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In den »Zwölfen« darf man nicht spinnen!
Das wußten im Bergdorf die Spinnerinnen.
Sie wußten's alle. Sie wußten's genau.
Frau Perchta liebt's nicht, die leuchtende Frau,
Die Schneelichte mit den goldenen Haaren.
Die Spindel soll ruhen zwischen den Jahren,
Wie auch die schaffende Erde ruht.
Den Folgsamen tat dann Frau Perchta gut,
Segnete ihnen die Wege und Gleise,
Half ihren Mühen heimlicherweise.
Wo aber surrend ein Rad geschwirrt,
Hat sie Rocken und Glück verwirrt,
Keine feinen Fäden gerieten mehr.
Eine Jungmagd liebte das Spinnen sehr,
Wollte sich gern ein Glück erspinnen,
Einen Freier sich locken durch feines Linnen,
War ein übermütiges Ding,
Die ihr Fädlein hierhin und dorthin hing,
Manch besonders feines zumal
Zu den reichen Burschen im Erlental,
Den mit Silbertalern klappernden Herrn.
In den Spinnstuben drunten, da war sie gern! –
Gab da viel Kichern, viel Heimlichkeiten,
Gab meist ein lustiges Heimgeleiten!
Schier spinntoll waren die Mädchen dort,
Auch in den Zwölfnächten spannen sie fort,
Luden die Lustige dazu ein,
Spannen bis tief in die Nacht hinein.
In einer eisesklirrenden Nacht
hat sie sich spät auf den Heimweg gemacht.
Der Wind schnitt wie ein zweischneidig Schwert,
So scharf, daß ihr Herzbursch bald umgekehrt,
Daß ihr letzter Scherz ihr im Mund erfror.
Der Wald stand schwarz, sie stand bang davor,
hat sich dann trutzig zusammengerafft,
Wollte lachen mit aller Kraft,
Stieg die Bergstraße mutig hinan. –
Da kam ein dämmernder Glanz heran,
Wuchs seltsam, wuchs flimmernd, wuchs mächtig breit,
Quoll wie ein Strom aus der Dunkelheit,
Wuchs und leuchtete immer mehr,
Um einen gleißenden Mittelpunkt her,
Wie die Magd jetzt mit Schrecken erfand,
Um ein schneeiges Weib her im Strahlengewand,
Die leuchtete riesig aus all dem Geblitz.
Die Dirne verließ ihr vorlauter Witz.
Frau Perchta! durchfuhr sie's. Der blendende Schein
Goß ihr blendende Ehrfurcht ins Blut hinein.
Sie schlich sich zur Seite des Hohlwegs hin
In Scheu, wie vor einer Königin.
Da sah sie, daß das leuchtende Band,
Das herabfloß, aus einzelnen Flämmchen bestand,
Und schärfer und schärfer lugte sie aus
Und sah, gepackt von innerstem Graus,
Gestreift von eiskalt blasendem Wehn,
Das Seltsamste, das sie je gesehn –:
Um Frau Perchta her schritt ein drängelnder Zug
Von ganz gleich großen Kindern. Jedes trug
Ein flackerndes Kerzchen in seiner Hand.
Nein – kein Kerzchen, das hätte nicht so gebrannt!
Auf dem rechten erhobenen Händchen hielt
Jedes Kind ein Flämmchen, von Schimmer umspielt.
All die Zeigefinger brannten wie Kerzen.
Das erschien der Dirne zum Kichern und Scherzen.
Die Frau schritt so groß in dem flimmernden Schein,
Die Kinder erschienen so lächerlich klein
Und drängten und drückten sich doch genau
Als wenn's ihre Mutter wär', an die Frau.
Und die beugte sich auch, wie's nur Mütter tun,
Zu dem Trippeln von tausend von Kinderschuh'n,
Ihr Blick schien ob jedem Schrittchen zu wachen.
Da überkam die Dirne das Lachen.
Frau Perchta aber, gleißend von Licht,
Stand vor ihr und blickte ihr ins Gesicht,
Schüttelte bös ihre goldenen Locken,
Fuhr mit der Hand in des Mädchens Rocken,
Und, als die Kecke ihr Lachen nicht ließ,
Verzog sie die Lippen, als ob sie blies.
