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IV
Französische Kriegsstimmungen und Kampfmethoden

15. Französische »couleur morale« in Kriegszeiten

Das Mitglied der Französischen Akademie, Déroulèdes Nachfolger als Vorsitzender der »Patriotenliga«, Schriftsteller und Deputierter, Herr Maurice Barrès hat seine in den ersten Monaten des Weltkrieges im Echo de Paris veröffentlichten Zeitungsartikel in Buchform herausgegeben. Um »die couleur morale« jener tragischen Tage zu bewahren, wie er in der Vorrede sagt. Das Buch heißt L'âme française et la guerre. L'union Sacrée Paris 1915..

Herr Barrès ist als ein »großer Patriot« nach französischem Zuschnitt bekannt und anerkannt. Und viele Seiten dieses Buches sind sicherlich dazu geeignet, diesen seinen Ruf als französischer Patriot noch zu verstärken. Daß er, der Mann aus dem Wasgenwalde, französischer Patriot ist – das kann ihn dem Außenstehenden natürlich so sympathisch machen, wie er wohl erwartet, daß es geschehen soll. Aber er erwartet ohne Zweifel auch Sympathie wegen seines Deutschenhasses – nicht allein in Frankreich und, gerade jetzt, innerhalb der ganzen Entente, sondern auch, nach alter guter französischer Gewohnheit und Überzeugung, dans l'univers überhaupt.

Ah! l'Allemagne, en face de la France si pure, se souille de tous les crimes, et l'univers en est témoin Op. cit., S. 60.

Also auf der einen Seite Frankreich, » si pure«, und auf der anderen Deutschland, das »sich mit allen Verbrechen besudelt«. Und als Zeuge: » l'univers«.

Es gibt gegenwärtig auch, ganz richtig, eine Art Menschen in dieser vortrefflichen Welt, die aus politischem und moralischem Instinkte auch in diesem Punkte mit Herrn Barrès sympathisieren, sie seien nun Franzosen, politisch zur Entente Gehörende oder nur Entente-Neutrale. Aber unsere Welt ist, leider, nicht vollendet gut. Sie beherbergt auch noch eine andere Sorte. Nämlich Menschen, die, ebenfalls aus politischem und moralischem Instinkte, etwas ganz anderes als Sympathie mit solcher couleur morale toute française empfinden.

Das am 26. Oktober 1914 geschriebene Kapitel des Buches (XXX, Die Blechschmiede der Hohenzollern) beginnt mit folgenden Worten Op. cit., S. 351.: »Die Französische Akademie ist rein. Wir haben keine deutschen Mitglieder oder Korrespondenten mehr. So ist es bei uns nun Heller als in den anderen Abteilungen des Institutes. Doch es unterliegt keinem Zweifel, daß sie alle eine Ehre darin sehen werden, den kameradschaftlichen Verkehr mit dem Volke abzubrechen, das erklärt, unsere Nation vernichten zu wollen Hier und in den folgenden Zitaten dieses Kapitels lasse ich die Worte und Ausdrücke, die mir besonders beachtenswert scheinen, gesperrt wiedergeben..« Und ein paar Seiten weiter heißt es: »die deutschen Ordensdekorationen sind für einen Franzosen niemals eine Ehre gewesen Op. cit., S. 353.

Es ist nicht meine Absicht, noch mehr Enthüllungen der âme française während des Krieges aus dem Buche des Herrn Barrès auszugraben. Es erscheint mir sowohl lehrreicher wie angenehmer, in diesem Kapitel noch Raum für auch andere französische Kulturträger behalten zu können. Aber wenigstens eine Reflexion soll nicht unterdrückt werden.

Die Frage, ob Herr Barrès glaubt, daß die deutsche »Nation erklärt« habe, die französische »Nation vernichten zu wollen«, läßt sich leider mit Hinweisen auf eine bekannte Tatsache beantworten – auf die nämlich, daß die Kenntnis der Franzosen, auch in Friedenszeit, von ihrem großen östlichen Nachbarvolke in der Regel lebhaft an unser aller Kenntnis von den Bewohnern des Planeten Mars erinnert.

