Walter Scott
Waverley - So war's vor sechzig Jahren
Walter Scott

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Kapitel XXI.

Hochlands Sängerschaft.

Als die ersten Begrüßungen vorüber waren, sagte Fergus zu seiner Schwester: »Meine liebe Flora, ehe ich zu den barbarischen Gebräuchen unserer Väter zurückkehre, muß ich Dir sagen, daß Kapitän Waverley ein Verehrer der celtischen Muse ist, und vielleicht um so mehr, als er kein Wort von der Sprache versteht. Ich habe ihm gesagt, daß Du eine vortreffliche Uebersetzerin der Hochlandspoesie bist, und daß Mac-Murrough Deine Uebersetzung seiner Gesänge aus demselben Grunde bewundert, wie Kapitän Waverley das Original: weil er nichts davon versteht. Willst Du wohl die Güte haben, unserem englischen Gaste die außerordentliche Reihe von Namen, die Mac-Murrough im Gälischen zusammengesetzt hat, vorzulesen oder mitzutheilen? Ich setze mein Leben gegen die Feder eines Sumpfhuhns, daß Du mit einer Übersetzung ausgerüstet bist, denn ich weiß, daß Du in dem Rathe des Barden sitzest und mit seinen Gesängen bekannt bist, lange bevor er sie in der Halle vorträgt.«

»Wie kannst Du das sagen, Fergus? Du weißt, wie wenig diese Verse einen Engländer interessiren können, selbst wenn ich sie zu übersetzen vermöchte, wie Du behauptest,«

»Nicht weniger als sie mich interessiren, schöne Lady. Zudem hat eure vereinte Dichtung, denn ich bleibe dabei, daß Du Theil daran hast, mich den letzten silbernen Becher in dem Schlosse gekostet und, wie ich vermuthe, wird sie mich das nächste Mal, wenn ich eine allgemeine Hofversammlung halte, noch mehr kosten, wenn die Muse Mac-Murrough heimsucht; denn Du kennst unser Sprüchwort: Wenn die Hand des Häuptlings zu geben aufhört, ist das Wort des Barden erfroren. – Nun, ich möchte, daß es so wäre, denn drei Dinge sind einem modernen Hochländer nutzlos: ein Schwert, das er nicht ziehen darf, ein Barde, der von Thaten singt, die er nicht nachzuahmen wagt, und ein großer Beutel von Ziegenleder, in den er keine Goldstücke zu stecken hat.«

»Nun, Bruder, da Du meine Geheimnisse verräthst, kannst Du nicht erwarten, daß ich Deine bewahre. – Ich versichere Euch, Kapitän Waverley, daß Fergus zu stolz ist, um sein Schwert gegen einen Marschallsstab auszutauschen, daß er Mac-Murrough für einen weit größeren Dichter hält als Homer, und daß er seinen ziegenledernen Beutel nicht für alle die Louisd'ore hingeben würde, die er enthalten könnte.«

»Wohl gesprochen, Flora, Schlag um Schlag, wie Conan zum Teufel sagte. Aber jetzt mögt ihr beiden von Barden und Poesie, wo nicht von Börsen und Schwertern schwatzen, während ich bei den Senatoren des Stammes Ivor die letzten Honneurs machen will.«

Mit diesen Worten verließ er das Zimmer.

Das Gespräch wurde zwischen Flora und Waverley fortgesetzt, denn zwei wohlgekleidete junge Mädchen, die zwischen der Gefährtin und der Dienerin zu stehen schienen, nahmen daran keinen Theil. Beides waren reizende Mädchen, aber sie dienten nur als Folie für die Anmut und Schönheit ihrer Gebieterin. Das Gespräch folgte der Richtung, welche der Häuptling ihm gegeben hatte, und Waverley wurde eben so unterhalten als überrascht durch die Schilderung, welche die Lady ihm von der celtischen Poesie entwarf.

