August Silberstein
Herkules Schwach. Dritter Band
August Silberstein

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Fünfundsiebzigstes Capitel.

Käsemenger im gelben und Poll im rosigen Humor – oder der Sieg der Philosophie.

Das Leben bietet merkwürdige Gegensätze und Widersprüche, die erstaunlich räthselhaft sind.

Signora Esmeralda Casomini war zweimal Braut, Braut im ganzen Sinne des Wortes, mit all ihrer Kunst und Natur.

Aber das erstemal wollten alle Theile nur der Bräutigam nicht; im zweiten Falle wollte der Bräutigam, aber sämmtliche anderen Theile mochten nicht. Jedoch der Vertrag bestand. Und alle Gegner bekamen »Zufälle,« wenn von dem Bräutigam überhaupt die Rede war, noch mehr aber, wenn dieser auf die Wichtigkeit der Verträge aufmerksam machte!

Vater Käsemenger, der die deutliche Auseinandersetzung der Thatsachen in einem hinterlassenen, sehr zierlichen Briefe der verschwundenen Tragikerin erhielt, Vater Käsemenger war außer sich vor Wuth, Scham, Enttäuschung, Ueberraschung! 297

Er rannte in aller Eile zu Schnepselmann und stellte sich im vollen Grimme diesem sehr gelassenen Herrn gegenüber. Es hätte nicht viel gefehlt, so wäre Käsemenger sen. besagtem Herrn beim ersten Anlaufe an den Leib gerannt, und hätte ihm mit der Schärfe seiner Nase den Bauch aufgeschlitzt – denn höher konnte er an Schnepselmann nicht reichen – so erboßt war er!

Schnepselmann zuckte sehr ruhig die Achseln und meinte: die Verträge seien sehr wichtig, sie kämen ihm mindestens eben so wichtig vor, als jene mit Schwach, und es werde jedenfalls nichts übrig bleiben, als die Sache öffentlich zu machen und in dem, von Käsemenger sehr gut gekannten, »Weg Rechtens« zu verfolgen.

Der ganze Käsemenger war ein Hügelchen grüner Galle mit zwei funkelnden Aeuglein und einer Nase; denn auch Poll, heute absichtlich mit seinem alten Bordirten bekleidet, den er seit langer Zeit nicht mehr getragen und nur zu jetziger festlicher Gelegenheit vorgenommen, auch Poll Hinze trat hinzu.

Der Bordirte behauptete sehr gemessen: er heiße nicht anders und wirklich einzig und ausschließlich Appollonius Hinze. Es könne gar kein Irrthum über die Person stattfinden und sei keiner möglich; denn ein zweites Exemplar seines Namens, seines Alters, seiner Qualitäten und seiner Gegend, sei gar nicht vorhanden. Er sei wirklich jener im Kontrakte angeführte Haus- und Grundbesitzer und er sei jederzeit bereit, den vollen Besitz des Häuschens und des Petersilienbeetes hinter demselben nachzuweisen. Daß er, nebst Haus- und Grundbesitz, noch eine andere Beschäftigung treibe und aus »nobler Privatpassion« Bedienter des Herrn Schwach sei, das könne ihm wol Mancher 298 verargen, aber im Kontrakte sei ein ähnliches Verbot durchaus nicht vorgesehen. – Ueberhaupt sehe er auch gar nicht ein, welche Hindernisse stattfinden könnten, denn er sei wirklich, wie er angegeben, sehr kunstsinnig und er hoffe . . .«

Schnepselmann nahm ihm das Wort; denn er fühlte bereits Mitleiden mit Käsemenger, welcher Herr, wie ein wirklicher Kanari, nun vor Zorn gerne auf Alles mit seinen dünnen Beinchen hinaufgesprungen wäre.

Mitleidig mit Kanari-Käsemenger sprach Schnepselmann: »Mein werthester Herr Käsemenger! Sie haben uns Allen schwere, schwere, bittere Stunden in der Angelegenheit Schwach's verursacht. Ich war oft selbst der Verzweiflung nahe! Sie können es uns nicht verübeln, daß wir versucht Vergeltung zu üben. Sie ist gelungen! – Wolan, Herr, es steht Ihnen nun frei, zwischen zwei Annahmen zu wählen. Entweder« hier sprach Schnepselmann ganz sachte und gelassen – »Sie leisten Verzicht auf alle Ansprüche, erklären den Prozeß »Käsemenger gegen Schwach«, null und nichtig, für aufgehoben – und wir nehmen als Entgelt ganz leise unsere Kontrakte, geben sie Ihnen, und Sie verfügen sich ganz sachte damit von dannen, damit kein Wort außer diesen Mauern vernommen und unsere Geschichte in der Geburt erstickt werde; – oder« – hier erhob Schnepselmann wieder seine Stimme – »Sie führen »Käsemenger contra Schwach« weiter, und sämmtliche Journale, Witz- und Karrikaturenblätter sollen morgen, mit oder ohne schöne Bilder, der Welt eine thatsächliche Geschichte von Namen und Individualitäten erzählen, die zusammen höchst geeignet wären, ein auferbauliches Gelächter über unsere Stadt und ganz Europa zu verbreiten. – Wählen Sie!« 299

Schnepselmann kreuzte die Hände über die Brust, so gelassen wie nie sonst und als wollte er ausdrücken: mir ist das gleichgiltig, ich gehöre zu den Hähnen im Korbe; aber Sie . . . .?

Käsemenger pfiff noch ein Bischen, wie ein hungeriges Käutzlein in der Nacht. Was wollte er thun?

Er stellte sich endlich als höchst ergeben heraus, wenn man ihm nur die Versicherung des gänzlichen Stillschweigens ertheilen wolle.

Und diese wurde, auf allseitige Ehre, versichert! –

Somit war eine Angelegenheit glorreich beendet; und Poll konnte sich nicht enthalten, nach Käsemenger's Abgange, in Schnepselmann's Stube seinen Bordirten abzulegen, in die Luft zu werfen und mit voller Stimme auszurufen:

»Hurrah! Philosophie!« 300



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