Aber, wird ein Kriegspsychologe einwenden, Herr Barrès kann, als Patriot, unter den gegebenen Verhältnissen gar nicht auf den Gedanken verfallen, etwas anderes zu sagen als Dinge, wodurch die Kampflust des französischen Volkes möglichst heftig angestachelt wird. Worauf zu erwidern ist, daß der bloße Gedanke, das französische Heer oder das französische Volk bedürfe in einer solchen Lage derartiger Reizmittel, unmöglich anders aufzufassen ist, denn als Beleidigung.

Ich komme nicht über die Tatsache hinweg, daß eine stolze Nation, ein Volk mit männlicher Psyche, beim Ringen mit einem starken gefährlichen Gegner gar nicht anders kann als jeden Nerv und jede Muskel anspannen – ohne glauben zu brauchen, daß der Feind »erklärt« habe, den Besiegten vernichten zu wollen. Männlich gesunde Seelen muß es geradezu widerlich berühren, sich selber auf ganz feminine Weise als » si pure« beschreiben zu hören, den Gegner mit dem Beiworte »mit allen Verbrechen besudelt« bezeichnet zu sehen und zu wissen, daß »das Weltall« zum Zeugen dieser kompromittierenden Gegenüberstellung angerufen wird.

Übertreibungen in Wort und Tat gehören zum Kriege – denn größer ist unsere Seelenkraft noch nicht. Doch ich weigere mich zu glauben, daß l'âme française wirklich so schwach ist, wie Barrès sie hinstellt. Hierbei hat sich sicherlich die Boulevardhysterie mit ihrer couleur morale wieder einmal vorgedrängt.

 

Das Mitglied der Französischen Akademie, Herr Emile Boutroux, hat am 28. September 1914 einen Brief an die Revue des Deux-Mondes geschrieben, und der Schriftleiter dieser Zeitschrift, das Mitglied der Französischen Akademie Herr F. Charmes, versichert in der dazu verfaßten Einleitung, daß »niemand mit größerer Autorität über Deutschland sprechen« könne, denn niemand kenne »das Deutschland von gestern und das heutige so gut« oder sei besser imstande, einen Vergleich zwischen ihnen anzustellen, »der für das gegenwärtige verpreußte Deutschland zum Urteil und zum Verwerfungsurteil« werde Emile Boutroux, L'Allemagne et la Guerre, Paris 1915, S. 3..

Das »Urteil« der »Autorität« lautet auf wahnsinnige, metaphysisch-religiös bemäntelte Herrschsucht und unheilbare Barbarei. »Das, was Deutschland anstrebt, ist die Ausübung der Herrschermacht, der einzigen Rolle, die dem auserwählten Volke Gottes ziemt Op. cit., S. 21..« »Das Volk Gottes vereinigt also ein Maximum an Wissenschaftlichkeit mit einem Maximum an Barbarei – – – Barbarei, gesteigert durch Wissenschaft Op. cit., S. 26..« »In wissenschaftlicher und systematischer Weise hat Deutschland die Zerstörungswut der Hunnen gegen unsere hellenische, christliche und humane Zivilisation ausgespielt« – nämlich während des jetzt stattfindenden Krieges. »Alle Schleier sind zerrissen; die deutsche Kultur ist in Wirklichkeit nichts anderes als gelehrte Barbarei Op. cit., S. 27.

In der Zeitung Petit Parisien vom 1. Dezember 1914 erklärte der autoritative Herr Boutroux unter anderem folgendes. »Die Untertanen Wilhelms des Zweiten begnügen sich nicht länger mit der Hegemonie. Es ist ihnen klar geworden, daß sie anderen Völkern in jeder Hinsicht unendlich überlegen sind, daß sie die stärksten sind und daher das Recht haben, zu wollen, was ihnen gefällt.« »Sollte Deutschland siegen, so würde sein Wille unbedingt das Gesetz der Besiegten werden und aus den annektierten Ländern würden alle Bewohner, die nicht niedergemetzelt worden sind, vertrieben werden Op. cit., S. 37.

