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1520-1521.
Je weniger Aussicht auf Unterstützung seiner Plane Hutten, des Kaisers zu geschweigen, selbst von Seiten desjenigen Fürsten hatte, welcher der Sache der Reformation am günstigsten zu sein schien, desto mehr suchte er sich seines Gastfreundes Franz von Sickingen, dessen Macht und Bedeutung um jene Zeit der eines Fürsten kaum nachstand, zu versichern. Es fehlte nicht an solchen, welche diesen, theils aus verwandtschaftlichem, theils aus Parteiinteresse, von Hutten und der Reformation abzuziehen suchten. Sein übrigens trefflicher Schwager, Philipp von Flersheim, damals Domsänger, in der Folge Bischof von Speier, dessen Kronik eine Hauptquelle für Sickingen's Geschichte ist, wie sein Gegenschwäher, der Ritter Dietrich von Handschuchsheim, an dessen Umstimmung er in der Folge ein eigenes Sendschreiben wendete, waren ohne Zweifel auch mit unter den Verwandten und Freunden, von denen Hutten schreibt, daß sie in Franz gedrungen, sich von einer so gefährlichen Sache loszusagen. Man suchte ihm von Luther's Meinungen und Planen eine abschreckende Vorstellung beizubringen, und führte dabei wohl auch Stellen aus dessen Schriften an, die in denselben gar nicht zu finden waren.
Franz hatte bis daher von Luther nur weniges obenhin gelesen: jetzt benutzte Hutten die winterliche Muße auf der Ebernburg, den Freund tiefer in die Schriften des Reformators einzuführen. Einige Proben, die er ihm vorlas und mündlich erläuterte, mußten ihn erst begierig machen; bald fing die Sache ihm einzuleuchten an, und bei weiterem Lesen kam es zur Ueberzeugung. Er übersah die Grundlagen, ermaß den Aufbau der Lutherischen Lehre, und Wie? rief er aus, das wagt jemand erschüttern zu wollen, oder wenn er's wagt, hofft er's zu können? In Kurzem ließ er keine Mahlzeit vorübergehen, nach der ihm nicht Hutten etwas von Luther oder auch von sich selbst vorlesen mußte; woran sich Gespräche knüpften, in denen Hutten die Fassungskraft seines Freundes, sein Talent, das Aufgefaßte beredt wiederzugeben und selbstständig weiter auszuführen, bewundern lernte. Jetzt war Sickingen gegen die Versuche, ihn wankend zu machen, gestählt: auf die schon oben erwähnte Warnung seiner Verwandten vor der Betheiligung an einer so zweifelhaften Sache war jetzt seine Antwort, die Sache sei keineswegs zweifelhaft, denn es sei die Sache Christi und der Wahrheit; überdieß fromme es dem deutschen Gemeinwesen, daß Luther's und Hutten's Mahnungen Gehör finden und der Glaube geschirmt werde. Alles dieß nach dem oben angeführten Briefe Hutten's an Luther vom 9. Dec. 1520.
Stehen wir einen Augenblick vor diesem Bilde still: es ist eines der schönsten in der Geschichte unseres Volkes. Am gastlichen Tische der Ebernburg sitzen in den Winterabenden zwei deutsche Ritter, in Gesprächen über die deutscheste Angelegenheit. Der eine Flüchtling, der andere sein mächtiger Beschützer: aber der Flüchtling, der jüngere, ist der Lehrer, der ältere schämt sich des Lernens nicht, wie der ritterliche Lehrer selbst neidlos dem größern Meister, dem Mönch zu Wittenberg, sich unterordnet.
Aus dieser Blüthezeit des Verhältnisses beider Männer ist die schöne Zueignung an Sickingen, welche Hutten der deutschen Uebersetzung seiner Gespräche vorangestellt hat Schriften I, S. 447-449., und deren nähere Betrachtung wir ebendeßwegen bis an diese Stelle verschoben haben. Ohne Ursache, sagt Hutten in dieser Widmung, sei das Sprichwort: In Nöthen erkennt man den Freund, nicht aufgekommen. Denn niemand dürfe sagen, daß er mit einem Freunde verwahrt sei, er habe ihn denn in seinen nothdürftigen anliegenden Sachen dermaßen, daß er ihn inwendig und auswendig kenne, versucht und geprüft. Wiewohl nun der glückselig zu achten, dem nie von Nöthen gewesen, einen Freund diesergestalt zu probiren, mögen doch auch die sich der Gnade Gottes berühmen, die in ihren Nöthen beständige und hart haltende Freunde erfunden haben. »Unter welchen«, fährt Hutten fort, »ich mich dann nit wenig bei Gott und dem Glück zu bedanken hab. Denn als ich auf das Aeußerste an Leib, Ehre und Gut von meinen Feinden genöthigt war, so ungestüm, daß ich kaum Freunde anzurufen Zeit gehabt, bist du mir, nit (als oft geschieht) mit tröstlichen Worten, sondern hülftragender That, begegnet, ja, mag ich (als das Sprichwort ist) sagen, vom Himmel herab zugefallen.« So wenig darum die Freundschaft im Glücke, wenn sie auch mehr eine lustige Gesellschaft, als wahre Freundschaft genannt werden sollte, zu verwerfen sei, so finde doch zwischen beiden der Unterschied statt, wie zwischen Speisen, die nur süß und wohlschmeckend, und solchen, die zugleich gesund und heilsam seien. So habe er, Hutten, in einer Zeit, da er nicht lustigen Geschmacks, sondern heilsamer Arznei, nicht fröhlichen Beiwesens, sondern gewärtiger Hülfe bedurft habe, – da habe ich, fährt er fort »(ich acht, aus göttlichem Zuschicken und Versehung) dich gefunden, der nicht geachtet, was ein jeder von meiner Sache rede, sondern, wie die an ihr selbst gestaltet sei, beherziget. Hast dich nicht durch Schrecken meiner Widerwärtigen von Verfechtung der Unschuld abziehen lassen, sondern aus Liebe der Wahrheit und Erbarmniß meiner Vergewaltigung für und für über mir gehalten. Und da mir aus Größe der Fahr die Städt verschlossen gewest, alsbald deine Häuser (die ich aus der und andern Ursachen Herbergen der Gerechtigkeit nennen mag) aufgethan, und also die angefochtene und verjagte Wahrheit in den Schoos deiner Hülf empfangen, und in den Armen deiner Beschirmung ganz kecklich gehalten. Daraus dann gefolgt, daß ich in meinem Fürsatz, den auch du ehrbar und redlich nennest, nicht wenig gestärkt, alle Gelehrten und Kunstliebenden deutscher Nation (denen nicht weniger als mir selbst an dieser Sachen gelegen) sich in Frohlocken erhaben, und gleich als nach einem trüben Wetter von der freudenreichen Sonnen erquicket worden. Dagegen die boshaftigen Curtisanen und Romanisten, die mich verlassen gemeint, und derhalb beinahe einen Triumph von mir geführt hatten, da sie gesehen, daß ich mich (wie im Sprichwort ist), an eine feste, unerschütterte Wand gelehnet hab, ihren Stolz und Uebermuth gegen mir etwas niedergelassen, sich fast eingethan und kleinen Lauts worden.«
