. Als ich vor kurzem dahin kam, da war's, wie ich darauf zu wanderte, als erlebte ich einen scheußlichen Traum, eine gespenstische Legende des Mittelalters, wo ein böser Geist, vielleicht der Geist der Häßlichkeit, der mit dem Geist des Wahnsinns verschwistert sein mag, über Nacht ein tolles Spiel treibt, um eine Gegend, die er haßt, weil sie schön ist, zu schänden und zu verschimpfieren. Aber was ich sah, war von keinem bösen Geist aus Rache dahingestellt, auch von keiner industriellen Gesellschaft, die auf nichts sieht als auf größtmöglichen Gewinn, sondern es war eine Heilanstalt, und war erbaut auf Kosten des Staates von einem durch alle Schulen und Gelehrsamkeiten hindurchgegangenen Regierungsbaurat.

Das muß ich doch sagen: in dem vielverleumdeten, weil schulmeisterlosen Italien, wäre so etwas Garstiges auch heute nicht möglich. Und in dem »heruntergekommenen« Frankreich auch nicht. Nichts macht eben impotenter als das ewige schulmaßige Kopieren.

* * *

Keinen volksmäßigeren und volkstümlicheren Zweig der Kunst kann es geben, als den, von dem ich hier reden will. Aber die Kunstprediger sind blind davor und haben es sich noch nicht einfallen lassen, daß es hier etwas Wunderbares zu bewahren und zu beschützen gibt, zwar nicht etwas noch lebendig Fortzeugendes – davon sind wir leider weit entfernt – aber doch etwas noch immer praktisch im Leben Stehendes, das neben seiner praktischen Aufgabe auch noch die »pädagogische« erfüllen kann, Zeugnis zu geben von nicht allzufernen Zeiten, wo man (ganz ohne Zeitungsartikel über Straßenkunst) die Straße nicht für zu schlecht hielt, selbst in den ärmlichsten Städtchen, selbst in den Dörfern nicht, um sie reich mit Kunstwerken, mit künstlerischer Schönheit zu schmücken.

Kein Volk, zu aller Zeit, hat so viel Poesie im Trinken gefunden als die Deutschen. Keines hat in so vielen tollen und ernsten Liedern den Wein verherrlicht und die Trunkenheit gepriesen und den Rausch. Unser größter Sänger hat die süßesten gesungen. Die Kultur des Weines wird noch heut in manchen deutschen Gegenden getrieben wie ein religiöser Kult – den trübseligen Abstinenzlern zum Trotz. Wer weiß das nicht?

Aber auch die Künste, die auf Zeichnung beruhen, sind dahinter nicht zurückgeblieben. Da denkt sofort jeder an Grützner und Gebrüder. Aber wir lassen die Malerei. Wir reden ja von Kunst auf der Gasse. »Wo unser Herrgott den Arm 'rausstreckt«, lautet bei uns die Redewendung. Sie ist bezeichnend für durstigdeutsche Art. Aus dem Wirtshaus nämlich streckt unser Herrgott den Arm 'raus, das Schild des Wirtes ist der Arm.

Diese Sitte ist heut in den meisten deutschen Gauen ganz verschwunden. Der Herrgottsarm wird da ersetzt durch eine nüchterne und höchst schmucklos hingemalte prosaische Inschrift. Ob sie auf einem Brett oder kurzweg auf der öden Kalkwand angebracht ist, nüchtern und langweilig ist sie immer. Es nützt auch nichts, daß die Buchstaben vergoldet sind; ihre Langweiligkeit wird dadurch nur auffallender. Wer freilich nur einen weindurstigen, bierdurstigen, oder gar schnapsdurstigen, aber keinen schönheitsdurstigen Sinn hat, dem ist die dreckigste Aufschrift gut genug. Und wer nie anderes gesehen hat, weiß auch nichts anderes.

Wer aber einmal in Franken und Schwaben gewandert ist und besonders im Württemberger Ländle, der weiß es anders. Und weiß es schöner.

