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Viertes Kapitel.
Erster Aufenthalt in Italien und Rückkehr nach Deutschland.

1512-1513.

Als ächtes Mitglied des Humanistenordens hätte sich Hutten kaum betrachten dürfen, ohne nach dem Beispiele so vieler Vorgänger die Wallfahrt in das Heimathland des Humanismus gemacht zu haben; wo überdieß auch für das Rechtsstudium, zu welchem ihn der Vater drängte, die meiste Förderung zu finden war.

Ueber den Weg, den Hutten nahm, ist nichts bekannt; aber um die Mitte des April traf er in Pavia ein, wo er in der That, des Vaters Wunsche sich fügend, das Rechtsstudium in Angriff nahm. Er hörte Vorlesungen bei dem berühmten Rechtsgelehrten Jason Mainus; doch nahm er daneben auch im Griechischen Unterricht, wobei er den Augsburger Aegidius Rem zum Mitschüler hatte. Aber mit seiner Gesundheit stand es übel: er hinkte, da in Folge seiner Krankheit die Beine durch Geschwüre und Auswüchse schmerzhaft, und besonders das linke beinahe unbrauchbar geworden war. Noch hielten die Franzosen die Lombardei; aber wenige Tage vor Hutten's Ankunft war in der mörderischen Schlacht bei Ravenna der französische Feldherr, Gaston de Foix, siegreich, doch unersetzlich, gefallen (11. April 1512): und nun drangen, vom Papste gerufen und vom Kaiser zugelassen, 20,000 Schweizer in das Land. Im Juli, als Hutten kaum ein Vierteljahr seinen Studien obgelegen hatte, rückten sie vor Pavia. Die Franzosen suchten es zu behaupten und hielten den jungen Ritter, der ihnen jetzt, als Unterthan des Kaisers, verdächtig sein mochte, drei ganze Tage in einem engen Gemache belagert. Noch dazu am Fieber leidend, hielt er sich für einen verlorenen Mann. Da dichtete er sich die

Grabschrift:

Der, zum Jammer gezeugt, ein unglückseliges Leben
Lebte, von Uebeln zu Land, Uebeln zu Wasser verfolgt,
Hier liegt Hutten's Gebein. Ihm, der nichts Arges verschuldet,
Wurde von gallischem Schwert grausam das Leben geraubt.
War vom Geschick ihm bestimmt, nur Unglücksjahre zu schauen,
Ach, dann war es erwünscht, daß er so zeitig erlag.
Er, von Gefahren umringt, wich nicht vom Dienste der Musen,
Und so gut er's vermocht, sprach er im Liede sich aus. So in dem gleich anzuführenden Briefe an Fachus, Schriften I, S. 26. Vermehrt, aber, wie dieß mit dergleichen Sachen so gerne geht, nicht verbessert, in Hutten's Epigrammen an Kaiser Max, Schriften III, S. 225, Nr. 47.

Endlich mußten die Franzosen die Stadt räumen, die Schweizer drangen ein, aber Hutten's Lage wurde darum nicht besser. Die Schweizer, die in ihm einen Mitkämpfer der Franzosen sahen, plünderten ihn aus und schleppten ihn elend herum, bis es ihm endlich gelang, sich mit dem Verlust eines Theils von dem Wenigen, das ihm noch geblieben war, loszukaufen. In Pavia, wo nun Getümmel und Blutvergießen, Hunger und Pest wütheten, war für ihn kein längeres Bleiben: so wanderte er noch im Juli nach Bologna, wo er einen schönen Kreis von Gelehrten fand. Aber er brauchte den Arzt, und der Rest seiner Mittel war bald erschöpft.

Das Bisherige ist der betrübte Inhalt eines gemüthlichen, ja mitunter launigen Schreibens aus Bologna vom 21. August an den wittenberger Gastfreund Balthasar Fachus. Daß Hutten ihm kurz schreibe, geschehe nicht, als ob er auch von dem Freunde nur einen kurzen Brief haben wollte, sondern lediglich, weil die Ueberbringer sich beschwert meinen, wenn man ihnen große Briefe mitgebe. Im Gegentheil solle Fachus ihm recht ausführlich über Alles schreiben, wovon er denken könne, daß es ihn interessiren werde. Was ihn betreffe, so ahme er immer noch den Vulcan nach, und zwar noch bedeutend ärger, als wie der Freund ihn kürzlich gesehen; er wisse nicht, solle er es dem Schicksal, oder vielmehr seiner Unvorsichtigkeit zuschreiben, da er sich im zarten Alter zu wenig geschont habe. Dennoch wünsche er sich Glück, auf dem Wege zu den schönen Wissenschaften so Manches gefunden zu haben, was er am wenigsten gesucht. Wie es denn nun aber dem Freunde gehe? Ob er sich entschlossen habe, ein Weib oder die Tonsur zu nehmen? oder ob er, nach seiner gewöhnlichen Antwort, eben Fachus bleibe? Hierauf folgt die bereits mitgetheilte Erzählung von Hutten's Erlebnissen in Italien; dann der Schluß, daß er nun bald in Bologna von dem Freunde einen Brief, doch nicht blos von drei oder vier Worten, wie derselbe an gewöhnliche Bekannte zu schreiben pflege, zu erhalten hoffe.

