Gustav Schwab
Schiller's Leben
Gustav Schwab

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Aufführungen der Jungfrau von Orleans.

1801 bis 1802

Schiller hoffte während der Abwesenheit Göthe's sein tragisches Geschäft so weit als möglich fördern zu können und in etwa vierzehn Tagen am Ziele zu seyn. Am 15. April kam dieser in Weimar an; »an dem Tage,« sagt er, »der solche Epoche macht,« d. h. wo er die Jungfrau von Orleans fertig in die Hände bekam. Schon am 20. April schickte er sie gelesen zurück mit dem Wörtchen: »Nehmen Sie mit Dank das Stück wieder. Es ist so brav, gut und schön, daß ich ihm nichts zu vergleichen weiß.«

Kaum hatte Schiller das Stück aus Göthe's Händen zurück, als es der Herzog von Weimar verlangte. Er gab es nicht sogleich wieder her, äußerte aber gegen Schillers Frau und Schwägerin, daß es eine unerwartete Wirkung auf ihn gemacht. Dennoch glaubte er, die Jungfrau könne (besonderer Theaterverhältnisse wegen) nicht gespielt werden, und nach langer Berathung mit sich selbst beschloß auch Schiller, sie nicht sogleich in Weimar aufs Theater zu bringen. Er hatte sie an Unger in Berlin gut verkauft, und dieser rechnete darauf, sie als vollkommene Novität zur Herbstmesse zu bringen; dann schreckte den Dichter auch die Empirie des Einlernens, des Behelfens, der Zeitverlust der Proben, endlich, da er sich schon wieder mit zwei neuen dramatischen Sujets trug, der Verlust der guten Stimmung.

Erst im Frühjahr 1802 sollte das Stück in Lauchstädt gegeben werden, und Schiller wollte hingehen und die Proben selber dirigiren. »Die ganze jugendliche Welt,« schrieb Göthe noch am 5. Juli 1802, »wünscht und hofft, Sie zu sehen; diese früher erregte Hoffnung ist unter den jungen Leuten sehr groß.« Ein Katarrhfieber vereitelte diese Hoffnung; ob das Stück dort aufgeführt worden, wissen wir nicht.

Ein befreundeter Dichter durfte der Vorlesung des ungedruckten Drama's beiwohnen. Diesem hat Streichers Buch kürzlich jenen Abend lebhaft ins Gedächtniß zurückgerufen; denn das eintönige Pathos und die schwäbische Sprache, die dem armen Fiesko in Mannheim beinahe den Hals gebrochen hätten, wirkten auch hier auf störende Weise. Im Gespräche trat der Dialekt bei weitem nicht so auffallend hervor.Briefliche Mittheilung.

Gegen den Herbst 1801 reisten Schillers nach Dresden,Fr. v. Wolz, II, 223 ff. und Karoline v. Wolzogen, deren Gatte damals in Petersburg und Moskau war, begleitete sie. Heitere Wochen wurden auf dem Weinberge Körners verlebt, der sein Wohnhaus den Freunden eingeräumt hatte. Von Jugenderinnerung umweht, in einer schönen und vertrauten Natur, unter innigem Freundesgespräche fühlte sich Schiller sehr heiter. Den kleinen Gartensaal, die Wiege des Carlos, sah er mit Vergnügen wieder, und es schien den Freunden, als beschäftigte ihn die Braut von Messina. Er mied die Unterredung darüber nicht, und oft wurde im Scherz gefragt, ob die Prinzen von Messina bald einreiten würden. Sobald es ihm aber mit der Ausarbeitung Ernst wurde, schwieg er darüber.

In Dresden erfreute er sich, durch Göthe's und Meyers Kunstansichten erweckt, des Anschauens der Antiken, bewunderte den Torso, überließ sich mit Rührung dem Anblicke der Vestalinnen, deren ruhige Gestalten er bei Fackelschein betrachtete. Wehmüthig und wie im Vorgefühle, daß er nicht wieder kommen werde, schied er von dieser Hauptstadt und seinen dortigen Freunden. Die Aufführung der Jungfrau von Orleans rief ihn nach Leipzig, wo er im Hôtel de Bavière abstieg.

