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Während ich Doktor Linnels Verdacht hinsichtlich Raby's Restaurativ für sehr unnöthig hielt, so konnte ich doch eine gelegentliche Befürchtung wegen der nachtheiligen Wirkungen auf meine Gesundheit nicht ganz abweisen. Daß die giftigsten Zusammensetzungen bisweilen unter dem Namen von Quacksalbermitteln verkauft werden, davon war ich völlig überzeugt; aber daß mein Sohn, den ich seit seiner Kindheit so sehr geliebt hatte, mir dieses Mittel so aufdringen sollte, wenn er nicht vollkommen von seinem Nutzen überzeugt wäre, das wollte mir nicht eingehen. Mit keinem gewöhnlichen Interesse stellte ich daher am folgenden Morgen Kreuzfragen über die Erfolge seiner Analyse; aber seine Antworten waren so vorsichtig, um nicht zu sagen ausweichend, daß es schwer war daraus einen bestimmten Schluß zu ziehen. Wenn ich indessen mehr nach Dem urtheile, was er voraussetzte, oder worauf er unbestimmt hindeutete, als was er wirklich sagte, so mußte ich glauben, daß seine Eindrücke ungünstig waren, namentlich wenn er von Neuem mit allem Nachdruck auf den Mangel des Namens des Verkäufers oder irgend einer Aufschrift auf der Flasche anspielte. Er wünschte mir Glück, daß ich das Mittel weggelassen habe, welches möglicher Weise – positiv wollte er es nicht behaupten – die Ursache meiner mysteriösen Krankheit sei; auch sprach er die Hoffnung aus, daß ihre Fortschritte durch den häufigen Gebrauch der von ihm verordneten Mittel aufgehalten werden würden.
Meine sonderbare Krankheit hatte aber so vollständigen Besitz von meinem Körper genommen, daß sie weder den kräftigsten Mitteln wich, noch der unausgesetzten und liebevollsten Sorgfalt meiner Tochter, die jetzt durch eine ordentliche Wärterin unterstützt wurde. Mit der eitlen Täuschung eines Invaliden hielt ich noch immer an der Vorstellung fest, daß mein Stufenjahr die Ursache sei, weßhalb die Mittel nicht wirkten; was aber auch die Ursache sein mochte, so konnte ich mir nicht verhehlen, daß meine Kräfte schnell dahin sanken. Die Störung aller meiner körperlichen Verrichtungen nahm zu, die ohnmachtähnlichen und kataleptischen Anfälle waren häufiger und von längerer Dauer; und obgleich, wie ich überzeugt war, meine persönliche Erscheinung auf keinen tödtlichen Erfolg hinwies, so hatte ich doch das Gefühl, als wenn das Leben von mir wiche. Unglücklicher Weise wurde der Doktor gerade jetzt zu seiner kranken Mutter nach Bath gerufen; da er indessen ausführliche Instruktionen über meine Behandlung hinterließ und bald wieder zurückzukommen hoffte, so gab ich nicht zu, daß man einen andern Arzt holte.
Seine Abwesenheit zog sich indessen unerwartet hinaus, und ich schleppte mich so ohne eine materielle Veränderung in meinem Zustande hin, bis eines Morgens ein plötzliches und ganz neues Gefühl meinen ganzen Körper lähmte. Mein Kopf schwindelte mir; es war mir, als wenn mir der Tod die Hand aufs Herz gelegt hätte, und ich hatte nur noch Athem genug, um zu flüstern: »Wärterin, ich sterbe! Alles ist vorüber! ich fühle es, ich ersticke. Nimm etwas von der Bettdecke weg.«
Dieses waren die letzten Worte, die ich vor meinem Begräbniß aussprach! So wunderbar und fast unglaublich auch die Sache scheinen mag, ich lag nur in einer kataleptischen Verzückung, denn obgleich meine Glieder steif wie die eines Todten ausgestreckt waren, so waren doch meine Sinne und mein Bewußtsein keineswegs erloschen. Ja, sie waren in gewisser Hinsicht erhöht, denn ich konnte ein entferntes Flüstern, das ich kurz zuvor nicht gehört haben würde, vernehmen; ein Auge, nur halb geschlossen, behielt seine volle Sehkraft, und obgleich das andere völlig geschlossen war, so kam es mir doch vor, als könne ich durch das Augenlid so deutlich sehen, als wär es eine Brille. Meine Zunge hatte alle Bewegungsfähigkeit verloren, ich war gänzlich sprachlos, aber mein verhindertes Athmen kämpfte zwischen Leben und Tod und rang sich mit einem gurgelnden und Erstickung verkündenden Geräusch aus der Brust.
Die fette Wärterin, die sich mir bisher mit einem mütterlichen Lächeln und einer schmeichelnden Stimme genähert und gesagt hatte: »Nun, mein lieber guter Herr, es ist Zeit, die Pillen zu nehmen. Wie gut sehen Sie diesen Morgen aus! Ich wette mein Leben, in acht bis vierzehn Tagen reiten Sie Ihren Schimmel wieder!« – dieselbe fette Wärterin hatte kaum den erstickenden Ton gehört, von dem ich gesprochen habe, als sie in ihrem natürlichen Accent rief: »Das ist das Rasseln des Todes! Es ist Alles vorbei, ganz gewiß, und hohe Zeit dabei, Gott weiß es. Ich will mich hängen lassen, wenn ich nicht dachte, der alte Esel würde nie sterben. Ich für meinen Theil kann nicht begreifen, wie Menschen sich so lange dabei aufhalten können. Wenn sie nicht sterben können, so sollen sie leben, und wenn sie nicht leben können, so sollen sie sterben.«
In das Visitenzimmer, mit welchem mein Schlafzimmer zusammenhing, eilend, raffte die Wärterin einen werthvollen Shawl meiner Tochter, als auch einen Tuchmantel von mir zusammen und breitete ihn über mich, was mich verwundert haben würde, da ich sie doch soeben gebeten hatte, einige Betten wegzunehmen, hätte ich nicht daran gedacht, daß diese raubsüchtigen Harpyien alles Das als ihr Eigenthum beanspruchten, was auf dem Bette liegt, wenn der Kranke stirbt. Oh! wie wünschte ich sprechen zu können, als ich sie nachher sagen hörte: »Der alte gute Herr sei ganz kalt und schwach geworden, gerade als sie weggegangen sei, und deßhalb habe sie ihn gut zugedeckt«. Sie fügte diesen ihren Beschäftigungen nichts weiter hinzu, als daß sie einige Kleinigkeiten einsteckte, die in dem Zimmer herumlagen, und dabei die herzbrechendste Miene annahm, die sie annehmen konnte. Mit einem Schnupftuch in der Hand stürzte sie hinaus, um meiner Tochter und dem Hausgesinde meinen Tod anzusagen.