»Gedichte,« sagte sie, »welche die Thaten der Helden schildern, die Klagen Liebender, die Kriege feindlicher Stämme bilden die Hauptunterhaltung eines Winterabends an dem Hochlandsherde. Einige davon sollen sehr alt sein, und würden sie je in irgend eine der Sprachen des civilisirten Europa übersetzt, so müßten sie einen tiefen und allgemeinen Eindruck hervorbringen. Andere sind neuer und sind die Dichtung des Familienbarden, den Häuptlinge von ausgezeichneterem Namen und größerer Macht als Dichter und Geschichtsschreiber ihrer Stämme halten. Diese sind natürlich von verschiedenem Verdienst, und vieles davon muß in einer Uebersetzung verschwinden, oder denen verloren gehen, die mit den Gefühlen des Dichters nicht sympathisiren.«

»Und wird Euer Barde, dessen Gesang auf die heutige Gesellschaft einen solchen Eindruck zu machen schien, unter die begünstigten Dichter dieser Berge gerechnet?«

»Das ist eine schwierige Frage. Sein Ruf ist ausgezeichnet unter seinen Landsleuten, und Ihr dürft nicht erwarten, daß ich ihn herabsetze.«

»Aber sein Gesang, Miß Mac-Ivor, schien alle diese Krieger aufzuregen, die jungen wie die alten,«

»Der Gesang ist wenig mehr als ein Verzeichnis; von Namen der Hochlandclans nach ihren sie kennzeichnenden Eigentümlichkeiten und eine Ermahnung, sich der Thaten ihrer Vorfahren zu erinnern und sie nachzuahmen.«

»Und irre ich in der Vermuthung, wie ungewöhnlich sie auch scheinen mag, daß in den Versen eine Anspielung auf mich vorkam?«

»Ihr habt eine scharfe Beobachtungsgabe, Kapitän Waverley, und sie täuschte Euch nicht. Die gälische Sprache ist ungemein reich an Vokalen, und deshalb wohl geeignet zu extemporirter Poesie. Ein Barde unterläßt es selten, die Wirkungen eines Gesanges dadurch zu erhöhen, daß er irgend eine Stanze einflicht, welche die gerade gegebenen Verhältnisse hervorrufen.«

»Ich würde mein bestes Pferd darum geben, zu wissen, was der Hochlandbarde von einem so unwürdigen Südländer, wie ich bin, zu sagen hatte.«

»Das soll Euch nicht einmal seine Mähne kosten. Una, mavourneen.« – Sie sagte einige Worte zu einem der beiden jungen Mädchen, welches sich verbeugte und aus dem Zimmer eilte. – Ich habe Una abgeschickt, von dem Barden die Ausdrücke zu erfahren, deren er sich bediente, und Ihr sollt über meine Geschicklichkeit als Dolmetscher gebieten.«

Una kehrte nach einigen Minuten zurück und recitirte vor ihrer Gebieterin einige gälische Verse. Flora schien einen Augenblick nachzudenken, erröthete dann und sagte zu Waverley: »Ich kann Eure Neugier nicht befriedigen, Kapitän Waverley, ohne meine eigene Anmaßung preiszugeben. Wenn Ihr mir einige Augenblicke zum Nachdenken gönnen wollt, so werde ich versuchen, den Sinn dieser Verse in englischer Übersetzung auszudrücken. Unsern Theetisch können wir wohl aufheben, und da der Abend köstlich ist, wird Una Euch den Weg zu einem meiner Lieblingsplätze zeigen, zu dem ich mit Cathleen nachkommen werde.«

Una führte nach der erhaltenen Weisung Waverley durch einen andern Ausgang als den, durch welchen er das Zimmer betreten hatte. Noch hörte er von fern in der Halle den Ton der Sackpfeifen und den Jubel der Gäste. Als er durch eine Hinterthür in die freie Luft getreten war, gingen sie auf einem schmalen Pfade das wilde öde Thal hinauf, in welchem das Haus lag, und folgten dem Laufe des Flüßchens, das sich in demselben hinschlängelte. Ungefähr eine Viertelmeile von dem Schlosse entfernt, trafen zwei Bäche, die diesen Fluß bildeten, zusammen. Der größere von beiden kam das lange öde Thal herab, welches sich ohne irgend einen Wechsel des Charakters oder der Höhe so weit erstreckte, als die Hügel, die dessen Grenze bildeten, dem Auge den Ausblick gestatteten. Der andere Bach aber, der zwischen den Bergen links von dem Thale entsprang, schien aus einer engen finsteren Oeffnung innerhalb zweier hoher Felsen hervorzukommen. Beide Bäche waren auch im Charakter verschieden. Der größere war sanft, sogar träge in seinem Laufe, wälzte sich durch tiefe Wirbel fort oder schlummerte in dunkelblauen Untiefen; die Bewegungen des kleineren Baches waren schnell und wüthend, er schäumte zwischen Felsabgründen hervor, wie ein Rasender, der seinen Fesseln entflieht, lauter Schaum und Tosen.