Denn hier streckt der Herrgott noch seinen Arm 'raus. Und nicht spärlich streckt er ihn 'raus. Und, bei Gott, diese Herrgottsarme sind schöner als eure Brettertafeln, mögen sie noch so viel vergoldet sein. Sie sind nicht nur schöner, sie sind, und fast alle, einfach schön, ob sie schlicht oder reich sind, ob sie in Rokoko oder Empire oder auch ohne definierbaren Stil gearbeitet sind. Nicht nur die schönsten, oft sogar die ärmsten sind in ihrer Art reine Kunstwerke, eine Lust und Freude dem Auge, dem sie schmeicheln und wohltun wie dem Ohr die Melodie eines Volksliedes. Das hat schon Moriz von Schwind gewußt.

Die aus der Rokokozeit sind in der Regel die reichsten und üppigsten. Die dem Empire angehörigen sind, diesem Stil gemäß, viel einfacher aber gewiß nicht weniger graziös, und die andern, die sich keinem Stil zuschreiben lassen, sind, wenn sie schön sind, fast die entzückendsten.

* * *

Man könnte, allein in Württemberg, deren Hunderte photographieren, einen schöner als den andern. Und was dabei das Erstaunlichste wäre – erstaunlich freilich nur für den modernen Menschen: keiner würde dem andern gleichen. Es wurde eben damals noch nichts fabrikmäßig gemacht. Wenn damals ein Meister auch eine erkleckliche Anzahl solcher Schilder machte, so wurde doch keins dem andern gleich, und nicht etwa nur insofern, als der eine einen Ochs und der andere einen Engel, der eine eine Rose und der andere eine Sonne, der wieder einen Anker und der folgende einen Stern oder Lamm, oder Adler, oder Hirsch, oder Roß und was sonst enthielt, sondern sie waren ebensosehr verschieden in Form und Anordnung des Ornaments, des linearen Rhythmus. Jeder hatte seine eigene Melodie. Man arbeitete noch nicht nach Modellen und Schablonen; man arbeitete nur nach eigenen Erfindungen. Und wie auf manch anderem, so auch speziell auf diesem Gebiet kann man wohl klagen:

O schöne Künstlerherrlichkeit,
Wohin bist du verschwunden?

Und die Vertreter dieser »Künstlerherrlichkeit« waren – bescheidene Handwerksmeister, nichts anderes.

Sonst hört gewöhnlich das Wunder auf, sobald wir begreifen; aber was wir hier berühren, hat nur für den nichts Wunderbares, der überhaupt nichts davon versteht.

Wie mit diesen Schildern, so ist es mit vielen andern Dingen, z. B. mit den Brunnen. In diesen alten Städtchen ist jeder Brunnen eine Einzigkeit. Nicht jeder ist absolut schön. Aber charaktervoll ist jeder. Und ist jeder eine Individualität. Und ein Künstler-Individuum hat ihn geschaffen. Wenn heute ein solches Städtchen oder auch eine größere Stadt, z. B. meine liebe Stadt Mannheim (am Bahnhof), sich einen Brunnen leisten will, so schreibt sie an eine große Eisengießerei und bestimmt etwa den Stil, Gotik oder Renaissance. Und darauf erhält sie ihren Brunnen. Hundert andere Städte erhalten den nämlichen. Er ist so banal, wie nur ein Häufchen Materie banal sein kann.

Wie das Brunnen sind, so gibt es auch Schilder. Man trifft nämlich zwischen den alten hie und da ein modernes. Und das ist dann freilich immer dasselbe: auf einem plumpen, gußeisernen Sockel steht ein ebensolches Tier, Ochs oder Schaf, Roß oder Hirsch. Sie sind alle nach demselben Modell, in derselben Fabrik hergestellt und man erkennt sie als Fabrikware auf tausend Meter. Das Wichtigste an ihnen ist die Vergoldung. Dadurch glitzern sie. Dadurch protzen sie. Zwischen den wundervollen alten Meisterstücken von Schmiedekunst nehmen sie sich aus wie eine Pforzheimer Goldware neben einem Kleinod von Benvenuto Cellini. Der Vergleich, ist gar nicht übertrieben.

Und wo findet man diesen neuzeitlichen Schofel? Man findet ihn überall an den ersten Häusern. Natürlich auch. Diese Häuser allein können sich den Luxus leisten, die alte Schönheit in die Rumpelkammer zu schmeißen und die neue Häßlichkeit an ihre Stelle zu setzen.