Die Briefe Hutten's (von denen dieß eigentlich der erste ist, der uns begegnet; das Bisherige waren Dedicationen) bilden einen wesentlichen und höchst schätzbaren Theil seiner literarischen Hervorbringungen. Durchaus sind es wirkliche Briefe; niemals, wie so oft die Erasmischen, bisweilen auch die Mutianischen, bloße Stilübungen oder Gelehrsamkeitsproben. An Gemüth und Laune stehen sie den Eobanischen nahe, vor denen sie aber, je weiter wir im Leben Hutten's vorrücken, um so mehr das Gepräge seiner drängenden Thatkraft und fortreißenden Ueberredungsgabe voraus haben werden.

Um diese Zeit kam Matthäus Lang, Bischof von Gurk und einer der vertrautesten Räthe des Kaisers, als dessen Gesandter an den Papst Julius II., der den Frieden mit Venedig vermitteln wollte, durch Bologna. Die Italiener, in ihrer Art, überhäuften den vermeinten Friedensboten mit Reden und Gedichten. Da wollten die Deutschen in der Stadt den Schein nicht haben, als wäre unter ihnen keiner im Stande, etwas Aehnliches zu machen, und forderten daher Hutten auf, etwas zu diesem Zwecke zu schreiben. Hutten verstand sich dazu und verfaßte ein Lobgedicht, das nun abgeschrieben und prächtig gebunden dem kaiserlichen Gesandten überreicht wurde. Der jedoch nahm es mit einer Gleichgültigkeit auf, die dem jungen Poeten sehr empfindlich war. Dennoch machte er den Versuch, auf gewichtige Empfehlungen gestützt, unter das Gefolge des Bischofs (den gleich darauf der Papst zum Cardinal creirte) aufgenommen zu werden: vergebens. Der Bischof that, als bemerkte er ihn nicht, wenn er ihm in Bologna begegnete; da doch der bloße Aufzug des armen Musensohns eine dringende Mahnung an den hochstehenden Mann war, für die empfangene Huldigung sich erkenntlich zu zeigen. Diese Vernachlässigung hat Hutten dem Cardinal Lang zeitlebens nicht vergessen.

Der äußerste Mangel nöthigte Hutten endlich, Kriegsdienste zu nehmen; obwohl ihm auch dadurch nur nothdürftig geholfen wurde. Eine traurige Störung seiner Studien, überdieß bei seiner andauernden Krankheit, besonders dem Leiden am Fuße, ein Leben voll Qual: aber der geniale Mensch kann in keine Lage kommen (sie müßte denn seine Thätigkeit völlig aufheben), aus der er nicht für sich und die Welt Früchte zu gewinnen wüßte. So gewann Hutten und gewann die Nachwelt, ich will nicht sagen aus seinem Kriegsdienst, aber doch aus dem Kriegsgetümmel, in das sein italienischer Aufenthalt hineinfiel, eines seiner frischesten, reizendsten Werke: sein Buch Epigramme an den Kaiser Maximilian. Ulrichi de Hutten eq. Germ. ad Cæsarem Maximilianum Epigrammatum liber unus. Schriften III, S. 205-268. Das Vorwort an den Kaiser, I, S. 234 f. Sie sind, wie er selbst in dem später geschriebenen Vorworte sagt, an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten entstanden, veranlaßt durch Vorgänge, deren einige er miterlebte, andere von dritten Personen erfuhr; ein Theil erscheint als gleichartig und wohl auch gleichzeitig mit dem noch in Deutschland entstandenen Aufmahnungsgedicht an Maximilian; ein anderer mag in Pavia und Bologna vor, während und nach Hutten's Kriegerleben gedichtet worden sein; ja einzelne Stücke sind erst während seines zweiten italienischen Aufenthalts hinzugefügt worden. So folgt das Büchlein dem wechselnden Gange des sich hinziehenden Kriegs, und bringt uns Siege und Niederlagen, Hoffnung und Furcht, Gewinn und Verlust von Städten und Landschaften, die Knüpfung und Lösung von Bündnissen, zur lebendigsten Anschauung.

Nach zwei Einleitungsgedichten über das Buch und den Dichter wendet sich dieser dazu, die lange Unthätigkeit der deutschen Kaisermacht zu entschuldigen und als bloßen Schein, als Vorbereitung auf künftige Thaten, darzustellen.

Von dem Adler.

Seht den gewaltigen Aar, der jetzt unblutig und friedsam
Tag' und Jahre sich halb schlafend in Ruhe gewiegt.
Aber es greif' ihn einer nur an und störe die Rast ihm:
Sterben will ich, wofern der sich nicht übel gethan.
Nimmer ist dieß ja ein Schlaf, aus dem kein Erwachen es gäbe;
Oft schon hat er, gereizt, auf aus der Ruh' sich gerafft;
Und wenn kühn er vom Boden sich schwingt in die offenen Lüfte,
Wehe, wie breitet er dann Schrecken und Furcht um sich her!

Maximilian allerdings ist mehr als so mancher seiner kriegsgewaltigen Vorgänger mit menschlichen, friedlichen Tugenden geziert; doch ist seine Friedensliebe nur Langmuth, nicht Mangel an Muth, wie sein endliches Losbrechen beweist.

Sofort werden wir vor Padua, mitten in den Kampf, geführt. Die Venezianer drinnen, die Kaiserlichen außen; Hutten, dem es leid ist, daß sein Fußübel ihn zur Theilnahme am Kampfe unfähig macht, gibt erst scherzhaft vor, nur als wißbegieriger Reisender, nicht als Krieger gekommen zu sein, dann aber wünscht er sich den Tod. Ein andermal übrigens, als er den Mauern zu nahe gekommen ist, und die Geschosse der Belagerten um ihn schwirren, zieht er sich doch, so schnell es mit dem lahmen Fuße gehen will, zurück. Ueber eine kleine Schlappe, die sie den Kaiserlichen beigebracht, frohlocken die Venezianer zu früh; bald wird sich der Adler wieder erheben. Bei Cremona hat er den Fröschen übel mitgespielt:

Vom Kaiser und den Venezianern.

