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Eilftes Kapitel.
Sickingen's und Hutten's Ende.

1523.

Daß Hutten von seiner eidgenössischen Freistatt aus mit ängstlicher Aufmerksamkeit die Entwicklung von Sickingen's Schicksal beobachtete, an dem seine letzte Hoffnung hing, läßt sich denken. Aber die Nachrichten, die aus Deutschland einliefen, lauteten nicht tröstlich. »Von Neuigkeiten«, schrieb am 13. Februar Otto Brunfels, der damals zu Neuenburg am Rhein, zwischen Basel und Breisach, sich aufhielt, an Zwingli, »von Neuigkeiten habe ich im Augenblicke nichts, als daß (ein übles Vorzeichen!) Sickingen's älterer Sohn von dem pfälzischen Tyrannen gefangen worden ist, und mit ihm einige andere Männer ersten Ranges, auf welche Franz all seine Hoffnung gesetzt hatte. Wir versprachen uns viel von diesem Manne; aber alle seine Sachen wanken und fallen dahin, und nicht die seinigen allein, sondern aller Anhänger des Evangeliums. Unser Hutten befindet sich übel, und wir Uebrigen werden allenthalben zu Boden geschlagen. Wir werden verspottet durch alle Lande, und ich weiß nicht, was für ein Unglück mir ahnet.« In Hutten's Schriften II, S. 177.

In der That war dieser Unfall seines Sohnes, aber nicht des ältesten, Schweickard, sondern des mittlern, Hans von Sickingen, der bei einem Ritte von Steinkallenfels im Wasgau nach Landstuhl mit Hilchen von Lorch und Augustin von Braunsberg durch den pfälzischen Vogt und nachmaligen Marschalk Wilhelm von Habern gefangen genommen wurde – dieser Unfall, so heldenmüthig auch der Vater die Nachricht aufnahm, war doch der Anfang des Endes der Sickingischen Tragödie. Der folgende Bericht über Sickingen's Ausgang ist geschöpft aus der Flersheimer Chronik, bei Münch, Franz von Sickingen III, 219-223; der Erzählung des Ehrnholds Caspar Sturm, ebendas. S. 60 ff.; aus Huberti Thomæ Leodii Historiola etc., ebendas. S. 288 ff., und den Aktenstücken ebendas. S. 42 ff. Wartenberg, wo noch im vorigen Jahre Hutten sich eine Zeit lang aufgehalten hatte, fiel den Fürstlichen in die Hände, und Sickingen, um die Verstärkungen abzuwarten, auf die ihm von verschiedenen Seiten her Hoffnung gemacht war, suchte um einen Waffenstillstand nach. Allein die drei wider ihn verbundenen Fürsten, wie sie erst die Vermittlungsvorschläge des Reichsregiments zurückgewiesen, so ließen sie sich auch durch Franzens Gesuch, dessen eigentliche Absicht sie wohl durchschauten, nicht irre machen. Gleich nach Ostern erhoben sie sich mit starker Macht zu Roß und Fuß und tüchtigem Belagerungsgeschütz, vereinigten sich bei Kreuznach, unweit der Ebernburg, zogen aber, als sie vernahmen, daß Franz von Sickingen in Landstuhl sei, vor diese Veste, um sie zu belagern. Vergebens riethen Franz seine Freunde, sich noch bei Zeiten aus dem Schloß zu thun: was seine Diener von ihm halten würden, gab er zur Antwort, wenn er von ihnen fliehen und sie allein in der Noth wollte stecken lassen? Doch seinen jüngsten Sohn Franz Konrad mit den wichtigsten Papieren schickte er, in Begleitung seines treuen Balthasar Schlör und eines Theils seiner Reiter weg, welche, obwohl von den Feinden angerannt, glücklich davonkamen.

Dem Boten, der ihm die Kriegserklärung der Fürsten brachte, gab Sickingen scherzend die Antwort zurück, er höre, sein Herr habe neu Geschütz, so habe er neue Mauern, die mögen sich jetzt an einander versuchen. Aber es zeigte sich bald, daß dabei die letztern im Nachtheil waren. Mittwoch den 29. April begann das Schießen und wurde die folgenden Tage aus Hauptstücken, Scharfmetzen, Carthaunen und Nothschlangen so mörderisch fortgesetzt, daß bald der stärkste Thurm des Schlosses in Trümmern lag und die Mauer eine Bresche von 24 Fuß zeigte. Sickingen, vom Podagra geplagt, ließ sich, um nach dem Gange der Belagerung auszuschauen, zu einem Schießloche führen, hinter welchem ein Geschütz aufgestellt war: in demselben Augenblick fiel ein Schuß in das Schießloch, der das Geschütz Franz auf die Füße, ihn selbst aber rückwärts auf spitze Hölzer warf, die zum Verterrassen dalagen und ihm in die linke Seite eine entsetzliche Wunde rissen. Mit der Heldenfassung, die ihn nie verließ, befahl er seinen Dienern, kein Geschrei zu machen und ihn auf einer Tragbahre wegzubringen; aber er fühlte wohl, daß es mit ihm zu Ende ging. Daher ließ er in einem Brief, den er noch eigenhändig unterschrieb, die Fürsten um eine Besprechung ersuchen. Diese stellten sofort ihr Schießen ein, und Abgeordnete von beiden Seiten traten vor der Burg zusammen. Die Belagerer verlangten Ergebung Sickingen's und der übrigen Edeln und Reisigen im Schloß in ritterliches Gefängniß, Abzug des übrigen Kriegsvolks ohne Wehr und Uebergabe von Landstuhl mit allem, was darin befindlich. Franz bewilligte die Artikel, indem er sagte: Ich will ihr Gefangener nicht lang sein.

