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Die Schlange

Wo am Strom hin der Pfad sich spinnt,
Im buschigen Weidenlabyrinth,
Im Mondschein, der weiß herniedergeronnen,
Hat er sein seltsames Lieb gewonnen.

Sie floh vor ihm her im grünbleichen Linnen,
Als wollte sie zwischen den Weiden zerrinnen,
Als er sie festhielt, weinte sie sehr.

»Nie kann ich dein sein! Nimmermehr!«

Sie stand vor ihm, glitzernd von Mondschein und Nässe.
»Wer bist du?« schrie er und sah ihre Blässe,
Sah ihr Kleid in Ritzen und Fetzen,
Sah ihre Fremdheit, ihr Entsetzen,
Sah ihre goldgeringelten Flechten,
Sah einen Goldring an ihrer Rechten,
Der wie ein Königreif kostbar schien.
Sieben leuchtende Steine zierten ihn.
Je mehr sie sich wand, je mehr funkelte der.
»Woher ich komme? Ich weiß nicht, woher!
Laß ab, ein besseres Glück sei dein!
Ich bin kein Mensch! – – –«

Sie ward dennoch sein.
Sein Werben hat ihr Sträuben gebrochen.
Was sie verlangte, hat er versprochen: –
Daß er niemals früge, woher sie käme –
Daß er niemals den Ring ihr vom Finger nähme –
Auf immer werde sie sonst verschwinden,
Keiner werde sie wiederfinden,
Und wenn er all seine Tränen verschütte.

Sie ward sein Weib in der stillen Hütte.
Er war nur ein Knecht, und er schaffte schwer.
Aber sein Reichtum, wie lachte der!
Sein ärmlicher, trauter Wohlstand blühte,
Sein Weib war wie die Sonne voll Güte,
Rastlos wie Wellen war ihr Fleiß,
Ihr Wort und Wesen war weich und leis,
All ihr Tun war sanfte, flutende Liebe.
Wie ein leiser Strom ging des Hauses Getriebe.
Liebe, lachende Kinder zog sie groß.
Einfach und schlicht blieb des Paares Los.
Arbeit war nötig und war doch wie Spiel; –
Nie ein Zuwenig, nie ein Zuviel!
Alle Ritzen von Segen und Stille.

Nur in der Nacht gleich zirpender Grille
Zirpte die Unrast dem Manne ins Ohr, –
Wie gestreng er sie auch beschwor!
Lag sein Weib so in ihrer Schöne,
War's oft, als ob ihn ein Flüstern höhne,
Ihn erhitzend zu weher Scham,
Daß er nicht wußte, woher sie kam.
Kräftig rang er, daß er's bezwinge.

Doch die Hand mit dem funkelnden Ringe!
Stunden, stundenlang, unverwandt,
Schaute er nachts auf die feine Hand.

Wie die Steine dann Funken schossen!
Wie die blaugrünen Lichter flossen!
Wie der strahlende Glanz ihn wirrte!
Wie die Reichtumsgier ihn umschwirrte,
Zorn ihn versuchte, Groll ihn umfing!
Er haßte sich und noch mehr den Ring,
Dachte an ihn, wo er ging und stand;
Zog ihn ab von der Schlafenden Hand.

Wehe! Sein liebes Weib war verschwunden.

Solch ein Jammer war nie erfunden,
Solch ein Sehnen nie ausgesprochen!

Verzweifelt, an Leib und Seele zerbrochen,
Hat der Mann gerufen, gefleht, gesucht.

Sein sonniges Hüttchen stand wie verflucht;
Kein Segen und Glück mehr in Tun und Worten,
Die Kinder welkten, die Blumen dorrten,
Eine starrende öde Gärtchen und Haus! – – –

Da ging der Mann an den Strom hinaus,
An die Stelle, wo er sein Weib gefunden,
Hat sich die Hände fast zerwunden,
Hat des Weibes Namen verzweifelt geschrien –

Ein liebes Streicheln umkoste ihn.
Antwortende, scheue Seufzer kamen,
Eine teure Stimme sprach seinen Namen.

Und unsichtbar, wie von Trauer gebrochen,
Hat die Frau mit dem Manne im Schilf gesprochen.

Nichts, ach nichts mehr fromme sein Flehen!
Nie mehr werd' er ihr Antlitz sehen!

Kein Weinen könne ihr Los mehr wenden.
Doch ihre Liebe werde nicht enden.
Er solle sich nicht um die Seligkeit fluchen,
Sie wolle kommen, die Kinder besuchen,
Alle acht Tage, tief in der Nacht,
Sie pflegen, wie sie es sonst gemacht,
Sie waschen, sie strählen, mit ihnen beten.

Nur dürfe er niemals ins Zimmer treten,
Nicht schauen nach ihr durch den kleinsten Spalt.
Weh! Wenn er sie sähe in wahrer Gestalt!
Alle Liebe könne dann nichts mehr frommen.
Wenn er es wolle, werde sie kommen,
Der ärmlichen Gnade selig froh. –

Viele Wochen hielt sie es so.
Kam und pflegte die Mädchen und Jungen,
Hat sie zauberleis eingesungen,
Hat geheilt, was zerrissen, zerbrochen,
Hat durch die Wand mit dem Manne gesprochen,
Worte von so innigem Klang,
Daß ihm das sehnende Herz fast sprang.

Heißer und heißer hat's ihn gebrannt.
Hat ihn endlich jäh übermannt.
Er schlug die Tür ein im Sehnsuchtsdrange.

Da sieht er eine sich ringelnde Schlange,
Die seinen jüngsten Buben bedroht.
In wildem Schrecken schlägt er sie tot.

Überirdisch klagt's: »Liebster Mann!«
Brechenden Blicks sieht sein Weib ihn an,
Wankend, blutend aus tiefen Wunden. –

Dann ist sie für alle Zeit entschwunden.

*

 


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