Jüngsthin wagte der Frosch sich hervor aus den Sümpfen Venedigs,
Und auf dem trockenen Land quakt' er: Der Boden ist mein!
Doch ihn erspähte der Vogel des Zeus von erhabener Warte,
Packt mit den Krallen und wirft derb in den Pfuhl ihn zurück.

Was, wie verschiedene andere dieser Epigramme, in der Originalausgabe durch einen ergetzlichen Holzschnitt illustrirt wird. Allgemein ist Venedigs grausame, räuberische Herrschaft verhaßt. Sein Feldherr Bartolommeo d'Alviano ein Muster von Treu- und Gottlosigkeit. Dagegen wird dem deutschen Feldhauptmann Jakob von Ems, der in der blutigen Schlacht bei Ravenna fiel, ein Ehrendenkmal gesetzt, auch die Tapferkeit des jungen sächsischen Edeln Joachim von Maltzan, mit dem sich Hutten damals befreundete, in zwei Epigrammen gepriesen. Dem stolzen Venedig wird's noch schlimmer ergehen als Troja und Babylon, Karthago und Korinth. Die Wandlung von Venedigs Glück und die Wandelbarkeit des Glücks überhaupt ist das Thema einer Reihe von Epigrammen.

Hierauf wendet sich der Dichter mehr gegen die Franzosen, welche, beim Beginne des Kriegs die Bundesgenossen des Kaisers, ihm zuletzt als Feinde gegenüberstanden. Schon bald von Anfang war ein Epigramm eingestreut, das in merkwürdigem Beispiele zeigt, wie Nationen über Jahrhunderte hinüber gewisse Eigenschaften beibehalten.

Auf die Franzosen, als sie dem Kaiser die Flucht andichteten.

Armer Franzos, du tröstest dich selbst und erdichtest dir Freuden,
Daß nur keiner im Volk glaube, dir geh' es so schlimm.
Lüge nur zu und tröste mit Hehlen dich über dein Unglück,
Wenn nur der Kaiser indeß Thaten um Thaten vollbringt.
Rühme dich immer, er sei kriegsmatt und beginne den Rückzug,
Während mit Siegergewalt er dich im Nacken bedrängt.

Der Hochmuth des Hahns, der sich über den Adler dünke, aber einst noch berupft heimkehren werde, wird in verschiedenen Wendungen verspottet. Auch hier folgen die Epigramme den Schwankungen des Kriegsglücks. Die Franzosen haben Mailand; werden zurückgeschlagen; unter gräulichem Unwetter räumen sie die Lombardei. Hier findet sich ein Epigramm, das man gestern gedichtet glauben könnte.

Auf des Hahns Flucht aus Italien.

Warum flieht mit blutigem Kamm und zerrauftem Gefieder
Jetzo der Hahn, noch jüngst Schrecken der Vögel umher?
Darum, weil er dem Frieden den Streit vorzog und den Kriegslärm,
Ueber den Adler hinaus keck sich zu schwingen bedacht.
Doch der merkte den Trug, und nachdem schon viel er ertragen,
Setzt' er sich, endlich ergrimmt, scharf mit den Krallen zur Wehr.
Wer den, der ihm ein Freund sein wollte, sich lieber zum Feind macht,
Geht's dem schlecht, so bezeugt jeder: ihm ward nur sein Recht.

Mittlerweile erlebt man das Ueberraschende, daß Hahn und Frosch (oder Löwe, d. h. Venedig), die sich bis dahin tödtlich bekämpft hatten, gegen den Adler sich verbünden (März 1513). Aber die Verbindung ist zu unnatürlich und der Gegner zu gewaltig, als daß sie sich günstigen Erfolg versprechen dürfte.

Die Bewerber um die Herrschaft über Italien.

Drei umwerben mich jetzt (Italia klagt's dem Apollo),
Widrige Freier zumal: Venedig, der Deutsche, der Franke;
Der voll Trug, der Andre voll Wein, der Dritte voll Hochmuth.
Muß es denn sein, so bedenke mich doch mit erträglichem Joche. –
Stets treulos, erwiedert der Gott, ist Venedig; der Franke
Stets hochmüthig; der Deutsche nicht immer betrunken: so wähle!

Das Merkwürdigste für Hutten's weitere Entwicklung ist nun aber, daß gegen den Schluß die Epigramme sich wider den Papst richten. Noch im Jahre vor Hutten's Ankunft in Italien war Papst Julius II. als Krieger in jenen Gegenden gewesen, hatte die Belagerung von Mirandola persönlich geleitet, und war in die eroberte Stadt mit dem Schwert in der Hand auf einer Sturmleiter eingestiegen. Er war, wenn auch nicht der einzige Urheber, doch der Lenker der Kriege jener Zeit: der Widerspruch zwischen der geistlichen Bestimmung und der weltlichen Stellung des Papstthums war nie greller hervorgetreten. Daß Hutten dem Schauplatze der durch ihn erregten Kriege so nahe kam, deren verheerende Folgen aus unmittelbarer Erfahrung kennen lernte, war von großer Wichtigkeit. Julius II. und sein Wirken war es, wodurch ihm über das Papstthum überhaupt die Augen geöffnet wurden. Statt eines Hirten ein Wolf, statt der Schlüssel Petri mit dem Schwerte Pauli bewaffnet, aber nicht, um, wie der Apostel, davon zu fallen, sondern Andere damit zu fällen. Nun wendet sich aber Hutten auch gegen die Sitten des Papstes, gegen seinen Ablaß- und Bullenhandel, die Ausbeutung Deutschlands von Seiten des päpstlichen Hofs. Er, der sich in Stahl hüllt – so beschreibt er ihn – durch Bart und Haar schrecklich anzusehen, mit dem wilden Auge unter der trotzigen Stirn, mit furchtbar drohender Miene, der mit Schwert und Geschoß zu Land und zu Wasser die Völker mordet und die Fürsten in Kriege verwickelt; er, das Verderben der Welt, die Pest des Menschengeschlechts, dessen Arbeit Tod, dessen Erholung die schändlichste Ausschweifung ist; er, in allen Stücken Christo und Petro unähnlich: was thut oder was hat er noch, das des päpstlichen Namens würdig wäre?

