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Zwanzigstes Kapitel.

Er war ein Minstrel – und sein Muth
Halb weise und halb thöricht war.
Bei Braven war er mild und gut,
Bei Frohen froh und wohlgemuth,
Und bei den Rohen trotzig gar.

Archibald Armstrong.

Die Ereignisse des verflossenen Tages waren so merkwürdig und zuletzt so ermattend gewesen, daß der Constabel sich so ermüdet fühlte, als nach einer heißen Schlacht, und fest schlief, bis ihn die ersten Morgenstrahlen durch die Oeffnung seines Zelts begrüßten. Nun begann er halb frohen, halb traurigen Sinnes die Veränderung zu überdenken, die seine Lage seit dem Morgen des vorigen Tages erlitten hatte. Zu dieser Zeit war er als ein liebender Bräutigam aufgestanden, und hatte sich sorgsam bemüht, Gnade in den Augen seiner schönen Braut zu finden, seinen Anzug so bedenklich und sorgfältig gewählt und geordnet, als ob er noch so jung an Jahren, als an Hoffnungen und Wünschen gewesen wäre. Dies war nun vorüber, und er sah jetzt die mühsame Aufgabe vor sich, seine Braut auf mehrere Jahre zu verlassen, selbst ehe das heilige Band der Ehe sie unzertrennlich vereinigt hatte, und zu bedenken, daß sie allen den Gefahren Preis gegeben sei, welche die weibliche Treue in einer so kritischen Lage bedrohen können. Als die unmittelbare Besorgniß für seinen Neffen verschwunden war, fühlte er sich zu glauben versucht, er habe den Vorstellungen des Erzbischof's ein wenig zu schnell Gehör geschenkt, und zu voreilig geglaubt, Damians Tod oder Genesung hänge von der buchstäblichen und augenblicklichen Erfüllung seines Gelübdes ab. »Wie viele Fürsten und Könige,« dachte er bei sich selbst, »haben das Kreuz genommen und verschoben ihre Abreise oder gaben sie ganz auf, und lebten und starben dennoch in Ehre und Reichthum, ohne Züchtigungen wie die, mit denen mich Baldwin bedroht hat, zu erleiden – und weßwegen verdienten jene Männer mehr Nachsicht als ich? allein der Würfel ist gefallen, und fruchtlos ist jetzt die Untersuchung, ob mein Gehorsam gegen die Befehle der Kirche meinem Neffen das Leben gerettet hat, oder ob ich nicht, wie es den Laien gewöhnlich im Kampfe mit den geistlichen Herrn zu ergehen pflegt, aus dem Felde geschlagen worden bin. Wollte Gott, es wäre dem nicht so, da ich dann, mein Schwert als Streiter des Himmels, umgürtend, um so eher des Himmels Schutz für die erwarten könnte, die ich unglücklicher Weise zurücklassen muß.«

Während diese Gedanken seinen Geist beschäftigten, hörte er die Wachen am Eingange seines Zeltes Jemand anrufen. Der Kommende blieb auf ihre Aufforderung stehen, und bald darauf vernahm man die Töne einer besondern Art von Laute, deren Saiten vermittelst eines kleinen Rades gehandhabt wurden. Nach einem kurzen Vorspiele sang eine männliche Stimme von gutem Umfange Verse, die in die neuere Sprache übergetragen, ungefähr also lauteten:

Auf! Krieger auf! – der Tag bricht an.
Im Schlummer nie sich Ruhm gewann;
Nie wann verlassen Berg und Thal
Erhellt der Morgensonne Strahl.
Dann, wann sie funkelnd glänzt und hehr
Auf Schwert und Panzer, Helm und Speer,
Verheißt sie manchen Lorbeerkranz
Im wildgewagten Schwertertanz;
Die Waffe, der der Feind entflieht,
Stets in dem Morgengolde glüht.