Am 7. Mai zog erst das gemeine Kriegsvolk aus der Burg, dann hielten die Fürsten ihren Einzug und ließen sich alsbald, den Ehrenhold voran, zu Sickingen führen, den sie in einem dunkeln Gewölbe, wo allein er noch vor ihrem Schießen sicher gewesen war, liegend fanden. Vor dem Pfalzgrafen, seinem alten Lehnsherrn, zog Franz, als jener zu ihm trat, sein rothes Barett ab und reichte ihm die Hand; des Trierers Vorhalt, was er sich geziehen, daß er ihn und sein Stift so schwer beschädigt habe? wies er mit einem männlichen: Nichts ohne Ursach, und er habe jetzt mit einem größern Herrn zu reden, zurück; den Hessen aber, der gleichfalls mit Vorwürfen kommen wollte, machte Pfalzgraf Ludwig aufmerksam, daß mit einem Sterbenden nicht zu rechten sei. Der pfälzische Hofmeister, Ludwig von Fleckenstein, trat auch an Franzens Lager und sprach ihm mit tröstlichen Worten zu; ihm antwortete Franz: Lieber Hofmeister, um mich ist es ein Geringes, ich bin nicht der Hahn, darum man tanzt; um die Unterdrückung des ganzen Ritterstandes, wollte er wohl sagen, handle es sich in diesem Kriege. Indeß waren die Fürsten abgetreten, und auf des Pfalzgrafen Erinnerung machte Herr Niklaus, Franzens Caplan, Anstalt zur Beichte und Communion; aber dieser sagte, er habe Gott in seinem Herzen gebeichtet, der Caplan möge ihm nur Absolution sprechen und das Sacrament zeigen; das that der Caplan, und indem verschied Franz: es war die Mittagsstunde des 7. Mai 1523. »Und wie er in Zeit seines Lebens (sind die Worte seines biedern Schwagers, des Verfassers der Flersheimer Kronik) sein männlich, ehrlich und trutzig Gemüth gehabt, das hat er auch bis in die Stund seines Todes behalten.«

Binnen Monatsfrist waren nun sämmtliche Sickingischen Schlösser von den verbündeten Fürsten erobert und größtentheils ausgebrannt; von seinen Söhnen der eine gefangen, die beiden andern flüchtig; das ganze Gebäude von Franzens Macht, von ihm während eines thatenreichen Lebens zu fürstenmäßiger Höhe aufgeführt, lag am Boden. Sein Fall gab der päpstlichen Partei in Deutschland neuen Muth; der Afterkaiser ist todt, hieß es, als um jene Zeit Luther erkrankte: bald wird es auch mit dem Afterpapst ein Ende nehmen. Auf Luther machte das Schicksal des Ritters, der ihm einst großmüthig seinen Schutz angeboten hatte, und dessen Absichten er, obwohl mit seinen Mitteln nicht einverstanden, nicht mißkannte, einen tiefen Eindruck. Als ihm zuerst das Gerücht von Sickingen's Tode zu Ohren kam, schrieb er an Spalatin, er wünsche, daß es falsch sein möge. Und etwas später: »Gestern hörte und las ich Franzens von Sickingen wahre und klägliche Geschichte. Gott ist ein gerechter aber wunderbarer Richter.« Beide Briefstellen in Hutten's Schriften II, S. 248 f. Sickingen's Ausgang war ihm ein Gottesurtheil, das ihn in der Ueberzeugung bestärkte, daß Waffengewalt von der Sache des Evangeliums ferne zu halten sei. Lateinische Dichter und deutsche Volksschriftsteller beschäftigte Franzens Ende und seine Thaten. Von ersteren hatte einer, als Hutten's und Sickingen's Unternehmungen noch in hoffnungsreicher Blüthe standen, ihr Verdienst durch einen Wechselgesang zwischen Klio und Kalliope gepriesen; jetzt nach der Katastrophe stellte ein anderer Sickingen's Unterfangen und Ausgang zu Ehren des trierer Erzbischofs als furchtbar warnendes Beispiel dar. Jenes Asclepius Barbatus in einem Panegyricus, abgedruckt in Hutten's Schriften III, S. 550-560: dieses Barth. Latomus in einem epischen Gedicht, bei Münch, Franz von Sickingen II, S. 295-318. In einem volksthümlichen deutschen Gespräch dagegen erschien der Ritter von der Ebernburg vor der Himmelspforte als Vollzieher der Gerechtigkeit, der, um den Unterdrückten zu helfen und dem Evangelium freie Bahn zu machen, Fürsten und Herren bekriegt, den armen Mann nur ungern und nothgedrungen geschädigt, in diesem Thun Leib und Gut daran gesetzt, vor seinem Abscheiden sich seine Sünden leid sein lassen und all sein Vertrauen auf Gott gestellt habe: in Anbetracht dieses guten Endes schloß ihm St. Peter die Himmelspforte auf. Dyalogus oder rede vnd gesprech, so Franciscus von Sickingen vor deß hymmelß pfortten mit sant Peter vnd dem ritter sant Jörgen gehalten, zuuor vnd eedann er eingelassen ist worden. Abgedruckt bei Münch, Franz von Sickingen II, 321-330. Auch bei Oskar Schade, Satiren und Pasquille aus der Ref.-Zeit II, 45-59.

Als die Kunde von Sickingen's Fall in die Lande erscholl, hielt sich Hutten noch in Mülhausen auf. In dem mildern Ton eines Briefs, den er um jene Zeit an Erasmus schrieb, glaubte dieser die niederschlagende Wirkung jenes Todesfalls auf sein Gemüth zu erkennen. Wäre seine Schrift In tyrannos, d. h. ohne Zweifel gegen die verbündeten Fürsten, die seinen Freund Sickingen vernichtet und dessen Besitzungen an sich gerissen hatten, noch vorhanden, die Hutten kurz hernach verfaßte, so würden wir uns ohne Zweifel überzeugen, daß sein trotziger Muth noch immer ungebeugt war. Bald jedoch fand er sich auch in Mülhausen nicht mehr sicher. Sein rastloser Eifer für die Ausbreitung der Reformation war den Anhängern des alten Kirchenwesens kein Geheimniß. So machte ein unruhiger Kopf den Anschlag, mit einem Haufen Gesindel das Augustinerkloster, in welchem Hutten eine Zuflucht gefunden hatte, zu stürmen. Der Rath traf Vorkehrung, bedeutete jedoch den Bedrohten, sich lieber aus der Stadt zu entfernen. Mitten in der Nacht, wenn wir dem Erasmus glauben dürfen, entfloh Hutten nach Zürich. Erasmus an Goclenius, in Hutten's Schriften II, S. 405. Es war im Mai oder Juni 1523.

