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Die Veranlassung zu diesem Versuche einer gedrängten und doch möglichst vollständigen Biographie des großen Lieblingsdichters der Deutschen hat meine Mitwirkung bei der Enthüllung seines Standbildes gegeben, der ein wiederholtes Studium seiner Werke vorangehen mußte, das sich sehr natürlicher Weise auch nachher fortgesetzt hat.
Der Plan meiner Darstellung soll, wie ich zu hoffen wage, durch sie selbst klar werden. Die Hauptquellen und Hülfsmittel, welche zu benützen waren, sind größtentheils so bekannt, daß ich hier ihr Verzeichniß, das man bei andern Biographen Schillers, am vollständigsten in H. Dörings neuestem Abrisse von Schillers Leben findet, nicht wiederholen will. Nur so viel sey bemerkt, daß aus den Quellen, soweit sie mir zugänglich waren, von mir immer unmittelbar geschöpft worden ist, daß ich zu dem Ende namentlich die verschiedenen Briefwechsel Schillers der genauesten Durchsicht unterworfen habe, und daß die Lebensbeschreibungen Dörings, Carlyle's, Hoffmeisters und Hinrichs', die von entschiedenem, wenn auch sehr verschiedenartigem Verdienste sind, von mir zwar vielfältig, aber hauptsächlich nur dann unmittelbar benützt worden sind, wenn mir einzelne Quellen für mein Studium nicht zu Gebote standen, oder, wenn ich besonders treffende Ansichten aus ihnen hervorzuheben, manchmal auch Behauptungen, denen ich nicht beipflichten konnte, zu widersprechen hatte. Daß es mir nicht einfallen konnte, die größeren kritisch-historischen Werke der beiden letztgenannten Schriftsteller durch meine Arbeit überflüssig machen zu wollen, brauche ich wohl nicht erst zu sagen. Wo ich es für passend erachtete, habe ich stets unter dem Texte durch die nöthigen Citate auf meine Quellen und Subsidien verwiesen. Nicht wenig Neues ist übrigens theils aus übersehenen gedruckten Notizen und Urtheilen hinzugekommen, theils aus mündlichen und brieflichen Mittheilungen von Zeitgenossen des großen Dichters an den Biographen, theils auch endlich aus Urkunden und aus bisher unbekannten, oder unvollständig mitgetheilten Briefen Schillers, die zusammen gleichzeitig mit gegenwärtiger Lebensbeschreibung veröffentlicht werden.Urkunden über Schiller und seine Familie; mit einem Anhange von fünf neuen Briefen u. s. w. von G. Schwab. Stuttgart, S. G. Liesching 1840. Daß der Verfasser seine eigenen Erfahrungen auf dem Gebiete der Poesie zur Erklärung und Beurtheilung mancher Phänomene in der Entwicklungsgeschichte des Dichters zu benützen sich erlaubt hat, wird man ihm, da es mit der nöthigen Bescheidenheit geschehen ist, nicht verübeln.
Für die Jugendgeschichte meines Helden zog ich eine von den meisten meiner Vorgänger entweder ganz übersehene oder nur aus dritter Hand und daher unvollständig benützte Schrift mit gehöriger Vorsicht zu Rache. Sie führt den Titel: »Schiller der Jüngling, oder Scenen und Charakterzüge aus seinem frühern Leben. Stendal, bei Franzen und Grosse, 1806.« Döring nennt als deren Verfasser K. W. Oemler. Dieselbe wimmelt zwar von Unrichtigkeiten; wo sie aber ihre Gewährsmänner nennt oder errathen läßt, worunter Moser in Ludwigsburg, der Jugendfreund Schillers, und Beil in Mannheim die wichtigsten zu seyn scheinen, durfte ihren Angaben, die zuweilen anderswo vergebens Gesuchtes und nicht Unwichtiges enthalten, unbedenklich Glauben geschenkt werden. Ihr Gegenstück von demselben Verfasser »Schiller, oder Scenen und Charakterzüge aus seinem spätern Leben« stand mir nicht zu Gebote. Die ebenfalls nicht unergiebige »Skizze einer Biographie« u. s. w. (Leipzig bei Karl Tauchnitz 1805) soll, nach Dörings Versicherung, J. G. Gruber zum Verfasser haben. Ihr Vorbericht aber ist mit P. unterzeichnet, Styl und Behandlungswelse des Gegenstands erinnern durchweg an die Schrift »Schiller der Jüngling.«
Während der Correctur des dritten Buches erschien der dritte und letzte Band von Eduard Boas' Nachträgen zu den sämmtlichen Werken Schillers, und konnte so leider nur noch theilweise von mir benützt werden.Ist in diesem zweiten Drucke nach Möglichkeit geschehen.
