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Bello will Tante Laura einen Streich spielen

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Die Nacht verlief ruhig. Die Dackel heulten nicht, Bello schnarchte und Minni holte sich ein Mäuslein.

Am nächsten Morgen wollte Tante Laura zum Konditor gehen und ihren Geburtstagskuchen bestellen. Sie hatte nämlich in drei Tagen Geburtstag, und da gab sie jedes Jahr eine feierliche Gesellschaft.

»Ich nehme die Dackel mit«, sagte sie, »denn die müssen lernen, wie man in der Stadt läuft.«

Anna ging, die beiden zu holen, und nach einigen Minuten kam sie sehr aufgeregt wieder und jammerte schon an der Türe: »Die Dackel, nein, die Dackel!«

»Was haben sie denn gemacht?« fragte Christine, die allerlei Unheil ahnte.

»Zwei Paar Schuhe haben sie angefressen«, klagte Anna.

»Aber Schuhe sind doch keine Wurst!« rief Tante Laura entsetzt. »Schuhe fressen Dackel nicht.«

»O ja, das tun sie.« Christine nickte und erzählte, daß Lump und Schlingel schon einmal einen Schuh gefressen hatten.

»Und solche Racker bringt ihr mit?« rief die Tante entsetzt. »Ich tu sie fort!«

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Da sagte Christine unbedacht: »Gib sie doch dem Grafen.«

Die Tante, die ernstlich an das Fortgeben gar nicht dachte, wollte gerade böse werden, als ein lautes Geklirr ertönte, und Anna kam und meldete, die Dackel hätten jetzt die allerbeste Blumenvase heruntergeworfen. Der Arger mit den Dackeln nahm an diesem Morgen kein Ende.

Kaum waren die Trümmer der schönen Vase aufgelesen, da rissen die beiden eine Fleischschüssel von der Anrichte.

Tante Laura nahm den Stock.

Da gab es eine wilde Jagd. Die beiden Schelme entwitschten in den Hausflur und machten dort einen fürchterlichen Lärm.

Das ganze Haus lief zusammen. Alle beklagten sich über das Hundegebell, nur Jan und Malve sagten nichts. Aber der Student sagte, das käme davon, wenn Leute Dackel erziehen wollten, die keine Ahnung hätten, wie man das mache. Das Wort nahm Tante Laura gewaltig übel, sie redete etwas von vorlauter Jugend, und das wieder nahm der Student sehr übel, er hatte das Wort nur aus Scherz gesagt, und vor allen Hausbewohnern vorlaut genannt zu werden, ging ihm sehr gegen den Strich. Beinahe hätte es einen Streit gegeben.

Der Student wollte gerade etwas sagen, als Schlingel zwischen seinen Beinen durchlief. Er bückte sich rasch und wollte ihn fangen, aber der kleine Schelm war rascher als der Student, der verlor das Gleichgewicht und pardauz – da lag er auf der Nase. Er fiel gerade Tante Laura vor die Füße, und die schrie gleich ganz erbärmlich, denn sie dachte, dem Studenten wäre wunder was passiert. Just da kam Onkel Potzhundert die Treppe herab, und der rief verwundert: »Potzhundert, Laura, was will der junge Mann zu deinen Füßen, will er dich heiraten?«

Da mußten alle lachen, selbst Tante Laura lachte mit, sie sagte aber etwas streng: »Potzhundert, du bist ein Flausenmacher. Nun hilf mal lieber die Dackel fangen, die sind ganz närrisch heute.«

»Potzhundert, das will ich!«

Der Onkel rief es, faßte nach Schlingel, der gerade vorbeilief und potzhundert, da lag der Onkel Potzhundert auch platt auf der Erde und rief wohl zehnmal potzhundert, ehe er wieder auf seinen Beinen stand.

Die Dackel rasten mit wildem Gekläff weiter durch den Flur, bis es endlich Christine und den Kindern gelang, die beiden Unholde zu fangen.

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»Ich nehme sie lieber nicht mit in die Stadt, wer weiß, was die heute noch alles anstellen«, sagte Tante Laura, »dann sitze ich vielleicht wieder auf der Straße.«

»Muß hübsch ausgesehen haben«, brummte Onkel Potzhundert.