In Zürich stand damals Zwingli im frischen Beginne seiner reformatorischen Thätigkeit; ein Mann, der, unter einem freien, wehrhaften Volke aufgewachsen, dem waffenlustigen Ritter näher stand als der thüringische Reformator. Bei ihm suchte und fand Hutten Schutz, Hülfe und Trost. Seine Umstände waren nach allen Seiten hin beklagenswerth. Die Behörden trugen Bedenken, dem nicht blos von den kirchlichen, sondern auch von den politischen Machthabern verfolgten, zuletzt selbst wirklicher Gewaltthaten beschuldigten Manne offenen Schutz angedeihen zu lassen. Erasmus an Pirckheimer, 19.Juli 1523. Hutten's Schriften II, S. 252. Von Mitteln war er gänzlich entblößt. Von seinen Gütern kam ihm nichts zu: sei es, daß seine Brüder (die Mutter war mittlerweile dem Vater im Tode nachgefolgt) die Verantwortlichkeit scheuten, wenn sie den thatsächlich Geächteten unterstützten; oder daß er, wie Otto Brunfels versichert, freiwillig darauf verzichtet hatte Resp. ad Spong, in Hutten's Schriften II, S. 329.; oder endlich, daß sein Antheil an den spärlichen Naturaleinkünften des väterlichen Gutes, bis derselbe, um ihm zugeschickt zu werden, zu Gelde gemacht war, beinahe auf Nichts zusammenschwand. So mußte er Freunde und Bekannte um Darlehen in Anspruch nehmen, und wie es scheint, selbst zu Erpressungen, die seine Eppendorfs sich erlaubten, die Hand bieten, oder doch ein Auge zudrücken. Ein solcher Anschlag wäre ihm, nach des Erasmus Versicherung, noch in der letzten Zeit gelungen, und hätte dem Eppendorf 30, Hutten selbst aber 200 Fl. eingebracht. Auch das Spiel sollte helfen. Erasmus an Goclenius, a. a. O.; an Melanchthon, ebendas. S. 414; an Pirckheimer, ebendas. S. 260.

Nicht minder traurig stand es um Hutten's leibliches Befinden. Schon nach Basel war er krank gekommen, und in Mülhausen, in Zürich, wurde es nicht besser mit ihm. Mit innigem Bedauern vernahmen im Juli die Freunde der guten Sache, in Konstanz, wie hinfällig der Mann sei, der durchaus einer eisernen Gesundheit genießen müßte. A. Blaurer an Zwingli, ebendas. S. 254. Der Abt zu Pfäfers, wo die heißen Quellen sprudeln, war ein Freund Zwingli's und der Reformation. Mit Empfehlungen an ihn schickte dieser den Kranken dahin, die Wirkung der Wasser zu versuchen. Der Versuch mißlang: Mühe und Gefahr, schreibt Hutten (in die schauerliche Felsenkluft, wo die Quelle entspringt, mußten damals die Kranken an hängenden Leitern hinabklettern, oder an Stricken hinabgelassen werden), waren vergeblich bestanden. Das Uebel war schon zu tief eingewurzelt, überhaupt durch Bäder allein nicht zu heilen; auch war jener Sommer besonders ungünstig für die Cur. Unaufhörlicher Regen fiel, und wilde Bäche ergossen sich von den Felsen. Oft meinte man, sie werden das kleine, an den Fels geklebte Badhaus wegschwemmen, und, was schlimmer war, ihr Zufluß erkältete die Quellen. Alle Freundlichkeit jedoch erwies dem kranken Ritter der Abt, Johann Jakob Russinger mit Namen. Er wollte ihn durchaus nicht fortlassen, lud ihn erst ein, noch etliche Wochen als sein Gast zu bleiben, und rieth ihm dann, wenigstens später wiederzukommen, um seine Cur von Neuem aufzunehmen, die jetzt nur durch den Zufluß der wilden Wasser vereitelt worden sei. Auf den Weg gab er ihm Pferde und alle Reisebedürfnisse reichlich mit. So kehrte Hutten nach Zürich zurück, wohin er indeß einen Brief an Zwingli mit der Anfrage vorausschickte, wo sie ihm nun ein Unterkommen bereitet haben? S. den Brief in Hutten's Schriften II, S. 255.

