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Eine Nacht – der Kirchhof – alte Gesellen und ein neuer – eine reizende Frau wird Witwe.
In der nächsten Nacht gingen zwei dunkle Gestalten hinaus, den Weg über die Felder, der nach dem Kirchhofe führt. –
Rings war es stille und leer.
Der Mond stand wolkenumsäumt am Horizonte, durch die Bäume auf dem Wege strich zuweilen der Wind, und ihre Blätter rauschten ganz unheimlich.
Nur kaum hundert Schritte hinter den beiden Ersten schlich eine dritte dunkle Gestalt, Adam. Doch nicht in seinen gewöhnlichen Kleidern, mit seinem eigenthümlichen Hute und seinem Rohrstocke, sondern ganz anders, pöbelhaftest verkleidet.
»Was kümmert es ihn?« sagte Meister Urian, indem er nachdenkend mit sich selbst sprach. »Ich schaffe ihm was er braucht, und woher ich es nehme, ist das seine Sache? – Daß dies gerade zu so ungelegener Zeit sein muß, in der die anatomischen Säle, des Sommers wegen, gesperrt sind! Und im Spitale konnte ich doch nichts bekommen. 50
Also das Geschäft ist gut, ich liefere was er fordert; woher ich es nehme, ist dies seine Sache?«
Nun waren die beiden Vordern nahe den niedern Mauern angelangt, über welche die traurigen Zeichen vergangenen Lebens, Kreuze und Grabsteine, düster im Mondscheine lugten.
Die Mauern waren so weiß und gespensterhaft!
Der Nebel der Nacht lagerte über den Bäumen, den kleinen Hügeln und dem grünen Rasen der Ruhestätten; es sah aus, als dampfte von heiligen Altären ein leiser, durchschimmernder Opferrauch empor, zur geheimnißvollen Höhe. –
Ein heiliger, unentweihbarer Ort!
* * *
Des nächsten Morgens war er entweiht!
Er lag stille und ungestört, wie vordem, vor aller Menschen Augen, aber die Augen der Sterne sahen mehr.
Aus einem großen allgemeinen Grabe, dessen Särgezahl noch nicht vollständig war und das mithin noch unverschlossen, nur mit Brettern zugedeckt blieb, war eine Leiche gehoben.
Der Sarg stand stumm und verschwiegen wie früher.
Nicht weit von dem großen Grabe, fast an demselben, lag ein Mann mit grauem Kopfe, einem schäbigen, bordirt gewesenen Fracke – todt.
Entsetzt starrten seine noch offenen Augen, seine Fäuste waren krampfhaft geballt.
In seinem Rocke fand man Papiere, welche nachwiesen, daß er Hubert Solger hieß. 51
Einer der Särge, welche in der großen Grube standen, trug zur Aufschrift den Namen . . . Karl Solger!
Die Gerichtsärzte erklärten, den Alten habe plötzlich der Schlag gerührt.
Hat er seines Sohnes Grab betend besucht?
Hat dem Vater der Schmerz an des Sohnes Ruhestätte den Tod zugezogen?
Der Mond war in der Nacht über ihn dahingezogen, als er kalt ausgestreckt auf dem Rasen, neben der dunklen Grube und dem entleerten Sarge gelegen hatte.
* * *
Adele war Witwe.
Aster war vom Hause gegangen und nicht wiedergekehrt – länger erwartet worden – und nicht wiedergekehrt.
Am Ufer des Stromes fand man einige seiner Kleider.
In den Kleidern waren einige Abschiedsworte, welche den absichtlichen Tod aussprachen – einige Lieder, Papierstücke, die ein Ganzes gebildet haben mußten, von dem nur einige Reste übrig waren und aus denen zu lesen: »Es zieht ein Schwan zur Heimat . . . . Ach armer Schwan kein Süden . . . Nicht Heimatluft noch Sonnenglut . . . . Ein arm erbärmlich Sterben . . .«
Die letzten Reste eines vergangenen, von sich geworfenen Lebens!
Nach Wochen zog man aus den Tiefen eine Leiche.
Den zerstörten Körper erkannten die Aerzte als den eines jungen, dunkelharigen Mannes, einige Lappen, die 52 noch an ihm hingen, stimmten mit Beschreibungen überein, die von den Aster angehörigen Stücken gemacht waren.
Die halbzerstörte Leiche wurde der Erde übergeben.
Friede, Friede dem Ruhenden!