Noch interessanter ist der in den Daily News vom 7. Dezember 1914 veröffentlichte Brief des autoritativen Herrn Boutroux, weil er dem Leser einen tieferen Einblick in die eigene Denkwerkstatt und die Gemütsart des französischen »Patrioten« gibt. »Deutschlands feindliche Handlungen im Jahre 1905« gegen Frankreich in Marokko zeigten, daß »Deutschland tatsächlich entschlossen war, Gewalt anzuwenden, um ses ambitions démesurées zu befriedigen Op. cit., S. 42..« Von jenem Augenblicke an sei den französischen »Patrioten« die »Möglichkeit«, ja Wahrscheinlichkeit, klar gewesen, daß es »in naher Zukunft« zu dem jetzigen Kriege kommen werde, zu jenem Kriege, über welchen die ältere Generation »hauptsächlich theoretisiert« habe. Nun aber, nach der Marokkokrise des Jahres 1905, hätten die französischen Patrioten »mit ruhiger Entschlossenheit« jenen Gedanken an den kommenden Krieg« in der stillen, überlegten Hoffnung aufgenommen, »das Vaterland endlich Genugtuung für die Demütigungen erhalten zu sehen, die seine Feinde ihm mit Wonne durch den Frankfurter Frieden zugefügt, und Frankreich mit neuem Prestige seine Rolle des Verteidigers der Gerechtigkeit und Freiheit in der Welt wieder aufnehmen zu sehen Op. cit., S. 43.

Herr Boutroux enthüllt hier die Wahrheit über die Unvermeidlichkeit des neuen Krieges zwischen Frankreich und Deutschland noch mehr. Die koloniale Ausdehnung Frankreichs zeigte 1905 wirklich alle Anzeichen der »Maßlosigkeit«, besonders neben der deutschen und im Vergleich mit dem Bedürfnis Deutschlands an offenen kolonialen Gebieten zu künftiger wirtschaftlicher Entwicklung. Ist es nun dem Franzosen, dem Ritter der »Gerechtigkeit« und der »Freiheit«, ganz unmöglich, zu verstehen, daß die »Gerechtigkeit« gegen Deutschland und die Rücksicht auf die »Freiheit« des deutschen Volkes unbedingt verlangen, daß Frankreichs kolonialer Aggressivität gewisse Grenzen gesetzt werden, und ist er gänzlich unfähig, in einem derartigen Bestreben von seiten des in kolonialer Hinsicht bisher so maßvollen, bescheidenen Deutschen Reiches etwas anderes zu sehen als » des ambitions désemurées« – ja, dann mußte ja der neue Krieg zwischen Frankreich und Deutschland eines Tages nicht mehr zu vermeiden sein, obwohl mit einer Rollenverteilung, die derjenigen gerade entgegengesetzt ist, welche der »autoritative« Herr Boutroux hier, nicht ohne Zusammenhang mit der Auffassung der Franzosen, daß der Frankfurter Friede nur ein Waffenstillstand anstatt eines Friedens gewesen sei, ankündigt.

Ich glaube nicht, daß die Wahrheit über den wirklichen Gegensatz zwischen Frankreich und Deutschland und über die darin liegenden Ursachen des Weltkrieges überhaupt sich klarer darlegen läßt, als Herr Boutroux es hier unter harmloser Anwendung der Gesichtspunkte und der Redeweise des französischen »Patrioten« getan hat.

Damit es der »Autorität« des Herrn Boutroux nicht an noch einer gebührenden Stütze fehle, führe ich zum Schlusse noch einen seiner Aussprüche über die deutsche Kriegsführung im Weltkriege an. »Es war klar, daß die Deutschen sich jetzt nicht nur vornahmen, zu siegen, sondern auch zu töten und zu zerstören, ganz einfach aus dem Grunde, um selbst an die Stelle der früheren Einwohner in den eroberten Gebieten zu treten. Sie nahmen sich vor, die Bevölkerung auszurotten und erschossen mit Vergnügen Frauen und Kinder. Sie steckten mit Vorliebe, unter den verlogensten, erbärmlichsten Vorwänden, die Gebäude in Brand, welche durch künstlerische Schönheit und geschichtliche Erinnerungen Symbole und Stützen der Nationalität der Bevölkerung sind.« Op. cit., S. 44-45.

 

Offensichtlich spielt die Vorstellung dieser wirklich superlativen Barbarei bei Herrn Boutroux die Rolle einer kräftigen Stütze seiner Theorie über die » ambitions démesurées« der Deutschen. Die letzteren kehren nämlich, nebst der »Barbarei«, in allen wissenschaftlicher gehaltenen französischen Kriegsbüchern, die ich gelesen habe, wieder. Herr Léon Daudet z. B. redet klar und deutlich von den » projets de domination, d'impérialisme universel« Hors du joug allemand. Mesures d'aprés-guerre, Paris 1915, S. 2..

