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Zwei englische Flotten, jede von fünfzig Segeln und darüber, erschienen in der Nordsee. Die erste stand unter dem Befehle Sir George Ascues, die andere kommandierte Admiral Monk. Beide steuerten nach der Mündung der Maas, wo sich die holländische Flotte sammeln sollte. Das wollten sie hindern und die verschiedenen Divisionen derselben einzeln vernichten. Am 21. Dezember 1653 war die Vereinigung der englischen Flotte gelungen, und sie segelte nun mit kleinen Segeln nebeneinander her, um den Anbruch des nächsten Tages abzuwarten.
Unterdessen hatte Admiral Monk sämmtliche Schiffsführer zu sich entboten. Er redete sie feierlich an, machte ihnen kund, daß die Schlacht morgen beginnen würde, daß sie es mit einem wohlgerüsteten Feinde zu thun hätten, und überreichte ihnen ihre Instruktionen. Er legte ihnen ans Herz, daß England die Königin der See sei und es bleiben müsse. Ihre Pflicht sei es, dies zu fördern. Mit diesen Worten wurden die Herren entlassen, nur die beiden Admirale blieben allein. Sie beredeten noch in vertraulichen Gesprächen miteinander, was für den folgenden Tag zu thun sei. Dann kehrte Sir George Ascue an Bord seines Schiffes zurück. Bei dem Admiral Monk aber trat ein Offizier mit der Meldung ein, daß die holländische Flotte im Anzuge sei. Am ganzen Horizonte tauchten Lichter auf und flogen hin und her, bald hoch, als leuchteten sie von den Toppen, bald niedrig, als blinkten sie von den Galerien. Auf Befehl des Admirals ward sofort die Ordre erteilt, alle Lichter auf der englischen Linie zu löschen.
Nach einigen Augenblicken erschien auf der Spitze des großen Mastes im Admiralschiff ein weithin leuchtendes Drehfeuer; gleich darauf erloschen alle Lichter an Bord. Alle Schiffe der englischen Linie folgten diesem Beispiel, und tiefes Dunkel herrschte ringsumher. Admiral Monk blieb auf dem Verdeck, um auf die Bewegungen der holländischen Flotte zu achten. Aber auch dort verlosch Licht an Licht, und jede Beobachtung war unmöglich.
Der Morgen des verhängnisvollen 22. Dezember brach an. Die holländische Flotte beschrieb einen weiten Halbkreis. Am rechten Flügel, gegenüber von Monk, lag Herperts van Tromp mit achtundzwanzig Schiffen. Seine Admiralsflagge wehte am Bord des »Kampf«. Auf dem linken Flügel hielt Michael de Ruiter mit dreißig Schiffen und zeigte seine Flagge am Toppmast des »Lamm.« Das Zentrum befehligte der Vice-Admiral Jan Evertson. Er ließ seine Flagge von dem Dreidecker »die Eintracht« herabwehen und hatte außerdem fünfundzwanzig Fahrzeuge unter sich. Im Rücken dieser Flotte kreuzte der Vice-Admiral Witt de Witte mit einem Geschwader von vierundzwanzig Schiffen. Er selbst befand sich am Bord des »Oranienbaum.«
In der Kajüte dieses letzten Schiffes hatten sich die drei Admirale mit dem Kommandeur de Ruiter zu einer Beratung versammelt.
Hier zeigte sich der Unterschied in den Charakteren dieser hohen Seeoffiziere auf das deutlichste. Jan Evertson war kalt und besonnen, unter Umständen sogar unbekümmert; ihm galt es gleich, wohin er sich wendete. Aber wenn der Kampf einmal begann, war er fest und unerschütterlich, hart wie Eisen. Herperts van Tromp war leidenschaftlich bewegt, ruhelos, der Zeit stets voran, ganz abweichend von dem eigentlichen Charakter der Niederländer. Witt de Witte war mutig und ausdauernd wie einer, aber hart und strenge gegen seine Untergebenen. Er soll einst gesagt haben, dem Matrosen gebührten Brot, Genever und Prügel; dafür müßte er seine Pflicht thun und dreinschlagen. Geschehe das nicht, werde er ihn treten wie einen Hund. Das sanfte, freundliche Wesen de Ruiters, der ebenso groß als Held wie edel als Mensch war, vermochte über den starren Witt de Witte nichts. Alle Bitten und Ermahnungen, die dieser an ihn richtete, waren tauben Ohren gepredigt.