In diesem dritten Bande des Herrn Boas erhalten wir auch Schillers ältestes, bekannt gewordenes Gedicht, eine Schilderung des menschlichen Lebens, vom Jahr 1775. Für seine Jugendgeschichte sind folgende Strophen nicht unwichtig:
Trägt der Knabe seine ersten Hosen,
Steht schon ein Pedant im Hinterhalt,
Der ihn hudelt, ach! und ihm der großen
Römer Weisheit auf den Rücken malt.
Beut uns Jugend ihre Rosenhände.
Welche Güter bringt die Zaub'rin dar?
Mädchen, Schulden, Eifersucht, am Ende
Hörner oder die Pistolen gar.
Sind wir Männer, kommt ein andrer Teufel,
Ehrgeiz heißt er, oft auch heißt er Weib.
Nahrungssorgen quälen, so wie Zweifel
Einen Narrenschädel, unsern Leib.
Die erste dieser drei Strophen zeichnet uns Schillers Lehrer Jahn zu Ludwigsburg, der in dieser Biographie als Präceptor bezeichnet worden ist,Auch noch im ersten Buche des neuen Drucks. was er auch in der That war; nur führte er schon im Jahr 1773 (s. Urkundenbuch S. 39) den Professorstitel. Die zweite und dritte Strophe muß uns in dem Urtheile bestärken, daß Schillers Unbefangenheit in einem Institut, in welchem unreife Knaben mit überreifen in beständiger Berührung standen, sehr frühzeitig gestört worden ist.
Bei Boas lernen wir nun auch ein merkwürdiges, Theatermanuscript des Fiesko, die Bühnenbearbeitung von 1784, (III. 47–227) kennen. »Das Stück ist nicht blos umgearbeitet, sondern das glühende Erz, aus dem es besteht, ist vom Dichter in eine ganz andere Form gegossen worden.« Hier findet der Leser den von uns Seite 177 erwähnten Schluß des Fiesko, nach welchem dieser nicht stirbt, sondern in Verrina's Armen auf den Thron des Doge verzichtet. Auch die anstößige Scene zwischen Verrina und seiner Tochter auf dem Sopha (vergleiche diese Biographie Seite 220) ist, höchst wahrscheinlich auf Wolfg. Heriberts von Dalberg Rath, hier gänzlich geändert.
Zugleich erfahren wir, daß die erste Auflage des Stücks (Mannheim, Schwan 1784) wirklich »dem Herrn Professor Abel in Stuttgart gewidmet« ist. Somit ist die andere Nachricht, welche den Fiesko Herrn v. Dalberg dedicirt seyn läßt, wohl ein Irrthum, den mein zweiter Druck vergebens zurecht zu legen bemüht war.
Der Don Carlos in Prosa, den uns Boas mittheilt, ist von Schillers altem Bekannten, D. Albrecht, nach des Erstern Tode, schon im Jahr 1808 durch den Druck bekannt gemacht worden. (Vergl. Jördens IV, 469.) Außerdem gibt uns Boas (III, 436 ff.) eine kostbare Reliquie in einem von Schiller für das Theater im Jahr 1796 zum Don Carlos hinzugedichteten Monolog, der dem Publikum die dunkle Handlungsweise des Malthesers erläutern sollte. Er ist im Tone des Wallenstein geschrieben.
Eine neue Schwierigkeit erwächst durch die Mittheilung aus Haug's schwäbischem Magazin, Jahrgang 1780, Stück I, S. 53 (Boas III, 451) wo es heißt: »Herr Schiller, ein geschickter Zögling der Militärakademie, hat am 10. Januar im Examinationssaal, vor dem durchlauchtigsten Herzog und Hof, eine öffentliche deutsche Rede gehalten ›von den Folgen der Tugend.‹«
Diese Rede besitzen wir jetzt, seit dem Dezember 1839, durch die Mittheilung des Freiherrn F. von Böhnen, eines Verwandten der Herzogin Franziska, abgedruckt aus dem von Schiller eigenhändig geschriebenen, mit allegorischer Zeichnung, Sammteinband und goldenen Buchstaben verzierten Original. Nach diesem Originale nun wurde die Rede von dem fünfzehnjährigen Schiller schon am 10. Januar 1775 und nicht am 10. Januar 1780 gehalten.Vergl. Biogr. Redezausg. S. 481. Octavausg. S. 38. 39. Note (wo statt F. von Böhnen durch einen Druckfehler F. von Böhner steht). Wie ist der Verstoß bei dem Augen- und Ohrenzeugen Balthasar Haug zu erklären?
Ich führe diesen Widerspruch als Beispiel an, wie schwer die Kritik in manchen Fällen dem Biographen werden mußte, wodurch denn auch die vielen Berichtigungen im ersten Buche der Sedezausgabe ihre Entschuldigung finden dürften. Dem Octavdrucke sind sie bereits einverleibt.
