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Homingman hatte die Bekanntschaft Fifitts auf der Enzpromenade gemacht, indem er plötzlich von hinten grußlos mit den Worten neben sie trat: »Ich würde mich freuen, wenn Sie sich langweilten.«
Fifitt hatte gelacht und man war ins Gespräch gekommen. Und als Homingman sie nach einer Stunde vor dem Badhotel verließ, hatte sie ihm ein Wiedersehen versprochen, wenn auch nicht fixiert, und den Wunsch geäußert, in seiner Erinnerung als Fifitt zu existieren und nicht anders. Er erreichte ohne Schwierigkeiten sechzehn Spaziergänge an der Enz und vier auf dem Sommerberg und schließlich eine Autofahrt nach Baden-Baden, allwo es in dem auf einer Anhöhe gelegenen Hotel Grethel sich begab, was insoferne eines besonderen Reizes nicht entbehrte, als Homingman ein Pyjama sich ausleihen mußte, das viel zu kurz, und Fifitt ein Nachthemd, das viel zu eng war.
Damit war für Homingman, der das Tempo seines Lebens zu gut kannte, um nicht davon überzeugt zu sein, daß niemals ein Wiedersehen erfolgen würde, diese Episode beendet. Er fuhr nach Kopenhagen, Fifitt nach München. Er trauerte während der Eisenbahnfahrt Fifitts schlanken Beinen nach, diese einen ganzen Tag seinen seltenen Küssen. Dann war es aus.
Als aber Homingman den zweiten Frühling, der auf diesen Sommer folgte, in San Remo verbrachte, sah er schon am dritten Tag im Speisesaal des Riviera Palace Fifitt allein an einem Tisch sitzen. Er drückte sich augenblicks. Denn seine Situation, ohnehin bereits von äußerster Kompliziertheit, hätte durch eine unbesonnene Wiederaufnahme der Beziehungen zu Fifitt eine weitere Komplikation erlitten. Er setzte sich in der Hall in einen versteckt stehenden Klubsessel, entzündete sich eine Kyriatzi und kurbelte sein Gehirn an.
Sein Leben hatte kurz nach jener schönen Nacht im Hotel Grethel eine so mißliche Wendung genommen, daß die Kopenhagener Polizei sein Photo unter der Nummer 225 in ihr Album eingereiht hatte. Er maß diesem Umstand keine allzu große Wichtigkeit bei, war vielmehr so raffiniert, ihn sich zunutze zu machen. Er verschmähte es, eine gründliche Metamorphose an sich vorzunehmen, und beschränkte sich darauf, die zahllosen Herren und Damen, die im Restaurant, im Café und auf den Promenadenbänken neben ihm sich niederließen, scheinbar halbblind, schwerhörig oder sonstwie invalid waren, auch gerne an allerlei nervösen Störungen litten, in ihrem ohnedies traurigen Beruf zu unterstützen, indem er tat, als sehe er sie überhaupt nicht, und ihnen gelegentlich Lügen zu hören gab. Er wollte warten, bis eine angemessene Beute sich zeigte, und mit Hilfe derer, die dazu kommandiert waren, sie ihm zu entreißen, sie sich holen. Und er wollte so komponieren, daß seine Undurchschaubarkeit von nie noch erreichter Vollkommenheit wäre.
Nun, diese Beute war in Darmstadt im Hotel zur Traube in Gestalt einer jungen, über alle Zweifel reichen und zudem sehr schönen ungarischen Großbäckerstochter erschienen. Homingman hatte, kaum daß er sie erblickte hatte, sofort sich zurückgezogen. Das war seine Stärke. ›Vermeide jedes überraschende Zusammentreffen, das stets zu Extemporalien zwingt, sondern komponiere deine Absichten!‹ Also war in seinem kleinen Notizbuch zu lesen, in dem er alsbald auf sein wichtigstes Axiom stieß: ›Von zwei Objekten wähle nicht das größere, sondern das glattere!‹ Da er, der seiner schönen Ungarin nach San Remo nachgereist war, für einen der folgenden Abende ein zweckentsprechendes Rendez-vous im Westend Hotel präpariert hatte, wog er die beiden Objekte. Leider ohne Erfolg, weil Fifitts Gewichtsverhältnisse ihm fehlten. Nach einer zweitägigen Enquête jedoch kannte er diese. Die neuerliche Gewichtsprüfung fiel zugunsten Fifitts aus, die Alexandra von und zu Stettenhausen hieß und die einzige Tochter ihrer verwitweten und anhanglosen Mutter war. Daß die schöne Ungarin größere Reichtümer besaß, wurde durch die rekommandablere Glätte der Sache Fifitt aufgewogen. Und nun machte Homingman sich ans Komponieren. Der Umstand, daß die Polizei das Hotel innen und außen belagert hielt, mußte als zentraler Punkt angesehen werden. In Fällen, die infolge der Umsicht des gejagten Wilds die übliche sporadische Überwachung als unsicher befürchten lassen, wählt nämlich die Polizei die lückenlose Umklammerung. Ihr Kalkül, wer den einzelnen Häscher rasch herausschnüffelte, wäre am ehesten zur Annahme geneigt, es seien gar keine da, wenn er nur Häscher sähe, war im Falle Homingman freilich deplaziert. Denn dieser hatte in seiner jeweiligen Umgebung nie noch etwas anderes gesehen als Feinde und stets lediglich sich bemüht, Objekte zu suchen.
