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Eine unliebsame Begegnung

Am nächsten Tag sagte Tante Laura, sie würde allein mit den Dackeln ausgehen. Sie tat gerade, als ob Christine an dem Ausreißen die Schuld trüge. Christine hätte beinahe gesagt: nimm dich vor dem Hundemaxe in acht; denn dies Alleingehen war ihr ein bißchen unheimlich. Sie sagte aber nichts, und darum schalt nachher die Tante Laura, als es schief heraus kam: »Hättest du mich doch gewarnt!«

Hinterher ist immer gut reden.

Tante Laura ging mit den Dackeln und Minni saß wieder auf der Treppe. Sie putzte sich und sah wirklich niedlich aus. Tante Laura sah es wohl, und es ärgerte sie wieder, daß Minni nicht bei ihr bleiben wollte. Für Minni hätte sie gern die Dackel hingegeben.

Die beiden Schelme machten einen furchtbaren Lärm, als sie Minni sahen. Sie rissen an der Leine, und auf einmal waren sie los. Wenn sie aber gedacht hatten, Minni zu fangen, so hatten sie verkehrt gedacht. Minni ließ sich nicht so schnell fangen. Sie war auf das Fenster gesprungen, und heute stand das Fenster offen, sie gelangte hinaus. Tante Laura, die sie fangen wollte, bekam einen tüchtigen Handkratzer.

Ja, so war Minni, wen sie nicht leiden mochte, den kratzte sie.

Tante Laura schrie laut, und die bösen Dackel sahen bewundernd, wie Minni draußen am Fenstersims entlang kletterte. Sie beneideten Minni um das Klettern und würden himmelgern so gekratzt haben können wie Minni. Und der Mut von einer so kleinen Katze, Tante Laura zu kratzen, war wirklich erstaunlich. Tante Laura war sehr böse.

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Sie wollte die Dackel wieder einfangen, aber die wollten sich nicht fangen lassen, sie dachten: was Minni kann, können wir auch. Sie schnappten nach der Tante; doch diesmal war die Tante fixer. Ehe die beiden wußten wie und was, hatte die Tante die Leine ergriffen und schlug mit ihrem Schirm auf die beiden Schelme ein. Das war schlimm. Das Schlimmste aber war, daß Minni draußen auf dem Fenstersims faß und schmunzelte. Die Dackel merkten es wohl, Minni lachte sie aus, und das machte sie wütend, denn von einer Katze ausgelacht zu werden, ist eine große Schande für einen rechten Hund. Sie hätten darum gern den Kampf fortgesetzt, aber Tante Laura hatte keine Lust. Die sah auch nicht, daß Minni lachte, sie sah nur, daß das kleine Katzentier putzniedlich aussah, und das ärgerte sie. Sie zerrte also und zog heftig an der Leine, und Lump und Schlingel mußten mit auf die Straße gehen, so wenig Lust sie auch hatten.

Doch als sie auf der Straße waren, kam die Lust. Es war ein sehr schöner Frühsommertag, und auch andere Leute hatten an das Spazierengehen gedacht. Zum Beispiel der Graf Bibinell.

Der ging fein und vornehm auf der anderen Seite der Straße spazieren. Mit ihm gingen Waldel und Bürschel, aber beide gingen nicht fein und vornehm, sondern sehr wild und ungebärdig. Als sie drüben Lump und Schlingel erblickten, bellten sie laut, und Tante Laura ärgerte sich.

»Seid doch still!« schalt sie.

Aber kleine Dackelgeschwister freuen sich, wenn sie einander sehen, wie kleine und große Menschengeschwister.

Die Sonne schien, die Dackel bellten, der Graf grüßte, und Tante Laura ärgerte sich. Sie machte ein so bitterböses Gesicht, daß oben der Himmel auch böse wurde. Flugs gab die Sonne einer dicken, brummigen Wolke einen Schubs. Die Wolke segelte gerade so verdrossen ihre Himmelsstraße entlang, wie Tante Laura unten auf der Erdenstraße wandelte, und die Wolke tat, was die Tante gern getan hätte, sie platzte.

Pladderadatsch kam ein unholdes Güßlein von oben herab und ergoß sich auf die Straße, die Tante, die Dackel und den Grafen. Der hatte einen Schirm, und Tante Laura sah neiderfüllt zu, wie er ihn aufspannte. Vielleicht kommt er herüber und beschützt mich, dachte sie; aber dann fiel ihr ein, wie ungezogen sie gestern zu dem Grafen gewesen war. Also würde wohl ihr guter Hut verregnen.

Der Graf war aber höflicher als die Tante. Er wollte über die Straße gehen und der Tante ihren guten Hut beschützen.

Als Lump und Schlingel das sahen, rannten sie vor Freude immer rundherum um die Tante. Die Leine wurde beim Herumlaufen immer kürzer, und auf einmal war die Tante ganz und gar eingewickelt. Sie wollte sich auswickeln, aber plötzlich verlor sie dabei das Gleichgewicht und setzte sich ziemlich unsanft auf die Straße. Der Graf, der gerade mit seinem Schirm anlangte, mußte lachen, es sah zu komisch aus, wie sich Tante Laura mitten in eine Pfütze hineinsetzte.

