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Erster Teil.


I.

K Kurz vor Mitternacht hielt ein Wagen mit Herrn Gronski vor dem Schlosse der Besitzung zu Jastrzemb. Alles lag schon in festem Schlafe, ausgenommen der alte Diener und der junge Erbe Wladislaw Krzycki, der den Gast erwartete, um ihn zu bewillkommnen und ihm ein Abendbrot vorzusetzen. Die Begrüßung war sehr herzlich, denn trotz des Altersunterschiedes verbanden sie frühere Zeiten: Gronski hatte, als er noch Student war, den jungen Gymnasiasten Krzycki fast väterlich beschützt. In späteren Jahren sahen beide sich oft wieder, während die Beziehungen Gronskis zur Familie Krzycki ununterbrochen freundschaftliche blieben.

Nach den ersten Begrüßungen begaben sich beide nach dem Speisezimmer. Der junge Erbe von Jastrzemb umarmte noch einmal den angekommenen Gast, führte ihn an den Tisch, wischte sich den Schlaf aus den Augen, der ihn immer noch gequält hatte, und begann mit unverhohlener Freude:

»Ich schätze mich sehr glücklich, daß wir Sie wieder in Jastrzemb haben. Und meine Mutter, wie hat die nach Ihnen ausgeschaut. So oft ich in Warschau bin, beginne ich meine Besuche bei Ihnen; aber seit Ihrer letzten Anwesenheit in Jastrzemb sind schon mehrere Jahre vergangen.«

Herr Gronski erkundigte sich nun nach dem Wohlbefinden von Frau Krzycka und dem jungen Nachwuchs in der Familie des Herrn Wladislaw, worauf er sagte:

»Es ist schon lange her, seit ich auf dem Lande weilte, weder hier noch anderswo war ich bei unseren Grundbesitzern. Im Sommer schickt man mich Jahr für Jahr nach Karlsbad, und von Karlsbad verläuft man sich irgendwo im Westen. Zudem brodelt es jetzt in Warschau wie in einem Hexenkessel: Tag für Tag gibt es da Neuigkeiten, man kann sich daher schwer losreißen.«

Das Gespräch ging nun auf öffentliche Dinge über, was ziemlich lange andauerte. Krzycki begann sodann als erster mit Privatangelegenheiten:

»Haben Sie außer der Todesnachricht des Onkels Zarnowski den Brief meiner Mutter erhalten? Ich frage deshalb, weil ich die Todesnachricht absandte, während meine Mutter einen Tag später sich entschloß, einen Brief zu schreiben.«

»Den Brief habe ich erhalten und deshalb komme ich. Ich will offen sein; an der Beisetzung des Onkels hätte ich mich nicht beteiligt. Wir haben zwar durch mehrere Monate im Klub zusammen gespeist, als er noch in Warschau in ärztlicher Behandlung war, damit war aber auch alles abgetan. Die Leute wunderten sich wohl, daß ein Sonderling wie er, der allen Umgang mied, mich bevorzugte. Und wie waren denn die Beziehungen hier? Wohl kühl bis zum Schluß?«

»So gut wie gar keine gab es. Er ließ niemand vor, niemand wollte er sehen, ja nicht einmal seinen Pfarrer, dagegen hielt er zum Kanonikus von Olchow. Als es schon schlimm mit ihm stand, statteten wir ihm einen Besuch in Rzenslewo ab, doch der Empfang war direkt unliebenswürdig. Die Mutter achtete nicht darauf und besuchte ihn trotzdem noch einige Male, obwohl er manchmal unerträglich war. Ich selbst war nach dem ersten unfreundlichen Empfange nicht mehr dort, erst dann als das Ende nahte.«

»Hat er viel hinterlassen?«

»Rzenslewo ist ein gehörig großes Stück Erde, auf der man sogar Zwiebeln pflanzen kann; Schulden nicht einen Groschen. Er besaß auch früher in Warschau ein Haus, in dem er seine ganze Einrichtung von Rzenslewo, die exquisit war, untergebracht hatte. Wir glaubten, er werde für immer in der Stadt bleiben, doch später verkaufte er das alles, woraus ich schließe, daß er auch Kapitalien hinterlassen hat. Man spricht von einem sehr großen Vermögen, doch die Leute übertreiben meist, Gott weiß es besser! Das aber ist sicher, daß viel da ist, er selbst hatte doch seine Brüder beerbt. Es waren ihrer drei, wie Sie wohl wissen werden; einer fiel als Student im Zweikampf in Dorpat, der zweite starb in jungen Jahren an Typhus – und Onkel Adam heimste alles ein.«