Für solche Wohlthat dem Freunde genugsamen Dank zu sagen, fehle es Hutten nicht an Gemüth und Willen, sondern am Glück und Vermögen. Werde ihm aber je eine bessere Zeit erscheinen, und sich, wie er zu Gott hoffe, Aenderung des Glücks begeben, so wolle er ihm, allem seinem Vermögen nach, dermaßen wieder dienen, daß Franz spüren solle, er habe wenigstens keinen Fleiß gespart, ihm Dankbarkeit zu erzeigen. Bis dahin wolle er mit demjenigen, was ihm kein Frevel noch Gewalt, kein Trotz noch Uebermacht, kein Armuth noch Elend benehmen möge, nämlich mit seinen Sinnen und Verstand, dem Freunde treulich und fleißig zu Diensten sein, ihm auch jetzt schon, wie einst Virgil den zwei wohlverdienten Jünglingen (Nisus und Euryalus, Aen. IX, 446 f.) zugesagt haben:
»Wo etwas mein Geschrifft vermag,
Dein Lob muß sterben keinen Tag.«
Uebrigens auch ohne das besondre Verdienst, das er sich um ihn erworben, hätte doch Franz durch seine ritterlichen ehrlichen Thaten an sich schon verdient, daß Hutten und alle, deren Vermögen es sei, gegenwärtige oder vergangene Dinge durch Behelf der Schrift zur Erkenntniß zukünftiger Zeit zu bringen, seinen Namen aus dunklem Vergeß in das Licht der ewigen Gedächtniß setzten. »Denn ohne Schmeichelei und Liebkosen zu reden, bist du es, der zu dieser Zeit, da jedermann bedäucht, deutscher Adel habe etwas an Strengkeit der Gemüther abgenommen, dich dermaßen erzeigt und bewiesen hast, daß man sehen mag, deutsch Blut sei noch nicht versiegt, noch das adelich Gewächs deutscher Tugend ganz ausgewurzelt. Und ist zu wünschen und zu bitten, daß Gott unserem Haupt, Kaiser Karlen, deiner tugendhaftigen unerschrockenen Muthsamkeit Erkenntniß eingebe, damit er dich, deiner Geschicklichkeit nach, in hohen trefflichen seinen Händeln, das römisch Reich, oder auch ganze Christenheit betreffend, so mit Rath wie mit der That brauche; denn alsdann würde die Frucht deiner Tugend zu weiterem Nutz kommen. Fürwahr, einen solchen Muth sollt man nicht ruhen, noch inner Bezirks kleiner Sachen gebraucht werden lassen.«
Doch Hutten's Absicht sei nicht, in dieser Vorrede Franzens Lob zu beschreiben, sondern nur, seinem Herzen einmal Luft zu machen, das gesteckt voller guter Gedanken und freundlicher Gutwilligkeit für die unvergeltlichen Wohlthaten sei, die der Freund ihm erwiesen habe und noch täglich je mehr und mehr häufe: daher schenke er ihm zum Neujahr die auf der Ebernburg gefertigten Uebersetzungen seiner Gespräche. Hierauf der herrliche Schluß, der in seiner thatlustigen Mannhaftigkeit aus dem Innersten von Hutten's Wesen kam: »Und wünsch dir damit, nicht als wir oft unsern Freunden pflegen, eine fröhliche, sanfte Ruh, sondern große, ernstliche, tapfere und arbeitsame Geschäft, darin du vielen Menschen zu Gut dein stolzes heldisch Gemüth brauchen und üben mögest. Dazu wöll dir Gott Glück, Heil und Wohlfahren verleihen.«
Doch während Hutten seine ältern Dialoge ins Deutsche übersetzte, arbeitete er zugleich neue lateinische aus. Dialogi Huttenici novi, perquam festivi. Bulla, vel Bullicida. Monitor primus. Monitor secundus. Prædones. Schriften IV, S. 309-406. In meiner Uebersetzung der Hutten'schen Gespräche S. 221-389. Die Zueignung, Schriften II, S. 4. Ist die Zueignung jener Uebersetzung vom 1., so ist die der lateinischen Gespräche vom 13. Januar 1521. Sind die deutschen seinem Beschützer, Schüler und ritterlichen Ideale, Franz von Sickingen, zugeeignet, so tritt dieser in den lateinischen als dramatische Person mitredend und mithandelnd auf. Und zwar immer in der höchsten Stellung, als Vertreter des Rechten und Wahren, der Freiheit wie der Mäßigung. Das Beste, was Hutten weiß, hat er seinem Franz in den Mund gelegt, wie Plato seinem Sokrates. Zugeeignet sind die neuen Dialoge einem fürstlichen Nachbar der Ebernburg, dem Pfalzgrafen Johann von Simmern, dem Vater des nachmaligen Kurfürsten Friedrich III., und Stammvater jener hochstrebenden simmernschen Linie pfälzischer Kurfürsten, welche die Reformation in ihrer vorgeschrittensten Gestalt, als Calvinismus, ergriffen; während der Stammvater Johann, ein tüchtiger, gebildeter und im Reiche geachteter Fürst († 1557), noch bei dem alten Kirchenwesen verblieb. Freimuth sei es, was er vom Schriftsteller verlange, hatte Pfalzgraf Johann im Gespräche mit Hutten einmal geäußert und zugleich den Wunsch ausgesprochen, wenn dieser wieder etwas Freimüthiges schriebe, es alsbald mitgetheilt zu erhalten. So schickt ihm denn Hutten diese neuen Dialoge als einem solchen zu, der sie sowohl mit Einsicht zu lesen, als auch zu schützen wissen werde. Freimuth werde der Pfalzgraf in denselben nicht vermissen, wenn vielleicht auch Feile und Vollendung. Der Verfasser habe sie auf dieser Warte, die sich längst der Freiheit geöffnet, eilig ausgearbeitet, über das Thema, das ihm in dieser Zeit fast einzig zur Behandlung übrig sei, und mit dem Vorhaben, den Wahnsinn der Feinde jetzt auf jede mögliche Art zu reizen. So weit sei er entfernt, sie zu fürchten, deren Unternehmungen, sie mögen beginnen was sie wollen, unmöglich Dauer haben können. Daher spreche er auch denen Muth ein, welche es erschreckt habe, wie sie kürzlich den Kaiser von so vielen Cardinälen und Protonotarien umgeben nach Deutschland haben kommen sehen. Darin liege kein Grund, für die gute Sache zu fürchten, sondern nur, den jungen Fürsten zu bedauern, der sich in seiner hohen Stellung von jenen Scheusalen mißleiten lasse.
