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Bello wird gesucht

Dem alten Grafen war das Warten zu langweilig geworden. Er war mit den Dackeln ein Stückchen spazieren gegangen. Als er sich wieder dem Hause näherte, sah er von dort einen Mann kommen, der etwas verdächtig aussah, und in dem er gleich den Hundedieb zu erkennen glaubte. Der Mann bog, als er den Grafen kommen sah, geschwinde in eine Nebenstraße ein. Aber da war der Graf mit den Dackeln neben ihm, und ehe er sich versah, hingen die Dackel an seinen Hosen. Die vier Schelme hatten ihn wohl erkannt, sie kläfften einander zu: »Kneift tüchtig.«

Sie kniffen also aus Leibeskräften und – ritsch-ratsch – ging dabei die Hose entzwei. Hosenzerreißen war eine Lieblingsbeschäftigung von den Vieren, namentlich Schlingel tat es gern. Er knurrte: »Ich springe!«

Er sprang und ein Stück vom Hosenboden blieb in seinem Maule hängen. Das war ein Spaß.

Dem Mann war es aber kein Spaß. Er fing an aus allen Kräften zu schreien. Er schrie Leute zusammen, ein Schutzmann kam herbei und es gab einen großen Streit. Der Mann sagte, er hätte keinen Mops gestohlen, und womit denn der Graf das beweisen wolle.

»Damit«, sagte der Graf, und hob eine abgeschnittene Leine vom Boden auf, die Schlingel dem Hundedieb aus der Tasche gezogen hatte. Oben an der Leine hing ein rosa Schleifchen, und der Graf wußte, er hatte die Schleife an Tante Lauras Arm gesehen, es war ihre Leine.

Der Hundedieb wurde sehr verlegen.

Der Schutzmann wußte aber, daß dies Hundemaxe war, und glaubte daher alles, was der Graf erzählte.

Der Lärm mit den Hunden wurde aber immer ärger.

»Es müssen alle mit auf die Wache gehen«, verlangte der Schutzmann.

Der Graf wollte nicht, aber er mußte.

Mitten durch die Straße zogen alle zur Wache.

Es gab einen großen Menschenauflauf.

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Dem Grafen war das sehr unangenehm und er dachte: hätte ich doch die Finger von Tante Lauras Mops gelassen. Aber wenigstens hatte er ihn gefunden, denn der Polizist sagte: »Ich suche dann die Wohnung ab, der Mann wohnt bei seiner Schwester.« Nun, verschwunden würde der dicke Mops nicht sein, also konnte der Graf ihn sicher bald der Tante Laura zurückbringen. Während der Graf das alles dachte und schon Tante Laura erfreut sagen hörte: dafür sollen Sie die Dackel haben, – denn das, so meinte er, würde Tante Laura aus Dankbarkeit tun –, saß Tante Laura zu Hause und ärgerte sich. Sie ärgerte sich über Onkel Potzhundert, der gelacht hatte über den gestohlenen Mops, gleich darauf hatte ihm sein Lachen leid getan und er hätte es gern zurückgehalten; aber gelacht war gelacht, und kein gutes Wort söhnte Tante Laura aus. Ihren Ärger vermehrte es noch, daß Christine zur Kochfrau gegangen war. Sie tat, als wäre die Nichte ein ganz kleines, dummes Mädel, das keinen Schritt allein gehen konnte.

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Endlich, als sie sich genug geärgert hatte, beschloß Tante Laura, Christine entgegenzugehen, und gerade da kamen die Kinder und erzählten die Geschichte. »Der alte Graf macht es falsch, das habe ich mir gleich gedacht!« rief Tante Laura sehr entrüstet. »Und daß Christine allein mit dem jungen Grafen vor dem Hause herumspaziert, gefällt mir nicht, ich werde sie holen.«

Und Tante Laura ging. Die Kinder nahm sie nicht mit, obgleich die darum baten, und Onkel Potzhundert, der dazukam, wurde auch nicht mitgenommen. Allein ging Tante Laura bis an das Haus, in dem die Kochfrau wohnte, und da standen keine Christine und kein Graf.