Auf, waffne dich! – des Morgens Strahl,
Er ruft den Landmann hin in's Thal;
Den Fischer ruft er an den See –
Den Jäger auf des Berges Höh.
Und gierig sucht des Forschers Blick
Im staub'gen Buch der Weisheit Glück.
Auf Krieger! deine Lust ist Krieg,
Dein Aerndten Ruhm, dein Forschen Sieg.
Schon muß, soll ihm der Feind entfliehen,
Der Schild im Morgengolde glüh'n.

Armselig sich der Landmann nährt,
Und schlimmer noch der Waidmann fährt;
Am schlimmsten doch, wer Muth und Kraft
Hingibt dem Wahn der Wissenschaft.
Doch Jeder regt sich, schafft und wagt,
Sobald das Morgenroth getagt;
Und Jeder übt mehr seine Pflicht,
Als der um Blut sich Ruhm erficht.
Auf Schreckenssohn! es funkle hehr
Im Morgenlicht die stolze Wehr.

Als der Gesang aufgehört hatte, vernahm der Constabel ein Zweigespräch vor dem Zelte, und unmittelbar darauf trat Guarine in das Zelt und meldete dem Lord, daß ein Mann, der seinem Vorgeben nach auf das Geheiß des Constabel hierhergekommen sei, mit ihm zu sprechen begehre.

»Auf mein Geheiß,« sagte de Lacy; »laßt ihn augenblicklich vor.«

Der Bote des vorigen Abends trat in das Zelt, in der einen Hand seine kleine Mütze und in der andern die Laute haltend, auf der er so eben gespielt hatte. Sein Anzug war fantastisch. Er bestand aus mehreren buntscheckigen Unterkleidern, deren glänzende und mannigfaltige Farben auf die sonderbarste Weise mit einander contrastirten – als Oberkleid diente ihm ein kurzer, hellgrüner normännischer Mantel. An einem gestickten Gürtel hingen, anstatt der Vertheidigungswaffen, auf der einen Seite ein Dintenfaß mit seinem Zubehör, und auf der andern ein Tischmesser. Sein Haar war nach Art der geistlichen Tonsur geschnitten, was andeuten sollte, daß er in seiner Kunst eine gewisse Stufe erreicht habe; denn die frohe Wissenschaft hatte eben so gut ihre verschiedenen Stufenfolgen, als der geistliche Stand und die Ritterschaft. Die Miene und das Benehmen des Mannes schienen mit seinem Stande und seiner Kleidung im Widerspruche zu stehen; denn so lustig und fantastisch die letztere war, so ernst, ja fast finster war die erstere, und wenn sie nicht durch seine poetischen und musikalischen Bestrebungen begeistert war, schien sie eher tiefes Nachdenken, als die sorglose Lebhaftigkeit zu verrathen, welche den meisten seiner Collegen eigen war. Daher hatte sein, obwohl keineswegs schönes, Angesicht etwas Ueberraschendes und Ergreifendes, wozu der Contrast mit den bunten Farben und dem sonderbaren Schnitte seiner Gewänder nicht wenig beitrug. Auch fühlte sich der Constabel einigermaßen angeregt, sein Gönner und Beschützer zu werden, als er zu ihm sagte: »Guten Morgen, Freund; ich danke dir für deinen Morgengruß; er war gut gesungen und wohl gemeint, denn wenn wir Jemanden auffordern zu bedenken, wie schnell die Zeit verfliegt, so setzen wir das Zutrauen in ihn, daß er diesen flüchtigen Schatz nützlich anwenden kann.«

Der Mann, welcher schweigend zugehört hatte, schien sich zu bedenken und einigermaßen anzustrengen, ehe er antwortete: »Meine Absicht wenigstens war gut, als ich mich erkühnte, meinen Gebieter so früh zu stören, und es freut mich, daß er meine Kühnheit nicht übel aufgenommen hat.«

»So viel ich mich erinnere,« sagte der Constabel, »wolltet Ihr eine Gunst von mir erbitten. Beeile dich daher, deine Bitte auszusprechen – meine Zeit ist kurz.«

»Sie besteht in der Erlaubniß, Mylord, Euch nach dem heiligen Lande zu begleiten,« sagte der Mann.