Ueber diesen letzten Bach wurde Waverley gleich einem fahrenden Ritter von dem schönen Hochlandsmädchen, seiner schweigenden Führerin, geleitet. Ein schmaler Pfad, der an mehreren Orten zu Floras Bequemlichkeit geebnet worden war, führte ihn dann durch eine Gegend von ganz verschiedenem Charakter. Rings um das Schloß war alles kalt, todt, öde, aber zahm selbst bei dieser Oede; dieser enge Pfad schien in nächster Nähe in das Land der Romantik zu führen. Die Felsen nahmen tausend verschiedene und eigenthümliche Gestalten an. An einer Stelle schien ein Riesenblock jedes weitere Vorschreiten zu hemmen, und erst als Waverley zu dem Fuße desselben gelangte, entdeckte er die scharfe Windung, durch welche der Pfad sich um das gewaltige Hinderniß herumzog, an einer andern Stelle traten die gegenüberstehenden Felsen so nahe zusammen, daß zwei darübergelegte, mit Rasen bedeckte Fichtenstämme in der Höhe von wenigstens hundert und fünfzig Fuß eine einfache Brücke darüber bildeten, die kein Geländer hatte und wenig mehr als drei Fuß breit war.

Während er auf diesen gefahrvollen Pfad hinstarrte, bemerkte Waverley mit einem Gefühle des Entsetzens Flora und ihre Begleiterin, die wie Bewohnerinnen einer andern Region auf diesem gebrechlichen Bau über ihm in der Luft zu schweben schienen. Sie blieb stehen, als sie ihn unten erblickte, und mit einer Bewegung anmuthiger Leichtigkeit, über die er schauderte, wehte sie mit ihrem Taschentuche zum Zeichen, daß sie ihn erkannt. Das Gefühl des Schwindels, welches ihr Gruß in ihm erweckte, machte ihn unfähig, denselben zu erwidern, und er fühlte sich erst erleichtert, als die liebliche Erscheinung von der furchtbaren Höhe, die sie mit solcher Zuversicht zu betreten schien, hinter dem Felsen auf der entgegengesetzten Seite verschwand.

Als er wenige Schritte weiter, und unter der Brücke durchgegangen war, die ihm einen solchen Schrecken einflößte, stieg der Pfad schnell von dem Ufer des Baches aufwärts, und das Thal öffnete sich zu einem waldigen Amphitheater, das mit Birken, Haselsträuchern und einzelnen Eichen besetzt war. Die Felsen wichen jetzt zurück, aber ihre grauen scharfen Spitzen ragten noch aus dem Gehölze hervor. Noch höher erhoben sich steile Gipfel, einige nackt, andere mit Wald bewachsen oder in rothes Haidekraut gehüllt, wieder andere schroff und verwittert. Nach einigen Windungen brachte der Fußpfad, der seit längerer Zeit den Bach verlassen hatte, unsern Waverley plötzlich einem malerischen Wasserfalle gegenüber, der nicht sowohl bemerkenswerth war durch große Höhe oder Wassermenge, als durch seine reizende Umgebung. Nach einem mehrfach unterbrochenen Falle von ungefähr zwanzig Fuß Höhe wurde der Bach in einem weiten natürlichen Becken aufgefangen, welches da, wo der Schaum des Wasserfalles aufhörte, das Auge trotz der großen Tiefe jede Blase am Boden erkennen ließ. Am Rande dieses Behälters hinlaufend, fand der Bach eine niedrige Stelle und bildete einen zweiten Wasserfall, der sich in einen tiefen Abgrund zu stürzen schien; dann unter den dunkeln Felsen hervorwirbelnd, die er viele Menschenalter hindurch geglättet hatte, rieselte er murmelnd das Thal hinab und bildete endlich den Fluß, an welchem Waverley heraufgekommen war. Hier befanden sich weiche mit Blumen und Kräutern geschmückte Rasenbänke, von denen einige nach der Anordnung Floras gepflanzt worden waren, doch so vorsichtig, daß sie die Schönheit erhöhten, ohne die romantische Wildheit der Scene zu stören. An dieser Stelle fand Waverley Flora auf den Wasserfall blickend, wie eine jener lieblichen Gestalten, welche die Landschaften Poussins beleben. Zwei Schritte weiter entfernt stand Cathleen mit einer kleinen schottischen Harfe; im Gebrauch derselben war Flora durch Rory Dall, einen der letzten Harfner der westlichen Hochlande, unterrichtet worden. Die Sonne, welche jetzt im Westen niedersank, verlieh allem, was Waverley umgab, eine reiche mannigfaltige Färbung. Auch dem ausdrucksvollen Glanze in Floras dunkelm Auge schien sie mehr als menschliches Feuer zu verleihen, das durch die Reinheit ihrer Züge, durch die Würde und Anmut ihrer reizenden Gestalt etwas Bezauberndes erhielt.