Die waren just ein bißchen weiter gegangen. Sie hatten den Mops und das Aufpassen über ihrem Heiratsplan vergessen.

Tante Laura ging in das Haus, sie dachte: vielleicht stehen sie darin. Als sie die Haustüre öffnete, kam ihr ihre dicke Kochfrau entgegen, die trug auf dem Arm Bello.

»Nanu«, rief Tante, »wo haben Sie den her?«

Die Kochfrau erschrak.

Aber schnell faßte sie sich und antwortete: »Das Herzchen habe ich hier im Hause gefunden, ich hab's gleich erkannt, als es vor meine Türe betteln kam. Ich denke, mich narrt jemand, als ich den Mops von Fräulein Minkerling stehen sah, so gewinselt hat das arme Herzchen.«

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Tante Laura war tief gerührt, aber das arme Herzchen hätte die Kochfrau am liebsten gebissen, so ärgerte es sich über diese Schwindelei.

Tante Laura erzählte nun der Kochfrau die ganze Geschichte. Die tat wunder wie erstaunt; dabei war doch der Hundemaxe ihr Bruder.

Es ist nicht zu sagen, wie sehr sich der Mops ärgerte. Menschen durften seiner Meinung nach nicht schwindeln, dazu standen sie zu hoch, waren zu klug. Einem Mops, fand er, sei eine kleine Näscherei oder sonstige Untugend erlaubt, aber ein Mensch war ein bevorzugtes Wesen, das etwas auf sich halten mußte. Darum konnte Bello Tante Laura nicht leiden, weil die auch manchmal nicht so war, wie ein rechter Mensch sein soll.

Und nun gar die Kochfrau, die war ganz übel, von der wollte Bello gar nichts wissen, und als sie ihn am Kopf tätschelte, biß er – schnapp – zu.

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»So'n Biest!« Die Frau vergaß ihre ganze Zärtlichkeit und Tante Laura sagte streng: »Er kann Sie nicht leiden, Sie waren nicht gut gegen ihn.«

»So gut war ich gegen das Herzchen!«

Schnapp – biß Bello die Lügentrine wieder in die Hand.

Die weinte laut, und Tante Laura wollte ihr gerade einen Zwanzigmarkschein geben, Finderlohn und Schmerzensgeld; als aber Bello das sah, biß er zum dritten Male. Er biß kräftig zu.

Die Frau schrie laut. Als sie sah, daß die Tante den Zwanzigmarkschein wieder zurücknahm und ihr dafür nur zehn Mark gab, schrie sie noch lauter. Es half ihr aber nichts, und Tante Laura verließ das Haus.

Vor der Haustüre standen die beiden Grafen, Christine, ein Schutzmann und der Hundemaxe. Der hatte endlich eingestanden, daß er Bello entführt hatte.

»Hoffentlich haben Sie der Kochfrau keinen Finderlohn gegeben«, sagte der Schutzmann streng. Er sah Tante Laura an, als wäre sie noch ein kleines Schulkind.

Die wurde sehr verlegen. »Nur zehn Mark«, stammelte sie.

Da lachten alle. Tante Laura wurde ausgelacht. Das passierte ihr nicht oft, die meisten Menschen begegneten ihr sehr achtungsvoll.

Ausgelachtwerden ist nicht schön. Tante Laura ärgerte sich gewaltig. Sie drehte sich um und rief: »Komm, Christine, wir gehen!«

Sie gingen. Die Tante wütend und die Nichte sehr niedergeschlagen.

Die anderen sahen ihr nach, und der junge Graf dachte: gut, daß Christine noch Eltern hat, denn die Tante würde nicht erlauben, daß ich sie heirate. Gerade da sagte die Tante zu Christine: »Von dieser dummen Verlobung will ich nichts wissen. Deine Eltern werden hoffentlich nicht so töricht sein und ja sagen. Von was wollt ihr leben? Er hat kein Geld.«

»Wir wollen arbeiten«, antwortete Christine stolz.

