Heinrich Smidt
Seeschlachten und Abenteuer berühmter Seehelden
Heinrich Smidt

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Die Schlacht vor Plymouth.

Am 26. August des Jahres 1652 war ein heller, sonnenklarer, fast windstiller Morgen, welcher es der holländischen Flotte unmöglich machte, sich den Engländern, die ihr um ein bedeutendes überlegen waren, zu nähern. An jedem Ende der langgestreckten Linie lag ein Sechzig-Kanonenschiff. Vom Bord des »Alfred,« einer Fregatte von vierzig Kanonen, wehte die Flagge des Vice-Admirals George Ascue.

Die holländische Flotte zählte dreißig Schiffe, mit denen sie noch einige sechzig Kauffahrer zu beschützen hatte. Als nachmittags die Brise auffrischte, wurde sie in drei Kolonnen geteilt. Das mittlere Geschwader kommandierte Herr de Ruiter selbst am Bord des »Neptun.« Das Geschwader rechts wurde dem Kapitän Joris Pietersen übergeben; seine Flagge wehte vom »Westergo«. Links kommandierte am Bord des »Rotterdam« Kapitän Aartsen Verhaf. Jedes dieser Geschwader verfügte über zwei Brander. Zehn der Kauffahrer, die stark und gut bewaffnet waren, wurden mit in die Linie gestellt; die übrigen zogen sich unter dem Schutze zweier leicht bewaffneter Schiffe zurück.

Nun segelten die Holländer völlig kampfbereit auf die englische Linie ein, welche sich nicht rührte, weil sie sich in ihrer Uebermacht sicher fühlte. Als die beiden Admiralschiffe sich gegenüberlagen, begrüßten sie sich sogleich mit einem heftigen Feuer.

Der Kampf wird von allen Seiten eifrig aufgenommen und fortgesetzt. Bald ist alles in Pulverdampf gehüllt; jedes Schiff sieht nur noch das zunächstliegende. Jeder Kapitän ist auf sich selbst angewiesen.

Unter den Kauffahrern befindet sich auch der bewaffnete Ostindienfahrer »Strauß«, befehligt von dem tapfern Friesenkapitän Douwe Aukes. Er segelt auf den am wenigsten bedrängten Teil der englischen Linie ein und ruft den Seinen zu: »Achtet auf die Geschütze! Wir wollen uns aus dem Gewirr da vor uns ein paar Prisen holen. Strafft die Marssegel!«

Die Matrosen prallen vor solchem wagehalsigen Unternehmen zurück, denn dieser Befehl jagt sie einem gewissen Tode in die Arme. Sie murren bei jeder neuen Ordre und brechen zuletzt in offenen Widerstand aus.

»Was giebt's da zu murren?« ruft plötzlich eine Donnerstimme, und der Friesenkapitän steht hoch aufrecht unter den Rebellen. »Wollt Ihr Hunde nicht fechten? Ich will Euch die Courage einpumpen. Wollt Ihr oder wollt Ihr nicht?«

Einen Augenblick bleibt es still. Es ist die Wirkung dieses unvermuteten Erscheinens. Dann aber schreit es überall an Bord wie aus einem Munde: »Nein! Nein! Und abermals nein!« und die Aufregung wird so groß, daß jedermann seinen Posten verläßt.

Douwe Aukes sieht starr vor sich nieder, während das Geschrei um ihn her zunimmt. Aber plötzlich rafft er sich zusammen und nach dem Hinterdecke springend ruft er dem rebellischen Volke zu: »Wenn Ihr Hunde nicht mit mir fechten wollt, so sollt Ihr mit mir tanzen! Ich hoffe, Ihr habt Lust zu einem tüchtigen Sprung ins Blaue, da Ihr nicht unten bei mir bleiben wollt. Wie nun? Dort liegen die Engländer und unter mir liegt die Pulverkammer, in der Hand aber schwinge ich die brennende Lunte!«

Er machte eine Bewegung, als wollte er sich die Kajütstreppe hinabschwingen. Da trat der Hochbootsmann hervor und sagten »Mit Verlaub, Kapitän! Könnt Ihr dem Volk seine Dummheit vergeben?«

»Das kann ich, wenn Ihr Euch besonnen habt. Auf Eure Posten! Strafft die Marssegel und holt die Fockschote an. Einen halben Strich anluwen und zwischen die beiden Engländer mitten hinein! Achtet auf die Geschütze!«

Der »Strauß« rückte rasch vor und schoß zwischen die bezeichneten Fahrzeuge hinein. Die Matrosen stimmten ein Jubelgeschrei an.