Von Zürich aus erließ Hutten am 21. Juli noch ein Schreiben an den alten Herzensfreund Eoban nach Erfurt,, das (mit einem acht Tage später geschriebenen kürzern Briefchen) gewissermaßen den Schwauengesang des hinsterbenden Helden ausmacht, von dem wir uns daher kein Wort entgehen lassen wollen. »Wird es denn einmal Maß und Ziel finden, o Eoban, das widrige Geschick, das so bitter uns verfolgt? Von ihm zwar glaube ich das nicht; aber wir, denke ich, haben Muth genug, um seinen Anläufen Stand zu halten. Diesen einzigen Trost, diesen Hort, hat uns derjenige gelassen, der das Uebrige jener feindseligen Macht überlassen hat. Mich hat die Flucht zu den Schweizern geführt, und ich sehe einer noch weitern Verbannung entgegen. Denn Deutschland kann mich nicht dulden in seinem gegenwärtigen Zustande; den ich jedoch in Kurzem erfreulich geändert zu sehen hoffe durch Vertreibung der Tyrannen. Ich habe mich aus dem Kriegsgetümmel zu wissenschaftlicher Muße zurückgezogen und ganz an das Schreiben begeben. In diesem einen Stücke, kann ich sagen, hat es das Schicksal gut mit mir gemeint, indem es mich aus großen und widrigen Stürmen zur stillen Ruhe der Studien zurückführt. Der dieses bringt, hat von mir eine Schrift gegen die Tyrannen, die er zum Drucke besorgen soll. Hierin, bitte ich dich, widme mir und ihm deine Dienste. Die Sache kann in der Stille und heimlich abgemacht werden, und das nirgends besser als in eurer Stadt, wo niemand so etwas vermuthen wird, besonders da ich so weit entfernt bin. Aber- und abermals bitte ich dich, versäume nichts in einer Sache, die höchst nothwendig für uns ist. Vorhanden und am Tage sei der Einspruch gegen eine neue und unerhörte Unthat. Sehen und erkennen sollen künftige Jahrhunderte, was für Menschen diejenigen gewesen sind, welche wider Ehrbarkeit, Gesetz und Recht, Treue und Frömmigkeit, mit Frevel und Verwegenheit sich gesetzt haben. Doch weitern Zuredens bedarf es wohl nicht, um dich zur Gefälligkeit gegen einen Freund zu bewegen. Gar sehr verlangt mich zu wissen, wo Crotus ist, und wie es ihm geht? Denn ich habe lange nicht mehr in die Heimath schreiben können, da die Tyrannen alles besetzt halten, und neulich zu meinem großen Schaden Briefe aufgefangen worden sind. Gehe es ihm gut, wo er immer sei! Ich gebe die Hoffnung nicht auf, es werde eine Zeit kommen, wo Gott die braven Männer aus dieser Zerstreuung wieder sammeln wird: gebet auch ihr sie nicht auf, denn Er hat Rächeraugen, denen nichts entgeht. Erasmus ist schmählich abgefallen von der Sache des Evangeliums: doch reut ihn jetzt der schlechte Tausch, den er getroffen. Ich habe ihn zur Rechenschaft gezogen (ich konnte nicht anders, da es eine öffentliche Angelegenheit betraf) in einer gedruckten Schrift, welche du hier siehst. Thut auch ihr dort was an euch ist, damit es nicht scheine, ihr habet euch der gemeinen Sache entzogen. Grüße Eberbach von mir und alle die Unsrigen, und sprich mich, sobald es angeht, brieflich an. Wenn du schreibst, so schicke es an Zwingli, oder nach Basel an Oekolampad, und lebe wohl.« Hutten an Eoban, Schriften II, S. 252 f.

Als Hutten dem Freunde den Auftrag gab, seine Schrift gegen die Tyrannen, d. h. gegen die Fürsten, welche Sickingen's Macht vernichtet hatten (eine erweiternde Umarbeitung, wie es scheint, der in Basel verfaßten Schrift wider den Pfalzgrafen S. oben S. 494., zum Drucke zu befördern, wußte er freilich nicht, daß Eoban über die Bestrafung der Räuber ( latrunculi) durch den Landgrafen von Hessen dem Kanzler des letztern seine Freude bezeigt hatte; wie er auch später noch die Besiegung Sickingen's als eine der Großthaten Philipp's besungen hat. Der gute Eoban meinte es nicht böse; die Sache ließ sich von zwei Seiten betrachten, und er wünschte damals eine Anstellung in Marburg, da ihm in Erfurt der bittere Hunger drohte: aber wir begreifen hieraus, warum er sich wohl gehütet haben wird, die Hutten'sche Schrift gegen die Tyrannen, wenn sie anders in seine Hände gelangt ist, zum Drucke zu befördern. Auch andere mochten bei dem Aufschwunge, den mit Sickingen's Falle die Fürstenmacht genommen, dasselbe Bedenken tragen: und so erklärt es sich, daß die Schrift verloren ging.

Acht Tage nach diesem Brief an Eoban schrieb Hutten, wahrscheinlich noch von Zürich aus, an Nikolaus Prugner, der, früher Augustiner in Mülhausen, dann von der Reformation angezogen, sich damals in Basel aufhielt und hier oder in Mülhausen sich mit Hutten befreundet hatte. Letzterem war in Pfäfers gesagt worden, Prugner sei in Zürich angekommen, wo er ihn dann aber nicht gefunden hatte. Prugner war nämlich von der reformatorischen Partei in Mülhausen als Prediger dahin berufen worden, wo er in den nächsten Jahren unter mancherlei Schwierigkeiten in verdienstlicher Wirksamkeit stand. Hutten schreibt ihm nun, wie er ihn vergebens erwartet, wie er jetzt von seiner Anstellung gehört und nun seine Bücher, mit deren Verkauf er beauftragt gewesen zu sein scheint, zu diesem Zwecke einem andern übergeben habe. »Denn ich«, fährt er fort, »habe beschlossen, drei Meilen von hier bei einem Arzte einige Tage mich verborgen zu halten. Wie immer das Glück es fügen mag, so werde ich deiner Wohlthätigkeit und Gastfreundschaft eingedenk sein, so lange »der Geist mir die Glieder belebet« Virgil. Aen. IV, v. 336.: wird es mir Gunst beweisen, so sollst du dein volles Theil daran haben; wo nicht, so büßest du das gemeinsame Geschick. Deinem Rathe, vor allem aber dem Schreiber und Hagenbach, laß nicht ab mich zu empfehlen. Uebrigens schreibe, und was es sein mag, schicke an Zwingli. Wenn ich wieder gesund werde, so werden wir keine Ursache haben, das Schicksal anzuklagen. Und einmal, hoffe ich, »macht ein Gott auch diesem ein Ende«. Virgil. Aen. I, v. 199. Lebe wohl.« Während in den Schriftzügen dieses Briefs, dessen Original einst die straßburger Stadtbibliothek bewahrte, in Vergleichung mit andern Denkmalen der kraft- und lebensvollen Hand des Ritters, seine tödtliche Schwachheit sich verrieth, war doch Lebensmuth und Lebenslust in ihm noch so wenig erloschen, daß er in einer deutschen Nachschrift Prugner bittet, so bald wie möglich ein gewisses »Büchlin, von dem Feuerwerk zu machen«, für ihn abschreiben zu lassen und ihm zuzusenden. Den zuerst von Röhrich mitgetheilten Brief s. in Hutten's Schriften II, S. 255 f.