Voran steht unter den vier neuen Dialogen derjenige, von welchem Hutten in dem Decemberbriefe des vorigen Jahres an Luther geschrieben hatte, er arbeite jetzt an einem Gespräch: Die Bulle, zwar eilig, doch solle es nichts Unfeines werden, denke er, und Luther werde es, sobald es erschienen sei, erhalten. Die Bulle, oder der Bullentödter, gehört zu dem dramatisch Lebendigsten, was Hutten geschrieben hat. Die päpstliche Bulle und die deutsche Freiheit schimpfen und balgen sich gleich Anfangs so natürlich herum, daß man (wie oben beim Fieber) statt bloßer Personificationen wirkliche Personen zu sehen glaubt. Von der erstern wiederholt mißhandelt, ruft die andere: »Zu Hülfe, ihr deutschen Mitbürger! Beschützet die unterdrückte Freiheit! Wagt es keiner, mir beizustehen? Ist kein wahrhaft Freier da? Keiner, der nach Tugend strebt, Recht und Billigkeit liebt, den Trug haßt, den Frevel verabscheut? Mit Einem Worte: ist kein ächter Deutscher da?« Das ist das Stichwort für Hutten's Auftreten, der sich schon neben dem Titelbilde des Büchleins als den Verfechter der deutschen Freiheit bezeichnet hatte. »Dieser Ruf«, sagt er (gleichsam noch in der Coulisse), »von wem er immer kommen mag, geht mich an. Ich will schauen, was es draußen gibt. Wahrhaftig, um die Freiheit handelt es sich, so viel ich sehe. Da muß ich eilig hinaus. Was gibt es hier? wer ist da? wer ruft?« – »Die Freiheit«, antwortet diese, »die Freiheit wird unterdrückt, Hutten. Ich selbst bin es, ich rufe. Diese dort ist es, die mich unterdrückt, des zehnten Leo Bulle.« Jetzt bekommt es die Bulle mit dem heißblütigen Ritter zu thun. Zu ihrem nicht geringen Schrecken nennt er sich den Bullentödter, der, wenn auch kein Lutheraner, doch gegen die Bullen und gegen Rom überhaupt noch feindseliger als selbst Luther gestimmt sei. Er wirft sich ihrem Vordringen in den Weg, und versieht sich zu seinem löblichen Werke des Beistandes aller guten Deutschen, vor allen Franzens von Sickingen, der längst der Freiheit Tempel und Altar gebaut habe. Die Bulle verhöhnt er als eine leere Blase ( bulla), die leicht zu zerstören sei. – Mit nichten sei sie leer, erwiedert jene, vielmehr voll von Frömmigkeit, Gewalt, Herrschaft, Ehre und Göttlichkeit. – Ja, versetzt Hutten, von Aberglauben, Geiz, Hochmuth und eitler Ehre sei sie voll und aufgeblasen, aber leer an wahrer Rechtschaffenheit. – Sie komme aus dem weltherrschenden Rom, rühmt sich die Bulle: – wo, fährt die deutsche Freiheit fort, Maulesel theurer als Pferde, die Männer keine Männer, die Menschen Götter, Götter aber keine vorhanden seien; wo das Böse gut, das Gute böse heiße, wo man durch Schlechtigkeit sich wohl verdient mache, die Menschen dem Gelde dienen, die Treue verbannt, die Frömmigkeit vertilgt, alle Redlichkeit ausgerottet sei. – Und er im Gegentheil, erwiedert Hutten, komme von der Ebernburg, der Herberge der Gerechtigkeit, wo Pferde und Waffen im Werthe, Faulheit und Feigheit in Verachtung stehen, wo die Männer rechte Männer seien, Gut und Bös jedes für das genommen werde, was es sei, Gottesfurcht und Menschenliebe, Rechtschaffenheit und Treue herrschen, während Habsucht, Ehrgeiz und andere Laster verbannt seien.
Der Bulle hat Eck den Weg gewiesen, sich aber jetzt in eigenen Geschäften abseits gethan; ein dummer, ungebildeter Mensch, wie Hutten ihn nennt, doch zu diesem Geschäfte vollkommen geeignet, weil er schlecht ist und hitzig, und stets bei der Hand, wenn es etwas Böses zu unternehmen gilt. Was die Bulle gegen Luther sagt, ginge ihr bei Hutten allenfalls noch hin; aber daß sie die deutsche Freiheit als ihre Sklavin zu behandeln Miene macht, trägt ihr Schläge von ihm ein. Nun ruft sie alle frommen Deutschen, die Schaaren der Mönche, die gottesfürchtigen Weiblein, die Curtisanen zum Beistand auf, verheißt demjenigen, der den Hutten erwürgen würde, Pfründen und Ablaß nach Herzenslust: der gräulichste Verbrecher könne hier Vergebung aller vergangenen und künftigen Sünden verdienen; die Sachsen, wenn sie die gute That vollbringen, dürfen künftig an Fasttagen Butter und Eier essen und sich des Tags zweimal in Bier betrinken, die Polen immerfort stehlen u. dgl. m. Wirklich kommen sofort der Bulle die Curtisanen, dem Ritter und der deutschen Freiheit aber Franz von Sickingen mit den Seinigen zu Hülfe, vor denen die erstern die Flucht ergreifen. Auch Kaiser Karl und die Fürsten stellen sich ein, an welche nun Hutten und Sickingen Reden halten, in denen sie dieselben zur Abwerfung des römischen Joches auffordern. Was die Freiheit vorhergesagt hatte, Hutten brauche sich an der Bulle nicht zu vergreifen, sie werde bald von selber platzen, geschieht endlich: sie platzt, und als ihr Inhalt kommen (nebst mephitischem Gestanke, gegen welchen die ärztlichen Freunde, Stromer u. s. w., Verwahrungsmittel an die Hand geben) Ablaß, Aberglaube, Ehrgeiz, Habsucht, Heuchelei, Hinterlist, Meineid, Wollust u. s. f., kurz ein solcher Haufe von Gräueln und Lastern zum Vorschein, daß sie nothwendig davon bersten mußte. Um frei zu werden, räth sofort Hutten den Deutschen, alle Curtisanen, die so eifrig für diese Bulle gestritten haben, von Grund aus zu vertilgen; der geplatzten Bulle aber setzt er die Grabschrift:
Schauet die Bulle liegt hier, die verwegne, des Tuscischen Leo;
Was sie Andern gewollt, gab sie sich selber: den Tod.
Die beiden mittlern Gespräche der neuen Sammlung, der erste und zweite Warner betitelt, haben beide nur zwei Unterredner, indem sich in dem ersten Luther, im zweiten Franz von Sickingen mit einem warnenden Bekannten unterhalten. Beide sind insofern Gegenstücke, als sich der erste Warner von Luther nicht, wohl aber der zweite von Sickingen umstimmen, d. h. für die Sache der Reformation gewinnen läßt. Beide Gespräche sind minder drastisch, als das vorangehende und das nachfolgende; enthalten vielmehr in ruhiger Rede und Gegenrede eine Auseinandersetzung der Punkte, welche in jenen Tagen die Gemüther immer mehr zu trennen anfingen.