»Er war wohl ein Knauser?«

»Aus Gesundheitsrücksichten war er viel in Warschau und im Auslande. Wie er dort gelebt, das entzieht sich meiner Kenntnis, in Rzenslewo gönnte er sich nicht viel; das aber schreibe ich weniger seinem Geiz zu, vielmehr seinen Eigenheiten, denn geizig war er nicht. Sie werden kaum glauben, wie es dort aussieht. Die Gebäulichkeiten sind ohne Putz, alles zerkratzt und verfallen, der Regen dringt durch das schadhafte Dach in die Zimmer. Ich habe bei mir schon erwogen: sollten sich unvorhergesehene Gäste oder weitläufige Verwandte zur Beisetzung einfinden, dann muß ich sie nach Jastrzemb nehmen, ich weiß nicht, wo sie dort wohnen sollten.«

»Sind denn noch entfernte Verwandte vorhanden?«

»Gewiß, Frau Otocka mit Schwester, Herr Dolhonski, der sicherlich sich einfinden wird, und wir. Von anderen Verwandten hörte ich nicht, aber es ist nicht ausgeschlossen, daß sich noch welche melden werden. In Polen ist ja alles verwandt. Die Mutter ist der Ansicht, daß wir in erster Reihe als Verwandte in Betracht kommen, aber auch unsere Verwandtschaft reicht ins dritte Glied zurück. Der Verstorbene war der Sohn von Mutters Tante.«

»Wie sind denn Frau Otocka und Fräulein Marie verwandt?«

»Darüber weiß meine Mutter am besten Auskunft zu geben. Gestern abend noch erzählte sie mir wohl eine Stunde lang: dieser war der Sohn dessen, jener folgte auf den, die Schwester von diesem heiratete den und den, und dieser war der und der für den Verstorbenen; ich konnte mich in eine so verzwickte Sache nicht hineinfinden. Die Damen werden morgen um ein Uhr hier eintreffen, in ihrer Begleitung ist deren Freundin, eine Engländerin.«

»Ich weiß es, sie erzählten mir darüber in Warschau, ohne zu ahnen, daß sie zur Beisetzung eintreffen werden. Übrigens spricht die Engländerin polnisch und, wie ich mir erzählen ließ, sehr gut.«

»So? Woher hat sie denn das?«

»Ihr Vater hatte eine Fabrik, in der er viel polnische Arbeiter beschäftigte. Als das Fräulein noch Kind war, war ihr eine polnische Wärterin zugeteilt, die ihr diese Sprache beibrachte, auch ein ausgewanderter Pole war ihr Lehrer.«

»Das wundert mich.«

»Nun ja. Unter den Engländern gibt es viel Originale, und dieser Herr Anney war in gewisser Hinsicht ein Original, er hätte sich die Devise wählen können: ›causas non fata sequor‹ – so wie Lord Dudley – beide liebten Polen, Land und Leute und seine Geschichte. Die Arbeiter widersetzten sich ihm, bereiteten ihm zeitweilig Ungelegenheiten, doch das störte ihn nicht. Er ließ für sie Schulen bauen, besorgte Geistliche, nahm sich der Waisen an usw. …«

»Alle Achtung vor solch einem Manne. Das Fräulein Anney ist wohl hübsch, jung?«

»So im Alter von Frau Otocka, vielleicht ein Jahr jünger oder älter, sie haben sich beide sehr lieb. Wie lange ist es denn wohl seit der letzten Begegnung mit Frau Otocka und Fräulein Marie?«

»Wohl an sechs Jahre. Frau Otocka war damals noch nicht verheiratet, und Fräulein Marie Zbyltowska war noch ein ›Dreikäsehoch‹ von etwa zehn Jahren, das Röckchen reichte kaum bis ans Knie. Mir ist sie nur deshalb im Gedächtnis geblieben, weil sie damals schon Geige spielte, weshalb man sie für ein Wunderkind hielt. Meine Mutter knüpfte erst im vorigen Jahre nähere Bekanntschaft mit ihnen an, als sie in Krynica im Bade weilte, sie ist von den Damen sehr eingenommen. Ja, sie wollte sogar, ich solle in diesem Winter die Bekanntschaft wieder erneuern, doch sind die Damen zu Winters Anfang von Warschau abgereist. Schon damals sollte ich in Mutters Namen die Damen nach Jastrzemb einladen, und jetzt haben sie ein paar Tage vor Onkels Tode sich zu einem längeren Besuche bei uns selbst angemeldet. Wir haben heute Drahtnachricht über ihre Ankunft erhalten. Sie stehen wohl mit ihnen auf freundschaftlichem Fuße?«

»Gewiß, wir sind befreundet, meinerseits ist die Freundschaft auch aufrichtig«, entgegnete Gronski.