Noch am selben Abend lächelte er, seine Komposition vollendet im Kopf, die in der Hall rings um ihn eifrig konversierende Umklammerungs-Staffel freundlich an und sagte sich: ›Ein Gefängnis ist das Leben ohnedies. Aus diesen lebenden Mauern aber werde ich mit dem Finger ausbrechen.‹ Und alsbald winkte er mit dem Zeigefinger. Die Konversationen versiegten augenblicks. Wohl ein halbes Schock lauernder Augen teilte sich in zwei Teile: die einen flogen in die Richtung, in der Homingmans Finger gewinkt hatte, die anderen hafteten auf ihm selber, der liebenswürdig grinste. Er hatte gleichsam rhetorisch gewinkt und bloß das Vergnügen der realisierten Metapher sich geleistet. Hierauf ging er siegesgewiß in den Speisesaal und auf den Tisch Fifitts zu. Um ihr den Übergang zu erleichtern, setzte er sich sofort neben sie und erzählte ihr, allerdings auch in Hinsicht auf das plötzlich hinter ihm sitzende Lauscherpärchen, die Erlebnisse seiner ersten Autofahrt nach St. Raphael, die niemals stattgefunden hatte. Dann flüsterte er schnell, daß er am nächsten Vormittag von zehn bis zwölf in den Giardini Marsaglia promenieren werde, und verabschiedete sich überkorrekt von der weidlich Konsternierten. Und eine Viertelstunde später erschien er in der Hall des Westend Hotel, wo an diesem Abend ein kleiner Ball stattfand, zu dessen Teilnehmern Vilma Kököllö zählte. Er trat diskret neben sie und sagte leise vor ihrem Ohr: »Sie haben auf der rechten Schulter einen Schmutzfleck. Gestatten Sie, daß ich Sie hinausführe.« Dabei hielt er ihr den Arm hin, den sie verdutzt ergriff. Im Korridor bearbeitete er mit seinem Taschentuch dezent ihren Rücken. Dieser Tätigkeit sah eine alte Dame zu, deren Indignation er auf den ersten Blick als adjustiert erkannte. Weshalb er, während er Vilma so nahe an ihr vorbeiführte, daß sie sie streifte, mit den Worten grüßte: »Buona sera, Madame Reichsgräfin.«
Vilma, die aus dem Erstaunen gar nicht herauskam, stotterte: »Aber was ... Reichsgräfin ...? Und Sie sagen ›buona sera‹?«
»Wenn ich jemandem zu verstehen geben will, daß ich ihn kenne, aber keine Ahnung habe, wer er ist, grüße ich in mehreren Sprachen. Dann besteht die Hoffnung, daß er mir in seiner Muttersprache antwortet, oder die Chance, daß er verschwindet.«
Vilma lachte aus vollem Hals: Homingman hatte die erste Attacke gewonnen. Und gewann im Verlaufe des Abends fast eine Schlacht. Er rollte den ganzen linken Flügel Vilmas auf. Und zwar mit Hilfe eines halben Dutzend neuerdings hinzugekommener Ballgäste, die alle das Riviera Palace verlassen hatten, wie um eigens ihm als Komparsen zu dienen. Tagsdarauf sprach ganz San Remo über diesen unerhörten Vorfall.
Und vormittags elf Uhr zwölf Homingman darüber mit Fifitt, die ihn, an seine Eskapaden von Baden-Baden sich erinnernd, sofort in Verdacht gehabt hatte, als sie beim Frühstück vom Nebentisch her die erste Version vernahm. »Das sieht Ihnen ähnlich. Schweigen Sie! Es ist ganz aussichtslos für Sie, zu leugnen. Aber sagen Sie mir, ob es wirklich so war.«
»Ja, wie soll es denn eigentlich gewesen sein?« fragte Homingman erheitert, aber wohl überlegter Weise leise resigniert.
