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Sechzehntes Kapitel.
Geldangelegenheiten

Meine liebe – –,« schrieb Miß Grimshaw in einem zweiten Brief an ihre Freundin, »hier wären wir endlich. Vorgestern abend kamen wir alle an, Pferde und Leute eingerechnet. In Amerika hörte ich einmal, wie eine alte Dame einer jungverheirateten Frau Ratschläge erteilte; ein Satz ist mir im Gedächtnis haften geblieben und wird dort, glaube ich, um seiner Wahrheit willen ewig haften: ›Versetze niemals Dienstboten in eine fremde Gegend.‹

Außer den Stalleuten nahmen wir Mrs. Driscoll, die Köchin und Norah, das Stubenmädchen, aus Irland mit hierher. Ich spiele nicht auf die Männer, sondern auf die weiblichen Dienstboten an, wenn ich obenstehenden Grundsatz anführe.

Wir waren noch nicht von Holyhead abgefahren, als Mrs. Driscoll niederbrach. Sie wiegt vierundachtzig Kilo und dementsprechend ist ihr ganzes Benehmen. Das Heimweh hatte sie überwältigt. Bis dahin war es ganz gut mit ihr gegangen; wir hatten eine ruhige Überfahrt gehabt und sie klagte kein einziges Mal, während sie, wie ich annehme, die ganze Zeit tapfer gegen das zunehmende Heimweh ankämpfte. Dann kam es plötzlich auf dem Bahnhof in Holyhead vor dem wartenden Schnellzug zum Ausbruch. Es klingt albern, aber wirklich: die Sache war tragisch. Wahrer Schmerz ist immer tragisch, sei es auch nur der Kummer eines Kindes um ein zerbrochenes Spielzeug, und dies war wahrer Schmerz, der mich innerhalb fünf Minuten Irland und den Haß der in Amerika lebenden Irländer gegen England besser begreifen ließ, als ich es in all den Monaten, die ich im Lande selber zugebracht hatte, verstehen lernte. Es war, als traure sie nicht um die verlorene Heimat, sondern um den Verlust von Vater oder Mutter, und – wohlgemerkt – sie war mit Menschen zusammen, die sie kannte, und nur für ein paar Monate ›expatriiert‹. Was müssen diese Leute in alten Zeiten gelitten haben, als sie von Haus und Hof vertrieben wurden in ein dreitausend Meilen entferntes Land, um nie zurückzukehren? – Mr. French brachte ihr ein Glas Kognak aus dem Restaurant und wir nahmen sie zu uns in unser Coupé erster Klasse; aber sie sehnte sich nach nichts anderm, als umkehren zu dürfen, und die Situation gewann einen Anflug grimmigen Humors durch die Tatsache, daß niemand von uns diese Expedition nach England aufgeben und nach Irland zurückgehen kann, bevor eine gewisse Affäre zu Ende geführt ist. Diese Behauptung erscheint rätselhaft und unheimlich, aber in Wirklichkeit ist die Sachlage durchaus nicht traurig. Es handelt sich nur um ein Pferd. Um aber auf die Dienstboten zurückzukommen: Mrs. D. hat sich einigermaßen erholt, doch nun ist Norah, das Stubenmädchen, zusammengebrochen. Das hübsche Ding mit dem schwarzen Haar, den grauen Augen und wunderschönen Zähnen sitzt augenblicklich, die Schürze über dem Kopf, in der Küche und weint sich ›zu Schanden‹, wie Mrs. Driscoll sich ausdrückt. Das Merkwürdige dabei ist, daß die beiden keine näheren Verwandten haben, die sie an Irland fesseln. Es ist eben nur Irland, wonach ihr Herz verlangt – und ich glaube, sie werden nicht glücklich sein, bis sie wieder in der Heimat sind. Die Frau aus Crowsnest, die Mr. Dashwood hergesandt hatte, um das Haus in Ordnung zu bringen, Feuer anzuzünden und uns am Abend unsrer Ankunft Essen zu bereiten, ist fortgegangen. Sie vertrug sich nicht mit den andern, und jetzt hausen hier nur Irländer, ich ausgenommen. Ein Stückchen Westküste, das in ein höchst ehrenwertes Dorf verpflanzt ist. Ich bin neugierig zu sehen, welche Resultate der gegenseitige Verkehr ergeben wird.

