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XIV.

Mein Freund, der mich immer gleich einsichtsvoll und gütig behandelte, lud Sarah ein, mich einige Tage in seinem Hause zu besuchen, indem er wohl wußte, daß ihre Gesellschaft und ihre Wartung und Pflege weit wirksamer sein würden als alle seine Arzneimittel, um meine physische Gesundheit und die Heiterkeit meines Gemüthes wiederherzustellen. Am Morgen ihrer Ankunft bestellte ich ihren Geliebten, um mit ihr zusammenzutreffen, worauf ich die Hände des glücklichen Paares zusammengab. Ich ertheilte meine vollkommene Zustimmung zu ihrer Vereinigung, gab ihnen meinen Segen und setzte hinzu, daß ich die Summe, die ich ursprünglich für meine Tochter bestimmt habe, nicht nur nicht verringern, sondern sie am Tage ihrer Vermählung verdoppeln werde. Mason wurde nun fast der tägliche Gast des Hauses, und weder er noch seine Verlobte hatte etwas dagegen, als ich den Wunsch aussprach, ihre Hochzeit möge ohne Aufschub gefeiert werden. Entzückt von der täglichen Besserung in ihres Vaters Gesundheit und geistigem Vermögen, verbunden mit einem so glücklichen und unerwarteten Wechsel ihres Geschickes und ihrer Aussichten, schien meine liebe Tochter wirklich im Himmel zu sein, und so schien sie auch nach meinen Wahrnehmungen einen Himmel um sich zu verbreiten. Ihr strahlendes und lächelndes Gesicht glich dem Sonnenschein; ihre süße, melodische Stimme, durch die Freude erhöht, klang wie Sphärenmusik, ihre ehrfurchtsvollen und eifrigen Dienstleistungen waren die Verrichtungen eines schützenden Engels. Gott segne sie! Es gab Momente, wo ihre bezaubernde Zärtlichkeit mich fast meinen verstoßenen Sohn vergessen ließ.

Aber sie konnte das Gelübde, das ich mir selbst that, als ich noch in meiner Ohnmacht und eingesargt lag, meinem Gedächtniß nicht entreißen, daß ich nämlich, wenn ich wieder erwachen sollte, die Summen, die ich unrechtmäßiger Weise bei der Vollziehung meiner Kontrakte mit der Regierung gewonnen hatte, wieder erstatten wollte. Nachdem ich ihren Betrag sammt Zinsen, welcher einige tausend Pfund betrug, berechnet hatte, schickte ich das Ganze anonym an den Kanzler der Schatzkammer. Von Natur dem Gelde zugethan, fand ich immer Vergnügen darin, meinen Profit zu berechnen; jetzt kann ich in Wahrheit erklären, daß ich zehnmal mehr Vergnügen darin fand, diesen Theil meines Vermögens zurückzuzahlen, als ich je empfunden hätte, wenn ich rechtmäßiger Weise das Zehnfache gewonnen hätte.

Meine Aufmerksamkeit war durch die neuen wunderbaren Ereignisse und durch die Vorbereitungen zur bevorstehenden Hochzeit so sehr beschäftigt, und ich zog meine Gedanken so sorgfältig von der schmerzlichen Angelegenheit mit meinem Sohne ab, daß mehre Wochen dahin gingen, ohne daß ich auf das lange und sonderbare Stillschweigen des Londoner Agenten achtete, an den ich ihn empfohlen hatte. Die Ursache davon wurde endlich durch folgenden Brief aufgeklärt, ein Brief, der, Gott weiß es, traurig und demüthigend genug war, aber doch zugleich nicht alle mildernden Betrachtungen ausschloß.