»Sie ist also ohnmächtig geworden?«
»Dazu hat man sie gezwungen!«
»Sie wollten wohl sagen, daß Sie sie dazu gezwungen haben.«
»Keineswegs. Sondern die Umstehenden.«
»Jawohl, weil sie gesehen haben, wie Sie Ihre Hand mißbrauchen wollten.«
»Eine Interpretation, die falsch ist.« Homingman rollte langsam die Schultern. »Vielleicht habe ich jene Geste nach dem Unterrock Fräulein Kököllös lediglich gemacht, um die Umstehenden zu Interpretationen zu veranlassen.«
»Sie schwindeln.«
Homingman, der aufrichtig gewesen war, gähnte. »Daran zweifelt meist niemand, wenn ich es nicht tue. Nur wenn ich lüge, glaubt man mir manchmal.«
»Ganz wie in Wildbad.« Fifitt zeigte lächelnd ihre schönen Zähne. »Aber Spaß beiseite, ich finde es sehr chic von den jungen Leuten, die es sahen, daß sie sich auf Fräulein Kököllö stürzten und sie gleichsam zur Ohnmacht zwangen.«
Homingman lachte brutal. »Aber sie haben ihr doch die Röcke links hochgeschoben und Strumpf und Unterhöschen untersucht, als hätte ich da eine Giftschlange oder Bazillenkultur angelegt.«
»Deshalb möchte ich ja von Ihnen wissen, wie es eigentlich war. Denn grundlos machen wohlerzogene junge Leute doch so etwas nicht. Das wäre ein zu geschmackloser Scherz.«
»Die jungen Leute waren eben nicht wohlerzogen, sondern ganz einfach unverschämt. Das hatte ich ja auch erwartet.«
»So, das hatten Sie erwartet!« Fifitt schritt schneller aus, schlug aber den Weg in die Berge ein statt den nach dem Corso. »Sie erwarten das wohl von allen wohlerzogenen jungen Leuten?«
Homingman, der sich verplappert hatte, lenkte ein: »Sie unterstellen meinen Worten eine ungerechte Verallgemeinerung. Und im übrigen ist mir dieses Seide gewordene ungarische Beugel schon zum Hals heraus. Wenn ich nicht wohlerzogen wäre, würde ich nach diesem Vorfall mich überhaupt nicht mehr um sie kümmern.«
Das beruhigte Fifitt, die zwar nicht eifersüchtig war, aber nicht wünschte, daß die Wiederaufnahme ihrer Beziehungen zu ihm durch Nebenbeschäftigungen verzögert oder geschmälert würde. Denn sie war ein in jeder Hinsicht emanzipiertes Persönchen, das, weit davon entfernt, in ihn verliebt zu sein, ihn bloß als Amüsement schätzte; tags die Konversation, nachts die Position.
Während sie, in Schwarzwald–Erinnerungen schwelgend, den letzten Villen sich näherten, folgte ihnen in dem üblichen Abstand ein ältliches Ehepaar. Deshalb schrieb Homingman in einem Augenblick, da Fifitt ihre Haare ordnete, auf eine Streichholzschachtel: ›Ce soir à dix heures‹, und ließ sie zu Boden fallen, was das weibliche Auge in seinem Rücken veranlaßte, an dieser Stelle zurückzubleiben, um die Person, welche die Streichholzschachtel suchen würde, zu agnoszieren. Und nach zehn Minuten riß er unversehens einen Zweig ab, knickte ihn und hängte ihn über einen Ast. Das ihm folgende männliche Auge hielt es jedoch für ratsamer, auf seinen Fersen zu bleiben. Aber Homingman war um ein anderes Manöver nicht verlegen: er zog, als sie in einen Fichtenwald kamen, Fifitt hinter zwei dicke Bäume, wechselte noch dreimal das Versteck und wartete schließlich hinter einem Sandhaufen, bis sein Verfolger sich verloren hatte. Fifitt, die über sein Verhalten sich wunderte, erklärte er, das faschistische Italien verfolge mit Vorliebe die illegitimen Zärtlichkeiten fremdländischer Nichtstuer. Fifitt war es zufrieden; auch, daß er sie auf vielerlei Fußsteigen zu dem gleichfalls auf einer Anhöhe gelegenen Hotel Bellavista führte, wo er ihr zu déjeunieren vorschlug.
Als sie daselbst gegen zwei Uhr die Toilette zu benützen wünschte, wies er ihr den Weg. Er öffnete sogar selbst die Tür, in die er Fifitt jedoch schnell hineinstieß. Denn es war gar nicht die Toilette, sondern das von ihm beim Portier meuchlings gemietete Zimmer, in dem es bald stürmisch zuging.