Der gelehrte Geistliche, dem wir die erste Mittheilung dieses und mehrerer anderer werthvollen Hutten'schen Briefe verdanken, bemerkt über denselben, es erfülle uns mit Wehmuth, wenn wir sehen, wie Hutten sterbend nur auf die Fortuna gehofft habe. Wir werden darin, wie in den Anspielungen auf classische Dichterstellen statt der Bibelsprüche, nur die Rückkehr Hutten's zu seiner ursprünglichen Natur und humanistischen Bildung erkennen. Im Verkehre mit Luther und dessen Publicum war ihm die christlich theologische Farbe angeflogen: sie verlor sich, als er im Unglück es nur noch mit sich selbst zu thun hatte.

Der Arzt, zu welchem Hutten sich zu begeben gedachte, war der heilkundige Pfarrer Hans Schnegg, und der Ort, wo er sich, noch immer vor Verfolgung nicht sicher, verborgen halten wollte, die Insel Ufnau im Zürichersee. Das freundliche Fleckchen Weideland mit seiner alten Kirche und Kapelle, ½ Stunde von Rapperswyl, im oberen, breitesten Becken des Sees gelegen, gehörte dem schwyzerischen Kloster Einsiedeln zu, wo Zwingli einst, von dem wohlgesinnten Pfleger des Klosters, Theobald von Geroldseck, berufen, zwei Jahre lang Prediger gewesen war und sich während dieser Zeit ohne Zweifel auch mit Schnegg, der Conventual des Klosters war, befreundet hatte. Ueberall erscheint so, in Hutten's letzter Noth, über ihm Zwingli's milde und feste Hand, während Oekolampad's freundliches Auge aus der Nähe herüberblickt. Die deutsche Reformation hatte den Ritter abgelehnt: die schweizerische nahm ihn auf. Ob er bei längerem Leben nicht auch von ihr sich enttäuscht gefunden hätte, ist freilich eine andere Frage.

Schmerzlich wurde Hutten in seiner Einsamkeit und Schwachheit zu Ufnau noch einmal durch Erasmus gestört. Aus Basel kam ihm von Freundeshand die Warnung zu, jener habe ein Schreiben an den Züricher Rath gerichtet, worin er Hutten unfreundlich antaste und des Raths Ungunst und Widerwillen gegen ihn zu erwecken sich unterstehe. Auch in der Zuschrift an Zwingli, die er seiner Spongia vorsetzte, versicherte Erasmus zwar, er wolle den Ritter keineswegs um die Freistätte bringen, welche der Edelmuth der Schweizer ihm gegen seine Verfolger gewähre; doch machte er geflissentlich darauf aufmerksam, wie Hutten in seinen Libellen nicht nur wohlverdiente Gelehrte, wie ihn, darunter wackere Schweizer, angreife, sondern auch Papst, Kaiser und Fürsten nicht verschone; woraus leicht der Schweiz, der Erasmus alles Gute wünsche, Haß und Ungelegenheit erwachsen könnte. Fast gleichlautend schrieb er nun an Bürgermeister und Rath von Zürich: er habe nichts dagegen, daß ihre Gütigkeit den Hutten also bei sich wohnen lasse, sondern nur, daß dieser, der jetzt nichts mehr zu verlieren habe, solche Gütigkeit nicht zu einem geilen muthwilligen Schreiben mißbrauchen möge. Wenn sie diesen seinen Muthwillen ein wenig zähmen, werden sie nicht sowohl ihm, dem Erasmus, als den Wissenschaften und ihrer Landschaft einen nützlichen Dienst erweisen. Basel, 10. August. Hutten's Schriften II, S. 256 f.

Auf die Nachricht, daß ein Schreiben solchen Inhalts von Erasmus erlassen worden, bat Hutten den Züricher Bürgermeister und Rath, als seine lieben Herren und Freunde, an deren Zuneigung zu aller Redlichkeit, und insonders zu christlicher Wahrheit und evangelischer Lehre, er nicht zweifle, um die Gunst, falls dergleichen Schriften ihnen schon zugekommen wären, oder noch zukommen möchten, ihm deren Sinn und Inhalt nicht vorzuenthalten, sondern zum Behufs seiner Verantwortung ihm Copien angedeihen zu lassen. Denn er wolle je dafür gehalten sein, daß er alle Zeit her, seit er aus seinen kindlichen Jahren erwachsen, anders nicht, denn einem tugendlichen und frommen Rittermäßigen von Adel wohl ziemlich, gehandelt und gewandelt habe. Wolle jemand, als er nicht hoffe, ihn des Gegentheils beschuldigen, so werde er seine Ehr und Glimpf mit Grund der Wahrheit gnugsamlich zu vertreten und zu entschuldigen wissen: und so bitte er nun auch sie, ein Vertrauen zu ihm zu haben, und sich überdieß festiglich zu ihm zu versehen, daß er zu ihnen und gemeiner Eidgenossenschaft, jetzt wie immer, einen freundlichen guten Willen trage, ihnen Lieb und Dienst zu erzeigen von Herzen gesinnt sei. Ufnau, 15. August. Ebendas. S. 257 f.

Doch Hutten bedurfte bald keines menschlichen Schutzes mehr. Ein heftiger Krankheitsanfall warf ihn auf das Lager. Aerzte wurden gerufen, aber ihre wie des guten Pfarrers Heilkunst mühte sich vergebens. Basilius Amerbach, Basel, 22. Oct. Ebendas. S. 383. An einem der letzten Tage des August, oder am ersten September (denn die Berichte stimmen nicht überein Vgl. den so eben angeführten Brief mit den Angaben von Erasmus und andern, in Hutten's Schriften II, S. 263 f. 352 f. war Hutten aller Noth, die ihn drückte und noch bedrohte, durch einen schnellen Tod entrückt. Er war 35 Jahre und 4 Monate alt geworden. Nur um Weniges über ein Vierteljahr hatte er seinen Franz von Sickingen überlebt. Die Aussicht, Deutschland mittelst der Reformationsidee politisch wie kirchlich neu aufgebaut zu sehen, ging mit beiden zu Grabe. Was den Rittern mißlungen war, versuchten zwei Jahre später die Bauern mit noch üblerem Erfolge. Nachdem das Kaiserthum sich der Reformation versagt hatte, war diese jetzt nur noch mittelst des Landesfürstenthums, also auf Kosten der politischen Einheit und Macht des deutschen Volkes, durchzusetzen. Aber besser auch so als gar nicht; besser, daß Deutschland doch theilweise deutsch wurde, als daß es ganz romanisch blieb; und den politischen Schaden sind wir ja eben im besten Zuge gut zu machen.