Er hatte das ganz leise sagen wollen, aber die Stimme rutschte ihm aus, und alle, die im Flur versammelt waren, hörten es und lachten.

Tante Laura sah den Bruder böse an, und der schämte sich. Er machte gern ein Späßchen, aber Tante Laura liebte solche Späße nicht. An diesem Morgen hatte sie auch schon wieder vergessen, daß sie sich mehr um ihren Bruder kümmern, besser für ihn sorgen wollte.

Gute Vorsätze haben manchmal lange Beine, sie laufen schnell wieder davon. Und Onkel Potzhundert, der gedacht hatte, heute würde er mit seiner Schwester zu Mittag essen, mußte in ein Gasthaus gehen, was er gar nicht sehr liebte.

Tante Laura aber nahm an diesem Morgen ihren Mops mit, und die beiden unnützen Brüder kläfften hinter ihnen drein. Was würde das geben!

Tante Laura ging immer sehr steif und würdevoll, und sie war es gewohnt, daß Bello genau so einherging.

Aber was machte der Mops heute? Er ging immer nach rechts; er wollte nämlich gleich mit dem Rundherumgehen anfangen. Weil er aber ein bequemer Herr war, ging die Sache sehr langsam, und er kam nicht um die Tante herum. Allemal, wenn er ein Viertel herum war, zog ihn die Tante wieder zurück, und Bello mußte von neuem anfangen.

»Was macht denn Ihr Mops, der läuft ja immer schief«, fragte da eine Stimme.

Es war der Graf.

Die Tante war schon wieder ärgerlich, erstens über den Mops, zweitens über den Grafen. Mußte der ihr auch gerade in den Weg laufen und das dumme Getue von dem Mops mit ansehen.

Bello dachte nur: Tante Laura muß in eine Pfütze fallen, das muß ich sehen –, und er wollte wieder rundum laufen. Es gelang ihm aber wieder nicht, der Graf gab ihm einen Stoß und schalt: »Was soll das, du läufst ja deiner Herrin immer vor den Füßen herum, sie wird noch fallen.«

»Krrrrrr« – machte Bello und fletschte die Zähne.

Und beinahe hätte Tante Laura auch »krrrrrrr« gemacht und die Zähne gefletscht, so wütend war sie, daß der Graf ihren Bello schalt.

Und nun sagte der Graf auch noch: »Sehen Sie, wie artig meine Dackel sind.«

Da tat Tante Laura etwas, über das sie sich nachher selbst schämte: sie lief davon wie ein trotziges Kind.

»Aber Fräulein Minkerling, ich wollte Sie doch nicht kränken« rief ihr der Graf ganz bestürzt nach.

Aber Tante Laura rannte wie eine Lokomotive, und der Mops keuchte schon nach den ersten drei Schritten. Auf einmal machte er einen langen Hals, so gut er das eben konnte. Er dachte: Vielleicht komme ich vom Halsband los. Dazu war sein Hals aber doch zu dick. Er kam nicht los, aber ein freundlicher Mann, der hinter Tante Laura herging, sah seine Not und – ritsch-ratsch – schnitt er die Leine durch.

Bello blieb aufatmend stehen. Da hob ihn der Mann empor, und ehe sich der Mops recht besann, hatte ihn der Mann in eine Nebenstraße getragen.

Da besann sich auch Tante Laura, daß der Mops nicht so schnell rennen konnte, und daß sie langsamer gehen müßte. »Mein armes Bellochen, ich renne wohl zu sehr«, sagte sie erschrocken und drehte sich um. Da war kein Bello zu sehen.

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Tante Laura sah entsetzt auf die abgeschnittene Leine. Bello war gestohlen. Ihr geliebter Bello!

Sie weinte laut auf, und ein Junge, der vorbeiging, fragte mitleidig: »Warum heulense denn so, Frauchen?«

»Mein Bello ist fort, mein süßer Bello«, klagte Tante Laura.

»Was ist denn das für ein Ding?«

»Ein Mops, ein wunderschönes Tier.«

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... »Das sind die Dackel«, riefen die Kinder ...