»Du hast um Etwas gebeten, mein Freund, das ich dir schwerlich gewähren kann,« erwiederte de Lacy – »du bist ein Minstrel, nicht wahr?«

»Ein unwürdiger Graduirter der frohen Wissenschaft, Mylord,« sagte der Sänger; »allein erlaubt mir die Rede, ich gedenke selbst dem Könige der Minstrel, Geoffrey Rudel, nicht zu weichen, ob ihm schon der König von England vier Rittergüter für einen einzigen Gesang geschenkt hat. Ich bin bereit, mich mit ihm in der Romanze, im Liede oder in der Fabel in einen Wettstreit einzulassen, und wäre König Heinrich selbst Kampfrichter.«

»Ihr habt ohne Zweifel Euer eigenes gutes Wort für Euch,« sagte de Lacy; »allein dessen ungeachtet geht Ihr nicht mit mir. Das Heer des Kreuzzugs ist nur zu sehr schon durch Leute deines eiteln Standes belästigt, und willst du ihre Zahl noch vergrößern, so soll es nicht unter meinem Schutze geschehen; ich bin zu alt, als daß ich durch deine Kunst bezaubert werden könnte, würdest du deinen Zauber auch noch so weise und verständig einrichten.«

»Derjenige, welcher jung genug ist, um nach der Liebe der Schönheit zu streben und sie zu gewinnen,« sagte der Minstrel, jedoch in einem ganz demüthigen Tone, als befürchte er, seine Kühnheit möchte beleidigen, »sollte nicht behaupten, er sei zu alt, um den Zauber der Dichtkunst und des Gesanges zu empfinden.«

Der Constabel lachte, nicht ganz unempfindlich gegen die Schmeichelei, welche ihm den Charakter eines jüngern Bewerbers beilegte. »Ich stehe dafür,« sagte er, »du bist ein Lustigmacher, noch zu deinen andern Eigenschaften.«

»Nein,« erwiederte der Minstrel, »dieß ist ein Zweig unseres Gewerbes, dem ich schon längst entsagt habe. – Meine Schicksale haben mir die Lust zum Scherzen genommen.«

»Nun denn! Kamerad,« sagte der Constabel, »ist die Welt hart mit dir verfahren, und kannst du dich den Regeln eines so strenge geordneten Haushalts, wie der meinige ist, fügen, so können wir uns vielleicht besser mit einander vertragen, als ich anfänglich geglaubt habe. Nenne mir deinen Namen und deine Heimath. – Deine Sprache klingt, meine ich, etwas fremd.«

»Ich bin ein Armoricaner, Mylord, an den lustigen Ufern Morbihans geboren, und daher hat meine Sprache noch einen gewissen fremden Klang. Mein Name ist Renault Vidal.«

»Da es sich so verhält, Renault,« sagte der Constabel, »so sollst du mich begleiten, und ich will dem Vorsteher meines Haushalts auftragen, dafür zu sorgen, daß du einigermaßen deinem Stande gemäß, jedoch anständiger und ordentlicher als gegenwärtig, gekleidet wirst. Verstehst du dich darauf, eine Waffe zu führen?«

»So ziemlich, gnädiger Herr!« sagte der Armoricaner. Zu gleicher Zeit nahm er ein Schwert von der Wand, zog es, machte einen Gang, und kam dem auf dem Lager sitzenden Constabel so nahe damit, daß er mit den Worten auffuhr: »Bösewicht halt ein!«

»Seht Ihr, edler Herr,« erwiederte Vidal, in aller Demuth seine Waffe senkend – »ich habe Euch bereits eine Probe von einem Kunstgriffe gegeben, der sogar Eure Erfahrung in Bestürzung gebracht hat – ich kenne noch hundert andere.«

»Das mag sein,« sagte de Lacy, etwas darüber beschämt, daß er sich durch die plötzliche und rasche Handlung des Gauklers hatte erschrecken lassen, »allein ich scherze nicht gerne mit schneidenden Werkzeugen und habe zu viel im Ernste mit Schwert und Schwertstreichen zu thun, um mit ihnen tändeln zu können; unterlaßt daher diese Dinge, und ruft mir meinen Knappen und meinen Kämmerling, denn ich bin im Begriffe mich anzukleiden und zur Messe zu gehen.«