Bisher hat kein Mensch uns besucht, aber dazu war selbstverständlich noch keine Zeit. Aus verschiedenen Gründen hoffe ich, daß niemand kommt. – Stets Deine

Violet.«

 

Miß Grimshaw besaß in der Tat ihre guten Gründe für den Wunsch, mit dem Haushalt, den sie unter ihre Fittiche genommen hatte, in Abgeschiedenheit zu leben. Ich sage absichtlich, »unter ihre Fittiche genommen«, denn seit dem Tage ihrer Ankunft in Drumgool hatte sie in stets steigendem Maße mit ihrer Vernunft und ihrem praktischen Sinn für ihre Schützlinge gesorgt. In hundert häuslichen Dingen, die zu gering sind, um Erwähnung zu finden, hatte sie Änderungen getroffen. Zum Beispiel kochte Mrs. Driscoll die Wäsche nicht mehr im Suppentopf, in dem sie sie von Zeit zu Zeit mit dem Kuchenrollholz zurechtzustoßen pflegte, und Norah fegte den Teppichstaub nicht mehr unter die Sofas, zündete weder das Feuer mit den auf dem Kaminsims liegenden Briefen an, noch goß sie Spülicht aus dem Fenster. Und diese sanitären Verbesserungen waren eingeführt, ohne daß das von seiten der Korrigierten der Urheberin dieser Verbesserungen entgegengebrachte Wohlwollen gelitten hätte. Sie hatte Effie von den Banden ihrer eingebildeten Krankheit befreit und French den zu gehenden Weg und die zu befolgenden Methoden gezeigt für die Ausführung des Plans, der einem kleineren Geist, als Miß Grimshaw ihn besaß, als eine Unmöglichkeit erschienen wäre.

Hochgradig gesunder Menschenverstand verbindet sich manchmal mit einem Etwas, das den geringer Begabten wie Wahnsinn vorkommt. Wenn diese Verbindung stattfindet, treten zuweilen welterschütternde Ereignisse ein.

French hatte die herrliche Idee gefaßt, ein großes englisches Rennen trotz aller Schulden, Feinde und Trainingschwierigkeiten mit einem unbekannten Pferde zu gewinnen, und Miß Grimshaw hatte ihn ungeachtet ihrer Zweifel mit praktischem Rat unterstützt. Der erste Zug in dem Spiel war geglückt, das Gambit des »Springers« gespielt, Garryowen über drei Felder vorgeschoben und in Sussex gelandet. Nichts bedrohte ihn im Augenblick und Miß Grimshaws Gedanken wandten sich von den Hauptfiguren ab und den »Bauern« zu.

Norah war ein »Bauer«. Sie besaß eine in Cloyne lebende Großtante, und falls sie die Frenchs im Stiche ließ und von Heimweh getrieben zur Großtante zurückkehrte, so konnte das Spiel sehr leicht verloren werden. Mr. Giveen, der etwas von Frenchs Schulden witterte, würde auf die eine oder andre Weise seine Adresse ausfindig machen, und wenn Lewis seinen Mann sandte und dieser Drumgool leer fand, würde die Auskunft, die Giveen ihm erteilte, ebenso verderbenbringend wirken, wie eine geladene Flinte in den Händen eines unfehlbaren Schützen. Ein andrer »Bauer«, der sich in einer gefährlichen Stellung befand, war Mrs. Driscoll; aber die kleinen Figuren, die die Aufmerksamkeit unsrer Schachspielerin zur Zeit am stärksten auf sich zogen, waren tatsächlich etwas Kleines – nämlich Schilling- und Pencestücke.

Sie hatte die Geldfrage sorgfältig mit Mr. French erwogen, und wenn man alles berechnete und fünfzig Pfund für die Rückreise nach Irland übrig behielt – für den Fall, daß der Plan fehlschlug – so waren bis Mitte April kaum noch drei Pfund die Woche vorhanden.