Im ersten von beiden tritt ein Mann, der bisher Luther's Freund und Anhänger gewesen, wie sich im Verlauf ergibt, ein höherer Geistlicher, den Reformator an, um ihm zu erklären, daß und warum er mit manchen andern sich von ihm loszusagen entschlossen sei. Neben der Furcht vor dem päpstlichen Banne nämlich sei es der Ueberdruß an Luther's Lehre, die ihnen anfänglich zugesagt habe, was ihn und andere dazu bewege. Unmöglich könne es ihnen gefallen, was sich mehr und mehr als seine Absicht herausstelle, daß er die Kirche von ihrem gegenwärtigen Glanze zu der Armseligkeit und dem Schmutz ihrer Anfänge zurückführen wolle. – Im Gegentheil, erwiedert Luther, suche er die Kirche von dem Schmutze der Menschensatzungen und der Verweltlichung zu reinigen und ihrem ursprünglichen Glanze zurückzugeben, indem er Christi Gebote, die göttliche Wahrheit, zur alleinigen Richtschnur des Lebens mache. – Aber der Wahrheit, meint der Warner, müsse doch der Papst, als Nachfolger Petri und Stellvertreter Christi, näher stehen als Luther, der sich ängstlich an das Schriftwort anklammere, während jener mit Christo so Eins sei, daß er festsetzen könne, was er wolle. – Hier greift Luther erst die vorgebliche Uebergabe der Schlüsselgewalt an Petrus, dann die Nachfolge des Papstes in derselben durch die beiden Sätze an, daß, erstlich, Christus die Schlüsselgewalt nicht dem Petrus allein, sondern allen Aposteln, übertragen habe; und zweitens, wenn auch, so beweise dieß nichts für den Papst. Dem Petrus, überhaupt den Aposteln nachfolgen, heiße ihr Leben nachahmen; das sei aber nicht ein Leben in Reichthum und Herrschaft, sondern der Predigt und Dienstleistung gewesen; ihre Nachfolge mithin sei eine Last, eine Arbeit, die einer auf sich nehme, nicht eine Ehre, oder ein Vorrecht, dessen er zu genießen hätte. In jenem einzig wahren Sinne aber sei die Nachfolge Petri und der Apostel nicht an Rom gebunden, sondern allenthalben, wo apostolische Tugend geübt werde, vorhanden; im Gegentheil niemand weiter von derselben entfernt als ein Bischof, welcher, wie der römische, in Prunk und Purpur herrlich und in Freuden lebe, von Bewaffneten umgeben sei, Kriege führe und Länder sich zu unterwerfen trachte. – Hier macht der Mahner den Unterschied zwischen der anfänglichen unvollkommenen und der jetzigen triumphirenden Kirche geltend, in welcher alles glänzend und herrlich sein müsse. Allein Luther hält ihm entgegen, daß die christliche Kirche ihren wesentlichen Grundzügen nach zu allen Zeiten nur Eine sein könne: wenn Unrechtleiden den Aposteln als Sieg gegolten habe, so sei daraus abzunehmen, was in ihrem Sinne Triumphiren heiße. Die Pflicht eines christlichen Bischofs sei zu allen Zeiten, seine Heerde zu weiden, durch Lehre, Beispiel, Gebet und Vorsorge. Aber Leo X. (von dessen Privatleben er aus Schonung schweigen wolle) predige gar nicht, und statt Seelen zu erretten, habe er deren schon viele, theils durch seine Kriege, theils durch die Täuschungen des Ablaßhandels, verderbt. Eine so schmutzige Krämerei, ein so schändlicher Betrug als dieser sollte dem Warner doch die Augen öffnen; was an den Bullen sei, darüber könnte ihn schon der Name belehren; das ganze päpstliche Recht, als eine Sammlung von herrsch- und habsüchtigen Menschensatzungen, sollte von allen christlichen Fürsten und Völkern verbrannt und abgeschafft werden.
Dergleichen gefährliche Reden will der Warner nicht länger anhören; er bleibt dabei, daß auf Seiten des Papstes und der Mehrheit die größere Sicherheit sei; die äußere Pracht seines Stellvertreters und seiner Diener findet er für Christum ehrenvoll; daß Luther von den Schenkungen an die Kirche abmahne und die Geistlichkeit arm machen wolle, hat seinen Beifall gar nicht. Dabei findet er auf päpstlicher Seite die Forderungen an den Menschen erträglicher und minder abweichend vom gewöhnlichen Leben. Man dürfe es sich wohler sein lassen; schwerere Gebote erleichtere der Oberhirte, oder lasse sie wohl auch ganz nach; gelüste einen, etwas Schlechtes zu thun, so mache der milde Vater, daß es erlaubt sei: was von Luther, setzt der Warner hinzu, niemals zu erhalten sein würde. – Freilich nicht, erwiedert Luther, da er nicht geben könne, was er nicht habe und nicht geben möchte, selbst wenn er es könnte, weil er als rechtschaffener Mann es nicht geben dürfte: nämlich Erlaubniß zu sündigen. Hier stellt sich der Gegensatz beider Standpunkte recht heraus. Der Warner beruhigt sich bei der päpstlichen Erlaubniß, Böses zu thun: wenn darin eine Schuld sei, so falle sie dem Papste, nicht ihm, zur Last; er verläßt sich darauf, daß beim jüngsten Gerichte der Papst für ihn einstehen, mit einem einzigen Worte alle Sünden der Gläubigen auslöschen werde. Nach Luther dagegen (so wie Hutten seine Lehre noch rationeller, als sie gemeint war, faßte) kann keiner auf fremde Verantwortung leben, darf nicht fremdem Urtheile, sondern nur dem eigenen Gewissen im Handeln folgen, da jeder für sich selbst einzustehen hat.
Innerlich scheint der Warner die Hohlheit seines Standpunktes und das Richtige in Luther's Aufstellungen wohl zu fühlen; aber äußere Rücksichten halten ihn fest. Die Schmälerung der geistlichen Pfründen, wie Luther sie beabsichtigt, würde auch ihn um seine Pferde und Dienerschaft bringen; wogegen er seine Anhänglichkeit an den päpstlichen Stuhl bald mit dem Cardinalshute belohnt zu sehen hofft. So scheidet er von Luther mit der Versicherung fortdauernder persönlicher Freundschaft, aber mit Lossagung von seinen Meinungen; während dieser, nachdem er ihn vergebens auf bessere Wege zu bringen versucht hat, ihn aufrichtig bedauert und sich anschickt, statt dieser einen verlorenen Seele alsbald zwei oder drei andere für Christum zu gewinnen.
Das zweite Gespräch gleichen Titels scheint unmittelbar vor der Zueignung des ganzen Büchleins, zu Anfang des Jahres 1521, geschrieben zu sein, da es bereits auf den (wormser) Reichstag Bezug nimmt. Dieser wurde zwar erst am 28. Januar förmlich eröffnet; aber der Kaiser war schon im December in Worms, und nach und nach fanden sich die Fürsten ein. Auf die übeln Nachreden, welche in dieser Fürstenversammlung über ihn ergehen, wird nun Franz von Sickingen durch einen jener besorgten Freunde aufmerksam gemacht, von denen Hutten zu Ende des vorigen Jahres an Luther geschrieben hatte, wie sie alles versuchen, Franz von der Sache der Reformation abwendig zu machen. Es heiße dort, er sei ein Anhänger Luther's und enthalte den Hutten bei sich, einen Menschen, der einst noch Ursache von großem Unheil werden werde; überdieß habe er sich vorgenommen, die Pfaffen und Bischöfe zur Ordnung zu bringen, ohne Scheu vor Leo's Bulle und den Verboten so vieler frühern Päpste. – Das sei wahr, erwiedert Sickingen, aber kein Grund, übel von ihm zu reden. Der schmutzigen Pfaffenherrschaft Widerstand zu leisten, sei jetzt jedes Biedermannes Pflicht; Luthern günstig zu sein, der das Evangelium predige, kein Verbrechen; Hutten aber sei für seine Schriften, so viel man wisse, bis jetzt weder angeklagt noch verurtheilt. Auf die Bemerkung des Warners, daß Luther und seine Anhänger als Neuerer gelten, entgegnet Franz, daß sie vielmehr das entstellte Alte wiederherzustellen trachten, und darin gewiß im Sinne Christi handeln. So sollen sie es Christo zu bessern überlassen, meint der andere, oder (da ihm Franz alsbald einwirft, daß sich Gott der Menschen als Werkzeuge zu bedienen pflege) doch den Priestern: ihn und Hutten, als Laien, gehen geistliche Sachen nichts an. Allein, gesetzt selbst, entgegnet Franz, zu solcher Theilung des Christenvolks in Priester und Laien wären jene berechtigt gewesen, so sei doch klar, daß die Pfaffen nicht geneigt sein werden, ihre eigenen Fehler, die Luther ihnen gezeigt, zu verbessern; daher berufe Gott Laien zur Abhülfe, und er insbesondere finde sich vom Geiste getrieben, die Beschirmung Luther's und der christlichen Freiheit auf sich zu nehmen. Als der Warner seine Besorgniß vor den Gefahren äußert, denen sich Sickingen durch ein solches Unterfangen aussetze, erwiedert dieser, er habe nur die eine Furcht, Christi Gnade zu verlieren, wenn er nichts thue. Mehr und mehr gehe ihm der traurige Zustand der Kirche zu Herzen und die immer steigenden Uebelthaten der Priesterschaft. Und nun entrollt er in langer Rede das bekannte Gemälde der verschiedenen Mißbräuche, welche vollständig herzuzählen keine Sprache hinreiche, und in Bezug auf welche die Nachwelt den Geschichtschreibern dieser Zeit den Glauben versagen werde. Bereits ist der Warner daran, umgestimmt zu werden: doch hält er Franz noch die gemeine Rede entgegen, daß keiner je ein glückliches Ende genommen habe, der dem Priesterstand entgegen gewesen sei.