»Ich wollte noch mit Ihnen über die Damen plaudern, doch weil es schon spät ist und Sie von der Reise ermüdet sein mögen, lassen wir das lieber bis morgen.«

»Während der Bahnfahrt habe ich geschlafen, und von der Station bis nach Jastrzemb ist es ja nicht weit. Zudem habe ich die üble Angewohnheit, niemals vor zwei Uhr schlafen zu gehen.«

Krzycki wurde etwas verwirrt, doch bald faßte er sich wieder, goß sich ein Glas Wein ein, trank es aus und sagte:

»Die Sache ist sehr heikel. Ich glaube sicher, daß meine Mutter sich einen Plan zurechtgelegt hat. Wenn sie darüber noch nichts an Sie geschrieben hat, dann wird sie sicher mit Ihnen davon reden. Sie hält viel auf Ihre Ansicht und in diesem Falle wird sie Ihre Hilfe in Anspruch nehmen. So beiläufig hat sie mir schon einige Male erzählt, welchen Einfluß Sie auf Frau Otocka besitzen. Ich glaube das, denn Sie haben Einfluß auf alle, meine Mutter nicht ausgeschlossen. Doch gerade deshalb möchte ich Sie um etwas bitten.«

Gronski sah den jungen Edelmann neugierig an, dann blickte er auf den alten Diener, als wollte er sagen: was soll der Zeuge hier? Krzycki verstand dies und sagte:

»Er ist sehr harthörig, dazu asthmatisch und holt schwer Atem, wir können unbesorgt erzählen.«

Nach einer kleinen Pause fuhr er fort:

»Meine Mutter hat seit zwei Jahren schon die Absicht, mich zu verheiraten. Sie müht sich, schreibt Briefe, schickt mich jeden Winter nach Warschau, und ich bin sicher, daß sie im verflossenen Sommer weniger ihrer Gesundheit wegen in Krynica weilte, denn Gott sei Dank, sie ist wohl und munter, als vielmehr deshalb, um unter den jungen Damen Umschau zu halten. Meines Dafürhaltens haben unsere weitläufig verwandten Cousinen meiner Mutter den Kopf so verdreht, daß sie mit einem fertigen Plane zurückkam …«

»Da muß ich unterbrechen«, entgegnete Gronski. »Handelt es sich um Fräulein Marie, so ist die Besorgnis hinfällig. Vor allen Dingen zählt das Fräulein erst sechzehn Jahre, dann sind schon für Ende Herbst Vorbereitungen zur Reise nach Brüssel getroffen, wo sie das Konservatorium besuchen soll, und drittens hat die Seele des Fräuleins ihren Wohnsitz in der Geige aufgeschlagen und wird vermutlich ihr Leben lang darin bleiben.«

»So, dann möge sie darin bleiben, ich wünschte nur, meine Mutter möchte sich nach dieser Richtung hin keine Sorgen um mich machen, damit sie später nichts zu bereuen haben wird. Die Liebe, Gute, sie ist besorgt, daß ich eine liebe und achtbare Frau bekomme, ihr Wunsch aber ist auch, daß meine Zukünftige nicht einer griechischen Statue gleiche.«

»Nun, und?«

»Nun, es handelt sich nicht um Fräulein Marie, sondern um eine ideale, aber zugleich warm fühlende Witwe, und dafür könnte ich mich um keinen Preis erwärmen.«

»Als Antwort hierauf habe ich eine litauische Redensart, wonach eine Frau ihrem Manne, der behauptete, vor seinem Herrn keine Angst zu haben, entgegnete: ›Du hast ihn wohl jetzt nicht gesehen, oder hast vergessen, wie er aussieht.‹«

»Um keinen Preis«, wiederholte Krzycki, »und wenn sie die Ähnlichkeit mit einem Madonnenbild hätte.«