»Hach, en Mops, da ging eben ein Mann mit einem durch die Luisenstraße.«

»Er hat ihn mir gestohlen, meinen süßen Bello!«

Die Tante rannte klagend und weinend der Luisenstraße zu, und der Junge rannte mit. Er mußte doch sehen, wie die Sache ausging.

An der nächsten Straßenecke trafen sie beide den Grafen. Aber diesmal kam er der Tante nicht ungelegen, wie ein rettender Engel erschien er ihr.

Unter Tränen erzählte ihm die Tante, was geschehen sei, und der Graf erklärte gleich höflich und hilfsbereit, er würde Bello suchen gehen. Vielleicht fanden die Dackel seine Spur. Er nahm die Leine aus Tante Lauras Hand und ließ die Dackel daran riechen. Die waren schlau, fanden auch gleich die Spur, obgleich der Oberförster das Suchen wenig mit ihnen hatte üben können. Echte Dackel sind aber Schlauberger und wissen, was sie zu tun haben. Sie rochen und liefen die Luisenstraße entlang. Auf einmal aber stutzten sie. Da stand jemand vor ihnen, den sie gut kannten: es war Graf Rolf.

»Wo kommst du denn her?« fragte sein Onkel verwundert.

»Ich wollte dich besuchen«, antwortete der Neffe verlegen. Es war nämlich nur die halbe Wahrheit, eigentlich wollte er zuerst Christine sehen.

»Da komm mit, wir suchen die Fährte von Fräulein Minkerlings Mops.«

»Christines Tante«, sagte der junge Graf.

Der alte Graf sah erstaunt, daß sein Neffe ganz verlegen wurde, und ihm ging ein Lichtlein auf. Von Oberförsters Christine hatte er viel gehört, und er ahnte auf einmal, daß der Neffe sie lieber heiraten wollte als die Gräfin, die er ihm ausgesucht hatte. Das ärgerte ihn etwas, dann wurde Tante Laura seine Verwandte, und das würde ihm wenig Spaß machen. Er dachte ärgerlich: warum renne ich eigentlich dem alten, unwirschen Mops von der alten, unwirschen Dame nach? Doch nur, weil er die Dackel wollte. Er wollte die Dackel, Rolf wollte Christine, jeder wollte etwas von der Tante Laura, und die sah gar nicht aus, als ob sie für das Geben wäre. Er erzählte gerade Rolf seine Begegnung mit Tante Laura, als zwei Kinder und zwei Dackel angerast kamen.

»Wir suchen Bello!« riefen Jan und Malve.

»Das laßt man sein«, antwortete der Graf ärgerlich, »den suche ich.«

»Aber – –« die Augen der beiden wurden rund und groß vor Schreck.

»Was denn aber?«

»Fräulein Minkerling hat gesagt, wir sollen Bello suchen, weil – –«

»Na, was denn weil?«

»Weil ihre Dackel viel klüger wären. Die von dem Grafen wären dumm.«

»Meine Dackel dumm!« Dem Grafen blieb die Sprache weg vor Entsetzen. Die Kinder aber sahen ein, daß sie eine rechte Dummheit gemacht hatten. Alles darf man eben nicht wieder sagen.

Die Dackel kümmerten sich nicht um das Reden der Menschen, die liefen und liefen, und plötzlich, als die vier noch nicht einig waren, wer den Mops suchen sollte, blieben die Dackel alle vier mit hocherhobenen Schwänzchen vor einer geschlossenen Haustüre stehen.

»Hier ist also Bello verschwunden, aber wer ist der Hundedieb?«

Das Haus sah gar nicht aus, als würde es von jemand allein bewohnt, es sah im Gegenteil nach sehr vielen Mietern aus. Wie sollte man da den richtigen herausfinden?

Die vier standen noch und berieten, als sich die alte Türe weit auftat und heraus kam – – – Christine.

Christine wurde rot, Graf Rolf wurde rot, und der alte Graf dachte: nun hat sie den Mops schon entdeckt, nun bekomme ich doch nicht meine Dackel, und sie sind so niedlich alle vier zusammen.