Von Julius' Ablaß.

Wie doch die gläubige Welt der Krämer Julius anführt,
Welcher den Himmel verkauft, den er doch selbst nicht besitzt.
Biete mir feil, was du hast! Wie schamlos ist's, zu verkaufen,
Was, o Julius, dir eben am meisten gebricht.
Kämen die Riesen zurück: um Jupiter wär' es geschehen;
Julius gäbe fürwahr ihnen zu Kauf den Olymp.
Aber so lang' im Himmel ein Anderer herrschet und donnert,
Stell' ich um himmlisches Gut nimmer als Käufer mich ein.

Von demselben.

Dreimal hab' ich mir nun die Freuden des ewigen Lebens,
Und was weiter ich kaum wagte zu hoffen, erkauft.
Dreifach hab' ich dafür den Schein mit dem Namen empfangen,
Und mit dem Siegel in Wachs: aber nur Namen und Schein.
Dreifach war ich ein Thor: denn wer mag hoffen, zu kaufen,
Was, wer's etwa besitzt, sicher verkaufen nicht mag;
Wollt' er jedoch, so könnt' er es nicht verkaufen. Der Himmel
Steht um den einzigen Preis redlichen Wandels zu Kauf.
Dann wie lächerlich auch, als bedürfte das himmlische Leben
Irdischer Zeugen, dafür Siegel verlangen und Brief!

Auch eine Satire auf die Zeiten von Julius, die mit den Epigrammen erst 1519 erschien, ist wohl im Zusammenhange mit denselben entstanden. In tempora Julii Satyra. Schriften III, S. 269 f.

Wie? der menschliche Geist, ein Funke des göttlichen Lichtes,
Von Gott selber ein Theil, läßt so durch Wahn sich verblenden?
So sich verfinstern? Kein höherer Strahl zerstreute den Irrthum?
Julius, dieser Bandit, den sämmtliche Laster beflecken,
Er verschlösse den Himmel nach Willkür diesem, und schlösse
Jenem ihn auf? Sein Wink beseligte oder verdammte?

Muth, Landsleute, gefaßt! Ermannen wir uns zu dem Glauben,
Daß wir das göttliche Reich durch redliches Leben erwerben;
Daß nur eigenes Thun, und nimmer der heiligste Vater,
Heilig uns macht; daß Tugend allein den Himmel uns aufschließt,
Nicht der Schlüssel Gewalt, mit denen der römische Gaukler
Klappert, und so das Volk, das arme, betrogne, sich nachzieht.

Auch Andern war an diesem Julius, dessen kriegerische Herrschergröße ihm von solchen, die ihn an seiner kirchlichen Bestimmung maßen, nicht gutgeschrieben werden konnte, ein gefährliches Licht aufgegangen. Angeblich noch zu seinen Lebzeiten erschien in Deutschland ein Gebet für ihn. Oratio ad Christum O. M. pro Julio II, Ligure P. M. a quodam bene docto et Christiano perscripta. Abgedruckt in Hutten's Schriften IV, S. 459-464. Christus, der ja durch seine Allmacht aus einem Teufel einen Engel des Lichts schaffen könne, möge den Papst Julius aus dem Unreinsten seinem Titel gemäß in einen Allerheiligsten, aus einem Tyrannen in einen Vater verwandeln; möge geben, daß er hinfort nur noch vom h. Geiste trunken sei, nur noch dessen, was schändlich, sich schäme, nichts mehr als das Himmlische liebe u. s. f. Offen aber brach, nachdem Julius am 21. Februar 1513 gestorben war, die Satire gegen ihn los. Hutten widmete dem Hirten, der ein Wolf, dem Bullenhändler, der selbst nur eine Blase ( bulla) gewesen, eine Grabschrift. Julii II. Liguris P. M. Epitaphium Hutteno auctore. Schriften III, S. 270. Ein Todtengespräch F. A. F. Poetæ Regii libellus de obitu Julii P. M. Anno Dni. 1513. In Hutten's Schriften IV, S. 421-457. führte den Verstorbenen in Begleitung seines Genius vor die Himmelspforte. Er will aufschließen; aber er hat nur den Schlüssel zur Geldtruhe, nicht den zum Himmelsthore bei sich. Auf sein Klopfen und Lärmen erscheint Petrus. Die Ansprüche seines vorgeblichen Nachfolgers imponiren ihm so wenig, als dessen Aussehen, Anzug und Begleitung ihm gefallen. Mit Selbstgefühl zählt Julius seine Thaten her; wobei der ganze Contrast dessen, was Papst und Kirche damals in der Wirklichkeit waren, mit ihrer ursprünglichen Bestimmung zur Anschauung kommt. Da hienach Petrus sich nur um so weniger zur Oeffnung der Pforte herbeiläßt, so erklärt Julius den Himmel in Belagerungsstand und hofft, ihn mit Hülfe der 60,000 Kriegerseelen, welche aus den von ihm erregten Kriegen in der nächsten Zeit herüberkommen werden, in kurzem zu erobern. Der ausgesperrte Julius machte Luthern Freude, und Erasmus wurde, zu seinem großen Verdruß, für den Verfasser gehalten. Auch Hutten hat man das Gespräch sammt dem Gebete für Julius zugeschrieben. Allein beide Stücke haben eine glättere, gelindere Rhetorik, als Hutten's Schriften ähnlicher Art. Und auf dem Titel des Dialogs ist der wahrscheinliche Verfasser angedeutet: nämlich Faustus Andrelinus aus Forli, ein Dichter, der unter dem Schutze Ludwig's XII. von Frankreich stand; wie denn auch die Polemik des Gesprächs gegen Julius mehr vom französischen als vom deutschen Standpunkte ausgeht.

