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VI.

Es war nun klar und unbestreitbar, daß ich absichtlich von meinem höchst undankbaren und unnatürlichen Sohn vergiftet worden war, und daß ich in der größten Eile unter die Erde gebracht werden sollte, damit nicht nach der Zurückkunft des Doktors Linnel, durch eine genauere Untersuchung der Leiche, die Schurkerei entdeckt werden möge. Der leidigen Hoffnung, die mich bisher aufrecht erhalten hatte, – der Aussicht auf ein Wiedererwachen während der Zeit, die gewöhnlich zwischen Tod und Begräbniß liegt, – folgte jetzt eine gänzliche Verzweiflung, gesteigert noch durch die äußerste Wuth gegen den Verworfenen, dessen Machinationen ich zum Opfer gefallen war, und ein Gefühl unaussprechlichen Abscheus und Schreckens bei dem Gedanken lebendig begraben zu werden. Dieser Vulkan der glühendsten Leidenschaft brannte im Inneren mit so größerer Energie, weil er sich weder durch Stimme noch Geberde nach außen entladen konnte. Aechzen und Schreien, ungestümer Angriff oder konvulsivische Bewegungen sind die Ausbrüche, durch welche die Natur für die Manifestation und Linderung geistiger und körperlicher Leiden gesorgt hat; aber während meine Angst wahrscheinlich mehr akut war, als ein menschliches Wesen je vorher erduldet hatte, und während mein Leben noch durch die Aeußerung eines Tones oder die Bewegung eines Fingers hätte gerettet werden können, blieb ich stumm, hülflos und unbeweglich – eine lebende Leiche! Man sollte glauben, mein elender Zustand hätte sich kaum noch steigern können, aber die Notwendigkeit, auf die herzlosen, lästerlichen Reden meines Sohnes zu lauschen, machte meine Zungenlahmheit tausendmal unerträglicher.

Ach! ich war leider verurtheilt, noch mehr Empörendes, noch mehr kaltblütige Befehle von dem Vatermörder – denn so konnte man ihn seiner Absicht nach nennen, obgleich seine strafbare Absicht bis jetzt noch nicht erreicht war – zu vernehmen. Nicht sehr lange nachdem meine Tochter das Zimmer verlassen hatte, erschien der Leichenbesorger mit seinem handwerksmäßigen traurigen Gesicht und ging so geräuschlos, als wenn er fürchtete durch seine Tritte den Verstorbenen zu wecken und dadurch um seine Gebühren zu kommen.

»Gut, Thomkins«, sagte der junge Teufel, der seine Trauer durch eine Bouteille Madeira und einige Sardellen zu beschwichtigen suchte, »Ihr wißt, weßhalb ich nach Euch geschickt habe.«

»Ja, Herr, ein trauriges Geschäft, eine betrübte Angelegenheit; ich bedauere es sehr, daß ich davon höre.«

»Kommt, kommt, Thomkins; keinen Humbug, kein Geschwätz! Welcher Leichenbesteller bedauert es, von einem Todesfall zu hören? Unsinn! die Menschen müssen sterben, sind von jeher gestorben und werden sterben; darin liegt nichts Neues, und darum habt Ihr auch nicht nöthig, so traurig darein zu sehen. Jetzt zu unserem Geschäfte! Ich wünsche, daß der alte Herr ein schönes Leichenbegängniß bekomme.«

»O gewiß, Herr, gewiß. Ein Herr von Ihrem schönen Vermögen kann verlangen, daß Alles anständig sei.«

»Ja, aber ich bin nicht Willens, es Euch zu überlassen. Hier sind meine Befehle, Alles schriftlich. Nichts Besonderes, wie Ihr seht; Alles kann leicht hergerichtet werden, und so, denke ich, kann das Leichenbegängniß am Freitag sein.«

»Was? am Freitag, sagen Sie, Herr? Das sind ja nur drei Tage nach dem Tode; wenige Menschen werden unter einer Woche beerdigt, wenn nicht besondere Umstände vorhanden sind.«

»Gut, aber hier sind besondere Umstände vorhanden. Er starb an einer ansteckenden Krankheit von sehr bösartiger Natur, und der Lebenden wegen müssen wir ihn so schnell wie möglich unter die Erde bringen. Ich glaube, bis nächsten Freitag könnt Ihr Alles in Bereitschaft haben – ja bis dahin muß es sein.«

»Es fragt sich nur, ob bis dahin der bleierne Sarg in solcher Eile gefertigt werden kann. Sehen Sie, Herr Briggs muß erst kommen und das Maß nehmen; dann –«

»Weßhalb? Wir brauchen gar keinen solchen. Ein Sarg von Ulmenholz wird ihn enge genug zusammenhalten, denke ich. Fürchtet nicht, daß die Leiche wieder herauskommt.«

»O nein, Herr! dafür drängen wir ihn zu dicht hinein; aber wenn wir Einen in ein Grabgewölbe beerdigen (das Ihrige ist ein vortreffliches, Herr!), nimmt man gewöhnlich Blei.«

»Gut, gut, der alte Herr wird bei seiner Familie sein, und wenngleich Verwandte sich gerne im Leben streiten, so hoffe ich, sie werden doch gute Freunde nach dem Tode. Gewiß habt Ihr nie gehört, daß ihre Särge aneinander rannten, nicht wahr?«

Gekitzelt von diesem albernen Einfall, brach er wieder in ein so unsinniges und scheußliches Gelächter aus, wie es mich schon früher empört hatte; und als er den Leichenbesteller unter Erneuerung seiner bestimmten Befehle entlassen hatte, ging er das Zimmer auf und ab, nahm ein frisches Glas Madeira, schwang phantastisch seine Arme und lächelte, indem er zu sich selbst sagte: »Eine kapitale List mit dem bösartigen Fieber! Thomkins wird es allenthalben ausbreiten, und so ist die Eile erklärt. Gut, gut!«


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