Eben hatte die Beratung der hohen Offiziere geendet. Herperts van Tromp erhob sich und rief: »Es wird Tag, und kein Augenblick ist zu verlieren. Ich gehe Euch voran; eilt an Bord und frisch auf den Feind. Auf Wiedersehen, hier oder dort oben!«
»Hier noch!« rief de Ruiter und schloß den Admiral in seine Arme.
»Wie Gott will!« entgegnete jener. »Ich gehe gerade auf Ascue los. Ihr andern dahin, wie es verabredet. An Bord! An Bord!«
Es wurde Tag, und jeder war auf seinem Posten. Die englische und die holländische Flotte segelten aufeinander zu. Das Geschwader des Admirals van Tromp drang so heftig auf die Schiffe des Lord Ascue ein, daß er die Linie derselben durchbrach, dann seine Fahrzeuge wendete und jene von hinten angriff.
Michael de Ruiter begriff sogleich, daß jetzt seine Zeit gekommen sei. Er gewahrte das Flaggenschiff des Admirals Monk vor sich und befahl darauf loszusteuern. Der Engländer nahm den dargebotenen Kampf sofort an.
Während die Schlacht auf dem rechten und linken Flügel im vollen Gange war, blieb es im Zentrum noch still. Ganz seiner Gewohnheit gemäß ließ Jan Evertson die Engländer an sich herankommen. Aber als die erste Kugel vor seinem Buge niederfiel, legte er durch den Wind und empfing die Engländer mit einem so mörderischen Eisenhagel, daß die Schiffe mit den Trümmern ihrer eigenen Takelage übersäet wurden.
Zwei Flotten, zusammen zweihundertfünfzig Segel stark, lagen sich in dem erbittertsten Kampfe gegenüber. Fünf Admirale befehligten sie. Außerdem hatte Holland noch seinen de Ruiter und England den Rear-Admiral Goodson. Letzterer befehligte die englische aus achtzehn Schiffen bestehende Nachhut. Mit derselben umsegelte er die Holländer und wollte sie im Rücken angreifen. Aber hier empfing ihn Witt de Witte, und neben der ersten Schlacht entspann sich eine zweite. Die Luft erzitterte von dem Donner der Geschütze; der Pulverdampf verdichtete sich zu einem hoch emporragenden Gewölk.
Mit den Menschen kämpften die Elemente. Ein heftiger Wintersturm wehte, und die Wellen warfen die Schiffe unbarmherzig zusammen. Die Takelage verwickelte sich, und die Rüstbanken des einen Schiffes stießen auf die des andern. Die Kanonen mußten schweigen. Man enterte gegenseitig und drang mit Messern, Aexten und Beilen aufeinander ein.
»Das heißt morden, aber nicht schlagen!« rief der Rear-Admiral Goodson aus, trennte sich gewaltsam von dem Schiffe de Wittes und segelte nach dem rechten Flügel der Holländer.
Hier lag Herperts van Tromp, der die feindliche Linie bereits viermal durchbrochen hatten, einige Zeit untätig, um seine Leute verschnaufen zu lassen. Er hatte seine Augen überall, dieser ruhelose Mann, und sagte zu seinem Flaggenoffizier: »Hört Ihr es dort brummen? Das ist der de Ruiter. Und dort hinüber donnert Evertson. Ich glaube, der läßt sich aus Bequemlichkeit eher in den Grund schießen, als daß er weicht. Das ist eine lustige Musik! Hei, da fliegt ein Engländer in die Luft!«
»Und dort treibt eines von unsern Schiffen!« sagte der Flaggenoffizier. »Es ist ohne Masten und Steuer.«
»Beidrehen!« befahl Herperts van Tromp. »Rettet, was zu retten ist! Was giebts?« Diese letzten Worte galten einem Lieutenant, der die Schiffe des Admirals Goodson meldete.