Daß Hutten an der Krankheit gestorben ist, an der er seit so vielen Jahren gelitten hatte, und die, nach einer scheinbaren Heilung, bald von neuem ausgebrochen war, leidet keinen Zweifel. In Deutschland sprach man mancher Orten von Vergiftung. Leider jedoch brauchte es, um Hutten zu tödten, keines weitern Giftes, als das er schon lange in seinem Körper trug. Glarean schrieb, wie Hutten nach Basel gekommen war, von »seiner Krankheit« sei er noch nicht genesen; Basilius Amerbach berichtete, die Ueberbleibsel der französischen Krankheit haben ihn auf das Lager geworfen, das sein Todtenbette wurde, und auch der züricher Mediciner Konrad Gesner nennt in seiner um's Jahr 1545 herausgegebenen Bibliothek dieselbe Krankheit als diejenige, von welcher Hutten aufgerieben worden sei. Daß dagegen Joachim Camerarius nur unbestimmt von Krankheiten spricht, ist in der schonungsvollen, vertuschenden Art, die wir an ihm kennen. Man hörte wohl auch sagen, weniger die Krankheit selbst, als die mörderische Guaiak-Cur, die er durchgemacht, sei die Ursache von Hutten's frühem Tode gewesen. S. die Stellen in Hutten's Schriften II, S. 153. 352. 354. 362.

Hutten starb, wie sich denken läßt, in der äußersten Dürftigkeit. Zwingli gibt uns sein Inventar. »Er hinterließ«, schreibt er, »lediglich nichts von Werth. Bücher hatte er keine, Hausrath auch nicht, außer einer Feder.« Zwingli an Bonifaz Wolfhart, 11. Oct. 1523. Hutten's Schriften II, S. 382 f. Zwingli und andere Freunde liehen ihm Bücher, die sie nach seinem Tode zurückerhielten. Ders. an Oekolampad, ebendas. S. 382. In Deutschland war Hutten im Besitz einer hübschen Sammlung von Handschriften und gedruckten Büchern gewesen, die er durch Tausch und Kauf zu vermehren suchte. Aber sie stand jetzt nicht zu seiner Verfügung, wenn sie nicht bereits für ihn verloren war. Joachim Camerarius erwähnt später, daß ein Arzt, Namens Locher, Hutten's Bibliothek »aus der Beute« erkauft habe. In Hutten's Schriften II, S. 446. Ist hier Kriegsbeute gemeint, so scheint also Hutten's zurückgelassene Büchersammlung, vielleicht mit der Ebernburg, in die Hände der Fürsten gefallen und mit den Beutestücken versteigert worden zu sein. Damit stimmt, was Otto Brunfels von einer Sammlung Hussischer Schriften sagt, die ihm von den weggenommenen Büchern Hutten's, der sie aus Böhmen zugeschickt bekommen, zurückgegeben worden; eine Sache, setzt er hinzu, von der übrigens weiter zu reden (denn es ließe sich eine lange Geschichte davon erzählen) weder ersprießlich noch rathsam sei; ein andermal betrachtet er es als ein Wunder der göttlichen Vorsehung, daß diese Stücke aus dem Hutten'schen Bücherschatz erhalten worden. Ebendas. S. 425 f.

Von schriftlichen Sachen sah Zwingli aus Hutten's Verlassenschaft noch ein Bündel Briefe von Freunden und an solche; wie Otto Brunfels in Deutschland eine Sammlung von 2000 Stück dergleichen, von Fürsten und Herren, Geistlichen und Gelehrten aller Nationen an Hutten, zum Theil Zustimmungserklärungen zu seinem Unternehmen gegen Rom, bei ihm gesehen hatte, die er in Mußestunden ordnete und unter dem Titel: Vertraute Briefe, herauszugeben gedachte. Resp. ad Spong. In Hutten's Schriften II, S. 340 f. Daß diese Sammlung abhanden gekommen, ist ein großer Verlust für die Zeitgeschichte. Außerdem sollen sich noch mehrere der eigenen Druckschriften Hutten's bei ihm vorgefunden haben, die er zum Behuf einer neuen Ausgabe durchgesehen und vielfach verbessert hatte. Die so durchcorrigirten Exemplare befinden sich auf der Wasserkirchenbibliothek in Zürich, und begreifen die Steckelberger Sammlung der Schriften gegen Herzog Ulrich, die Aula, den großen Brief an Pirckheimer, die Türkenrede und die aus den Wormser Reichstag sich beziehenden Invectiven und Sendschreiben. Die Veränderungen (wie sie Böcking unter dem Texte, zuzüglich einer nachträglichen Berichtigung Vor dem III. Bande der Schriften S. XIX-XXX., gibt) bestehen, außer der Ausmerzung von Druckfehlern und leichten sprachlichen Verstößen, hauptsächlich in kleinen Nachhülfen, welche den Sinn deutlicher, oder den Stil anmuthiger machen sollen. Zu diesem letztern Zwecke sind insbesondere viele größere Sätze dadurch in kleinere zerlegt, daß deren Glieder, früher durch Kolon unterschieden, nun durch Punkte getrennt wurden. Erkennen wir hierin die Sorgfalt, welche Hutten der Form seiner Schriften zuzuwenden pflegte, so ist eine fernere Aenderung, die er in jenem Exemplare durchführte, als ein Zeichen merkwürdig, wie in den wenigen Jahren seit Luther's Auftreten der ganze Zeitgeschmack eine Umwandlung erfahren hatte. Das stilistische Heidenthum des Humanismus war anstößig geworden: so christianisirte jetzt auch Hutten seinen Stil. Die Götter und der Hercules seiner frühern Schriften mußten dem Einen Gott und dem Herrn Christus weichen.