»Ach, zum Kuckuck mit dem Mammon!« rief French. »Das Geld ist nicht das, woran ich denke.«

»Ja, aber es ist das, woran ich denke. Wir müssen sparsam sein und hätten dritter Klasse herfahren sollen, nicht erster. Sie haben bei Mister Dashwoods Weinhändler all den Champagner und was sonst noch bestellt –«

»Ich weiß; aber das braucht nicht vor einem Jahr bezahlt zu werden.«

»Aber einmal muß es bezahlt werden. Übrigens ist mir das ziemlich einerlei. Was mich beunruhigt, ist, daß wir nur eine so geringe Summe baren Geldes in Händen haben. Wir dürfen in den vier Monaten, die vor uns liegen, nur etwas über sechzig Pfund ausgeben. Ich möchte nun einen Vorschlag machen.«

»Ja?«

»Es ist folgender: weshalb wollen Sie nicht mir die sechzig Pfund geben, damit ich damit haushalten und alle Auslagen bestreiten kann? Wenn Sie das Geld behalten, wird nach einem Monat nichts mehr da sein.«

Mr. French kratzte sich den Kopf. Dann lachte er und meinte:

»Auf mein Wort, vielleicht haben Sie recht.«

»Natürlich habe ich recht. Wir können nur durch Zusammenscharren und Sparen über diese Monate hinwegkommen. Nun haben Sie ja auch noch das Geld auf der Bank. Fünfzig Pfund stellten wir für den Notfall beiseite und berechneten dann, daß das übrige gerade Ihre Rennunkosten decken würde: die Summe, die Sie brauchen, um das Pferd vor dem Rennen nach dem Stall von Oberst – wie heißt er doch? – in Epsom zu bringen, das Geld, das für Ihre Wetten nötig ist, kurz, für die ganze Geschichte.«

»Ja.«

»Na also, ich möchte, daß Sie Ihr Scheckbuch in ein Schubfach verschlössen und mir den Schlüssel gäben samt dem Versprechen, das Geld unter keiner Bedingung anzurühren.«

»Ich will es nicht anrühren,« sagte French mit der Miene eines Schulknaben, der einen sich auf Äpfel beziehenden Entschluß faßt.

»Das sagen Sie jetzt und meinen es auch, aber es gibt Versuchungen und es ist höchst notwendig, daß Sie mit der Versuchung gar nicht in Berührung kommen. Erinnern Sie sich, wie Odysseus sich seine Ohren mit Wachs verstopfte, um den Gesang der Sirenen nicht zu hören?«

»Du lieber Himmel,« sagte French in zärtlichem Ton, indem er völlig vergaß, daß es Odysseus' Mannschaft war, deren Ohren verstopft wurden, »wenn die Stimmen der Sirenen so süß klangen wie –«

»Das kann schon sein,« fiel Miß Grimshaw hastig ein, »aber süß oder nicht süß, es gibt immer Stimmen, die Geld verlangen; sogar auf der Fahrt durch London verschwand eine Fünfpfundnote wie nichts. Also bitte, legen Sie das Scheckbuch in ein Schubfach, schließen Sie es zu und geben Sie mir den Schlüssel. Wollen Sie?«

»Ja, ja. Das Ding ist ganz sicher bei mir, aber wenn Sie es wünschen, soll es geschehen.«

»Nun, dann lassen Sie es uns gleich tun.«

»In einer Minute, nachdem ich mit Moriarty –«

»Nein, gleich. Man soll niemals etwas aufschieben.«

»Nun gut,« sagte French, »tun wir es gleich.« Er holte das Scheckbuch aus seinem Pult hervor und Miß Grimshaw schloß es in ihrem Schreibtisch ein.

»Und wie wird es mit den sechzig Pfund?« sagte sie.

Der geplagte Mann zog seine Brieftasche heraus und entnahm ihr drei Zwanzigpfundnoten.

»Dann behalte ich nur drei Pfund zehn Schilling,« sagte er, indem er die Münzen aus der Westentasche holte und vorzeigte, nachdem er Miß Grimshaw die Banknoten eingehändigt hatte.

Sie warf einen gierigen Blick auf das Geld.