Doch, erwiedert Franz – und hier eröffnet sich uns ein merkwürdiger Blick in Hutten's und wohl auch Sickingen's Entwürfe: – der Böhme Ziska. »Hat er nicht den Ruhm hinter sich gelassen, sein Vaterland von der Zwingherrschaft befreit, aus ganz Böhmen die nichtswürdigen Menschen, die faulen Pfaffen und unnützen Mönche, vertrieben, ihre Güter theils den Erben derer, die sie gestiftet, theils dem allgemeinen Besten zurückgestellt, den römischen Eingriffen und den Räubereien der Päpste das Land verschlossen, den elenden Untergang des heiligen Mannes Huß muthvoll gerächt, und in alle dem keine Beute gesucht, sich selbst nicht bereichert zu haben? Und dennoch hat er, ohne eine Unterbrechung seines Glückslaufes, geliebt und vermißt von seinen Landsleuten, die er noch kurz vor seinem Tode mit heilsamen Ermahnungen versehen, sein Leben beschlossen.« Als Verbrechen, meint Sickingen, seien Ziska's Thaten nur von seinen Feinden, oder von solchen verschrien, welche die Geschichte nicht kennen; was er gethan, sei recht und für Böhmen nützlich gewesen. – Du scheinst mir, bemerkt der Warner darauf, nicht übel Lust zu haben, Ziska's That, wenn es anginge, auch hier nachzuahmen? – Er sei nicht ohne Lust dazu, bekennt Franz, vorausgesetzt, daß die Priesterschaft auch ferner auf Ermahnungen nichts geben werde: in diesem Falle müsse man Gewalt gegen sie gebrauchen.
Bereits durch Franz überzeugt, erinnert der Warner ihn nur noch an die entgegengesetzte Gesinnung des Kaisers, welcher die Anhänger Luther's bedroht und versprochen habe, das Ansehen des römischen Stuhls mit Daransetzung seiner ganzen Macht aufrecht erhalten zu wollen; dem Kaiser aber sei er doch Gehorsam schuldig. – Allein diese Rücksicht, entgegnet Franz mit hohem Freimuthe, werde ihn am allerwenigsten von seinem Vorhaben zurückhalten. Als seine Pflicht erkenne er, dem Kaiser zu rathen und für ihn zu thun, nicht, was diesem für den Augenblick gefällig, sondern was ihm für die Dauer nützlich sei. So lange als möglich werde er daher dabei beharren, das nicht zu thun, wozu fremde Einflüsterung den Kaiser jetzt beredet habe, wovon er aber die verderblichsten Folgen sicher voraussehe. Es gebe Fälle, wo Ungehorsam der beste Gehorsam sei. Gesetzt, Karl zürnte ihm deßhalb, so getröste er sich dessen, daß derselbe es ihm später danken werde, wenn einmal die Zeit die Anschläge derer werde an's Licht gebracht haben, durch welche Karl jetzt zu seinem Unheil sich leiten lasse. In diesem Sinne gedenke er, sogar gegen des Kaisers Willen, so lange für dessen Bestes zu sorgen, bis er sich gewaltsam entfernt sehen werde. Sicher würden auch andere demselben in gleichem Sinne rathen, wenn sie nicht durch päpstliches Geld bestochen wären. Karl hätte jetzt so viel Anderes, Nothwendigeres zu thun, als den Pfaffen ein Ohr zu leihen: z. B. Abstellung des Raubwesens, der kaufmännischen Monopole, Beschränkung der Sachwalter, Verminderung der Zahl der Geistlichen und der Mönche, falls die letzteren nicht besser gar abgeschafft würden, Luxusgesetze, Sperre der Geldausschleppung durch die Fugger und nach Rom. Wäre dieß gethan, dann möchte er sich um jene Dinge, die ihn eigentlich nichts angehen, bekümmern. Und auf des Warners Einwurf, daß es doch wohl nicht ganz unnütz sein dürfte, auf die aus Anlaß der reformatorischen Bewegung entstandenen Unruhen ein Auge zu haben, damit sie nicht gefährlich werden, gibt Franz die treffende Antwort: Es würden gar keine Unruhen entstanden sein, wenn Karl sich nicht in den Handel gemischt hätte. Er hätte der Sache ihren Lauf lassen, und nicht durch sein Dazwischentreten den Parteieifer reizen sollen. Dann würde die durch Luther in Deutschland sich verbreitende Erkenntniß der evangelischen Lehre in Kurzem von selbst das deutsche Kirchenwesen umgestaltet, der Pfaffenherrschaft ein Ende gemacht, und das Ansehen des Kaisers gehoben haben, welcher nun in seltsamer Verblendung gegen sein eigenes Interesse dem des Papstes sich dienstbar mache.
Zunächst hat nun Franz im Sinne, Luther zu schützen. Wenn ihm daher der Kaiser etwas Gewaltsames gegen denselben zumuthen wird, so ist sein Vorsatz, sich erst möglichst zu sträuben, dann im Nothfalle offen den Gehorsam zu verweigern. Nächstens wird er den schlechten Rathgebern des Kaisers die Freundschaft aufsagen, zuvor jedoch diesen selbst ermahnen, sich nicht dem Papste zu unterwerfen. Deutschland braucht jetzt einen scharfen, kriegerischen, nicht einen trägen Pfaffenkaiser. Leo suchte erst Karl's Wahl zu hindern, dann schickte er seine Creaturen hinter ihn, die ihn jetzt ganz beherrschen. Alles hängt nun daran, daß der Kaiser zu besserer Einsicht komme, seine übelgesinnten Rathgeber entferne, die Freundschaft mit den Pfaffen abbreche, statt ihrer die tapfersten und bestgesinnten deutschen Männer an sich ziehe und mit diesen die Verbesserung der kirchlichen Zustände und die Befreiung Deutschlands durchführe. Ob er sich dazu Franzens bediene, oder eines andern, gilt jenem gleich, wenn er nur tüchtige Männer wählt.
Thut Karl dieß nicht, dann hat Franz im Sinne, etwas auf seine eigene Hand zu wagen, mag es ausschlagen wie es will. Dazu hat er an Hutten einen eifrigen und heftigen Mahner, dessen Geist dem Unternehmen gewachsen, dem jeder Verzug unleidlich ist, und der alles in Bewegung setzt, um den Untergang jener verderblichen Menschen herbeizuführen. Unter Segenswünschen des umgestimmten Warners und dessen Danke für die Belehrung durch Sickingen schließt der Dialog.