Der Graf sah ein, daß sein Lachen nicht nett war; aber so furchtbar böse, wie sie es wurde, brauchte Tante Laura nicht gleich zu werden. Sie schalt ganz fürchterlich, nannte den Grafen herzlos, und noch vieles andere sagte sie ihm nach. Der Graf war so verdutzt über das heftige Schelten, denn so etwas hatte er von einer Dame noch nicht gehört, daß er das Helfen vergaß, und Tante Laura blieb in der Pfütze sitzen.

»Die kann aber das Schelten gut«, sagte auf einmal jemand, und die Tante merkte nun erst, daß sie nicht allein mit dem Grafen auf der Straße war. Menschen standen um sie herum und lachten. Da begann sie sich ganz furchtbar zu schämen.

»Das ist aber kurios, warum haben Sie sich denn so einwickeln lassen?« fragte ein Mann.

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»Die schrecklichen Dackel!« Tante Laura fing an bitterlich zu weinen, und nun erst halfen ihr welche aus der Pfütze heraus. Der Graf hielt in seiner Verwirrung immer den Schirm über sie, als wäre das am wichtigsten. Endlich stand die Tante wieder auf den Beinen.

Am meisten darüber freuten sich die Dackel, die sich beinahe erwürgt hatten. Waldel und Bürschel aber fanden, die Brüder hätten einen herrlichen Spaß gemacht, den mußten sie nachmachen.

Sie begannen plötzlich auch rundum zu laufen, und Tante Laura rief: »Nehmen Sie sich in acht, Herr Graf!«

Da saß der Graf auch schon auf der Erde, und alle, die darum standen, lachten, selbst der Graf lachte mit. Und weil er die Sache von der lustigen Seite nahm, wollte das Lachen nicht enden. Der Graf stand bald wieder auf seinen Beinen, und wie vorher hielt er den Schirm über die Tante. Da sagte die grillig: »Es regnet ja gar nicht!«

Der Graf klappte verlegen den Schirm wieder zu. In dem Augenblick besann sich oben im Himmel eine zweite Wolke darauf, daß das Platzen eine lustige Kurzweil wäre; so platzte sie aus lauter Vergnügen, und wen es traf, das war Tante Laura. Tropf, tropf, tropf ging es auf sie nieder. Sie wurde im Umsehen plidderraddernaß. Der Graf wollte seinen Schirm aufmachen, aber das war ein heimtückischer Geselle, er hatte vorhin das plötzliche Zumachen übelgenommen und sperrte sich nun. Er ging und ging nicht auf, so sehr sich der Graf auch mühte.

Indessen regnete es immer heftiger.

Tante Laura wurde durch und durch naß. Sie sah sich ängstlich nach Hilfe um.

Da trat ein Mann neben sie und sagte höflich: »Ich werde meinen Schirm über Sie halten und Ihnen die Dackel einstweilen führen.«

Schon wollte die Tante die Leine von ihrer Hand lösen, als zwei Stimmen aufgeregt riefen: »Das ist der Hundemaxe!«

Jan und Malve kamen angerast, und Tante Laura sah jetzt erst den hilfsbereiten Helfer genauer an. Es war wirklich Hundemaxe.

Da fuhr der Schreck der Tante in alle Glieder. Sie begann plötzlich zu rennen und zerrte die beiden Hündchen so heftig mit, daß der Graf rief: »Sie erwürgen ja die Dackel!«

Aber das war nicht wahr, die Dackel waren putzmunter und froh, dem Hundemaxe entronnen zu sein. Sie waren auch sehr lustig, denn die erlebten Abenteuer gefielen ihnen. Sie hätten es gern gesehen, wenn Tante Laura sich noch einmal in eine Pfütze gesetzt hätte.

Doch die Tante tat das nicht; als der Regen nachließ, ging sie steif und feierlich nach Hause, und als sie den Hausflur betraten, saß Minni wieder auf der Treppe. Mit lautem Gekläff stürzten die beiden Schelme auf sie los. Sie wollten ihr erzählen, daß Tante Laura auf der Straße gesessen hatte. Aber Minni verstand das Gekläffe falsch. Sie fauchte böse und teilte rechts und links Ohrfeigen aus, und als Tante Laura ihr gut zureden und sie streicheln wollte, bekam sie auch einen Kratzer.

Das war nicht nett von Minni, und Tante Laura war auch sehr böse, aber daran kehrte sich Minni nicht, die wollte zeigen, daß sie keine Angst vor den Dackeln und Tante Laura hatte.

Sie sprang leichtfüßig der Tante an der Nase vorbei auf die Treppe und gedachte in den Garten zu hüpfen, dort geschwinde auf einen Baum zu klettern, um den Dackeln zu zeigen: seht ihr, das kann ich, das könnt ihr nicht.

So etwas ist leichter gedacht als gemacht.