Um sechs Uhr nachmittags stiegen sie nach San Remo hinunter, trennten sich aber, als sie in die Villenzone kamen, und dinierten im Riviera Palace, durch zwei Tische voneinander geschieden. Homingman vermied es vereinbarungsgemäß, mit Fifitt zu sprechen, und begab sich gegen zehn Uhr ins Westend Hotel, wo auch an diesem Abend ein Ball stattfand. Wider Erwarten, wenn auch nicht wider das seine, erschien Vilma ebenfalls auf diesem Ball. Sie beging wie so viele den Fehler, zu glauben, das Peinliche eines Vorfalls würde am besten aus der Welt geschafft, wenn man so tue, als wäre gar nichts Peinliches vorgefallen. Und dieses Getue ist gerade für alle Welt das Peinliche. Dies wurde noch dadurch verstärkt, daß Vilma, die Homingman nicht zu begegnen erwartet hatte, einen zweiten Fehler beging: sie eilte sofort auf ihn zu, obwohl der unerhörte Vorfall vom Abend vorher durchaus noch keine befriedigende Erklärung gefunden hatte. Auch nicht für Vilma, die der brennende Wunsch, sie zu erhalten, zu Homingman getrieben hatte. Kaum daß sie mit ihm ein wenig abseits geraten war, stöhnte sie denn auch schon:
»Also jetzt werden Sie mir unverblümt sagen, was gestern abends ...« Ihre Augen sprühten böse. »Ich begreife absolut noch nichts.«
Homingman holte sich eine Haarsträhne, als versuche er, nachzudenken. »Wenn ich aufrichtig sein soll ...«
»Sie müssen!« Vilma stieß ihm den Fächer auf die Brust.
Homingman nahm vorsichtig sein Kinn in die Hand. »Ja also ... Es war in der Hauptsache ...« In diesem Augenblick gewahrte er schräg hinter sich das unvermeidliche Ohr der Polizei und sich gegenüber Fifitt, die soeben zur Tür hereinkam. Sein Gehirn hüpfte. Und komponierte ihm das reizvollste Detail. Er neigte sich, wie um leiser zu sprechen, Vilma zu und sagte, in Wirklichkeit aber lauter als vordem: »Dr. Mesch hat das Schächtelchen gefunden. Auch der geknickte Zweig hat seine Schuldigkeit getan, wie ich sehe.«
»Aber ... Ich verstehe kein Wort ...« Vilmas Stirn wich weit zurück.
Homingman schob sie rasch vor sich her, um aus dem Bereich der Polizeiohren zu kommen, und explizierte: »Herr Dr. Mesch aus dem Hotel Royal hatte beim Tee im Westend ein Schächtelchen mit Perlen verloren. Während des Balls bildete ich mir ein, es unter Ihren Füßen zu sehen. Meine impulsive Geste hat dieses alberne Rudel von Keuschheitsknaben für einen Angriff auf Ihre Tugend gehalten.«
»Diese Knaben haben mich doch aber visitiert!«
Homingman mimte den Erstaunten. »Was? Ja, das wußte ich doch gar nicht. Ah, da haben sie Sie wohl für die Diebin gehalten. Eine Unverschämtheit! Aber seien Sie außer Sorge! Dr. Mesch hat das Schächtelchen heute unversehrt wiedergefunden.«
Vilma machte immer ratlosere Augen. »Haben Sie nicht noch von einem geknickten Zweig gesprochen?«
Homingman visperte: »Moment! Pardon!«, eilte spornstreichs durch die Tür, öffnete in dem menschenleeren Korridor ein Fenster, stieß einen ohrenzerreißenden Fingerpfiff aus und sprang in den Hof hinunter. Hierauf lief er durch den hinteren Eingang ins Hotel zurück, wo er in der Hall vom Portier gemächlich seinen Mantel verlangte. In dem Hotelauto, das ohnedies zum Bahnhof fahren wollte, ließ er sich zum Riviera Palace bringen, nahm langsam seinen Zimmerschlüssel und stieg noch langsamer die Treppe empor, um es so arrangieren zu können, daß er ungesehen statt in die zweite Etage in die dritte einbiegen und mit dem Schlüssel, den Fifitt ihm gegeben hatte, in deren Zimmer verschwinden konnte. Sein Fingerpfiff war für diese das verabredete Zeichen gewesen, nach zehn Minuten in ihr Hotel zu fahren.