Dieser Schriftsteller setzt uns mit großer Gründlichkeit auseinander, wie deutsche Philosophie und deutsche wirtschaftliche Unternehmungslust den Versuch einer Welteroberung durch Waffengewalt, den wir jetzt erleben, systematisch vorbereitet haben.

Der Sieg der Entente müsse wirklich fruchtbringend für die Zukunft werden. Frankreich dürfe nach einem Siege über Deutschland nichts von einem Nachbarn zu fürchten haben, der » même morcelé« und » délivré du joug prussien« gefährlich sein könne. Es vernotwendige sich, bereits jetzt alle deutschen Einflüsse in Frankreich mit der Wurzel auszureißen – »damit es künftig möglich sei, unsere schlechten Nachbarn daran zu verhindern, daß sie uns mit ihren ungesunden Lehren vergiften und uns mit ihren gefährlichen wirtschaftlichen Unternehmungen bedrohen« Op. cit., S. 3..

Frankreichs geistige Befreiung müsse in der »Dekantisierung des höheren französischen Unterrichtes« bestehen, also in der Befreiung von den auf die Werke Immanuel Kants gegründeten philosophischen Anschauungen und Methoden. Dies sei » la défense nationale intellectuelle«. »Was würde es nützen, das Ansehen der deutschen Armee vernichtet zu haben, wenn wir fortführen, die Philosophie, die den Geist, welcher diese Armee erschaffen hat, beherrscht, zu pflegen und anzuwenden – – – –?« Op. cit., S. 118. » Cette forme éducative de la Revanche ne sera certes pas la moins importante.« Op. cit., S. 121.

Nachdem Herr Daudet diese wichtige Angelegenheit auf 132 Oktavseiten klargestellt hat, schickt er sich an, »zu enthüllen, wie Deutschland seine industrielle und kommerzielle Expansion seit ungefähr zwanzig Jahren seinen Kriegsplänen auf methodische Weise und in ungeheuerem Umfange hat dienen lassen« Op. cit., S. 131.. »Es ist nämlich jetzt möglich, ein vollständiges Bild der verbrecherischen Pläne der Deutschen zu geben.« Und »es ist jetzt öffentlich bekannt, daß Deutschland sich sorgfältig auf den Krieg vorbereitet hat, den man nicht nur im Generalstabe, in den Kasernen und Zeughäusern, sondern auch bei uns, auf unserem eigenen Boden, als gegen Frankreich bevorstehend ansah« Op. cit., S. 133.. Dann folgt eine fast 200 Seiten starke Einzelschilderung der betreffenden scheußlichen deutschen Maßnahmen in Frankreich – welche mit der gebührenden wissenschaftlichen Sachlichkeit und Gründlichkeit zu studieren, die französischen Zivil- und Militärbehörden merkwürdigerweise ganz Herrn Léon Daudet überlassen zu haben scheinen.

Herrn Daudets » forme éducative de la Revanche« führt ungesucht zu einer Untersuchung über » Les causes profondes de la Guerre«, die Herr Emile Hovelague, Inspecteur général de l'Instruction publique, angestellt hat Paris 1915.. Die Untersuchung »erklärt die Barbarei, die Frankreich bluten macht« und »enthält keine einzige Behauptung«, die der Verfasser »nicht auf einen Beweis stützen kann« Op. cit., S. 3..

Herr Hovelaque zeigt, daß eine der allertiefsten Ursachen in der vollständigen Unfähigkeit der Deutschen, andere Völker zu verstehen, zu suchen ist. Und belegt diese Tatsache besonders dadurch mit Beispielen, daß er das gehässige deutsche Verkennen der tugendhaften Engländer analysiert. Auf diese Weise gelangt er zu einer sehr interessanten, sehr wertvollen allgemeinen These über die Geistesbeschaffenheit der Deutschen. »Die Analyse dieser Thesen und dieser Theorie beweist die fundamentale Unfähigkeit des deutschen Gehirns, andere Wirklichkeiten als die materiellen zu fassen. Die geistigen Wirklichkeiten kann dies geometrische Denken, können diese starren Metaphysiker = raisonnements, diese mechanischen Auffassungen des Lebens nicht greifen«. Die geistigen Wirklichkeiten »entgehen« dem deutschen Denken »gänzlich« Op. cit., S. 6..