»Theurer Freund! – Mehr als einmal ergriff ich die Feder, um Ihnen zu schreiben, und ebenso oft fehlte mir der Muth, meinen Brief zu beendigen, indem ich fürchtete, Sie in Ihrem gegenwärtigen schwachen Zustande mit übeln Nachrichten zu belästigen; ich habe auch geschwiegen, weil einige Zeit erforderlich war, sich über die wirkliche Lage Ihres Sohnes Gewißheit zu verschaffen, über dessen Leben ich einen ganzen Monat in Ungewißheit war. Nach seiner Ankunft bemerkte ich ein gutes Theil Leichtfertigkeit, um nicht zu sagen Wildheit in seinem Benehmen und Gesprächen, doch nicht so schlimm, um eine wirkliche Geistesverwirrung annehmen zu können. Er schien ganz zufrieden mit seiner Auswanderung und begleitete mich an Bord eines schönen, nach Neuseeland bestimmten Schiffes, auf welchem ich für einen guten Platz für ihn sorgte und das Ueberfahrtsgeld für ihn bezahlte. Am folgenden Morgen bezahlte ich nach Ihrem Befehl eine hinreichende Summe an ihn, damit er bequem reisen könne und ein vortheilhaftes Unterkommen bei seiner Ankunft in der Kolonie fände.

Inder Nacht darauf verließ er mein Haus, und ich hörte nichts weiter von ihm. Erst später erfuhr ich, daß man ihn wegen eines von ihm allein ausgehenden und gewaltsamen, in der Trunkenheit verübten Angriffs zur Haft gebracht hatte. Aus späteren Untersuchungen erfuhr ich, daß das Geld, das er empfangen hatte, im Trunk und in Ausschweifungen aller Art verschwendet worden war, und daß ihn wegen dieser Excentricitäten, Grillen und gewaltsamen Handlungen seine schwärmenden Genossen nur den »tollen Jörg« nannten. Betroffen durch den gedankenlosen Ausdruck seiner Züge und die Einfalt seiner Sprache, sah ich mit einem Male, daß er sich in einem Zustand von Irresein, durch sein jetziges wildes Leben veranlaßt, befinde, und auf diese Vermuthung hin bewirkte ich seine Freilassung, führte ihn zu einem Arzte, der in solchen Fällen eine sehr ausgebreitete Praxis hat, und der ihn jetzt sieben- bis achtmal besucht hat.

Seine mit Ueberlegung abgegebene Meinung ist, wie ich mit Bedauern hinzufügen muß, sehr ungünstig. Obgleich sich die Seelenstörung in Folge neuer Einwirkungen sehr schnell entwickelt hat, so betrachtet er sie doch nicht als temporär, sondern als aus organischen Störungen entstanden und deßhalb von einem bleibenden und unheilbaren Charakter. Er hält sie für eine Gehirnerweichung, ein Uebel, das allmählig die Seelenkräfte untergräbt und gewöhnlich in Blödsinn und Idiotie endigt. Als ich ihm einwarf, daß sein Kranker keineswegs ein unschuldiger Schwachkopf sei, sondern erst vor kurzer Zeit schlimme Absichten an den Tag gelegt habe, erwiederte er, daß eine Verbindung von Verschlagenheit und planmäßiger Kunst mit großer Bosheit öfters das Anfangsstadium dieser eigenthümlichen Seelenkrankheit charakterisire; und daß er, so weit er aus dem gegenwärtigen Zustand Ihres Sohnes schließen könne, nicht anstehe zu erklären, er müsse sich schon mehre Monate in einem kranken Seelenzustande befunden haben. »Daher kommt es denn«, dieß waren des Arztes eigne Worte, »daß dieser unglückliche junge Mann, obgleich er zu den gewöhnlichen Geschäften des Lebens fähig gewesen sein mag, doch in moralischer Hinsicht großen Mangel litt; daß er nicht mehr gut und böse zu unterscheiden wußte und deßhalb während dieser Periode seiner Seelenstörung nicht für zurechnungsfähig gehalten werden kann.«

Ich habe den armen Georg gegenwärtig in eine Privatirrenanstalt untergebracht und erwarte Ihre Befehle darüber, was weiter mit ihm werden soll.«


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