»Wenn das weg ist,« bemerkte sie, »werde ich Ihnen aus der für den Haushalt bestimmten Summe Taschengeld verabreichen müssen. Wir befinden uns genau in demselben Zustand, wie Schiffbrüchige auf einem Floß, die nur einen gewissen Vorrat von Wasser und Speisen besitzen, und wenn Leute in einer solchen Lage sind, ist das erste, was sie tun, daß sie sich auf bestimmte Rationen setzen. Ich möchte,« fuhr Miß Grimshaw fort, »Sie hätten das Gefühl, als ob Sie auf einem Floß wären – und so schlimm ist es nicht einmal. Sie haben ein mietfreies Haus und Wein, der noch nicht bezahlt zu werden braucht. Wie steht es mit Tabak und Zigarren?«

»Ach, zu rauchen ist genug da,« erwiderte French in etwas traurigem Ton. »Außerdem kennt Bewlays mich und gibt mir alles, was ich will, auf Kredit – aber ich denke darüber nach –«

»Nun?«

»Daß andre Ausgaben kommen können. In einer Gegend wie hier, werden die Menschen einen sicherlich besuchen, und wenn sie nun Bridge spielen wollen – oder –«

»Daran lassen Sie uns lieber nicht denken,« unterbrach ihn das junge Mädchen. »Das wäre zu ärgerlich! Warum ist es jetzt nicht Sommer?«

»Im Sommer wird ebensoviel Bridge gespielt wie im Winter.«

»Ja, vermutlich. Aber die dummen Leute verausgaben ihre Energie dann auch im Tennis, und dadurch ist die Krankheit nicht so akut. Nun, wenn Sie Bridge spielen müssen, werde ich das Geld irgendwie für Sie herbeischaffen, selbst wenn ich dadurch gezwungen würde, sämtliche Hausbewohner nur mit Hafermehl zu ernähren. Welche andern Ausgaben könnten möglicherweise an Sie herantreten?«

»Sammellisten und dergleichen werden sicherlich kommen. Und hören Sie! Wenn wir eingeladen werden, müssen wir die Gastfreundschaft, die uns geboten wird, erwidern.«

Mrs. Driscolls phantastische Kochkunst und große Rechnungen von Benoist zogen an Miß Grimshaws geistigem Auge vorüber, aber sie war keine Natur, die sich leicht entmutigen ließ.

»Wenn sie es tun, müssen wir es irgendwie einrichten. Wein haben wir, das ist die Hauptsache. Nebenbei« – eine glänzende Eingebung kam ihr – »ich bin ja nur die Gouvernante. Niemand wird mich besuchen. In Wirklichkeit führen Sie den Hausstand eines Junggesellen und brauchen deshalb nur Herren einzuladen.«

Mr. French sah einen Augenblick verlegen aus, dann begann er: »Ich wollte Ihnen eigentlich etwas sagen« – er stockte und zündete sich eine Zigarette an.

»Nun?«

»Dashwood –«

»Ja?«

»Na, er sagte – also er sagte, diese alten Engländer hier in der Gegend wären eine so eingebildete Bande, daß Sie es hier als Gouvernante tatsächlich nicht leicht haben würden. Deshalb erzählte er einem Bekannten, der hier lebt, daß ich meine Nichte mitbrächte. Verstehen Sie?«

Miß Grimshaw lachte. Sie begriff sofort, was French meinte. Drüben im reinlichen Irland fand niemand etwas darin, wenn eine hübsche junge Erzieherin im Hause eines Witwers lebte und seine Tochter unterrichtete, aber hier war es anders. Hier mußte man sich der Moral des Kaninchenstalles, welche die der englischen Gesellschaft ist, anpassen. Der Gedanke war ihr noch nie gekommen und siehe da! Bobby Dashwood hatte für sie daran gedacht.

»Aber ich bin nicht Ihre Nichte.«

»Nein,« entgegnete French, »aber Sie könnten es doch sein. Und wie sollen sie das wissen? Blödsinnige Gesellschaft, zu glauben, daß eine Erzieherin unter ihnen steht – und Sie sind nicht mal eine Erzieherin. Wahrhaftig,« schloß er lachend in entschuldigendem Tone, »bei uns geht alles drüber und drunter und das Vernünftigste ist, den Knoten zu zerschneiden und sich für verwandt zu erklären. Ich bin nicht mal sicher, ob nicht irgendein French früher mal eine Ihrer Ahnen geheiratet hat –«