Boas (III, 9) hält die auch von mir erwähnteRedezausg. S. 332, Oktavdruck S. 277. Einzeichnung Schillers in das Album der Schwarzburg:
Auf diesen Höhen sah auch ich
Dich, freundliche Natur – ja dich!
für eine heitere Persiflage des gespreizten Dilettantismus, der mit Naturbegeisterung prunkt; früher meinte er, dieser Reim sey das schlaffe, abgezwungene Erzeugniß eines leeren, poesieentblößten Augenblicks. Ich kann die einfachen Worte für keines von beiden halten. Sobald man unter der freundlichen Natur nicht die Gegend versteht, sondern die Natur als Person, als Göttererscheinung, die den in Büchern vergrabenen Stubengelehrten, als welchen sich Schiller zuweilen schildert, auf diesen Höhen überraschte, so fällt alle Trivialität weg.
Die Zweifel, welche mir gegen das S. 243Zweiter Druck S. 204. mitgetheilte komische Gedicht Schillers (die Waschdeputation) aufstiegen, verschwinden vor der Notiz bei Jördens IV, 468, aus der erhellt, daß das Gedicht zum erstenmal in der Rheinländischen Zeitung im Jahr 1803, und nach einer richtigern Abschrift in der Neuen Berlin. Monatschrift 1804, also zweimal noch zu Schillers Lebzeiten gedruckt worden ist, ohne daß dieser protestirt hätte.
Dagegen muß ich mich wohl entschließen, den etymologischen Versuch, kraft dessen der Name Schillers vom Schillerwein abgeleitet wird (Biogr. Redezausg. S. 4. f. Octavausg. S. 6), wieder aufzugeben. Schilcher und Schiller, sind von Alters her über ganz Deutschland verbreitete Namen, die allerdings ursprünglich nichts anders als einen Schieler bezeichnen. Jörg Schilcher, bei späteren Schiller, war einer der besseren Meistersänger des fünfzehnten Jahrhunderts; in diesem und dem folgenden Seculum wurde Vieles »in des Schillers Ton« gedichtet, fast so viel, als im achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert in Friedrich Schillers Tone.
Hier mag auch niedergelegt werden, was für die Lebensbeschreibung zu kleinlich erschien, daß Schwaben lange vor seinem Friedrich Schiller auch (um 1588) einen Wolfgang Schiller aus Stuttgart besaß, der freilich nur ein obskurer Magister war; und daß der Pfarrer, welcher den Vater des Dichters getauft hat, Hegel hieß.
Folgendes merkwürdige Urtheil eines Franzosen, Herrn von Bonneville, über Schiller vom Jahr 1786 ist dem Verfasser auch zu spät in die Hände gekommen: »C'est un jeune écrivain qui parait fait pour étonner un jour son siècle de la vigueur de son génie. Sa destinée intéresse tout être qui pense.«Aus Franz Horns schriftlichem Nachlasse. – –
»Il y a plus, cette tragédie est l'ouvrage du génie, comme tout ce que Scheller (Schiller) nous donne« – sagt endlich der Moniteur von 1792 in einem enthusiastischen Berichte aus Frankfurt a. M. über den dort eben aufgeführten Fiesko, den er unter anderem auch »le plus beau triomphe du républicanisme en théorie et dans le fait« nennt.
Vielleicht hätte der Biograph auch der Ehre erwähnen sollen, die dem nächsten Vaterlande Schillers durch Aufrichtung der Statue wiederfahren ist, welche Deutschland dem Dichter gesetzt hat. Das Ereigniß däuchte ihm aber noch zu frisch. – Hier sey denn auch erwähnt, daß die Frau Großherzogin von Weimar dem Andenken der großen Dichter Weimars mehrere Zimmer des dortigen Schlosses geweiht hat. Das Schillerszimmer ist vor kurzem durch den Maler Neher, einen Landsmann Schillers aus Württemberg, fertig geworden. Jedes der Hauptfelder, in welches das Zimmer getheilt ist, nimmt einen bedeutsamen Moment eines Schiller'schen Drama's ein, welchem andere Scenen aus Schillers Gedichten in kleineren darüber angebrachten Feldern beigegeben sind. Diese Freskogemälde zeichnen sich, nach einem Berichte der allgemeinen ZeitungWeimar, 23. April 1840. durch kräftige Zeichnung und frische Farbengebung aus, und manche sind sehr ergreifend in ihrer Wirkung.
Dürfte das Gesammtgemälde des auf den nachstehenden Blättern entworfenen Dichterlebens sich den gleichen Eindruck versprechen!
Gomaringen, den 21. Mai 1840.