Im Jahre 1513, vermuthlich noch während Hutten's Aufenthalt in Italien, erschien auch, so viel wir wissen zum erstenmal, eine Dichtung von ihm unter dem Titel: Der brave Mann Ulrici Hutteni, ex equestri ordine adolescentis, carmen emunctissimum … Vir Bonus. 1513. Schriften III, S. 11-17., begleitet von einem seltsamen allegorischen Bilde, dessen Auslegung das Gedicht ist. Das Bild stellt einen Mann vor, dessen mit weiten Ohren versehener Kopf auf einem langen gewundenen Schlangen- oder Schwanenhalse sitzt: das soll bedeuten, daß der brave Mann lieber hört als redet. Aus seinem Munde geht ein Lilienzweig und ein Schwert: jener die wohlthätigen Wirkungen seiner Rede, dieses die gerechte Strenge anzudeuten, die er, wo gute Worte nicht fruchten, in Anwendung bringt. Vorn auf der Brust sitzt ihm ein Löwenkopf, das Sinnbild des Muthes; der eine Fuß ist eine Bärentatze, das Zeichen der Beständigkeit; die rechte Hand hält einen geschlossenen Beutel, während die linke Geld ausstreut: d. h. Sparsamkeit und Freigebigkeit, jede zur rechten Zeit. Neben diesen allegorischen Zügen erinnert das Gedicht durch seine moralischen Gemeinsprüche an das Jugendgedicht von der Tugend, und wenn wir auf dem Titel den Beisatz adolescens erwägen, der sich seit jener Zeit auf Hutten's Schriften nicht mehr findet (er war ja auch im Jahre 1513 bereits 25 Jahre alt), so wird es wahrscheinlich, daß wir hier eine Reliquie aus frühern Tagen vor uns haben, welche die erfurter Freunde damals zum Drucke beförderten.

Noch etwas vorher war der Niemand zum erstenmal im Druck erschienen Erste Ausgabe: Ulrici Hutteni Nemo. Mit der späteren Umarbeitung zusammengedruckt, Schriften III, S. 107-118.: wir wissen nicht, ob dieser glückliche Wurf dem Dichter noch in Deutschland, oder während seines Aufenthalts in Italien gelungen ist. Daß es ein solcher war, wußte Hutten wohl: daher nahm er die Arbeit später wieder auf, und ließ sie in erweiterter Gestalt noch einmal erscheinen. Wir sparen ein Mehreres über dieselbe bis dahin auf, um vorerst mit Hutten nach Deutschland zurückzukehren.

Genaueres wissen wir über diese Rückreise nicht, außer daß wir sie mit überwiegender Wahrscheinlichkeit in das Jahr 1513 setzen können. Vom letzten Tage dieses Jahres haben wir ein Schreiben Hutten's an einen deutschen Fürsten, vielleicht Albrecht von Brandenburg, ohne Ortsangabe, doch dem Inhalte nach nicht fern von dem Aufenthaltsorte des Fürsten geschrieben; außerdem zwei Billete an Ulrich's Vetter Dietrich von Hutten, in Betreff der Ortsbestimmung von der gleichen Beschaffenheit, das eine geschrieben Mittwoch nach Urbanus (= 25. Mai) ohne lesbares Jahr, das andere Dienstag nach Invocavit anno MDXIII, das wäre den 16. Februar 1513. Sämmtliche drei Actenstücke bei Böcking, U. Hutteni Opp. Suppl. I, Addenda, S. 3-5. Ob wir nun auf dieses einzige Schriftstück, wo doch möglicherweise ein Schreib- oder Lesefehler im Spiele sein könnte, die Voraussetzung bauen dürfen, Hutten sei schon im Winter 1512 auf 13 aus Italien zurückgekehrt, will mir doch zweifelhaft vorkommen. Aber auf Steckelberg als Aufenthalt Ulrich's scheinen die beiden zuletztgenannten Zettel hinzuweisen, der darin in Familien- und Ritterschaftsangelegenheiten thätig erscheint. Im Uebrigen schilderte er später die Aufnahme, die er bei seiner Rückkehr in der Familie gefunden, als eine keineswegs erfreuliche. Statt nach der vieljährigen Abwesenheit, den weiten Reisen und zahllosen Beschwerden, die er erduldet, den Zurückkehrenden freundlich in der Heimath willkommen zu heißen, haben ihn mit wenigen Ausnahmen, unter die wir jedenfalls seine gute Mutter werden zählen dürfen, seine Angehörigen wie den verlorenen Sohn angesehen, der es verdiene, zu den Schweinen und Trebern verwiesen zu werden. Da er keinen Titel mitbrachte, schien er seine Zeit verloren zu haben. Auf die Frage eines Dritten, wie man den Heimgekehrten zu betiteln habe, gab einer seiner Verwandten zur Antwort, er sei noch nichts. Durch den Vorwand, daß er ja nichts gelernt habe und nichts sei, wußte man es zu beschönigen, daß man ihn bisher hatte darben lassen, und auch ferner nichts für seine Wünsche that. Hutten's Brief an Crotus vor der zweiten Ausgabe des Nemo, Schriften I, S. 176.