Edward glaubte niemals, selbst nicht in seinen wildesten Träumen, ein Wesen von so seltener vollendeter Lieblichkeit erblickt zu haben. Die wilde Schönheit des Ortes, die wie mit Zaubergewalt auf ihn einstürmte, steigerte noch die gemischten Gefühle des Entzückens und scheuer Ehrfurcht, mit denen er sich ihr nahte, wie einer holden Zaubererin des Ariost.

Wie jedes schöne Mädchen war Flora sich der Macht ihrer Reize bewußt und erfreute sich der Wirkungen derselben, welche sie aus der achtungsvollen, doch verlegenen Anrede des jungen Offiziers leicht erkennen konnte. Da sie aber viel Verstand besaß, verlieh sie der romantischen Gegend und anderen zufälligen Umständen volles Gewicht bei der Würdigung der Gefühle, die sie Waverley eingeflößt zu haben schien, und unbekannt mit seinem phantastischen Wesen und der eigenthümlichen Empfänglichkeit seines Charakters betrachtete sie seine Huldigung als den vorübergehenden Zoll, den selbst ein Weib von geringeren Reizen in solcher Umgebung empfangen haben würde. Sie zeigte deshalb schweigend den Weg zu einem Orte, der von dem Wasserfalle so entfernt war, daß dessen Rauschen ihre Stimme und ihr Instrument eher begleiten als unterbrechen konnte, und nachdem sie die Harfe aus Cathleens Händen genommen, ließ sie sich auf einem moosbewachsenen Felsstücke nieder.

»Ich habe Euch die Mühe gemacht, bis hierher zu gehen, Kapitän Waverley,« sagte sie, »weil ich wünschte, daß die Umgebung Eure Theilnahme erregen möchte, und weil ein Hochlandsgesang durch meine unvollkommene Übersetzung viel verlieren würde, müßte ich ihn ohne seine eigenthümliche und wilde Umgebung vortragen. Um in der poetischen Sprache meines Landes zu reden, ist der Sitz der celtischen Muse auf der Mitte des geheimen einsamen Hügels, und ihre Stimme mischt sich mit dem Gemurmel des Bergbaches. Wer ihr huldigt, muß den öden Fels mehr lieben, als das fruchtbare Thal, die Einsamkeit der Wüste mehr, als die Festlichkeit der Halle.«

Nur wenige hätten vermocht, das liebliche Wesen eine solche Erklärung mit klangvoller Stimme geben zu hören, ohne daß sie erklärt hätten, die geschilderte Muse habe nie eine geeignetere Stellvertreterin finden können. Auch Waverley fühlte dies in seinem Innern, doch fand er nicht den Muth, es auszusprechen. In der That erweckte das wilde Entzücken, mit dem er die ersten Töne, die sie dem Instrumente entlockte, vernahm, beinahe ein peinliches Gefühl in ihm. Er hätte um den Preis ganzer Welten den Platz an ihrer Seite nicht verlassen, und doch sehnte er sich beinahe allein zu sein, um mit Muße die verworrenen Gefühle zergliedern zu können, die jetzt auf einmal seinen Busen bestürmten. Flora hatte das gemessene und monotone Recitativ des Barden mit einer kühnen und ungewöhnlichen Hochlandsmelodie vertauscht, welche in früheren Zeiten die eines Schlachtgesanges gewesen war. Wenige unregelmäßige Griffe bildeten das Vorspiel von wilder eigenthümlicher Art, welche trefflich mit dem fernen Wasserfalle und dem milden Rauschen des Abendwindes harmonirte, der mit den Blättern einer Espe spielte, die den Sitz der schönen Harfenspielerin beschattete. – Die folgenden Verse geben nur einen geringen Begriff von den Gefühlen, welche sie, so gesungen und akkompagnirt, unserm Waverley einflößten:

Auf den Bergen liegt Nebel und die Nacht auf dem Thal,
Tief schlummern die Helden, tief schlummert ihr Stahl.
Ein Fremder gebot, – und da sank es aufs Land
Und machte das Herz starr und lähmte die Hand.