* * *

Ich möchte aber nicht ungerecht sein. Die Menschen sind Kinder, sie haben, wie die Kinder, zu allen Zeiten begierig nach dem Neuen gegriffen, nach dem Funkelnagelneuen, und eine Zeit mit vorherrschend industriellem Charakter kann eine aristokratisch-konservative Sinnesweise gar nicht brauchen. Ich moralisiere ja auch nicht, ich behaupte nur, daß alle Schulweisheit, wie weit man sie treiben mag, den Leuten keine ästhetischen Augen geben kann. In den Städtchen, wo all diese Schönheiten auf der Gasse hängen, gibt es »Gebildete« genug, die ihre griechische Bildung mit Löffeln gefressen haben, die vielleicht sogar – der Fall soll vorkommen – eine Aesthetik oder Kunstgeschichte verfaßt haben und die ganz begeistert die Augen verdrehen, wenn sie einen salbungsvollen Predigtartikel über »Straßenkunst« und »Schmücke dein Heim« gelesen haben: aber die Schönheit, die wirklich auf der Straße hängt, die ihnen vor der Nase hängt, sie sehen sie nicht. Eher sieht sie noch hie und da ein einfacher Handwerker.

Wenn jene »Gebildeten« die außerordentlichen Gegenstände zu sehen und in ihrer Schönheit und Grazie zu begreifen und zu erkennen vermöchten, würden sie, ohne nur Worte zu machen, schon pädagogisch wirken. Sie würden hie und da bewundernd, mit leuchtenden Augen davor stehen bleiben. Die Leute würden aufmerksam werden. Sie würden sich sagen, daß es da etwas zu sehen gibt. Sie würden selber hinsehen. Und damit wäre schon viel gewonnen. Die herrlichen Denkmäler – herrlich sogar, wo sie arm sind – würden jedenfalls sofort weniger verachtet sein und würden seltener in die Rumpelkammer und zum Antiquar wandern. Und die Rede »Wir hätten schon längst gern einen neuen hinaufmachen lassen, es hat nur immer am Geld gefehlt«, würde einem nicht mehr so oft und mit so gutem Gewissen vorgetragen werden.

In Wahrheit muß ich gestehen, sehe ich mich einer großen Unbegreiflichkeit gegenüber. Ich möchte mir gern einen Begriff machen, von welcher Art und geistiger Bildung diese alten Handwerksmeister waren, die, aus so einfachen Verhältnissen heraus, so schöne Dinge erfinden und schaffen konnten. Es will mir nicht gelingen. Daß aber heute etwas Aehnliches auch nicht von weither möglich ist, sieht jeder.

Man sagt mir, das große Kunstwerk von heute sei die Maschine. Die Botschaft hör ich wohl, allein ... Doch ich will es glauben. Niemand möchte heut gern ein Romantiker sein. Ich glaube sogar, ohne Versicherung, ganz von mir aus, an das Reich einer neuen Schönheit, und oft bin ich überzeugt, ihren Schein zu sehen, wie er am Himmel deutlich heraufdämmert, und das veniat regnum, ich bete es so inbrünstig als einer; aber ich bin auch überzeugt, daß wir dieses Kommen um so mehr fördern, je tiefer uns die alte Religion erschüttert, je ehrlicher wir die Reste der alten Schönheit verehren und anbeten.

Vasari war auch kein Romantiker. Er hat durchaus im Stil seiner Zeit gemalt. Das hat ihn aber nicht gehindert, die Schönheit der frommen Quattrocentisten zu begreifen und mit seltener Kraft zu beschreiben, fast möchte man sagen, zu besingen. Seine eigenen Malereien sind verblichen im Wechsel des Geschmacks, aber seine Loblieder auf die Schönheit der Alten klangen befruchtend durch die Jahrhunderte.

II.

Und nun will ich von Würzburg reden. Nicht von seinen stolzen Kirchen und seinem herrlichen Schloß, sondern wovon niemand redet, worauf niemand achtet, weder Fremde noch Einheimische, wieder von der Kunst auf der Gasse; von den unzähligen, wirklich unzähligen Bildern in Holz und Stein, von denen man in den Gassen Würzburgs, wo man auch stehen und gehen mag, immer wenigstens eines, meist aber zwei, drei vor Augen hat.