»Aha, dann ist die Liebe auf eine andere gefallen.«

»Noch im letzten Winter haben Sie mich mit Fräulein Rosa Stabrowska verfolgt. Ich gestehe wohl, daß sie es meinem Herzen angetan hat, doch habe ich mir noch nicht erlaubt, mich in sie zu verlieben, zudem weiß ich, daß ihre Eltern zu einem Verhältnis ihr Einverständnis nicht geben würden. Ich bin für diese Leute nicht reich genug und werde es auch nie sein. Das ist auch der Grund, weshalb ich noch vor Schluß des Karnevals Warschau verließ, weder mir noch ihr wollte ich mit leeren Gefühlen das Leben schwer machen, falls sie mich liebgewonnen hätte.«

»Wenn aber des Onkels Testament zu deinem Vorteil ausgefallen ist, würdest du dich als früherer Ulan direkt ins Feuer stürzen, nicht wahr?«

»Wohl möglich; weil ich aber darauf nicht rechne, wird dies auch nicht vorkommen, doch lassen wir das.«

»Du wolltest mich doch um etwas bitten, womit also kann ich dienen?«

»Ich wollte Sie nur bitten, meine Mutter in ihren Absichten bezüglich Frau Otocka nicht zu unterstützen.«

»Du bist doch komisch. Sieht deine Mutter, du hast keine Neigung zu Frau Otocka, wird sie doch selbst den Plan fallen lassen.«

»Es wird ihr aber dennoch leid tun; niemand sieht gern seine Pläne scheitern, und mein Mütterchen ist so besorgt, wenn auch oft ohne Grund und Ursache, denn wir haben doch nichts Schlimmes zu befürchten. Zu Ihnen aber hat sie ein so großes Vertrauen, daß sie ihre Absichten sofort aufgibt, wenn Sie ihr alles klarlegen wollten. Nur müßte alles so eingerichtet werden, daß sie glaube, sie sei selbst zu der Überzeugung gekommen, Frau Otocka sei nicht die richtige Partie für mich. Ich weiß, daß Sie dies können, ich rechne auf Ihre Unterstützung.«

»Mein lieber Wladislaw«, entgegnete Gronski, »ich habe darin weniger Praxis und dafür auch weniger Verständnis als eure erste beste Nachbarin. Im Briefe schreibt mir deine Mutter nichts weiter, als daß sie auf meine Freundschaft rechnet. Aus diesem Grunde bleibt mir nichts anderes übrig, als mich auf nichts einzulassen, und dies um so mehr, und ich sage dies offen, da ich zu Frau Otocka nicht weniger Freundschaft fühle als zu euch. Andererseits sieht es mindestens komisch aus, wenn man von Frau Otocka ohne Frau Otocka spricht. Deiner Mutter steht es frei, zu glauben, daß jedes Weib deine Hand, sobald du sie entgegenstreckst, ohne Bedenken annehmen werde, – dir aber nicht … Du benimmst dich so, als hinge alles nur von dir ab, doch versichere ich dir, es ist nicht so. Wenn Frau Otocka sich entschließen sollte, noch einmal zu heiraten, dann wird sie sehr wählerisch sein.«

»Sie haben gewiß recht«, entgegnete Krzycki, »doch bin ich nicht so einfältig, zu glauben, die Angelegenheit hänge nur von mir selbst ab; wenn ich mich nicht richtig geäußert habe, dann hatte ich nur meine Mutter und mich im Sinne, aber nicht Frau Otocka. Ich wünschte nur, meine Mutter mache mir keine Sorge um sie, und schließlich glaube ich, ich würde einen Korb bekommen.«

Darauf betrachtete Gronski die Gestalt des jungen Mannes und sagte mit einer gewissen Vertraulichkeit:

»Das wäre gut, obwohl ich nicht weiß, ob du die Wahrheit sprichst, denn Leute von deinem Schlage haben, der Kuckuck weiß warum, bei den Frauen viel Glück, und das wissen sie genau. Doch was hast du gegen Frau Otocka? Du kennst sie doch kaum. Und ich kann dir nur sagen, daß beide Frauen von so guter Art sind, wie man sie selten findet.«

»Ich glaube, ich glaube alles. Doch vor allen Dingen ist Frau Otocka alles in allem drei Jahre jünger als ich, sie zählt demnach vierundzwanzig Jahre und dann ist sie Witwe.«