Mit Staub sind der Schild, und der Dolch nun bedeckt,
Nur vom Rost ist das Schwert, nicht vom Blute befleckt,
Und zeigt sich am Hügel, im Wald ein Gewehr
Es blitzt hinterm Reh nur und Waldhuhn daher.

Wenn Thaten der Väter der Barde uns singt,
Vor Scham das Blut in die Wange uns dringt,
Schweigt, Saiten, und stumm sei ein jeglicher Ton,
Der uns singt von dem Ruhm, der auf immer entflohn.

Doch vorbei sind die Stunden des Schlafes der Nacht,
Auf den Bergen ist dämmernd der Morgen erwacht,
Glenaladales Gipfel erröthen vom Strahl,
Und die Bäche Glenfinnans erglänzen im Thal.

Hochherziger Moray, Du Theurer, verbannt,
Im Morgenroth nimm Du das Banner zur Hand!
Daß es lustig flattre im eisigen Wind
Wie Sonnenglanz, eh' das Gewitter beginnt.

Wenn, Söhne der Kraft, solch ein Morgen bricht an, I
sts die Harfe allein noch, die wecken Euch kann?
Nie grüßte die Ahnen solch Morgenroth,
Sie sprangen denn auf zu Sieg oder Tod.

Ein großer Hund, der das Thal heraufkam, sprang hier an Flora in die Höhe und unterbrach ihren Gesang mit seinen ungestümen Liebkosungen. Auf ein fernes Pfeifen drehte er um und flog mit der Schnelligkeit eines Pfeiles wieder davon. »Das ist Fergus' treuer Begleiter, Kapitän Waverley, und das war sein Signal,« sagte Flora, »Mein Bruder liebt nur die heitere Poesie und kommt eben zur rechten Zeit, um mein langes Lied zu unterbrechen.«

Waverley sprach sein Bedauern über die Unterbrechung aus.

»O Ihr könnt nicht errathen, wie viel Ihr verloren habt,« entgegnete Flora. »Der Barde hat, seiner Pflicht getreu, an Bich Ian Vohr, den Bannerherrn, seine Verse gerichtet, hat alle seine großen Eigenschaften aufgezählt und dabei nicht zu erwähnen vergessen, daß er ein Gönner des Harfners und des Barden ist, ein Spender reicher Gaben. Ueberdies würdet Ihr eine Ermahnung an den schönhaarigen Sohn des Fremden gehört haben, der in dem Lande lebt, wo das Gras immer grün ist, den Reiter auf glattgestriegeltem Rößlein, dessen Farbe wie die des Raben ist, und dessen Wiehern dem Schlachtenruf des Adlers gleicht. Dieser tapfere Reiter wird herzlich beschworen sich daran zu erinnern, daß seine Vorfahren stets sich durch Treue wie durch Muth auszeichneten. Das alles habt Ihr verloren, und da Eure Neugier noch nicht befriedigt ist, glaube ich, nach dem fernen Pfeifen meines Bruders zu urtheilen, noch so viel Zeit zu haben, den Gesang zu beendigen, ehe er zu uns kommt, und mich wegen meiner Uebersetzung auslacht.

Ihr Söhne der Hügel, des Meeres wacht auf! Ihr vom See, von der Bucht, kommt alle zu Hauf! Es ertönet das Horn, doch es tönt nicht zur Jagd, Es ruft nicht zur Halle, es ladet zur Schlacht.

Es ladet die Helden zu Sieg oder Tod,
Die Banner zu schwingen der Häuptling gebot,
Es ruft zu den Schwertern, es rufet zum Kampf,
Zu Märschen, zum Angriff im Pulverdampf.

Wie Fin einst schwinge der Häuptling das Schwert.
Wenn wie Feuer das Blut durch die Adern ihm fährt.
Und das fremde Joch, Helden, o duldet es nie,
Kühn kämpft wie die Väter und sterbet wie sie!


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