Es sind fast nur Madonnenbilder. Und sie sind so verschieden wie sie zahlreich sind. Man muß staunen auf Schritt und Tritt. Es ist ein Reichtum – und nicht nur quantitativ – der verblüffen muß. Eine solche reiche Ausstreuung von Kunst in allen Gassen und Vierteln wird man in Deutschland kaum irgendwo wiederfinden. Trotz der himmelhohen Verschiedenheit des Stils denkt man unwillkürlich an Florenz. Es kommt vor, daß man im Weinhaus oder Bierhaus »ein wenig hinters Höfchen geht« und auch da eine Madonna antrifft. Und sie ist vielleicht gar »ein Riemenschneider«.

Mit dem letzten Satz möchte ich aber keine falsche Vorstellung erwecken: als ob es in Würzburg nur so von Werken Riemenschneiders wimmelte. Im Gegenteil, eben nur in irgend einem verlorenen und vergessenen Winkel wäre vielleicht noch einer zu entdecken. In Kirchen und Klöstern und in den öffentlichen Sammlungen sind herrliche Sachen von ihm zu sehen; in den Straßen aber ist kaum etwas von ihm zu finden. Heute kennen die Würzburger »Gelehrten« – und Ungelehrten nichts anderes als Riemenschneider. Unter seinem Namen muß alles gehen, was irgend gehen mag. Oder es wird verachtet.

Aber es gab lange Zeiten, wo Riemenschneider nichts weniger als Mode war, ja, wo er den Leuten direkt gegen den Geschmack ging, wo man eine Madonna oder sonstiges Bild von ihm umsonst haben konnte, weil der Besitzer Platz schaffen wollte für eine andere, für eine glänzendere, lustigere, elegantere, modernere Madonna. So allgemein und unwiderstehlich wurde der neue Geschmack fürs lustigere und elegantere, daß die alten Bilder in kurzer Zeit fast ausnahmslos verschwanden und neue an ihre Stelle traten. Das Rokoko feierte Triumph.

* * *

Es ist fraglos eine Borniertheit, das gute Alte nicht in seinem Wert zu erkennen, es zu verachten und abzutun. Aber allen im großen Stil produktiven Zeiten war diese Borniertheit eigen; sie wären nicht so produktiv gewesen, wenn sie nicht in gewissem Sinn so borniert, so naiv gewesen wären.

Ich war einmal bei Rodin. Es war die Rede von den französischen Kathedralen. Eine Dame meinte, die Franzosen seien doch schon rechte Vandalen gewesen; sie hätten ihre eigenen großartigsten nationalen Schöpfungen verstümmelt. »Die Franzosen, erwiderte Rodin, waren nie Vandalen; sie haben gelegentlich zerstört, aber sie haben immer wieder noch mehr hervorgebracht.«

Und darauf kommt es an. Der Lebende hat recht, sagt Schiller, und Recht hat vor allem der Schaffende. Mag man immerhin alte Werte abtun, wenn man nur neue wirkliche Werte an ihre Stelle zu setzen hat, und mag man das Alte für tot erklären, wenn man nur wirkliches neues Leben zu zeugen vermag.

Ich komme von Bamberg. Dort hat Ludwig I. den Dom gereinigt. Er hat alles Barock, Altäre, Kanzeln, Gestühl, Eisengitterwerk, Beichtstühle, Skulpturen, Stuck, kurz alles Unstilgemäße säuberlichst hinausfegen lassen. Sogar die große Reihe erzbischöflicher Denkmäler hat er wider alles Recht und Billigkeit hinausgeschmissen. Das war – alle noch so reinen Absichten des Königs zugegeben – eine Art Vandalenwerk. Denn er konnte das Hinausgeschmissene nicht ersetzen. Er hat den Dom, schlimmeres kann ich nicht sagen, protestantisch gemacht. Ein Keller und die ausgeräumteste Predigthalle, die auch einmal eine reiche Symphonie von katholischem Kircheninnern war (wie z. B. St. Thomas in Straßburg) können nicht nüchterner, nicht geistig kälter und erkältender wirken als dieser stilgerecht gereinigte Dom des zweiten Heinrich und des hl. Otto.