Das vierte und letzte Gespräch der neuen Sammlung, die Räuber betitelt, war schon vor Jahresfrist angefangen, und sollte bereits mit den ältern Gesprächen erscheinen. Cochläus an Pirckheimer, 8. Febr. 1520; in Hutten's Schriften I, S. 321. Vollendet kann es gleichwohl erst zu Anfang 1521 sein, da es, wie der zweite Warner, auf den wormser Reichstag Beziehung nimmt. Es bezeichnet einen Wendepunkt in der Entwicklung von Hutten's Ideen und Entwürfen, der sich schon seit einiger Zeit in ihm vorbereitete. Gegen die Städte und die Hauptquelle ihrer Blüthe, den Handel, hatte er, wie wir sattsam gesehen haben, den Widerwillen seines Standes mit der Muttermilch gesogen. Nun sahen sich aber in jener Zeit gleichermaßen Ritter und Städte immer mehr von der sich erhebenden Fürstenmacht bedrängt. Es war folglich Thorheit, wenn sie sich länger gegenseitig befehdeten, statt gegen den gemeinsamen Feind sich zu verbinden. Zugleich zeigte sich, nächst der Ritterschaft, nirgends mehr Empfänglichkeit für die Ideen der Reformation als in den freien Städten. Das erkannte Hutten, und von da an suchte er, mit Beiseitesetzung der persönlichen Abneigung, auf eine Verbindung zwischen Ritterschaft und Städten zur Durchführung einer politischen und religiösen Reform im Reiche hinzuwirken. Dieß ist, wenn auch nicht der ganze Inhalt, doch das Ziel dieses Gesprächs, das mit einer Rauferei zwischen einem Ritter und einem Städter sich eröffnet, und mit der gegenseitigen Handreichung beider zum Bunde zwischen ihren Ständen schließt.
In einem Gespräche über den gegenwärtigen Reichstag (dieß ist die Fabel, welche der Dialog voraussetzt) war von der Aeußerung des Kaisers die Rede gewesen, daß er dem Raubwesen in Deutschland ein Ende machen, den Landfrieden herstellen und mit Einem Schlage alle Freibeuter vernichten wolle. Davon hatte ein Kaufmann, ein Commis der Fugger, sich höchlich erbaut gezeigt, dabei Ausfälle auf die Ritter, als die Räuber Deutschlands, sich erlaubt und geäußert, er hoffe es zu erleben, daß der ganze Ritterstand vertilgt sei. Unglücklicherweise war Ulrich von Hutten zugegen, der bei solchen Reden gegen seinen Stand, noch dazu von einem Kaufmanne geführt, alsbald Feuer fing. Im Wortwechsel mit diesem, und von thätlicher Mißhandlung desselben kaum durch die Würde des Ortes, wo sie sich befinden, zurückgehalten, tritt nun Hutten auf die Scene. Der Kaufmann, auf die Unverletzlichkeit des Ortes und den Schutz der reichsstädtischen Obrigkeit vertrauend, nennt Hutten ein Räuberchen und wiederholt, der Ritterstand sei es, der Deutschland nicht zur Ruhe kommen lasse; ihm, und nur ihm, gehören die Wegelagerer an, welche die Reisenden behelligen; Hutten selbst aber finde er um so weniger Ursache von diesem Urtheil auszunehmen, je mehr sich derselbe von dem Geiste seines Standes beseelt zeige. Hutten, auch noch durch den Spott des Kaufmanns, als wagte er nicht, ihm wirklich etwas zu Leide zu thun, gereizt, ist eben im Begriffe, diese Meinung handgreiflich zu widerlegen; denn, redet er seinen Gegner an, »ich sage dir wahrhaftig, sicher und gewiß, wenn du nicht andere Saiten aufziehst und bescheidener wirst, so werde ich dir erstlich hier deine Backen zerdreschen und das ganze Gesicht; dann dir die Zähne reihenweis einschlagen mit meinen Fäusten; hierauf dir die Wampen walken, daß dir die Rippen krachen; bis du endlich erschöpft, halbtodt hier im Kothe liegen bleibst und Pfeffer pfundweis und Safran lothweis von hinten fahren lässest.«
Ein glückliches Ungefähr führt jetzt Franz von Sickingen herbei, um den durch Leidenschaft überwältigten Freund von einer unwürdigen Handlung zurückzuhalten. Ihm berichtet Hutten die Veranlassung des Streites, insbesondere, daß der Kaufmann auch Sickingen's Thaten bloße Räubereien genannt habe. Mit großem Sinne über das Persönliche kurz hinweggehend, beruft sich Sickingen, den Begriffen seines Standes gemäß, darauf, daß er, wie Deutschland und die Nachbarländer wissen, wie es auch bereits in die Geschichtsbücher eingetragen sei, niemand beschädigt habe, ohne ihm vorher Fehde angekündigt zu haben. Diese Beschönigung der Räuberei will der Kaufmann nicht gelten lassen, da den Rittern das Recht nicht zustehe, für sich, ohne Geheiß der Fürsten, Krieg anzukündigen. Aber Sickingen treibt ihn mittelst einer platonisirenden Dialektik, durch Entwicklung der Begriffe von Adel, Tugend, Tapferkeit, zu dem Eingeständniß, daß auch der bloße Ritter die Befugniß und den Beruf habe, das Recht im Nothfalle mit Waffengewalt zu schützen; wobei freilich theils der lose mittelalterliche Staatsverband, der ja eben damals einer geschlossenern Einheit weichen sollte, theils das vorausgesetzt ist, was in den wenigsten Fällen zutraf, daß es bei jenen ritterlichen Schilderhebungen wirklich um Beschützung des Rechtes zu thun sei.
Sofort aber auf das Stichwort des ganzen Streites eingehend, übernimmt es Sickingen, was Hutten gleich Anfangs dem Kaufmann entgegengerufen hatte, gründlich zu zeigen: daß nämlich weder alle Ritter Räuber, noch alle Räuber Ritter seien. Das erstere wird kurz abgemacht, indem theils Hutten von sich betheuert, nie jemanden das Seinige geraubt zu haben, theils Sickingen versichert, daß solche Ritter, die sich wirklich Straßenraub zu Schulden kommen lassen, von den übrigen der Standesehre verlustig geachtet werden. Das andere aber, daß nicht alle Räuber dem Ritterstande angehören, vielmehr in gewissen andern Ständen weit mehrere und verderblichere Räuber sich finden, ist das eigentliche Thema des Gesprächs. Dabei wird, wie wir sehen werden, das Wort Räuber in weiterem Sinne genommen; doch auch von den Räubern im eigentlichen Sinne, in Wald und Feld, gehören, nach Sickingen's Behauptung, die wenigsten dem Ritterstande an. Den Beweis macht er sich ziemlich leicht; er fragt nämlich den Kaufmann, ob er selbst jemals von einem Ritter beraubt worden sei? und dieser muß gestehen, daß dieß nie der Fall gewesen, sondern er sich immer nur davor gefürchtet habe, weil es allgemein heiße, daß die Ritter das zu thun pflegen. So überrumpelt, bittet der verblüffte Kaufmann die Ritter um Verzeihung, und nun gibt Sickingen sich daran, sein Thema auszuführen, indem er vier Arten von Räubern in Deutschland unterscheidet. Hutten (der sich mit seiner Leidenschaftlichkeit in diesem Gespräche ganz besonders trefflich in Scene gesetzt hat) ruft voreilend: Ja, und die erste und verderblichste Art sind die Pfaffen! Aber Sickingen zieht vor, stufenweise von den kleinern und minder schädlichen Arten zu den schlimmern aufzusteigen und mit der verderblichsten zu schließen.