» Lichtlein aus!« sprach sie mit lautem Klang.
Stockdunkel ward's da die Straße entlang.
Noch ein Getrippel von leisen Schritten
Ist an der Magd vorübergeglitten,
Doch sie hat kein Kind und kein Licht mehr gesehn.
Unschlüssig blieb sie im Dunkel stehn.
Hatte vorher die Straße doch matt geschimmert,
Eh' das Leuchten darüber geflimmert.
Der verlöschte Glanz ließ nun tiefe Nacht.
Nur ein Weilchen! hat die Dirne gedacht.
Doch das feste Pechdunkel wollte nicht weichen.
Da begann eine Angst die Magd zu beschleichen,
Sie tappte, doch schreckte, von Zweigen verletzt.
Sie fand den Weg nicht, starrte entsetzt,
Konnte kein Schimmerweiß mehr erkennen,
Sah keinen Stern mehr am Himmel brennen,
Sah keinen Strahl mehr! Ihr Herz schlug sehr.
Sie sah nicht die Hand vor den Augen mehr!
Aufstöhnend ist sie zusammengebrochen.
›
Ich bin blind!‹ hat sie wild zu sich selber gesprochen.
Und so war's. – Sie war blind – auf einen Schlag.
Sie fanden die Bleiche am andern Tag
Von Tränen vereist, von Jammer durchschauert.
Jeder im Dorf hat sie tief bedauert,
Doch was nützt und schafft eine blinde Magd?
Kalt hat sie ihr Dienstherr davongejagt.
Keiner, der früher mit ihr gelacht,
Hat ihr ein Plätzchen freigemacht,
Ihre eigene Muhme hat sie vertrieben,
Nur ein Bett im Armenhaus ist ihr geblieben.
Da tappt« sie sich in der großen Not
Durch die Dörfer umher nach Bettelbrot,
O, und lernte, wie hart und bitter das war!
Still trug sie ihr Elend, trug's grad ein Jahr.
Da ist sie einst abends, kummerbeschwert,
Vom mühsamen Bettelgang heimgekehrt,
Frost und Hunger haben wie Feuer gebrannt,
Wild hat sie ihr Elend übermannt,
Sie fiel auf die Kniee in heißem Gebet.
Ein Luftzug hat sie da angeweht,
Sie fühlte Frühlingshauch um sich schwimmen,
Sie vernahm ein Geraun von wispernden Stimmen,
An einem Knistern her über den Pfad
Hat sie erraten: Frau Perchta naht!
Frau Perchta! Frau Perchta! Mit aller Gewalt
Ihrer Seele schrie sie: »Frau Perchta! Halt!
Erbarme dich meiner! Vergib! Vergib!«
Und es war, als ob Perchta stehen blieb.
Sie schien nicht mehr die Strenge und Schlimme.
»
Lichtlein an!« rief sie mit guter Stimme.
Und da brannten vieltausend Lichtlein an.
Ein strombreit flimmerndes Leuchten begann
Vor den toten Augen der blinden Dirne. –
Eine weiche Hand strich ihr von der Stirne
Leis herab übers kalte Gesicht.
Und sie sah den Kinderzug, Licht und Licht,
Soviel wie im Vorjahr, eher mehr als minder,
Sah die Ungetauften, die Perchtakinder,
All die kleinen Gestalten, die wohlbekannten,
Sah die Finger, auf denen die Flämmchen brannten,
Und zwischen dem glitzernden Lichtermeer
Sah sie Frau Perchta, sonnenhehr. –
Ein Aufschrei. – Dann war alles vorüber.
Die goldene Straße schimmerte trüber,
Doch der Mond sah groß auf den weißen Schnee.
Die Magd sah den Tannwald, das Dorf, den See,
Sah die Fenster glimmern, rötlich erhellt.
Als tränken ihre Augen die Welt,
So sah sie um sich, verzückt, verklärt.
Ihr Leben war ihr wiederbeschert.
*