Als die religiösen Pflichten des Morgens beendigt waren, beschloß der Constabel, die Aebtissin zu besuchen und sie mit der gehörigen Vorsicht und den erforderlichen Milderungen von der veränderten Stellung zu benachrichtigen, in die er, ihrer Nichte gegenüber, getreten war, da man ihn zu dem Entschlusse genöthigt hatte, nach dem heiligen Lande abzuziehen, bevor seine Ehe mit Evelinen vollzogen war. Er war sich wohl bewußt, daß es sehr schwer halten werde, die gute Lady mit dieser Veränderung auszusöhnen, und sann daher einige Zeit lang nach, wie er der Aebtissin die unerfreuliche Nachricht am besten und gefälligsten mittheilen könne. Auch verstrichen einige Stunden während eines Besuches bei seinem Neffen, dessen Genesung so schnell vorrückte, als ob sie in der That eine wunderbare Folge seiner Nachgiebigkeit gegen den Erzbischof gewesen wäre.

Von Damians Wohnung begab sich der Constabel in's Kloster der Benedictinerinnen. Allein die Aebtissin war mit den Umständen, welche er ihr mittheilen wollte, bereits durch einen frühern Besuch des Erzbischofs Baldwin selbst bekannt gemacht worden. Der Primas hatte bei dieser Gelegenheit das Amt eines Vermittlers übernommen, da er wohl wußte, daß sein Sieg am Abende des vorigen Tages den Constabel in eine bedenkliche Lage, den Verwandten seiner Braut gegenüber, versetzen müsse, und er nun die Streitigkeiten, welche daraus entspringen könnten, durch seinen Einfluß und sein Ansehen beilegen wollte. Vielleicht hätte er besser gethan, den Constabel seine Sache selbst verfechten zu lassen; denn obschon die Aebtissin die Eröffnung mit aller, dem höchsten Würdenträger der englischen Kirche gebührenden Ehrfurcht anhörte, so leitete sie doch aus dem veränderten Entschlusse des Constabel Folgerungen ab, welche der Primas nicht erwartet hatte. Sie machte keine Einwendungen gegen de Lacy's Entschluß, sein Gelübde zu erfüllen, allein sie bestand darauf, daß der Ehecontrakt mit ihrer Nichte gänzlich aufgelöst und beiden Theilen die Freiheit gelassen werden sollte, eine neue Wahl zu treffen.

Umsonst suchte der Erzbischof die Aebtissin durch die hohen Ehren zu blenden, die sich der Constabel in dem heiligen Lande erringen, und deren Glanz nicht nur auf seine Gattin, sondern auch auf alle diejenigen übergehen werde, die in irgend einem Verwandtschafts- oder Freundschaftsverhältnisse mit ihm stehen. Alle seine Beredtsamkeit war fruchtlos, obwohl er sie bei einem solchen Lieblingsthema auf's Höchste steigerte. Zwar schwieg die Aebtissin eine Zeitlang, nachdem er seine Beweisgründe erschöpft hatte; allein dieß geschah bloß, um zu überlegen, wie sie auf eine schickliche und anständige Weise darthun könne, daß Kinder, die die gewöhnliche Folge einer glücklichen Verbindung seien, und deren Dasein sie zur Fortdauer des Hauses ihres Vaters und Bruders wünsche, höchst wahrscheinlich nicht erwartet werden dürften, wenn dem Vertrage die Vermählung nicht folge, und die Vermählten nicht in einem und demselben Lande wohnen. Sie drang daher darauf, daß, da der Constabel seine Absicht in diesem höchst wichtigen Punkte geändert habe, die Fiançailles als ungültig erklärt werden sollen; ja sie verlangte von dem Primas, als eine Handlung der Gerechtigkeit, daß, da er den Constabel gehindert habe, seinen ursprünglichen Vorsatz auszuführen, er jetzt seinen ganzen Einfluß zu Hülfe nehmen solle, um eine Verpflichtung aufzulösen, die so wesentliche Veränderungen erlitten habe.