Es war leichtsinnig von Minni, sehr leichtsinnig! Als sie nämlich an der Haustüre anlangte, war die verschlossen, und keine Minni konnte hinaus. Und da waren auch schon die Dackel. Es sah aus, als wäre es um Minni geschehen.

Wenn nicht Tante Laura gewesen wäre! Tante Laura rettete Minni. Sie sprang so geschwinde, wie niemand es ihr zugetraut hätte, und nahm Minni auf den Arm, gerade als die beiden Schelme sie erreicht hatten.

Diesmal kratzte Minni nicht, sie schmiegte sich ganz zutraulich an die Tante an, und die dachte: wie ist Minni doch niedlich.

Da kamen Jan und Malve zum Haustor herein und beide staunten, als sie Minni auf Tante Lauras Arm erblickten.

Tante Laura erzählte die Geschichte. Sie sagte: »Ihr habt mir meine Dackel gerettet, ich habe euch dafür eure Minni gerettet, da habt ihr sie.«

Tante Laura wollte Minni den Kindern geben. Da kam Minni mit ihrem Mäulchen und rieb es an der tantlichen Nase. Das war ein Katzenkuß. Minni wollte zeigen, wie dankbar sie war.

»Das liebe Tierchen.« Tante Laura war ganz gerührt, und am liebsten hätte sie Minni behalten. Sie legte sie aber doch Malve auf den Arm und versprach ihr ein Stück Kuchen.

Über das Versprechen und den zärtlichen Abschied waren die Dackel sehr böse. Sie waren eifersüchtig. Mit einer Katze durfte man ihrer Ansicht nach nicht so viel Wesens machen. Dabei gefiel ihnen Minni eigentlich ganz gut, besser als Bello.

Tante Laura dankte nun noch den Kindern für ihre Hilfe, streichelte Minni noch einmal und sagte dann: »Kommt, ihr Racker!«

Damit meinte sie die Dackel. Die nahmen das Wort gewaltig übel. Racker hatte sie zwar der Oberförster oft genug genannt, aber das war auf dem Lande gewesen. Nun waren sie Stadthunde geworden, und sie bildeten sich ganz ungeheuer viel darauf ein. Sie meinten, sie hätten die Bildung und das feine Benehmen wie eine Wurst heruntergeschluckt. Und nun gab ihre Herrin einer Katze den Vorzug und nannte sie Racker. Das war doch toll.

Lump und Schlingel beschlossen, der Tante einen Streich zu spielen, und der Mops sollte helfen.

Auf einmal kam Anna und sagte: »Bello hat sich verschluckt, er gibt ganz komische Töne von sich.«

Tante Laura lief gleich angstvoll herbei.

Der Mops keuchte und schluckte. Ganz gefährlich war es anzusehen. Kein Mensch ahnte, daß der dicke kleine Kerl so sehr lachte, weil ihm die Dackel erzählt hatten, sie wären immer rund um Tante Laura herum gelaufen, und die hätte zuletzt in einer Pfütze gesessen.

»Du mußt das auch mal machen!« bellte Schlingel.

»Ja, morgen!« kläffte Lump.

»Sie nimmt mich ja nicht mehr mit«, ächzte der Mops. Er bekam noch immer keine Luft, so sehr hatte er gelacht.

»Er stirbt!« rief Tante Laura.

Aber Anna behauptete: »Er stirbt nicht, der hat was Böses gedacht, sehen Sie nur, wie seine Augen funkeln.«

»Die Dackel machen auch so unnütze Gesichter; so sehen sie immer aus, wenn sie etwas vorhaben. Was haben Sie denn unterwegs gemacht?«

Da fing Tante Laura an, die ganze Geschichte zu erzählen, und die beiden Dackel hatten darüber eine Mordsfreude. Sie kläfften immerzu und der Mops keuchte und pustete.

»Sie lachen!« rief Christine. Und Anna fügte hinzu: »Unser alter Schulze lachte gerade so wie der Mops, weil er auch so dick war.«

Aber Tante Laura wußte nicht, daß Hunde lachen können, und weil sie ihren Mops schon einige Jahre zu eigen hatte, meinte sie ihn zu kennen und sagte: »Der Bello hat noch nie gelacht, er kann nicht lachen.«

Oh, wenn sie gewußt hätte, daß die drei Schelme über sie gelacht hatten, und daß Bello knurrte: »Morgen renne ich rundherum, und sie muß nochmal in der Pfütze sitzen. Wenn sie mich nur mitnimmt!«

»Wir helfen dir«, kläfften die Dackel, »wir sind einfach so unnütz, daß sie uns nicht mitnimmt.«

»Mit Absicht unartig sein, tut kein guter Dackel, hat Mama Minka gesagt«, knurrte plötzlich Lump, dem das gute Mutterwort einfiel.

Aber Schlingel, der ein rechter Schlingel war, wollte davon nichts hören. Und es geschah, wie es oft geschieht: der Gute gab dem Schlimmen nach. Das gute Mutterwort wurde vergessen.

An diesem Abend waren die drei Hunde sehr einig miteinander. Sie unterhielten sich ganz leise zusammen.

Wenn Tante Laura gewußt hätte, was sie redeten! Ja, wenn!


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