»Dadurch würde ich noch nicht Ihre Nichte werden. Aber wie dem auch sei, mir ist es gleich, nur die Dienstboten –«

»Du lieber Himmel, die werden nichts verraten. Sie stemmen sich mit Händen und Füßen gegen die Engländer und würdigen sie keines Worts. Noch heute morgen hörte ich, wie Mrs. Driscoll einen Mann abkanzelte, der Gemüse verkaufen wollte. ›Fort mit Ihnen!‹ sagte sie, ›oder ich hetze Ihnen den Hund auf den Hals, wenn Sie an meine Küchentür 'rumhängen mit Ihre Rüben und all dem Plunder!‹ Der Anblick eines englischen Gesichts setzt sie in Gang wie eine aufgezogene Weckeruhr. Aber was kümmert mich das, wenn sie nur nicht selber geht.«

»Na, dann will ich jetzt mal nachsehen, was Effie macht und was die Leute tun. Mr. Dashwood kommt Ende der Woche, nicht wahr?«

»Ja, er kommt am Freitag.«

»Ein großer Trost ist,« sagte sie, »daß er uns gerade so nimmt, wie wir sind, und daß man seinetwegen keine Ausgaben oder Umstände zu machen braucht.«

Sie verließ das Zimmer. Es war der zweite Morgen nach ihrer Ankunft, und ehe Violet sich zu Effie und den Dienstboten begab, trat sie auf die Veranda hinaus und stand dort einen Augenblick, um auf die Winterlandschaft und die unten liegenden Häuser von Crowsnest einen Blick zu werfen.

Ein unklarer Widerwille regte sich in ihr gegen die Menschen, die in diesen behaglich aussehenden, mit roten Ziegeln gedeckten, von Gärten umgebenen Häusern wohnten. In ihrer Phantasie sah sie die Frauen am Kaminfeuer sitzen, dessen Rauch sich in dünnen Wölkchen durch die Winterluft emporringelte – Frauen, die bei der Vorstellung einer Gouvernante die Nase rümpfen und bei einer angeblichen »Nichte« gar Köpfe und Augen verdrehen würden. Sie malte sich aus, wie bridgeliebende Herren Mr. Frenchs schwache Hilfsquellen erschöpften. Nur eins freute sie: die Umgegend machte einen wohlhabenden Eindruck und deshalb, meinte sie, konnten an die Wohltätigkeit nicht so sehr große Ansprüche gestellt werden. Aber hierbei verrechnete sie sich, weil sie nicht wußte, daß ein großer Teil englischer Liebesgaben ins Ausland geht.

Violet wandte sich ab und ging nach dem Stall, indem sie es nochmals hinausschob, Effie aufzusuchen.

Andy, der den Hof mit einem Eimer durchquerte, berührte seine Mütze, setzte den Eimer nieder und öffnete grinsend und ohne ein Wort die obere Tür der Box, in welcher der Schatz und der Stolz der Frenchs sich aufhielt.

Die Tür war kaum geöffnet, als der scharfe Klang von Pferdehufen auf Pflaster hörbar wurde und ein reizendes Bild in der Öffnung erschien – Garryowens Kopf.

Von Frauenschönheit abgesehen, ist der Kopf eines schönen Pferdes sicherlich das Schönste aller fühlenden Dinge. Wo sonst im Reich der Tiere findet man solche mit Kraft verbundene Anmut, Empfindsamkeit und Zartheit? Wo sonst, selbst auf dem Antlitz des Menschen, so viel Seele?

Selbst auf dem Antlitz des Menschen! Das junge Mädchen dachte an die Gesichter der Männer, denen sie in ihrem Leben begegnet war, und sie verglich diese von Stumpfsinn, Gier, Arbeit oder Vergnügen gestempelten Häupter – sie verglich diese Ebenbilder Gottes mit dem gütigen, herrlichen, feingemeißelten Kopfe Garryowens.

War es möglich, daß Mr. Giveen die Unverschämtheit haben konnte, Garryowen ein untergeordnetes Wesen zu nennen?

Als Violet der Box den Rücken kehrte und ins Haus zurück ging, erschien ihr auch Andys »Fratze« im Vergleich zu Garryowen wie die Maske eines Wasserspeiers.

*

 


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