1. Als die unbedeutendsten und erträglichsten Räuber stellt Franz, zu des Kaufmanns nicht geringem Befremden, die eigentlichen Wegelagerer dar. Es seien arme Teufel, die meistens die Noth treibe, die sich vor Schmach und schwerer Strafe zu fürchten haben, und vor denen man sich leicht hüten könne. Zwar meint der Kaufmann, ja, die Kleinen henke man, aber die Großen und Adelichen lasse man laufen: und Sickingen weiß ihm nur einige Fälle, wo doch auch edel geborene Räuber bestraft worden seien, entgegenzuhalten. Doch das Schlimmere ist, nach Sickingen's Dafürhalten, daß eben nur auf diese geringste und harmlose Art der Räuberei in Deutschland Strafe gesetzt ist, während die drei höhern Classen ganz offen rauben, und dabei unangefochten, ja in Ehren bleiben. Als die erste dieser höhern Räuberclassen, mithin als die zweite von unten hinauf, nennt Franz, zu noch größerer Ueberraschung des guten Commis,
2. Die Kaufleute. Für ganz unnütze, ja schädliche Waaren führen sie jährlich eine Unmasse Geldes aus Deutschland fort. Hier kommt Hutten auf sein altes Steckenpferd zu sitzen, die Polemik gegen Pfeffer, Ingwer, Safran, Seide, gegen Luxus und Verfeinerung überhaupt. Doch nicht alle Kaufleute (fährt Franz fort, denn er ist auch ferner der Redende) wirken so schädlich; am meisten jene reichsten, die, in Handelsgesellschaften vereinigt, Monopole ausüben, »worunter«, sagt er dem Commis ins Gesicht, »deine Herren, die Fugger, die nichtswürdigsten sind.« Wenn hier Hutten seinen Franz sich auf das Urtheil aller rechtschaffenen Männer in Deutschland berufen läßt, ob man nicht die Fugger vor allen aus dem Lande jagen sollte, so ist dieß kaum eine Uebertreibung. Luther spricht von denselben nicht anders als Hutten, und in den Beschwerden auf den Reichstagen jener Jahre kehren die Klagen über ihr Treiben öfters wieder. Hatten die Fugger die Ungunst der Reformfreunde insbesondere auch durch ihre Anschließung an den römischen Hof, bei dessen geistlicher Krämerei sie als Zwischenhändler betheiligt waren, sich zugezogen, so benutzt Hutten diese Gelegenheit zugleich, um auf die Vorfahren Leo's X., als die italienischen Fugger, einen Streich zu führen. Und so sehr Anfangs versichert war, daß nur von einem Theile der Kaufleute die Rede sein solle, so zeigt sich doch bald, daß das ganze Princip des Handelsstandes – das Trachten nach Geldgewinn als Zweck, Klugheit und List als Mittel, verfeinerter Lebensgenuß als Preis – der ritterlich-antiken Denkart Hutten's als etwas Unedles und Unsittliches erschien. Hier wagt zwar der bedrängte Kaufmann, um sich etwas Luft zu machen, einen Ausfall. Auch die Ritter haben ihre Fehler, bemerkt er, und nicht geringere als die Handelsleute. Gesetzt, diese seien gewinnsüchtig und unredlich, so seien die Standesfehler des Adels Unwissenheit und Hochmuth. Der feinern Schwelgerei der einen stehe das rohe Saufen der andern gegenüber. Da sich jedoch hiedurch die beiden Ritter nicht irre machen lassen, sondern dabei bleiben, daß, principiell betrachtet, ihr Stand, seiner Großmuth, Abhärtung und Einfachheit wegen, den Vorzug verdiene, so ist es nicht zu verwundern, daß der Kaufmann das Gespräch von diesem Punkte vorwärts zu bringen sucht, und so geht denn auf seine Veranlassung Franz zu seiner
3ten Räuberclasse, den Schreibern und Juristen, über. Hutten's Widerwille gegen diese ist uns so wenig als seine Abneigung gegen die Kaufleute neu, und hat zum Theil gleichfalls in Standeseifersucht seinen Grund. Daß die Juristen in Fürstenräthen und an Fürstenhöfen mehr und mehr den Adel zurückdrängten; daß sie manches Gut, das der Ritter als Eigen zu besitzen glaubte, als fürstliches Lehen in Anspruch nahmen; daß Kaiser Maximilian's bestechliche Schreiber reich geworden waren, während es seinen Heeren regelmäßig an Sold gefehlt hatte, wird unverzeihlich gefunden. Die gute Zeit der Großväter wird zurückgewünscht, als man bei uns von diesen Doctorlein noch nichts gewußt habe, und unverhohlen wird ausgesprochen, Deutschland sei besser daran gewesen, wie noch das Recht in den Waffen lag, als jetzt, da man es in den Büchern suche. Aber mit Grund wird auch über die Verdrehungen und Verschleppungen, das Buchstaben- und Formenwesen der Rechtsgelehrten geklagt und dabei abermals das Lob der Niedersachsen gesungen, die sich ohne sie zu helfen wissen. Franz hätte nichts dagegen, wenn an einem Tage alle Rechtsbücher verbrannt würden, und Ulrich möchte deren Ausleger in die platonische Republik oder des Thomas Morus Utopia schicken können. Doch
4. die oberste Classe unter denen, welche Deutschland berauben, nehmen in Sickingen's Eintheilung, wie schon erwähnt, die Geistlichen ein, welche selbst wieder in drei Arten zerfallen: Weltgeistliche, Ordensgeistliche und die Angehörigen des römischen Hofs. Was kein Räuber anzutasten wagt, das rauben die Pfaffen, und was sie ehemals erbettelten, das nehmen sie jetzt mit Gewalt. Die besten Gegenden Deutschlands haben sie an sich gerissen; den Rhein nannte Kaiser Friedrich III. die Pfaffengasse; auch die Franken (o der Schande!) stehen ganz unter geistlichem Regiment. Die Pfaffen sind in ihrer Mehrzahl noch nichtswürdiger als die Kaufleute, weil sie Reichthum und Wohlleben, wornach sie doch einzig trachten, eigentlich verachten sollten. Sie leben ganz gegen die ursprüngliche Bestimmung ihres Standes. Von den höhern Geistlichen, die ihre Stellen in der Regel durch Geld erlangt haben, sind die meisten ungelehrt und ungeistlich, und denken nicht daran, ihre Heerden zu weiden. Thut einmal einer ihrer Untergebenen etwas für die Erbauung der Gemeinde, wie jetzt Luther und einzelne seiner Anhänger, so werden sie von jenen als Neuerer verfolgt. Kein deutscher Bischof ist jetzt ein Prediger; dagegen gibt es viele treffliche Jäger und Krieger, vor denen niemands Erbgüter sicher sind, auch ausgelernte Wollüstlinge unter ihnen. Hier wirft der Kaufmann ein, die Deutschen, insbesondere die Städte, wollten gern die Pfaffen mustern und zum Theil austreiben, aber der Adel widersetze sich, weil er Verwandte darunter habe. Das läßt jedoch Franz nicht gelten. Die Adelichen, die in den Klerus eintreten, werden dem Adelstande in der Regel untreu, und fallen niemanden beschwerlicher als ihren Anverwandten. Viel koste es diese schon, bis sie einen der Ihrigen in eine höhere geistliche Stelle bringen, und dann wolle ein solcher erst noch mit seinen Geschwistern erben. Auch habe der Adel von jeher mehr als andere Stände an die Kirche verschwendet und thue es noch, zum größten Schaden seiner Kinder. Die Fürsten seien es vielmehr, welche die Pfaffen schützen, weil sie für ihre nachgebornen Söhne oder Brüder auf Bischofsstühle Jagd machen, von welchen sie den niedern Adel nächstens ganz verdrängt haben werden. Sie seien es, die lieber ihre Eigenmacht vergrößert, als dem Allgemeinen geholfen wissen wollen.