Ebenso hat man hier in Würzburg die Marienkirche auf dem Markt, die sogenannte Kapelle, gereinigt. Gewiß war es, wenn man will, eine freche Rücksichtslosigkeit des Rokoko, sich in diesem gotischen Kleinod einzunisten und sich darin breit zu machen wie der Spatz im Schwalbennest. Aber es war eine potente Rücksichtslosigkeit. Und war eine heilige Naivität obendrein. Und die eingenistete Rokokosymphonie mit ihren weltlichkirchlichen und profan heiligen, lustigen, jauchzenden Akkorden war etwas, war sogar etwas Großes, war der imponirende Ausdruck eines bewunderungswürdigen Jahrhunderts, einer letzten großen kirchlichen und künstlerischen Machtherrlichkeit. Die Rücksichtslosigkeit der Reiniger aber, dieser katholisch-protestantischen Kunstpuritaner, war eine absolut impotente. Eine gelehrt-impotente obendrein. Und nichts als der Ausdruck und das Zeugnis ihrer bodenlosen Impotenz vermochten sie an die Stelle des Hinausgeworfenen zu setzen: ödeste, geistloseste, tötlichst langweiligste Handwerkerschablone, wo es außerdem von stilistischen Mißverständnissen nur so wimmelt.

Am Südportal der genannten Kirche standen bis vor wenigen Jahren die nackten Gestalten von Adam und Eva, echte Riemenschneider, oder wenigstens solchen durchaus gleichwertig. Durch drei Jahrhunderte standen sie da oben über dem Gewühl des Marktes, das symbolische Elternpaar der Menschheit. In drei Jahrhunderten hat niemand Anstoß daran genommen. Ihre nackte Gegenwart war so selbstverständlich wie die der Mutter Gottes zwischen ihnen. Ein neuer Pfarrer aber, oder Kirchenrat, was weiß ich, findet sie plötzlich unmoralisch, sie werden entfernt.

Das ist nun in Wahrheit Vandalismus.

Dieser prüde Vandale hatte auch gar kein gutes Gewissen. Zum äußersten fand er nicht den Mut. Die abgenommenen Kunstwerke durch die beliebten Fabrikschablone zu ersetzen wagte er nicht. Er ließ die Plätze frei, und dafür soll er sogar gelobt sein.

Was meint er aber von dem ebenso originellen wie naiven Tympanonbild des Nordportals? Ist das nicht auch im höchsten Grad anstößig? Wird er das nicht auch bald entfernen?

* * *

Die Würzburger Bürger, die im vorvorigen Jahrhundert und schon früher die alten Madonnenbilder durch neue ersetzen ließen, hatten im Gegenteil zu unseren Vandalen ein sehr gutes Gewissen. Sie waren im tiefsten überzeugt, an Stelle eines Geringeren ein Besseres zu setzen. Die neuen Bilder waren für sie fraglos schöner, reicher, glänzender, herrlicher und mußten, wie jedermann, so auch der Himmelskönigin, der sie geweiht wurden, besser gefallen als die alten. Und so wurde damals die Abwendung vom Alten ein schöpferisch wirksamer Faktor. Ein wahrer Wettstreit muß entbrannt sein. Nicht nur wollte jeder an seinem Hause ein Bild haben, jeder wollte auch ein ganz einziges und womöglich das schönste besitzen. Daher die Menge und Manchfaltigkeit. Und daher die große Schönheit einer erklecklichen Anzahl.

Wahrlich, wenn man die wenigen übrig gebliebenen gotischen Figürchen, und es werden nicht die schlechtesten übrig geblieben sein, mit den Bildern der Renaissance und des Rokoko vergleicht, so begreift man die siegreiche Macht des jeweils neuen Geschmacks und neuen Stils.

* * *

Am zahlreichsten sind die Rokokobilder. Um ihnen vollkommen gerecht zu werden, darf man seinen Standpunkt sozusagen nicht außerhalb des Stils nehmen und sich nicht durch gewisse Eigentümlichkeiten desselben stören lassen; man muß hineintreten, hineindringen. Dann wird man aber auch entzückende Schönheiten entdecken, einen süßen Liebreiz in den Köpfen, einen unerschöpflichen Reichtum der Bewegungsmotive, bei Mutter und Kind, eine hochheitere Musik der Linien, einen lustigen graziösen Humor und eine ewig willkommene Augenweide in den schmückenden oder symbolischen Beigaben, den Sockelornamenten und Baldachinen, den getretenen Drachen, um Weltkugeln und Mondsicheln sich ringelnd, den Engelsputten, die aus Wolkenhaufen purzeln und schelmisch zwischen Mantelfalten hervorlugen ...