Für die Polizei aber ein Zwischenfall, der sie die ganze Nacht auf den Beinen hielt. Denn sie glaubte an einen abenteuerlichen Coup Homingmans und hielt den Pfiff für das Signal für seine Komplizen. Die Umgebung des Westend Hotel wurde gründlich abgesucht, drei Streifen in die nahen Wälder geschickt und unausgesetzt gefragt und geforscht. Aber erst gegen acht Uhr morgens fand sich eine Spur. Der Portier, der abgelöst worden war, nachdem er Homingman den Mantel ausgehändigt hatte, kam in die Hall, um seinen Dienst anzutreten. Von den Beamten bestürmt, sagte er, was er wußte. Da fuhr das Hotelauto vor, dessen Chauffeur die Mitteilung des Portiers bestätigte und unverzüglich mit dem leitenden Kommissär und drei Beamten ins Riviera Palace rasen mußte. Nachdem Homingmans Zimmer vergeblich durchwühlt worden war, fuhr der Kommissär fauchend ins Westend Hotel zurück, wo er die schöne Ungarin sofort einem zweiten Kreuzverhör unterzog. Das erste hatte bis drei Uhr morgens gedauert, weil sie sehr verdächtiger Weise von einem gewissen Dr. Mesch gesprochen hatte, der von niemandem in San Remo gesehen worden war, von einem Schächtelchen Perlen, das er verloren haben sollte, und von einem geknickten Zweig, von dem sie selber nichts begriff. Da sie auch diesmal wieder auf diese seltsamen Details zurückkam, wurde sie unter scharfer Eskorte samt ihrer weinenden Mutter ins Riviera Palace gebracht, was während der Nacht verweigert worden war, und in ihrem Zimmer streng bewacht.
Um neun Uhr klingelte Homingman, ohne daß Fifitt es sah, dem Zimmermädchen, mit dem er zweimal geschlafen hatte. Als er sicher war, ihr zu begegnen, trat er auf den Korridor, lief ihr just vor der Tür in die Arme und eilte, äußerste Verlegenheit heuchelnd, in die Toilette, kurz darauf Fifitt hinunter zum Frühstück.
Nach einer Viertelstunde kam Homingman und setzte sich, ihren leisen Protest ignorierend, ihr gegenüber. Als der Kellner ihn sah, schrie er fast auf. In wenigen Sekunden war der Frühstückssalon voll von Gästen und Personal. Endlich kam auch die Polizei.
Homingman, deren Zustand wohl kennend, fragte immer wieder, warum man ihn denn gesucht und wer gepfiffen habe; er wäre, als er den Pfiff gehört hätte, in der Toilette gewesen und nachher mit dem Hotelauto ...
»Aber Sie haben die Nacht nicht in Ihrem Zimmer zugebracht«, krähte der Kommissär.
Homingman streckte sich arrogant. »Ich schlafe, wo es mir paßt.«
»Sie sind verpflichtet, auszusagen.« Der Kommissär krächzte nur so, wurde aber verlegen, weil er wußte, daß er unrecht hatte.
»Ist ein nächtlicher Fingerpfiff, dessen Grund Sie weder kennen noch dessen Folgen, eine hinreichende Basis für solche Inkommodierungen?« Homingman wandte ihm den Rücken.
Da aber kam dem Kommissär unverhoffte, für Homingman freilich die erhoffte Hilfe. Das Zimmermädchen der dritten Etage trat vor und rächte sich: »Aber Herr Homingman hat doch im Hotel geschlafen. Ich habe ihn selber aus Nummer 53 herauskommen sehen.«
»Wer wohnt auf Nummer 53?« fragte der Kommissär scharf.
Alle wußten es und wandten sich ab. Und da Fifitt blutrot wurde, wußte es auch der Kommissär. Wütend zog er mit seinen Edilen ab.
Nach vier Wochen heiratete in Mainz Fräulein Alexandra von und zu Stettenhausen sehr wider ihren Willen, aber notgedrungener Weise Herrn Robert Homingman, der mit dieser seiner schönsten Komposition Vollkommenstes vollbracht hatte. Seine Schwiegermutter rang die Hände und war entschlossen, nach einem halben Jahr die Scheidung zu erzwingen. Es kam aber nicht dazu, da Fifitt nach einigen verzweifelten Ehebrüchen, die übrigens Homingmans Meisterhand von hinten nieder zu dirigieren gewußt hatte, es aufgab, einen ebenbürtigen Positionsersatz zu finden.
Vilma Kököllö aber laboriert immer noch an einer schweren Psychose, in der Perlen und geknickte Zweige eine große Rolle spielen. Sogar Professor Alfred Adler vermochte mit diesem Fall nichts anzufangen und glaubt noch heute an Schizophrenie.