»Wohlgethan!« rief der Friesenkapitän. »Werft die Marssegel back!« – Das Schiff steht! – »Feuer am Backbord und am Steuerbord!«

Die Geschütze des Ostindienfahrers donnerten über die See hin. Die Schüsse waren so sicher gezielt, daß bald die Seitenborde des Feindes große Risse erhielten und das Wasser allerorten hereinströmte. Die Pumpen mußten in Bewegung gesetzt werden. Die Friesen errangen immer größeren Erfolg.

»Die sind besorgt!« rief Douwe Aukes. »Jetzt ist die Fahrt frei. Steuert auf das offene Wasser hinaus, damit wir sehen, wo sonst Hilfe not thut. Nun, Jungens, was ist besser, fechten oder tanzen?«

»Fechten!« antworteten sie, und eine Stimme rief laut über Deck: »Segler am Bug!«

»Das ist de Ruiter mit dem »Neptunus.« Holla Ahoi, Herr! Alles wohlauf bei mir! Zwei Engländer habe ich in den Grund geschossen. Die Passage ist frei.«

»Dank für die gute Botschaft!« entgegnete de Ruiter. »Aber wir sind noch nicht am Ende. Dort steuert Lord Ascue; er hat es auf unser Zentrum gemünzt, um an unsere Kauffahrer zu kommen; darum zieht er die Brander an sich. Aber ich will ihm diese Lust vergällen. Haltet Ihr mit?«

»Ich halte!« rief Douwe Aukes lustig. »Mylord Admiral, meine Kanonen sprechen friesisch. Feuer! Hahaha! Den Besanbaum durchgeschossen und Seiner Herrlichkeit vor die Füße geworfen! Nochmals Feuer!«

Mit vollen Segeln schossen der »Neptun« und der »Strauß« auf das englische Admiralschiff ein. Dies nahm den Kampf an, und alles hüllte sich in dichten Pulverdampf.

Die Enden der holländischen Linie hatten weniger Aussicht auf einen glücklichen Erfolg als das Zentrum. Die englischen Sechzig-Kanonenschiffe, die hier lagen, griffen heftig an. Das Feuer wurde keinen Augenblick unterbrochen, und die Soldaten schossen manchen Holländer mit ihren Flinten vom Verdeck herunter.

Kapitän Aartsen Verhaf, der am Bord des »Rotterdam« kommandiert, wird von einer solchen Kugel niedergeschmettert. Sein Sohn, als erster Lieutenant am Bord, wirft sich vor ihm in die Kniee. Unterdessen achtet kaum jemand auf das Schiff, dessen Geschütze schweigen, während der gegenüberliegende »Seymour« ein heftiges Feuer auf dasselbe eröffnet. Da schlägt der Verwundete die Augen auf und sagt leise. »Dank Dir, mein Sohn; aber vor allem achte auf des Landes Dienst!«

Der Lieutenant reißt sich vom Vater los und springt auf die Schanze, indem er ruft: »Rächt meinen Vater, der auch Euch ein Vater war! Feuer!«

Die Matrosen des »Rotterdam« gehorchten willig dem jugendlichen Führer. Unerschrocken flogen sie den sechzig Feuerschlünden des »Seymour« entgegen, bis der »Friede« erschien, um ihn zu ersetzen.

Auch der »Strauß« und der »Neptun« hatten gesiegt. Das englische Admiralschiff war furchtbar zugerichtet. Es zog seine Marssegel auf, ließ sie voll fallen und jagte zwischen den beiden Holländern mitten durch auf die hohe See hinaus.