* * *

Daß nun das Alles so unbeachtet – unbeachtet selbst von Kunstgelehrten – an Häuserecken und Kreuzungen steht, ist ein neuer Beweis dafür, wie wenig Menschen mit eigenen Augen sehen. Wo die Leute nicht durch die Augen, oder Brillen, von Autoritäten sehen können, sehen sie überhaupt nichts. Für sie alle existiert ein Kunstwerk erst von dem Augenblick an, wo sichtbar ein berühmter Name daran geklebt ist. In Würzburg ist eben im Moment nur Riemenschneider berühmt.

Ich bin dennoch nicht der Erste in meiner abseitigen Bewunderung. Ich lernte unvermutet einen Vorgänger kennen. Und kein geringerer ist es als der österreichische Graf Lanckoronszki, der berühmte Sammler und Kenner. Er kam nach Würzburg und war erstaunt wie ich. Ihm mittelbar verdanke ich es, daß ich für die »Rheinländer« so schnell gute Photographien beibringen konnte von Gegenständen, die zu photographieren in Würzburg noch niemanden eingefallen ist. Diesen Einfall hatte allein der Graf Lanckoronszki; er ließ seine Lieblinge durch Herrn Hofphotograph Gundermann aufnehmen, der die Güte hatte, seine Platten auch mir zur Verfügung zu stellen.

* * *

Ich sagte, daß diese Bilder unbeachtet an den Häusern stünden. Den Satz muß ich einschränken. Einmal genießen sie religiöser Verehrung. Nur wenige sind, vor denen nicht am Samstag eine Laterne brennt. Und dann, man macht zwar im Volke kein Wesens daraus und die »Kenner« verachten sie wirklich; aber – die Madonna von Lourdes, ihr Bild ist gemeint, vermag einstweilen doch nicht an ihre Stelle zu treten.

Dieses Bild aus Lourdes mit der blauen Schleife steht zu Hunderten in den Schaufenstern der Fabrikanten und Händler, und hundert sehen sich untereinander so ähnlich wie hundert Eier untereinander, es steht in den Fenstern, massenweise; wie echte Fabrikware steht es und harrt. Und keineswegs umsonst. Es findet auch wirklich massenweisen Absatz. In Kirchen und Kapellen ist es schon fast ausnahmslos eingedrungen. Ich glaube, es fehlt in keinem gut katholischen Hause. Im Marienkultus spielt es eine gewaltige Rolle. Die Lourdesgrotten zählen in Deutschland nach viel tausenden.

Aber das Bild als solches, das Bild mit der blauen Schleife, künstlerisch das Nichtigste was seit Urchristenzeiten da war, hat doch nicht die Wunder, Kraft und Macht, die ich ihm schon zugetraut hatte. In Würzburg habe ich mich davon überzeugt. Es ist ihm hier noch nicht gelungen, auch nur eine einzige meiner geliebten Rokoko-Madonnen von ihrem schlangenumringelten oder von pausbackigen Engelsköpfen umschmeichelten Sockel zu verdrängen, um selber hinaufzusteigen. Und wenn nun auch wenige oder gar keine Menschen ihre Blicke nach diesen Bildern richten, das kann diese vornehmen Damen nicht betrüben, sie haben ja keine menschliche Eitelkeit. Und so kann man sehen, wie sie in Blick und Haltung immer noch Siegessicherheit und Triumph ausdrücken, als stolze Göttinnen, die sich bewußt sind, daß die gedachte Nebenbuhlerin ihnen noch lange nicht gefährlich ist, daß gerade diese am Ende überhaupt nie imstande sein wird, ihnen das Los zu bereiten, das sie selber, die viel schöneren, die viel reicheren, die viel glänzenderen, die viel herrlicheren, ihren bescheidenen gotischen Vorgängerinnen bereitet haben, mitleidslos wie alle schönen Frauen.

Diese Zuversicht lese ich in den Mienen meiner geliebten Königinnen mit ihren Strahlenkronen und Sternenkränzen und ihren übermütig zappelnden Büblein auf dem Arm – jene hat keins. Und wenn sie nicht getäuscht wird, die Zuversicht meiner angebeteten Damen, so begrüße ich diese Tatsache, obwohl sie nur negativer Natur ist, doch als eine hocherfreuliche in unserer auf dem beredeten Gebiet absolut nichtsnutzigen Zeit – wie ich den Mann, Priester oder Laie, Kirchenrat oder Stadtrat, der Adam und Eva vom Portale stieß, noch dafür loben muß, daß er deren Sockel leer ließ und nicht mit toten Larven verschimpfiert hat, wovon man am Hauptportal derselben Kirche ein nettes Exempel sehen kann.