Zwei englische Fregatten waren voran. Der holländische Admiral segelt mit dem »Kampf,« die Flagge hoch vom Mast, mitten zwischen beide hinein. Die Schüsse fallen rasch aufeinander. Ueberall richten die Kugeln große Verwüstungen an. Van Tromp steht auf der oberen Galerie. Sein Adlerblick ist überall. Er sieht einen Soldaten in dem feindlichen Mastkorbe, der sein Gewehr anschlägt, und reißt den neben ihm stehenden Offizier mit den Worten. »Nehmt Euch in acht, Herr Lieutenant!« auf die Seite. Aber auch in demselben Augenblicke schwankt der Admiral und greift mit den Händen über sich, als wollte er sich an etwas halten. Dann stürzt er zusammen. Die Kugel war mitten durch das Herz gegangen. »Habt guten Mut!« rief er sterbend. Es waren seine letzten Worte.
Der Flaggenoffizier übernahm sofort das Kommando, unbekümmert um das Freudengeschrei der Engländer, die den Admiral hatten fallen sehen. Das Gefecht dauerte fort, bis dem bedrängten Admiralschiffe Hilfe kam, und es sich zurückziehen konnte. Es trieb, mit der teuren Leiche an Bord, in die Linie zurück und geriet vor den Bug des »Lamm,« auf dessen Halbdeck Herr de Ruiter stand und den Rückzug aus dem Gefechte befahl, weil das Fahrzeug, das allein dreiundvierzig Tote an Bord hatte, nicht mehr zu halten war.
Mittlerweile hatte man auf dem Schiffe de Ruiters ein Signal am Bord des »Kampf« erblickt, welches den Kommandeur dorthin entbot. Die Schaluppe wurde auf der Stelle klar gemacht. Herr de Ruiter erschien auf dem Fallreep des Admiralschiffes und rief, als er die niedergeschlagenen, tiefbetrübten Gesichter gewahrte: »Um Gottes willen, was ist hier vorgefallen?«
Gleich darauf stand er vor der Leiche Tromps. Er schauerte zusammen und wehrte den Thränen nicht. Als er dem Gefallenen dies Opfer der Freundschaft gebracht hatte, befahl er, sich aus dem Gefechte zurückzuziehen und die Leiche einem sichern Schiffe zu übergeben, das mit dem Winde ohne Gefahr in die Maas einsegeln könne. Er selbst wollte sich an Bord des »Nassau« begeben. Dann nahm er noch einmal Abschied von der Leiche des gefallenen Helden, befahl, seinen Tod auch ferner zu verschweigen, und begab sich, wie er gesagt, auf den »Nassau«, mit dem er dann wieder in die Linie vorrückte und den Kampf erneuerte.
Die englischen und holländischen Schiffe lagen sich so nahe, daß sie sich gegenseitig entern konnten. Alles war so dichtgedrängt aufeinander, daß man auch nicht den kleinsten Teil der Flotte mehr überschauen konnte. Es wurde Deck an Deck, Mann gegen Mann gekämpft. Die See rötete sich von dem Blute, das durch die Speigaten der Schiffe in sie hineinströmte. Durch den Geschützdonner klang es hier wie Siegesgeschrei, dort wie ein Angstruf der Verzweiflung. Man schlug blindlings vor sich hin, alles Gefühl war verschwunden. Nach einem siebenstündigen Kampfe war auch die letzte Kraft gebrochen.
Die Kanonade schwieg; nur hier und da hallte noch ein vereinzelter Schuß. Die Schiffe hingen mit ihrem Takelwerk zusammen; Freund und Feind leisteten sich gegenseitig Hilfe, um nur voneinander loszukommen. Auf beiden Seiten kein Sieg, nur Niederlage; kein Verfolger und keine Verfolgten. Der Raum zwischen den Resten der großen Flotten wurde immer größer. Sie verschwanden im Dunkel der hereindämmernden Nacht.
Der Wind wehte eisig kalt und trieb von allen Seiten eine furchtbare Wolkenmasse zusammen. Dann wurde es still, und dichte Schneeflocken fielen senkrecht herab, als wollte der Himmel ein Leichentuch über die Gefallenen breiten.