»Da läuft er!« ruft Douwe Aukes. »Gefällt es Eurer Herrlichkeit nicht, auf ein Glas Kapwein bei mir vorlieb zu nehmen? Ha, ha! Mylord Hochmut ist klein genug, davonzulaufen. Da ziehen seine Genossen hinter ihm drein! Eins! Zwei! Drei! Vier! Sollen sie so davonkommen?«

»Ihnen nach!« lautete das Signal Michael de Ruiters. »Ich schicke Euch den »Gelderland« und den »Sanct Peter« zu Hilfe. Ihnen nach!«

Der Friese hielt auf den Spiegel des englischen Admiralschiffes ab. Michael de Ruiter sandte ihm die nötige Verstärkung und segelte nach dem ersten Flügel, wo die Kanonade schwächer ward. Dort waren die Engländer, die sonst überall wichen und nach Plymouth zu entkommen suchten, noch Meister des Platzes. Der »Centaur« spie aus seinen sechzig Kanonen eine solche Flut von Eisen, daß der »Westergo,« den Joris Pietersen kommandierte, fast erlag. Man stritt am Bord, ob man die Flagge streichen oder das Schiff in die Luft sprengen sollte, als der Kommandeur, der krank darniederlag, sich auf das Verdeck tragen ließ und sich mühsam aufrichtete: »Werdet nicht lässig! Ich bin ja mitten unter Euch! Die Krankheit ist besiegt; nun müssen wir die Engländer auch besiegen. Nochmals ans Werk!«

Die Matrosen eilten, angefeuert von diesen Worten, an die Geschütze, die unausgesetzt weiterdonnerten. Der »Centaur« bebte und wich zurück.

Der kranke Kapitän hatte sich auf das Dach der Hütte tragen lassen und beherrschte die Schlacht mit hellem Auge. »Danke Euch, Jungens! Er läuft vor uns. Und da kommt auch Entsatz.«

Auf der anderen Seite des »Centaur« erschien de Ruiter. Zwischen zwei Feuer eingekeilt, bedeckte sich der Engländer von oben bis unten mit seinen Linnen. Er flog dahin, während de Ruiter ihm nachsegelte.

Joris Pietersen sah es und lächelte. Er reichte seinem ersten Offizier die Hand und sprach mit schwacher Stimme zu ihm. »Ich sterbe auf der See, der ich mein Leben lang diente. Mein Herz ist leicht in der Todesstunde, da kein Auge um mich weint in der Heimat. Glücklich, wer mitten in dem Jubel des Sieges stirbt! Wenn Ihr mich begrabt, hängt einen schweren Stein an meine Füße, damit die Wellen mich nicht vom Platze wegreißen, auf welchem ich starb. Grüßt meinen Kommandeur!« Er schloß die Augen.

Bei einbrechender Dunkelheit, als die Verfolgung aufgegeben war, erschien Michael de Ruiter am Bord des »Westergo«. Er beugte sich über den Sterbenden und sagte:

»Joris, mein Freund, kannst Du mich noch hören?«

Der Kommandeur Joris Pietersen schlug noch einmal die Augen auf, lächelte dem Freunde zu und war nicht mehr.

Michael de Ruiter war tief bewegt. »Er ist hinüber. Wohl ihm! Wer weiß, ob uns einst ein so beneidenswerter Tod beschieden ist, mitten im ersten Rausche des glücklich errungenen Sieges!«

Er kehrte an Bord seines Schiffes zurück. Hier hatten sich alle Kapitäne eingefunden und jubelten ihm entgegen: »Hoch dem Sieger von Plymouth!«

»Nicht mir, nicht Euch verdankt Holland diesen Sieg!« entgegnete de Ruiter, die gebotenen Ehren zurückweisend. »Wir stritten gegen eine große Uebermacht. Mit uns war Gott der Herr sichtlich. Ihm allein die Ehre!«

Der Geistliche des Schiffes erschien. Herr de Ruiter kniete nieder, Offiziere, Soldaten und Matrosen folgten seinem Beispiel. Der Geistliche sprach ein inniges Gebet und stimmte einen feierlichen Lobgesang an, der sich von Deck zu Deck verbreitete. Die Lust war still und ruhig; am westlichen Horizont verschwamm der letzte Schimmer des Tages. Einzelne Sterne blinkten, die See rauschte auf, und die Nacht umhüllte alle mit ihrem undurchdringlichen Schleier.


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