* * *

Zu meinem Thema gehören auch die Figuren auf der alten Mainbrücke. Diese Brücke ist entschieden die schönste ihrer Art in ganz Deutschland. Die zwölf Figuren darauf sind kolossal. Und sie wirken so, ob man sie im einzelnen betrachtet oder in ihrer Gesamtheit und zusammen mit der Brücke als einheitliches Bild, als architektonisches Kunstwerk.

Gerade in ihrem feinberechneten Verhältnis zum Ganzen, wodurch sie wie organisch notwendige Glieder wirken, beruht ihr höchstes künstlerisches Verdienst. Der Barock überhaupt hat sein Bestes in der Stellung und Lösung dieses Problems geleistet. Sein ganzer Ruhm gründet sich darauf. Die barocken Kirchenfassaden besonders sind hierin Muster. Ihr eigentümlicher Reiz und Zauber – Würzburg ist reich an ihnen – beruht auf dieser geschlossenen und einheitlichen Wirkung eines Vielgestaltigen, in diesem feinen Verhältnis der Teile zum Ganzen, in dieser bewunderungswürdigen »Ordnung« der Teile untereinander, infolgedessen diese sich weder im Ganzen durchaus verlieren und aufheben, noch auch in störender Weise aus dem Ganzen heraustreten.

Durch Vergleichung werde ich für Laien klarer werden. Den schroffsten Gegensatz zum Barock bildet die Gotik. Bei ihr kann man, was jeder schon erfahren hat, zu gleicher Zeit immer nur entweder das Ganze oder nur den Teil auf sich wirken lassen. Mit andern Worten: Wenn du das Ganze siehst, entgeht dir das Einzelne in allem, was sein eigenstens Verdienst ist, und wenn du dich dann ins Einzelne versenkst, siehst du das Ganze überhaupt nicht mehr. Nicht so beim Barock. Hier kann mit einem Blick das Ganze und das Einzelne, ohne daß das eine dem andern in störender Weise Abbruch tut, in der vollen ihm innewohnenden und von ihm beabsichtigten Wirkung genossen werden.

Gerade in Würzburg, das mir schon in meiner Knabenzeit ein vertrauter Ort war, habe ich hierüber viel gelernt. An der Mainbrücke dieses besondere Verdienst des Barockstils herauszufühlen ist nicht so leicht als wie bei den reichen Kirchenfassaden. Um so größer ist der Genuß, wenn man es doch findet; man begreift zugleich, um wie viel die Lösung hier schwieriger war.

* * *

Der Wert der einzelnen Figuren beruht weniger – was sich beim Barock eigentlich von selber versteht – auf ihrer plastischen als auf ihrer malerischen Wirkung. Diese ist eminent. Die Wirkungsmöglichkeiten von Licht und Schatten sind hier in geradezu verblüffender Weise in den Dienst der Plastik gestellt.

Ueberhaupt ist das eine Plastik, die von der antik-griechischen unabhängiger ist als irgend eine. Während oft genug vorher die Malerei in Abhängigkeit von der Plastik sich entwickelt hat, ist hier der Stil einmal umgekehrt. Diesen Gestalten kann es ein Blinder ansehen, daß sie aus einem Jahrhundert stammen, wo die Malerei die erste Violine spielte.

Photographien von diesen Bildern fand ich in Würzburg nicht vor. Sie gelten dort, so scheint es, wie die Rokoko-Madonnen nicht für Kunst. Sie sind ja keine Riemenschneider.

Bei Gott, das sind sie wahrhaftig nicht. Aber auf wen sie nicht wirken als Werke der Kunst, für den wird auch Guido Reni, für den werden selbst Rubens und die großen Spanier keine Künstler sein.

Und seien wir gerecht: es gibt tiefe und eminent künstlerische Menschen, deren reizvolle und liebenswürdige Eigenart in dieser Beschränktheit begründet liegt.