Der Primas, der wohl wußte, daß er selbst die Schuld von de Lacy's vertragswidrigem Benehmen trage, glaubte es seiner Ehre und seinem Rufe schuldig zu sein, die Auflösung einer Verpflichtung zu verhindern, bei der das Interesse und die Neigungen seines Freundes gleich sehr betheiligt waren. Er verwieß der Aebtissin die fleischlichen und weltlichen Wünsche, welche sie, eine Dienerin der Kirche, in Betreff der Ehe und des Interesses ihres Hauses nähre. Er warf ihr sogar vor, daß sie selbstsüchtigerweise die Fortdauer des Berenger'schen Hauses der Befreiung des heiligen Grabes vorziehe, und erklärte ihr, daß der Himmel die kurzsichtige und bloß menschliche Klugheit rächen werde, die den Interessen des Christenthums die einer einzelnen Familie vorziehe.

Nach dieser strengen Predigt entfernte sich der Prälat aus der Gegenwart der Aebtissin, die höchlich erzürnt war, sich jedoch aber weislich enthielt, seine väterlichen Ermahnungen unehrerbietig zu beantworten.

In dieser Stimmung fand der Constabel die ehrwürdige Lady und setzte ihr, nicht ohne einige Verlegenheit, die Nothwendigkeit seiner unverzüglichen Abreise nach Palästina auseinander.

Sie vernahm die Eröffnung mit finsterer Würde. Ihr weites schwarzes Oberkleid und Skapulier schienen gleichsam in noch stolzere Falten aufzuschwellen, als sie die Gründe und Umstände vernahm, die den Constabel von Chester zwangen, die Vermählung, die er für den heißesten Wunsch seines Herzens erklärte, bis zu seiner Rückkehr von dem heiligen Lande, nach welchem er abzugehen im Begriff stand, zu verschieben.

»Ist diese Eröffnung,« entgegnete die Aebtissin mit großer Kälte, »ernstlich gemeint – und der Gegenstand, so wie meine Person eignen sich wenig zum Scherze – so hätte uns, denke ich, des Constabels Entschluß gestern schon mitgetheilt werden sollen, ehe das Verlöbniß sein Treuwort mit dem der Eveline Berenger vereinigte und zu ganz andern Erwartungen berechtigte, als die er uns jetzt verkündet.«

»Bei dem Worte eines Ritters und Edelmanns, ehrwürdige Lady, ich glaubte damals nicht im Mindesten, daß man mich zu einem Schritte nöthigen werde, der mich nicht minder betrübt, als er Euch, wie ich mit Bedauern sehe, mißfällt.«

»Ich kann,« erwiederte die Aebtissin, »die dringenden Gründe kaum begreifen, die, obwohl sie gestern schon bestanden haben mußten, doch ihre Wirkung bis auf heute verschoben haben.«

»Ich gestehe,« sagte de Lacy, »daß ich zu voreilig der Hoffnung Raum gab, meines Gelübdes entbunden zu werden, allein Se. Herrlichkeit, der Bischof von Canterbury, haben in ihrem Eifer für den Dienst des Himmels für nöthig gefunden, mir dieß zu verweigern.«

»Dann werden uns wenigstens Eure Herrlichkeit,« sagte die Aebtissin, ihren Unwillen unter dem Scheine der äußersten Kälte verbergend, »die Gerechtigkeit widerfahren lassen, uns in dieselbe Lage, in der wir uns gestern Morgen befanden, zurück zu versetzen, sich mit meiner Nichte und ihren Freunden in dem Wunsche vereinigen, einen Ehecontract aufzuheben, der unter ganz andern Aussichten, als den gegenwärtigen, abgeschlossen wurde, und so einer jungen Person die Freiheit wiederzugeben, deren sie gegenwärtig, kraft des mit Euch abgeschlossenen Vertrags, beraubt ist.«