Auf die zweite Unterart dieser obersten Räuberclasse, die Mönche, vornehmlich die Bettelmönche, den besondern Gegenstand von Hutten's Haß, wie Franz bemerkt, kommt dieser aus Gelegenheit der Ohrenbeichte zu sprechen, welche, wie nicht minder die Predigt, sie meisterlich als Geldquelle auszubeuten verstehen. Und doch, fällt Hutten spottend ein, wolltest du den holzfüßigen Franziskanern ein neues Nest bauen, wenn ich es dir nicht ausgeredet hätte. Den Kaiser, meint Hutten, sollte Franz über den Ursprung der Bettelorden aufklären: daß sie nämlich zu keinem andern Zwecke gestiftet seien, als um den Päpsten gegen die Kaiser als Miliz zu dienen. Nachdem noch von ihrem Hasse gegen die Wissenschaft, die ihnen aber auch den Untergang bringen werde, die Rede gewesen, faßt Franz das Ergebniß in den Satz zusammen, Deutschland sei nicht zu helfen, wenn nicht die Geistlichen auf eine sehr geringe Zahl zurückgeführt, ihr Einkommen geschmälert, die Mönche aber ganz abgeschafft werden. Die Pracht an Gold und Silber sollte man aus den Kirchen entfernen, im Kriegsfall einschmelzen und Heere davon unterhalten.
Wie endlich die Rede auf den römischen Hof kommt, fordert Franz von Hutten, nun solle er seine römischen Erfahrungen zum Besten geben. Dieser spricht also zuerst von dem Papste selbst, seiner angemaßten Macht und ungeistlichem Leben; dann von seinen Dienern, den Curtisanen, deren er sich besonders zur Ausbeutung Deutschlands bediene, und die daher Hutten noch mehr haßt als selbst den Papst; von den Legaten, welche die thörichten Fürsten als Spione auf unsern Reichstagen dulden, gegen welche nun aber Hutten etwas auszuführen hofft, wenn Franz ihn nicht im Stiche läßt. Dieser sagt ihm seinen Beistand zu; aber hier zeigt sich denn auch, worin beide Männer noch nicht einig waren. Hutten wollte keine Zeit verlieren; Sickingen eine günstige Gelegenheit abwarten. Brächen sie zur Unzeit los, meint er, so könnten sie gerade den Feinden Deutschlands gewonnen Spiel machen. Das will auch Hutten nicht, und bequemt sich daher zum Warten, wenn es nur nicht gar zu lange dauern soll. Das fürchtet Franz nicht, denn Deutschland sei durch Hutten und Luther aus dem Schlafe geweckt, fange an, den Trug zu merken, und werde das schändliche Leben jener unnützen Menschen nicht länger ertragen wollen.
»Wenn aber diese Zeit kommen wird«, beschließt Hutten, »dann, glaube ich, müssen wir uns bemühen, die besten Städte Deutschlands, mit Beiseitesetzung früherer Zerwürfnisse und Feindseligkeiten, in unsern Bund aufzunehmen. Denn gewaltig sehe ich sie zur Freiheit sich aufrichten und der schmählichen Knechtschaft sich schämen wie kein anderer Stand. Sie haben aber Kräfte und Geld im Ueberfluß, so daß, wenn es zum Kriege kommt, wozu es meines Erachtens kommen muß, sie den Nerv dazu liefern können.« Damit erklärt sich Franz einverstanden und versichert, er habe sich längst vorgenommen, mit den Städten (gegen die er nicht wenig auf dem Gewissen hatte) sich auszusöhnen; der Kaufmann aber glaubt zu wissen, daß die Städte nichts eifriger wünschen als eine solche Vereinigung. Gegen einen Pfaffenkrieg, auf den die Sache hinauslaufen werde, hat er nichts einzuwenden; vielmehr bittet er Hutten, im Mahnen nicht müde zu werden, und sich nicht, wie einige den Verdacht geäußert, durch Bestechung abwendig machen zu lassen. Mit diesem Verdachte thue man ihm Unrecht, erklärt Hutten, und Sickingen sagt gut für ihn, denn er kenne den ganzen Menschen und wisse, in welche Gefahren er sich gestürzt habe, um den Feinden Luther's und der guten Sache Verderben zu bereiten. Zum Schlusse reicht Hutten sowohl als Sickingen dem Kaufmann die Hand mit dem Wunsche, daß dieses Beispiel unter beiden Ständen in den weitesten Kreisen Nachahmung finden möge.
In gleichem Sinne schrieb Hutten einige Monate später an Pirckheimer Am 1. Mai 1521. Schriften II, S. 61., und so lange noch in dieser Richtung zu wirken war, d. h. bis zu Sickingen's Fall, hörte er nicht auf, mit Wort und Schrift für eine Verbrüderung zwischen Ritterschaft und Städten thätig zu sein.
Während dieses Winters auf der Ebernburg unterließ Hutten nicht, die Bibliothek seines »tröstlichen guten Freundes und Enthalters«, wie unbedeutend sie sein mochte, zu durchmustern, und auch hier machte er einen Fund, welcher ihm der Herausgabe werth zu sein schien. Unter andern alten Büchern nämlich, Franzen »vielleicht von seinem Vater seligen verlassen«, fand er eine Schrift aus den letzten Zeiten des basler Concils, von einem Anhänger Felix V. geschrieben, den jenes Concil statt des von ihm abgesetzten Eugen IV. im J. 1439 zum Papste gewählt hatte. Sie verficht die Nothwendigkeit der Kirchenversammlungen, ihre Stellung über dem Papste, ihre Befugniß, sich in Orte zu verlegen, die der päpstlichen Obmacht nicht unterworfen seien, und bekämpft die römischen Mißbräuche in Besetzung und Belastung der Kirchenstellen, welchen das basler Concil hatte ein Ende machen wollen. Bald nach diesem Funde erhielt Hutten von dem bambergischen Vicar Konrad Zärtlin eine von ihm verfaßte und dem Ritter Hans Schott gewidmete kleine Schrift, worin die wittenbergische Lehre (Zärtlin hielt sich eben selbst in Wittenberg auf) als die alte urchristliche, die der römischen Kirche als ein Gewebe menschlicher Neuerungen, von Mönchen und Universitäten erfunden, dargestellt war. Beide Schriften ließ nun Hutten mit einem kurzen Vorwort an »alle der christlichen Freiheit Liebhaber« und etlichen Reimen auf dem Titelblatt zusammendrucken Concilia wie man die halten sol. Vnd von verleyhung geistlicher lehenpfrunden … Ermanung das ein yeder bey dem rechten alten christl. glauben bleiben … soll, durch Herr Cunrat Zärtlin in 76 artickel veruasszt. Auf der Rückseite des Titels das Vorwort Hutten's vom Tag Valerii 1521. Schriften II, S. 78 f.: es sollte nichts umkommen, was im Kampfe gegen Rom irgendwie als Waffe zu gebrauchen war.