Die Figuren sind nicht alle gleichmäßig erfreulich. Die weltlich vornehmste Persönlichkeit darunter, Karl der Große, wirkt fast komisch; er hat etwas von einem alttestamentlichen Hohenpriester. Sein Ahnherr Pipin dagegen, am andern Ende der Brücke, ist eine Statue, die, von ihren sonstigen Qualitäten abgesehen, auch an realistischem Persönlichkeitsgehalt und seelischem Ausdruck hinter der besten Gotik nicht zurückbleibt. Historisch wahr ist sie kaum. Aber für einen königlichen Dichter und Minnesänger könnte man keinen glücklicheren Typus finden als diesen »Pipin«.

Drei heilige Bischöfe wirken würdig und wuchtig. Ihre Silhouetten sind, bei Tag und bei Nacht, ein Entzücken. Sie wirken vor allem als gestaltete und belebte Masse, als breite Kampfplätze von Licht und Schatten, als volle üppige Rhythmen, als beglückende Gegensätze von Bewegung und Ruhe.

Anders das Muttergottesbild in der Mitte der Brücke. Hier wieder wirkt Seele, wirkt der Zauber der Persönlichkeit. Es ist ein lieblich gnadenreiches Bild. Die Himmelskönigin ist nicht als Mutter gedacht, sondern als Ausdruck des Mysteriums von der Unbefleckten Empfängnis, wofür Murillo den Typus für ewige Zeiten festgestellt hat.

Von diesem Bild gibt es wenigstens eine Postkarte.

* * *

Ich gelange zum Schluß meiner Betrachtungen. Wenn ich so durch Würzburg wandere, komme ich aus dem Erstaunen nicht heraus. Und über was erstaune ich im Grunde? Ich erstaune über die ungeheuere künstlerische Produktivität des Katholizismus noch im 18. Jahrhundert. Welcher Unterschied von heute! Ich brauche nur vor gewisse Schauläden mit bunten Gipsfiguren zu treten.

Und damals hatte die Kirche kein Zentrum, keinen Allgemeinen Katholikentag, keine Gesellenvereine, keine Herz-Jesu-Brüderschaften, vor allem keine Sintflut von Tagesblättern. Aber welches Leben damals und welches heute! Welcher geradezu verblüffende Reichtum damals und ...

Ich möchte meine harmlosen Kunstplaudereien beileibe nicht mit Politik besudeln. Ich hasse sie, die Politik. Die Kunst hat keine schlimmere Todfeindin. Aber eine Bemerkung kann ich mir nicht verkneifen, wenn ich gleich weiß, daß sie »allgemeines Schütteln des Kopfes« hervorrufen wird.

Der Protestantismus ist gewiß nicht verlegen, wenn es sich darum handelt, dem Katholizismus tausend Dinge vorzuwerfen. Aber Einen Vorwurf hat er ihm noch nicht gemacht. Dieser Vorwurf wäre auch lächerlich, vom Protestantismus erhoben. Aber er wäre berechtigt. Alle Leute, die vor Bäumen nie den Wald und vor Formen nie den Geist sehen, werden Zeter schreien – Protestanten wie Katholiken – wenn ich, ich als Katholik, den Vorwurf ausspreche. Er lautet: Der deutsche Katholizismus wird von Jahrzehnt zu Jahrzehnt protestantischer ...

So. Nun könnt Ihr schreien. Aber wahr ist's. Euch scheint mein Ausspruch ungeheuerlich? Er ist so einfach wie zwei mal zwei. Er enthält eine Gassenweisheit. Denn sagt Ihr romanisch, so sagt Ihr auch katholisch. Sagt Ihr aber deutsch ...

Man kann gefressen werden, besonders ein Geist kann von einem andern Geist aufgefressen werden, ohne daß er es merkt. Ja, lacht nur! Man kann auch protestantisch werden, ohne daß man es merkt. Man kann es schon lang geworden sein und es immer noch nicht merken. Wollt Ihr wissen, wer's immer gemerkt hat? Das war Rom. Dort hat man feinere Nasen. Ihr wißt das sehr wohl. Ihr seid ja von Rom immer darnach behandelt worden. Ihr deutschen Katholiken. Oder nicht? Reißt nur Adam und Eva von den Portalen und sperrt sie in Rumpelkammern. Karlstadt hat das viel früher getan. Ihr seid schäbige Nachahmer, noch dazu Nachahmer Eurer grimmigsten Feinde. Fahrt nur so fort. Bringt noch mehr Paragraphen in die Lex Heinze. Der Evangelische Bund hält Euch dann Vorlesungen über Euere Kunstfeindschaft. O Hohn! O Ironie!


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