»Ach Madam,« sagte der Constabel, »was verlangt Ihr von mir? Und in welch' einem kalten und gleichgültigen Tone begehrt Ihr von mir, daß ich Hoffnungen entsagen soll, die die theuersten sind, die mein Busen je nährte, seit das Herzblut ihn erwärmte.«

»Ich verstehe eine solche Sprache nicht, Mylord,« erwiederte die Aebtissin, »allein ich glaube, die Aussichten, welche mit so leichter Mühe auf Jahre lang verschoben werden konnten, könnten durch eine ganz geringe Beigabe von Selbstbeherrschung gänzlich aufgegeben werden.«

Hugo de Lacy schritt in lebhafter Bewegung im Zimmer auf und nieder, auch antwortete er erst nach einer ziemlich langen Pause. »Wenn Eure Nichte, Madam, die Gefühle theilt, die Ihr so eben ausgedrückt habt, so könnte ich in der That, ohne ungerecht gegen sie, oder vielleicht gegen mich, zu sein, nicht wünschen, das lebendige Interesse für sie zu bewahren, das unser feierliches Verlöbniß mir verliehen hat. Allein ich muß mein Urtheil aus ihrem eigenen Munde hören, und wenn es so strenge ist, als Eure Aeußerungen mich fürchten lassen, so werde ich als ein um so besserer Streiter des Himmels nach Palästina ziehen, da mir dann wenig auf der Erde übrig bleibt, das meinen Antheil erwecken könnte.«

Ohne weitere Antwort rief die Aebtissin ihre Präcentrix herbei, und befahl ihr, ihre Nichte augenblicklich vor sie zu berufen. Die Präcentrix verneigte sich tief und entfernte sich.

»Darf ich so kühn sein, zu fragen,« sagte de Lacy, »ob Lady Eveline von den Umständen, welche diese unglückliche Veränderung meines Entschlusses herbeigeführt haben, in Kenntniß gesetzt worden ist?«

»Ich habe ihr,« sagte die Aebtissin, »alles von Punkt zu Punkt mitgetheilt, so wie es mir diesen Morgen von dem Erzbischofe von Canterbury (denn mit ihm habe ich bereits über die Sache gesprochen) auseinander gesetzt, und so eben von Eurer Herrlichkeit selbst bestätigt worden ist.«

»Ich bin dem Erzbischof,« sagte der Constabel, »wenig Dank dafür schuldig, daß er meinen Entschuldigungen da zuvorkam, wo es so wichtig für mich war, daß sie genau und deutlich vorgetragen und günstig aufgenommen wurden.«

»Diesen Punkt,« sagte die Aebtissin, »habt Ihr mit dem Prälaten abzuthun; uns geht er nichts an.«

»Darf ich hoffen,« fuhr de Lacy fort, ohne durch die trockene Kälte der Aebtissin beleidigt zu scheinen, »daß Lady Eveline diese höchst unglückliche Veränderung der Umstände ohne Erschütterung – ich wollte sagen ohne Mißfallen vernommen hat?«

»Sie ist die Tochter eines Berenger, Mylord, und wir sind gewohnt, einen Treubruch zu strafen, oder ihn zu verachten – nie aber uns wegen desselben zu grämen. Was meine Nichte in diesem Falle thun wird, weiß ich nicht. Ich bin eine Dienerin der Religion, abgeschieden von der Welt, und möchte zum Frieden und zur christlichen Verzeihung mit einer gebührenden Verachtung gegen die unwürdige Behandlung, die ihr widerfahren ist, rathen. Sie hat zweifelsohne Anhänger, Vasallen und Freunde, so wie Rathgeber, die Ihr wohl nicht, in blindem Eifer für weltliche Ehre, rathen werden, diese Kränkung ruhig hinzunehmen, sondern im Gegentheil ihre Zuflucht zur Gerechtigkeit des Königs oder zu den Waffen der Lehnsleute ihres Vaters zu nehmen, wofern Ihr nicht durch die Vernichtung des Ehecontracts ihre Freiheit wieder ertheilt. Allein hier kömmt sie, um für sich selbst zu antworten.«



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