Doch schienen sich von einer andern Seite her günstige Aussichten zu eröffnen. Der eben genannte Markgraf Albrecht von Brandenburg, des Kurfürsten Joachim jüngerer Bruder, so eben zum Erzbischof von Magdeburg und Administrator von Halberstadt gewählt, war am 9. März 1514 überdieß auf den erzbischöflichen Stuhl von Mainz erhoben worden, und hatte nun den Ritter Eitelwolf vom Stein, Hutten's Beschützer schon von Fulda her, aus den brandenburgischen Diensten in die seinigen herübergezogen. Eitelwolf siedelte als kurerzbischöflicher Hofmeister, Vicedom des Rheingaus und Stadtpräfect nach Mainz über, und gedachte seine neue Stellung hauptsächlich zum Besten der wiederauflebenden Wissenschaften zu benutzen. Was ihm an der Oder mißlungen war, sollte ihm, so hoffte er, an den Ufern des Rheins, unter einem jungen Fürsten, den er selbst zum Liebhaber der neuen Richtung in der Wissenschaft hatte heranbilden helfen, gelingen. Die mainzer Hochschule, die schon seit dem Jahre 1477 als Stiftung des Erzbischofs Diether von Isenburg bestand, gedachte er in einer Weise zu reformiren, daß sie ihresgleichen in Europa suchen sollte. Die untauglichen Lehrer sollten abgeschafft, die tüchtigsten Männer von allen Seiten herangezogen werden. An Mitteln konnte es, bei Eitelwolfs Einfluß auf den freigebigen Kurfürsten, nicht fehlen; auch gedachte er sein Privatvermögen dabei nicht zu schonen. Er schwärmte für diese Idee. Mainz mit seiner Universität sollte der Sitz der gelehrten Muße seines Alters sein, wenn es ihm einst gelänge, aller Hofämter entledigt, nur den Studien und den Gelehrten zu leben. Ihm leuchtete Mutian's Beispiel vor, dessen er im Gespräche mit Bewunderung zu gedenken pflegte.

Dabei dachte er gleich von Anfang ganz besonders auch an Hutten. Ja, wenn das vorhin erwähnte Schreiben Hutten's vom letzten December 1513 wirklich an Albrecht gerichtet war, so hatte dieser, schon ehe er Erzbischof von Mainz geworden, den jungen Mann, dem er bereits während seiner Studienjahre hülfreich gewesen, in seine Dienste zu ziehen versucht. Sicher erscheint Hutten im folgenden Sommer und Herbst in Erfurt und Halle im amtlichen Auftrage des Kurfürsten thätig. Es waren ihm richterliche Functionen übertragen, wobei wir ihn, nach dem Ausdruck eines Fachmannes (Böcking), »rigid juristisch« auftreten sehen; ja noch mehr als das, wenn wir dem freilich verworrenen Bericht einer alten erfurter Chronik glauben dürfen. Als ein gewisser Angeklagter, wird hier erzählt, ohne überwiesen werden zu können, ins Gefängniß zurückgeführt wurde, da habe der mainzische Commissär »Ulrich von Hotten« knirschend vor Wuth ausgerufen: du mußt nach Urtel und Recht sterben, und wenn du Thurmslänge hättest! S. Schriften I, S. 33. Zum Untersuchungsrichter in der That fehlte Hutten das geeignete Temperament, und insofern hatte er so Unrecht nicht, wenn er vom juristischen Studium nichts wissen wollte. Noch ein anderer Fall ereignete sich in demselben Sommer, wobei Hutten gleichfalls weder als Richter noch als Dichter Lorbeeren sammelte. In Halle scheint er an den Gerichtssitzungen über einen getauften Juden, Johannes Pfefferkorn, Theil genommen zu haben, die dessen martervolle Verbrennung am 1. September 1514 zum Ergebniß hatten. Der Delinquent hatte ohne Priesterweihe den Pfaffen, und außerdem den Arzt gemacht, und bekannte nun, unter der Folter natürlich, Mögliches und Unmögliches, wie man es haben wollte. Er bekannte nicht nur Kirchenraub und Hostienschändung, ärztliche Vergiftung von Christen und Schlachtung von Christenkindern, sondern auch, daß er die gestochenen Hostien bluten gesehen, und daß er sich von den Juden dafür habe bezahlen lassen, sämmtliche Bauern in den beiden Stiftern Magdeburg und Halberstadt zu vergiften. Daß Hutten diesen Menschen verurtheilen half, ist ihm am Ende weniger zu verdenken, denn nach damaligen Rechtsbegriffen hatte derselbe ohne Zweifel den Tod verdient. Aber er dichtete noch dazu über das ruchlose Leben Joh. Pfefferkorn's eine Ausrufung von 119 Hexametern, worin er Dinge wie das Bluten der Hostien u. dergl., die er unter andern Umständen als Pfaffen- und Pöbelmährchen verhöhnt haben würde, gläubig wiederholte und seinem Kurfürsten Glück, wünschte, ein solches Ungeheuer aus der Welt geschafft zu haben. In sceleratissimam Io. Pepericorni vitam Ulrici ab Hutten eq. exclamatio. Schriften III, S. 345-348. Dabei die actenmäßige Geschichte des Verhörs, S. 349-352. Von dem seltsamen Spuk, zu dem die Gleichnamigkeit dieses Verbrechers mit einem andern Pfefferkorn Veranlassung gab, wird in der Folge zu sprechen sein.