Aber Christine wußte noch gar nichts von Bellos Verschwinden. Sie war gleich nach Tante Laura fortgegangen, weil Anna gesagt hatte, die Kochfrau sei zu bestellen, und sie selbst hätte keine Zeit dazu. In Wirklichkeit hatte es ihr leid getan, daß Christine so wenig hinaus kam.

»Wer wohnt in dem Hause?« fragte der alte Graf.

Christine hatte die Namen auswendig gelernt. So sagte sie denn schnell: »Schulze, Schneider, Leschke, das ist die Kochfrau, Piefke, Bemme und Herr Karpfenteich.«

Da lachten alle über den wunderlichen Namen und sie meinten, das müßte der Hundedieb sein.

»Nein, das ist ein netter, alter Mann, der mir Bescheid gesagt hat.«

»Vielleicht kennt die Kochfrau den Dieb!« rief Graf Rolf.

»Aber die Dackel müssen mitgehen, allein fürchte ich mich«, erklärte Christine.

»Ich gehe mit!« rief Graf Rolf.

»Wir wollen auch mitgehen«, verlangten die Kinder.

»Meinetwegen können alle gehen, nur die Dackel nicht, die holt sonst der Hundedieb auch noch, ich warte mit ihnen hier draußen.« Der alte Graf nahm die andere Leine und hielt auch Lump und Schlingel fest, als ob sie ihm gehörten.

Christine ging mit ihren Begleitern in das Haus, während der alte Graf mit den Dackeln draußen warten wollte.

Das Haus war innen noch häßlicher als außen. Die Namen, die Christine genannt hatte, stimmten, und Herr Karpfenteich war wirklich ein freundlicher alter Herr. Er kam nämlich die Treppe herab und sah mit seinem grauen Bart wie ein Weihnachtsmann aus. Von einem Hundedieb im Hause wußte er aber nichts; er sagte, er hätte auch noch nie einen Hund im Hause bellen hören.

»Wir wollen umkehren!« Christine gefiel es gar nicht in dem Hause, und sie wäre am liebsten davongelaufen. Aber Graf Rolf meinte, sie müßten bei der Kochfrau fragen, sonst würde sein Onkel böse sein.

Die Kochfrau wußte gar nichts. Sie tat überhaupt, als hätte sie in ihrem ganzen Leben noch nie etwas von einem Hundedieb gehört.

Christine gefiel die Frau noch weniger als das erstemal. Sie drängte, sie wollte gehen; aber der Graf fragte noch nach den andern Hausbewohnern. Auf einmal knurrte etwas und Jan und Malve riefen: »Das war Bello!«

»Mein Magen war es«, sagte die Kochfrau.

Da ging draußen die Flurtüre und der Graf sagte rasch: »Wir wollen gehen.« Aber da stand auf einmal die Kochfrau vor der Zimmertüre und redete wie ein Wasserfall. Alles mögliche fiel ihr ein, was Christine der Tante bestellen sollte, und was sie längst gesagt hatte, bis der Graf böse rief: »Lassen Sie uns gleich zur Türe hinaus!«

Da gab sie die Türe frei.

Die vier eilten die Treppe hinab und hörten unten gerade die Haustüre schließen. Sie dachten alle vier: das ist der Hundedieb.

»Gut, daß der Onkel vor der Türe steht«, sagte Graf Rolf.

Als sie aber zum Hause hinaustraten, war da kein Onkel und kein Dackelschwanz.

Wo waren sie geblieben?

Graf Rolf erklärte, er müßte warten und Christine müßte mit ihm warten, die Kinder könnten nach Hause gehen, Bescheid sagen.

So geschah es auch. Während Jan und Malve heimwärts liefen, gingen der junge Graf und Christine vor dem grauen Hause auf und ab, und Graf Rolf sagte zu Christine, daß er sie lieb hätte und sie heiraten wollte; sie würden zwar arm sein, denn der alte Graf wollte diese Heirat nicht und würde ihnen kein Geld geben, und Tante Laura auch nicht. Aber das schadete nichts, wenn sie sich nur lieb hätten, das sei die Hauptsache.

Die beiden hatten so viel miteinander zu sprechen, daß sie alles vergaßen, den Mops, den alten Grafen, die Kochfrau, die Tante und das Heimgehen.


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