Zu Hutten's Nachlaß gehörten aber auch Schulden. Der Pfarrer Bonifaz Wolfhart zu St. Martin in Basel hatte noch eine Forderung an ihn; der Commendator Cunhard Schmid zu Küßnacht, der ihn auch dem Abte von Pfäfers empfehlen helfen, hatte ihm, vielleicht eben zu dieser Badereise, 20 Fl. vorgestreckt; Zwingli selbst 3 Fl. Zur Befriedigung dieser und anderer Gläubiger (die Schulden sollen sich im Ganzen auf 150 Fl. oder etwas mehr belaufen haben) war, bei dem Stande der Verlassenschaft, keine Aussicht. Einmal hieß es zwar, es seien aus dem Hutten'schen Vermögenszerfalle (vielleicht von seinem väterlichen Erbtheil in Deutschland?) noch 200 Fl. übrig, die dem Heinrich Eppendorf zugestellt werden würden. Wirklich rühmte sich dieser in der Folge, für Hutten nach dessen Tode Schulden bezahlt zu haben. Von jenen 200 Fl. aber, und daß Eppendorf sie erhalten hätte, verlautet weiter nichts, und da er selbst tief in Schulden steckte, so hat wohl Erasmus sein Vorgeben nicht mit Unrecht bezweifelt. Daher faßte sich Zwingli, der auch nichts zu verschenken hatte, nicht blos am großmüthigsten, sondern auch am klügsten, wenn er schrieb: »Nach meinem Guthaben frage ich weiter nicht; wird etwas bezahlt, so nehm' ich's, wo nicht, so schenk' ich's. Zwingli an Wolfhart, a. a. O. Vgl. Erasmus an Botzheim, Hutten's Schriften II, S. 433. H. Eppendorf gegen Erasmus, ebendas. S. 451.

Für ein Denkmal auf Hutten's Grab' hatten unter diesen Umständen seine nächstwohnenden Freunde nichts übrig. Ein fränkischer Ritter ließ in den folgenden Jahren einen Stein mit einer lateinischen Inschrift auf demselben errichten S. Hutten's Schriften II, S. 353., der jedoch frühzeitig, sammt der Kunde des Platzes, wo Hutten begraben, verschwunden ist. Die einsiedelschen Pfaffen konnten ein ketzerisches Heiligthum der Art auf ihrer Insel nicht brauchen.

Daß ein Theil von Hutten's Bibliothek durch Kauf in den Besitz des Arztes Locher übergegangen sei, kam bald einem jüngern Vetter des Verstorbenen, Moriz von Hutten, zu Ohren. Dieser, dem birkenfelder Zweige der stolzenbergischen Linie entsprossen, war in die geistliche Laufbahn getreten, in welcher er um das Jahr 1536 zum Propst in Würzburg, etwa drei Jahre später zum Bischof von Eichstädt aufstieg, wo er um 1552 starb. Schon frühe interessirte er sich für den Ruhm und die Verlassenschaft seines Vetters, der seinen Großoheim Ludwig und dessen ermordeten Sohn durch seine Todtenopfer unsterblich gemacht hatte, und trug sich mit der Absicht, dessen Bibliothek von dem fremden Besitzer zurückzukaufen. Aber auch die Buchdrucker hatten von dem Schatze, namentlich an Handschriften, Wind bekommen, und bereits unterhandelte Froben in Basel mit Locher um die Schriften von Quintilian, Plinius und Marcellus med., die Hutten einst in der fuldischen Bibliothek gefunden hatte. Der Buchdrucker Setzer zu Hagenau glaubte mit dem Marcellus allein 30 Goldgulden verdienen zu können. Auf Setzer's Anmahnung, der durch Camerarius den Verlag zu bekommen hoffte, gab nun dieser im Frühjahr 1529 dem Moriz Hutten von dem Stande der Sache Nachricht und forderte ihn auf, den Plan des Ankaufs der Hutten'schen Bibliothek, ehe diese zerstreut werde, auszuführen. S. Hutten's Schriften II, S. 446.

Ein Stück derselben war vielleicht schon im Jahr zuvor veräußert: die Blumenlese aus Sallust und Curtius, die Johann Herwag im J. 1528 zu Straßburg herausgab. C. Sallustii et Q. Curtii Flores selecti per Hulderichum Huttenum eq. ejusdemque scholiis non indoctis illustrati. Schriften V, S. 499-503. Es ist dies eine Phraseologie, dergleichen sich die Humanisten aus den Classikern, die sie lasen, zur Bereicherung ihres lateinischen Sprachschatzes anzulegen pflegten: von Hutten auf keinen Fall zum Drucke bestimmt.

Noch stärker findet man sich versucht, die Herkunft aus der Locher'schen Sammlung von dem Dialog Arminius zu vermuthen, der im Jahr 1529 als ein nachgelassenes Werk von Hutten erschien. Arminius Dialogus Huttenicus. Schriften IV, S. 407-418. In meiner Uebersetzung von Hutten's Gesprächen S. 390-412. Das Gedicht Eoban's in Hutten's Schriften II, S. 439 f. Denn wenn in dem vorangeschickten Gedichte Eoban Hesse sagt, des Lesers erster Dank gebühre dem Ulrich, der zweite dem Moriz Hutten, der dritte dem Joachim (Camerarius), und da überdieß die Schrift bei Setzer in Hagenau gedruckt ist, so scheint hier die erste Frucht des unter Camerarius' Vermittlung zwischen Moriz von Hutten und Locher abgeschlossenen Handels vorzuliegen. Wenn nur nicht das Eobanische Gedicht das Datum des J. 1528 trüge, wo, wenn die Jahreszahl des oben besprochenen Camerarischen Briefes richtig ist, jener Handel noch nicht abgeschlossen war. Daß übrigens Moriz wirklich die Büchersammlung seines verstorbenen Vetters an sich gekauft habe, wird daraus wahrscheinlich, daß, nach Burckhard's Erkundigungen, zu Anfang des vorigen Jahrhunderts in der bischöflichen Bibliothek zu Eichstädt noch verschiedene mit Hutten's Handzeichen versehene Bücher vorhanden waren. S. Hutten's Schriften II, S. 474 f.