In der That jedoch war es hohe Zeit, den neuangenommenen Diener in ein ihm angemesseneres Fahrwasser zu bringen. Dazu war jetzt eben die beste Gelegenheit, die auch sein einsichtsvoller Gönner sich nicht entgehen ließ. Auf den 8. November stand der feierliche Einzug des neuen Kurfürst-Erzbischofs in seine Residenz bevor, und diesen Anlaß, meinte Eitelwolf, sollte Hutten benützen, demselben eine Probe seines Talents zu geben und sich seiner Gunst zu versichern. Er veranlaßte seinen Schützling, einen Panegyricus auf das Ereigniß zu dichten, den Hutten, obwohl unter ungünstigen Umständen (von denen wir nichts Näheres wissen), doch rasch zu Stande brachte. In laudem reverendissimi Alberthi Archepiscopi Moguntini Ulrichi de Hutten Panegyricus. Schriften III, S. 343, 353-400. Daß er sein Gedicht nach dem Verlangen seines Gönners gleich auch drucken lassen sollte, ging ihm schwerer ein. So sehr er in der Zueignung an denselben seinen Bedenklichkeiten die Wendung gibt, als bezögen sie sich nur auf die Mangelhaftigkeit seiner Arbeit, so sieht man doch er fürchtete zugleich den Vorwurf der Schmeichelei. Aber er hielt es für erlaubte nicht nur, sondern gebotene Politik der Vertreter einer bessern Literatur, die Großen auch durch Huldigungen, die sie weniger schon verdienten, als verdienen sollten, zu ihrer Partei herüberzuziehen. Daß einem Fürsten von der Bedeutung Albrecht's von Mainz ein Mann wie Eitelwolf Ad clarissimum equitem Eytelvolfum de Lapide etc. Ulrichi de Hutten eq. in Panegyricum Praefatio. Schriften I, S. 34-37. zur Seite gestellt war, betrachtete Hutten als eine besondere Gunst der Götter für die Sache der Aufklärung. Besäße Deutschland viele seinesgleichen, meint er, so wäre es am Ende mit der Barbarei, und wir brauchten uns nicht mehr vor andern Nationen unserer selbst zu schämen. Seinen Standesgenossen insbesondere stellt er den gelehrten Ritter als Muster vor. Bei dieser Gelegenheit leert er über deren centaurische Sitten, ihren dummen Adelstolz und ihre brutale Verachtung aller Bildung recht sein Herz aus. Wo ein junger Adelicher von Talent sich mit liberalen Studien befasse, der werde von ihnen als ein Entarteter, seiner Ahnen Unwerther, verachtet und verspottet; wodurch schon mancher von dem bereits betretenen bessern Wege sich wieder habe abschrecken lassen. Und so unwissend und ungebildet sie seien, so halten sie doch sich allein für die Stützen und die Hoffnung des Vaterlandes, und meinen, alle Geschäfte daheim und auswärts sollten ausschließlich durch ihre Hände gehen.

Das Gedicht selbst stellt im Eingange die festliche Freude der Mainzer beim Einzuge ihres neuen Fürsten dar, welchem Platz zu machen, zwei Erzbischöfe schnell hinter einander haben sterben müssen. Schon beim Ableben des alten brandenburgischen Kurfürsten Albrecht Achilles sei die trauernde Germania von Mars durch die Hinweisung auf die drei Enkel getröstet worden, welche ihr den Großvater dereinst ersetzen sollten: Joachim und unser Albrecht von Brandenburg und Kasimir von Ansbach; die sofort als Kinder, doch bereits mit den Spuren ihrer künftigen Eigenthümlichkeit, anschaulich vorgeführt werden. Zur Feier von Albrecht's Regierungsantritt nun hat der Vater Rhein sämmtliche deutsche Flußgötter zu einer Festversammlung eingeladen. Er selbst im Feierschmucke fährt auf seinem Strome dem Fürsten entgegen: von seinen Schultern wallt ein weiter köstlicher Mantel, in welchen die Nymphen die ganze deutsche Geschichte eingewoben haben. Von dieser wird nun ein Abriß gegeben, und zwar ganz im ghibellinischen Sinne: die Hohenstaufen werden hochgepriesen, das Verfahren der Päpste gegen sie, wenn auch mit Rücksicht, getadelt; daß aber Karl IV. sich vom Papst aus Rom weisen ließ, erscheint dem Dichter als das Aeußerste der Schmach. Des Rheinstroms Anrede an den neuen Kurfürsten, welche nun folgt, enthält neben den schönen Worten auch gute Lehren, die von dem fürstlichen Jüngling mit verschämtem Erröthen und erhabenen Vorsätzen aufgenommen werden. Demnächst entwirft der Dichter von Albrecht's Persönlichkeit eine Schilderung, in welcher er ihn als einen Hercules am Scheidewege die Tugend wählen läßt und den Bischöfen seiner Zeit als Muster der pflichttreuen Thätigkeit im geistlichen und Regentenberufe, der Mäßigung und Sittsamkeit, der Wohlthätigkeit und Liebe zu Kunst und Wissenschaft darstellt.