Die in den wichtigsten Rollen sehr gelungene Darstellung erregte in ihm ein lebhaftes Gefühl von der Macht seines Talentes, das hier auch einen äußerlichen Triumph feierte. Das Haus war ungeachtet des heißen Tages zum Erdrücken voll, die Aufmerksamkeit höchst gespannt. Kaum rauschte nach dem ersten Akte der Vorhang nieder, als ein tausendstimmiges: es lebe Friedrich Schiller! wie aus Einem Munde erscholl, und Paukenwirbel und Trompetengeschmetter sich in den Jubelruf mischte. Der Dichter dankte aus seiner dunkeln Loge mit einer Verbeugung so bescheiden, daß ihn nur wenige gewahr wurden. Nach der Beendigung des Stücks strömte daher Alles herbei, ihn zu sehen. Der weite Platz vor dem Schauspielhause bis hinab nach dem Rannstädter Thore war dicht gedrängt voll Menschen. Als er aus dem Hause trat, war Augenblicks eine Gasse gebildet. »Das Haupt entblößt!« erschallte es von allen Seiten, und so ging der Dichter durch die Schaar seiner Bewunderer, die mit abgenommenen Hüten ihn begrüßten, hindurch, während hinter ihm Väter ihre Kinder in die Höhe hielten und riefen: »Dieser ist es!«

Am andern Morgen besuchte ihn einer von diesen Bewunderern im Gasthofe und fand ihn sehr heiter. Er sprach unbefangen von dem neuen Schritte, den er in dieser Tragödie gethan, und sehr freimüthig über die Erscheinungen in Poesie, Philosophie und Religion, indem er sich auf seine bekannten Epigramme berief. Als der Fremde auf die Abgötterei schalt, die Göthe mit sich treiben ließe, erwiederte er: »Es könnte seyn, daß ein großer Geist wohl auch menschlich wäre; aber übrigens thut man ihm doch sehr Unrecht. Nicht jeder kann, wie er möchte. Was will er machen, wenn das Unkraut mit dem Waizen wächst?« Dann sprach er von seiner Methode bei der Arbeit. »Alles, was er darzustellen sich vorgenommen hätte, versicherte er, werde von ihm erst völlig im Kopf ausgearbeitet, ehe er eine Zeile niederschreibe. Fertig sey ihm ein Werk, welches sein völliges Daseyn im Geiste habe. Was er niedergeschrieben, besonders metrische Arbeiten, pflegte er sich selbst laut vorzulesen, wobei es ihm wohl begegnen könne, daß er unerwartet nicht blos zu lesen, sondern zu deklamiren anfange.«Friedrich Schiller. Skizze. S. 50–56.

Von Leipzig kehrte Schiller nach Weimar zurück, wo Johanna von Orleans erst im folgenden Jahre auf die Bühne gebracht wurde. In Berlin ward am Neujahrstag 1802 das neuerbaute Schauspielhaus mit der Jungfrau eröffnet. Zelter schrieb darüber an Göthe: »Wenn Schiller seine Jungfrau von Orleans jetzt sehen will, so muß er nach Berlin kommen. Die Pracht und der Aufwand ist mehr als kaiserlich; der vierte Akt (der Krönungszug) ist hier mit mehr denn 800 Personen besetzt, und, Musik und alles Andre mit inbegriffen, von so eklatanter Wirkung, daß das Auditorium jedesmal in Ekstase darüber geräth. Die Kathedrale mit der ganzen Dekoration, welche in einem langen Säulengange besteht, durch den der Zug in die Kirche geht, ist in gothischem Styl.« Zu dieser Pracht bemerkt Tieck:Hinrichs III, 182 f.»Der Aufzug der Jungfrau ist freilich der Wendepunkt ihres Schicksals, ihre höchste, irdische Verherrlichung, unmittelbar vor ihrer tiefsten Erniedrigung; aber dessen ungeachtet konnte Schiller es nicht billigen, wie dieses Außerwesentliche in Berlin so die Hauptsache geworden ist, daß alle Worte des Dichters nach diesem Aufzuge nur matt klingen, und auch den besten Zuschauer langweilen müssen.«


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