»So hast du also gegen Witwen ein Vorurteil?«

»Gewiß, ich gebe das zu! Soll mir doch die Ehe alles geben, was sie zu geben vermag, die Vereinigung mit einer Witwe aber kann mir das nicht geben. Eine Witwe! … Man bedenke nur, daß jedes Wort, das einem Mädchen unter Erröten aus dem Herzen kommt, eine Witwe schon einem anderen zugeflüstert hat, daß ferner das, was in einem Mädchen gleich einem Liebesopfer verborgen ruht, bei einer Witwe nur eine Wiederholung ist! … Nein! Ich danke für eine Blume, die schon ein anderer vor mir abgezupft hat. Das Glück kommt nicht durch Erbschaft und auch nicht aus zweiter Hand. Sollen mir doch die Ehe und die Liebe geben, was sie zu geben vermögen, und wenn nicht, dann bleibe ich ein alter Hagestolz.«

»Mein Lieber«, entgegnete Gronski, »man muß unterscheiden zwischen dem Herzen und dem Geldbeutel, da liegt ein großer Unterschied. Ist das Gold erst einmal ausgegeben, dann ist es fort, aber das Herz ist ein lebender Organismus, der sich wiederbelebt und neue Kraft hervorbringt.«

»Mag sein, in jedem Falle aber bleibt die Erinnerung an das Gewesene … Im übrigen will ich keine Allgemeintheorien predigen, dies war nur meine eigene Ansicht. Es ist undenkbar, daß ich mich in eine Witwe verlieben könnte, und ich will meine Frau lieben. Was hätte ich denn sonst vom Leben? Die Wirtschaft? – Gut, ich bin also Landwirt, ich will daher pflügen und säen bis an mein Lebensende. Wer aber glauben wollte, daß diese Beschäftigung allein das Glück und allen Frieden in sich vereine, der hat keine Ahnung von der Menge Sorgen, Ärgernisse, Umstände und Reibereien mit schlimmen Menschen und mit der Natur. Ich muß zugeben, daß es auch helle Augenblicke gibt, doch weit öfter hat man gegen allerlei Ungelegenheiten zu kämpfen. So will ich denn wenigstens das eine, daß ich freudig und gern aus Feld und Scheune ins Haus kommen mag, daß mich so ein gewisses Mäuschen mit lieben Augen erwartet, die ich küssen und in die ich gern blicken will. Auch möchte ich jemand haben, dem ich das Beste, das in mir steckt, geben kann. Ich möchte nicht als Romantiker angesehen werden, vielmehr als ein nüchterner Mensch, der es versteht, sein Soll und Haben zu führen, nicht allein in der Wirtschaft, sondern auch im Leben.«

Gronski kam zu der Ansicht, daß das volle Leben eines Mannes zwei Gesichter haben müsse: eins mit faltengezogener Stirn und dem Ausdruck angestrengten, auf die menschlichen Aufgaben gerichteten Denkens und ein zweites ruhiges am häuslichen Herd; schließlich sagte er:

»So ein Haus gefällt mir: eine Zufluchtsstätte vor Sorgen und darin ein Magnet, ein Mäuschen.«

Krzycki lachte, wobei seine gesunden, weißen Zähne zu sehen waren. Er entgegnete heiter:

»Ach, wie mir das gefällt, die Seele jauchzt vor Vergnügen!«

Beide lachten.

»Aber«, sagte Gronski, »man muß Glück haben, um das zu finden, man muß wagen, um das zu erreichen.«

Krzycki kam jetzt wieder eine Ballfestlichkeit in Warschau ins Gedächtnis, das Fräulein Rosa Stabrowska, ihre melancholisch blickenden Augen, ihre weißen, fast noch kindlichen Schultern, die aus den Spitzen hervorschauten wie aus dem Meeresschaum; er seufzte.

»Dann und wann braucht man gewiß Entschlossenheit, um sich selbst zu zügeln.«

Während einer kurzen Weile hörte man im Zimmer nur das regelmäßige Ticken der Standuhr und das schwere Atemholen des alten Dieners, der, an das Büfett gelehnt, eingeschlummert war.

Es war schon spät, deshalb erhob sich Gronski, raffte sich aus seinem Nachdenken auf und sagte wie zu sich selbst:

»Und die Damen kommen morgen an …« Laut aber fügte er hinzu:

»Höre! In deinen Jahren braucht man sich noch nicht zu zügeln.«


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