Wo aber auch jener Dialog aufgefunden sein mag: an seiner Aechtheit ist nicht zu zweifeln. Er trägt Hutten's Stempel nach Inhalt und Form. Ja, ein ganz bestimmter Anknüpfungspunkt findet sich. In dem Sendschreiben an den Kurfürsten Friedrich zu Sachsen (vom September 1520) führte er diesem den Arminius zu Gemüthe, der, als Cherusker zu den Sachsen gehörig, nach dem Zeugniß der Feinde selbst der beste und tapferste aller Feldherren gewesen sei und Deutschland von dem Joche der Römer in der Zeit ihrer höchsten Macht befreit habe. Was dieser unser Befreier in der Unterwelt denken werde, wenn er sehe, daß, während er die tapfern Römer nicht als Herren habe dulden wollen, seine Nachkommen jetzt weichlichen Pfaffen und wewischen Bischöfen dienen? Schriften I, S. 390, §. 19. 20. Vgl. auch schon die dritte Rede gegen den Herzog von Würtemberg vom Jahr 1517. Schriften V, S. 45, §. 19.

Von diesen Gedanken ist der Dialog Arminius nur die weitere Ausführung. Arminius erscheint in der Unterwelt und macht sich als den tapfersten Feldherrn geltend. Er protestirt vor dem Richterstuhle des Minos gegen den Spruch, durch welchen dieser (in einem von Lucian's Todtengesprächen) die erste Stelle unter den Heerführern im Elysium dem Alexander, die zweite dem Scipio, die dritte dem Hannibal, ihm selbst aber gar keine angewiesen hatte, dem doch von Rechtswegen der erste Platz gebührt haben würde. Minos, obwohl er den Arminius tadelt, daß er sich nicht rechtzeitig gemeldet habe, ist doch nicht abgeneigt, die Sache noch einmal aufzunehmen, und läßt daher durch Mercur jene drei Feldherren, und auf das Verlangen des Beschwerdeführers, auch den römischen Geschichtschreiber Tacitus, rufen, dem Hutten sein rühmliches Zeugniß für die deutsche Nation von jeher hoch angerechnet hatte. Vgl. den Vadiscus, Schriften IV, S. 134 f., §. 11. Den letztern fordert nun Arminius auf, die Stelle über ihn aus seinen Annalen (am Schluffe des zweiten Buchs) vorzulesen; worauf er in längerer Rede seine Ansprüche auf den ersten Platz unter den Feldherren durch die Nachweisung begründet, daß derjenige, welcher unter den größten Schwierigkeiten das mächtigste Volk der Erde in der Periode seiner höchsten Blüthe besiegt habe, nothwendig der größte Feldherr sein müsse. Wenn Arminius in dieser Rede sagt, er habe diejenigen für gar keine Deutschen gehalten, welche dem Auslande Tribut bezahlten, oder sonstwie fremder Botmäßigkeit sich fügten; als den ärgsten Gräuel aber habe er es ausgerufen, daß zwischen Rhein und Elbe römische Fasces und Toga je erblickt worden seien; er habe es dahin bringen wollen, jeden Ueberrest der römischen Macht, ja selbst ihr Andenken, in Deutschland zu vertilgen: so bedarf es keiner Erinnerung, daß Hutten dabei an das päpstliche Rom seiner Zeit und seinen Kampf gegen dieses gedacht hat. So schildert er auch den Varus mit seiner Habsucht und seinem Uebermuthe ganz wie einen päpstlichen Legaten seiner Zeit und nimmt ihm das besonders übel, was ihn an einem Cajetan und Aleander so erbitterte, daß auch er schon die Deutschen für dumme Bestien hielt, denen man alles bieten dürfe. Wenn Arminius die Beschuldigung, nach der Oberherrschaft in Deutschland gestrebt zu haben, als Verläumdung zurückweist, da er nur, um die gemeine Freiheit schützen zu können, die einmal erlangte Macht nicht aus den Händen gegeben habe; übrigens wäre es nicht mehr als ein verdienter Dank gewesen, wenn die Deutschen ihrem Befreier aus dem Fremdenjoche freiwillig die Herrschaft angeboten hätten: so mag Hutten hiebei an Sickingen's Plane gedacht haben; wie die Idee, die beide Freunde begeisterte, in folgender Schlußrede des Arminius nicht zu verkennen ist. »Nicht um Ruhm, Reichthum oder Herrschaft kämpfte ich, sondern das Ziel meines ganzen Strebens war, dem Vaterlande die ihm gewaltsam entrissene Freiheit zurückzugeben. So lebte ich in der Ausübung der höchsten Tugenden, bis mich einheimischer Neid und die Arglist der eigenen Verwandten fällte, und ich den freien und über alles siegreichen Geist, im Bewußtsein der größten Verdienste um mein Vaterland und eines in allen Stücken wohlgeführten Lebens, zu euch hinüberschickte.« Minos, mit des Arminius Rede sehr zufrieden, gesteht zu, daß ihm der erste Platz unter den Feldherren gebühren würde; doch weil der frühere Spruch nicht umgestoßen werden könne, so läßt er zum Ersatz durch Mercur als den ersten unter den Vaterlandsbefreiern, wie Brutus und ähnliche, den Cherusker Arminius, den Freiesten, Unüberwindlichsten und Deutschesten, öffentlich ausrufen.

Die ausdrückliche Nutzanwendung auf die Gegenwart ist durchaus verschwiegen, und diese objectiv historische Haltung gibt dem Ganzen, dem wohl auch noch manche rhetorische Nachhülfe vorbehalten war, ein matteres Colorit, als man sonst an Hutten'schen Schriften gewohnt ist. Hieraus etwa schließen zu wollen, das Gespräch sei in Hutten's letzter Zeit, bei abnehmender Kraft verfaßt, ist gleichwohl mißlich; man könnte ebenso die ruhige Objectivität für diese letzte Unglückszeit befremdlich finden: und wenn wir hier wirklich ein Stück der von Locher »aus der Beute« gekauften Büchersammlung vor uns haben, so würde sich die Annahme ergeben, daß die Schrift auf einem von Sickingen's Schlössern entworfen und bei Hutten's Abzug aus Deutschland daselbst zurückgeblieben sei.


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