»Ach, papperlapapp, ihr und arbeiten!« rief Tante Laura unwirsch. »Du fährst übermorgen nach Hause, denn eine Braut will ich nicht bei mir haben.«

Die arme Christine war tief traurig, sie schämte sich entsetzlich, so nach Hause geschickt zu werden wie ein ungezogenes Kind.

Die Dackel hörten das Gespräch mit an und waren wütend. Der Graf hatte sie nämlich Christine am Hause der Kochfrau übergeben, und sie hatten sich ganz artig führen lassen, während der Mops auf der Tante Arm immer leise knurrte. Als jetzt Tante Laura streng zu Christine sagte: »Nun weine nicht, auf der Straße ist das unschicklich«, flüsterte der Mops: »Jetzt heulen wir.«

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Und jäh fingen die drei zu heulen an, aber wie.

Es klang schaurig. Die drei Hunde jaulten aus vollen Kräften.

Die Leute blieben stehen und fragten: »Was fehlt den armen Hunden?«

»Nichts«, stöhnte Tante Laura.

»Wenn nichts ist, jammern doch Hunde nicht«, schalt eine Frau. »Sie haben sie sicher geschlagen.«

»Oder getreten und gezwickt«, redete ein Mann hinein.

»Seid doch ruhig«, ächzte die Tante.

»Wir können reden, wenn wir wollen!« rief der Mann entrüstet.

»Ich meine ja die Hunde.«

»Potzhundert, was ist denn hier passiert?« fragte da eine freundliche Stimme. Onkel Potzhundert erschien recht wie ein rettender Engel. Tante Laura atmete auf, Christine sah wie verklärt drein, sie merkte, wie groß ihr Vertrauen zu dem Onkel in den paar Tagen geworden war, und sie nahm sich vor, ihm alles zu sagen; vielleicht wußte er einen Rat.

Die Hunde aber hörten zu heulen auf, sie dachten: Onkel Potzhundert wollen wir nicht ärgern, der ist gut.

Die neugierigen Leute gingen fort, und so war auf einmal alles gut. Der Onkel brachte seine Schwester heim. Dabei bemerkte er, daß Christine mit den Tränen kämpfte. Nanu, dachte er, da ist etwas nicht in Ordnung. Er sagte darum: »Komm nachher mal rauf, Christine, ich habe Pralinen für dich.« Aber Tante Laura, die nicht wollte, daß Christine ihrem Onkel ihr Leid klagen sollte, nörgelte, Pralinen wären ungesund, er sollte sie ihr in Verwahrung geben, damit Christine sie nicht alle auf einmal aufessen würde.

»Damit sie alt wie Methusalems Esel werden oder der dicke Mops sie alle auffrißt, potzhundert, das wäre etwas!« rief der Onkel. »Christine kommt herauf, damit basta!«

Ja, Onkel Potzhundert konnte auch tun, als ob er energisch wäre, nur, daß Tante Laura dann doch immer ihren Kopf durchsetzte.

So ging es auch heute.

Kaum war das Mittagessen vorbei, so sagte Tante Laura, Christine solle nun in die Stadt zum Konditor gehen, sonst würde es für die Bestellungen zu spät.

»Ich sollte doch zum Onkel hinaufkommen«, entgegnete Christine schüchtern.

»Das hat Zeit.«

»Aber der Onkel geht nachher spazieren.«

Es war gegen Tante Laura nichts zu machen.

Christine war viel zu schüchtern, um ernstlich zu widersprechen. Sie ließ sich also den Weg dreimal beschreiben und dachte dabei: ich gehe erst rasch zu Onkel Potzhundert und sage ihm Bescheid.

Aber da ging die Tante mit bis an die Türe, und die arme Christine mußte in die Stadt gehen und konnte nicht zu dem Onkel laufen. Sie rannte eilfertig die Straße hinab und dachte: ich spute mich sehr, damit ich bald zurück bin.


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