Beide, der besungene Fürst sowohl als der Edelmann dem das Gedicht zugeeignet war, nahmen es freundlich auf. Letzterer wollte es nicht als Dank für bereits erwiesene Wohlthaten, sondern als Verpflichtung zu neuen gelten lassen; denn was er bisher für Hutten gethan, sei geschehen, um seine Freundschaft zu gewinnen, mithin durch diese bereits vergolten gewesen. Der Kurfürst aber ließ ihm durch Eitelwolf ein Geschenk von 200 Goldgulden übergeben und bestimmte ihm eine Stelle an seinem Hofe, wenn er erst mit seiner Unterstützung die abgebrochenen Studien in Italien vollendet haben würde. Auch jetzt schon verweilte Hutten eine Zeit lang in Mainz, wo er außer Eitelwolf auch in seinem Verwandten, dem Marschalk Frowin von Hutten, einen angesehenen Gönner hatte. Beide wetteiferten gleichsam, den vielversprechenden jungen Mann sich zuzueignen. Als Frowin ihn einmal in eine Gesellschaft gelehrter Männer mit der Wendung einführte: das ist mein Ulrich! versetzte Eitelwolf: und auch der meinige. Das Verhältniß mit Letzterem war insofern das innigere, als Frowin wohl ein Gönner der Gelehrten, selbst aber ohne gelehrte Bildung war. Mit Eitelwolf dagegen konnte Ulrich vom Fache reden, und oft, wenn sie sich begegneten, und der Letztere sich scheute, dem vielbeschäftigten Staatsmanne beschwerlich zu fallen, rief dieser ihn zu sich mit den Worten: Kommt, ich will ein paar Stunden für unsere Studien stehlen. Freilich waren solche Männer Ausnahmen von der Regel. Die Herren vom Domkapitel insbesondere hielten der Mehrzahl nach auf Hunde und Falken mehr als auf Bücher, auf Geld und Wohlleben mehr als auf Gelehrsamkeit. War aber einer in Rom, wenn auch nur im Stall eines dortigen Prälaten, gewesen, so war mit einem solchen vollends nicht auszukommen. Er wollte auch in gelehrten Dingen den Kenner spielen, ohne doch etwas zu verstehen. Und Hutten konnte in dergleichen Fällen nicht wohl schweigen; was ihn jetzt wie später in manche Verdrießlichkeit verwickelte. Diese Nachrichten s. in Hutten's Brief an Jakob Fuchs, Schriften I, S. 43-45, und an Michael von Seinsheim, S. 52-54.

In Mainz war es auch, wo Hutten die erste Bekanntschaft mit Erasmus machte, der im Sommer 1514 von England nach Basel und im ersten Frühling des folgenden Jahres wieder von da nach England zurückreiste, wo ihn dann Hutten in Frankfurt am Main noch einmal sprach. Erasmi Spongia, in Hutten's Schriften II, S. 318. Vgl. mit dessen Briefen aus den Jahren 1514 und 15. Das war dazumal, als, wie schon früher gelegentlich erwähnt wurde, zugleich Reuchlin und Hermann von dem Busche daselbst waren, und Eitelwolf dahin reiste, um den ausgezeichneten Männern ein sokratisches Gastmahl zu geben: woran ihn jedoch ein Krankheitsanfall verhinderte. Für Hutten war die Bekanntschaft mit Erasmus ein Ereigniß, wie sie es im Leben Eoban's und jedes Humanisten jener Zeit war, dem sie zu Theil wurde. Galt er doch, wie er es auch war, für den Meister und das Haupt der ganzen Richtung, dem insbesondere auch Hutten, wie er selbst sich ausdrückt, eine wahrhaft religiöse Verehrung widmete. Von seiner persönlichen Liebenswürdigkeit und dem Zauber seiner Rede wußte dieser nach jener Zusammmenkunft nicht genug zu rühmen; Reuchlin und Busch seien vor ihm verstummt. Crotus an Mutian, der übrigens diese Zusammenkunft nach Mainz verlegt. In Hutten's Schriften III, S. 544. Nun wurde ein Briefwechsel angeknüpft, und Meister und Jünger freuten sich einer des andern, ohne zu ahnen, wie sie einst noch so hart wider einander stoßen sollten.

Unterdessen mußte Hutten etwas für seine Gesundheit thun. Im Frühling 1515 ging er nach Ems, und es scheint sein Plan gewesen zu sein, wenn er durch den Gebrauch der warmen Quellen leidlich hergestellt wäre, unverweilt die Reise nach Italien anzutreten, wo er mit seinem Freunde Jakob Fuchs, Domherrn zu Bamberg und Würzburg, zusammenzutreffen hoffte. Aber eben in seine emser Cur fiel ein gedoppelter harter Schlag. An einem und demselben Tage des Mai erfuhr er den Tod seines Gönners Eitelwolf vom Stein und die Ermordung seines Vetters Hans von Hutten durch den Herzog Ulrich von Würtemberg.

Eitelwolf hatte schon einige Jahre an Steinbeschwerden gelitten. Die Aerzte wußten keinen Rath als den, welchen der rastlose Mann am wenigsten befolgen mochte: sich in der Arbeit zu schonen. Er war noch nicht fünfzig Jahre alt, als er unterlag. Hutten fühlte tief den Verlust eines Gönners, in dem er zugleich einen edeln und weisen Mann verehrte, und setzte ihm in dem Sendschreiben an Jakob Fuchs, dem wir schon früher die meisten Angaben über Eitelwols entnommen haben, ein schönes Denkmal.


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