Es scheint besonders das Deutschland nach 1870 zu sein, das mit diesem intellektuellen Starrkrampfe behaftet ist. Denn dies Deutschland »zeigt uns das in der Geschichte einzig dastehende Beispiel eines Volkes, das ganz und gar durch Pedanten erschaffen worden ist und das ganz und gar in intellektueller Beziehung von seinen docteurs diaboliques beherrscht wird« Op. cit., S. 8..

Der Weltkrieg ist demnach »der Endpunkt der ungeheuerlichen Entwicklung eines Räubervolkes, das künstlich nur dazu erschaffen worden ist, den Zwecken der Gewalt zu dienen«. Der Weltkrieg ist » une guerre religieuse« und »kann, wie alle Religionskriege nur mit der Vernichtung einer der kämpfenden Religionen und mit dem endgültigen Siege des einen Ideales über das andere enden«. Auf der einen Seite, der deutschen, haben wir »einen Versuch, die unendliche Mannigfaltigkeit der Welt und der Geister auf die dürre Einförmigkeit einer einzigen Kultur zu reduzieren und alle Völker unter die autokratische Tyrannei eines einzigen Staates zu beugen«. Und auf der anderen, der französischen und russischen, sowie der englischen und japanischen Seite des Weltkrieges, gewahren wir »alles, was Griechenland, Rom, Judäa und das christliche, zivilisierte Europa und was das universale Streben des menschlichen Geistes und der menschlichen Seele seit ihrem Bestehen geleistet«, um, wie Emile Boutroux sagt, »im Menschenleben das Höhere zur Herrschaft über das Gemeinere zu bringen, die Gerechtigkeit über die Gewalt, die Vernunft über den blinden Impuls, die Güte über die Bosheit herrschen zu lassen und um in der Welt eine moralische Kraft zu erschaffen, die imstande ist, die materiellen Kräfte zu beherrschen und sie zu humanisieren« Hovelaque, op. cit., S. 56-58..

Auch nach Herrn Hovelaques Ansicht ist also Rußland (und vielleicht auch das der Entente so nützliche Japan) geistig »Griechenland, Rom und Judäa sowie dem christlichen, zivilisierten Europa« verwandter als das deutsche »Räubervolk«. Er kommt in seinen politisch-religiösen Schwärmereien tatsächlich immer wieder darauf zurück, la Russie mit la France und I'Angleterre in eine Reihe zu stellen. Möglicherweise aus reiner Unkenntnis des Russenstaates im allgemeinen und der russischen Kriegsführung während des Weltkrieges in Ostpreußen, in Galizien und innerhalb seiner eigenen alten Grenzen im besonderen. Dagegen schwebt er nicht darüber in Unkenntnis, daß »Deutschland nicht nur in Europa jener erdrosselnden Einkreisung, woran es immer gelitten, unterworfen ist« Op. cit., S. 55. – d. h. daß die Dreieinigkeit Frankreich-Rußland-England, Deutschlands geographische Entwicklungswege auf allen Seiten sperrt und »kontrolliert« und daß dies eine der » causes profondes de cette guerre« ist. Seine echtfranzösische Wertung der geistigen Eigenart Deutschlands, natürlich in erster Reihe im Verhältnis zur französischen, läßt ihn ganz einfach in dem Weltkriege »auf Flanderns und Polens (!) verschneiten Ebenen« die sich in der »Gegenwart« abspielende »Fortsetzung des antiken Kampfes zwischen Licht und Finsternis« erblicken.

Jedoch das Eigentümliche an diesem in ruhigem, sachlichem Tone von einem inspecteur général de l'instruction publique geschriebenen Buche, das »keine einzige Behauptung enthält«, die der Verfasser »nicht auf einen Beweis stützen kann«, ist keineswegs seine Überspanntheit, sondern der Umstand, daß es der vollkommene Typus der nationalen französischen Stimmung im gegenwärtigen Augenblick ist.


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