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Sechstes Kapitel
Von Gabes nach Tozeur

Am 17. März, morgens fünf Uhr, verließ die Expedition Gabes. Die eben über den Horizont der Kleinen Syrte heraufsteigende Sonne goß einen glänzenden Schimmer über die weiten, sandigen Ebenen des Gebietes der Schotts.

Das Wetter war schön; ein leichter Nordwind trieb vereinzelte Wolken vor sich her, die sich schon auflösten, ehe sie den entgegengesetzten Horizont erreichten.

Die Winterzeit nahte sich jetzt ihrem Ende. Im Klima des östlichen Afrika folgen die Jahreszeiten einander mit überraschender Regelmäßigkeit. Die Regenzeit, hier »Ech-chta« genannt, dauert kaum die Monate Januar und Februar hindurch. Der Sommer mit seiner kaum erträglichen Hitze beginnt im Mai und hält bis zum Oktober, unter vorherrschend zwischen Nordost und Nordwest schwankender Windrichtung, an. Von Schaller und seine Begleiter traten ihren Zug also unter günstigen Umständen an. Die Besichtigungsreise sollte auch jedenfalls vor der Zeit der furchtbaren Hitze beendigt sein, die jeden Verkehr über die saharischen Onthas so ungemein erschwert.

Gabes hatte, wie erwähnt, keinen eigentlichen Hafen. Die alte, fast völlig versandete Bucht vom Tnoupe war nur für Schiffe mit geringem Tiefgange zugänglich. Der Golf, der zwischen den Inselgruppen der Kerkmah und der Lotophagen einen Halbkreis bildet, hat den Namen »Kleine Syrte« erhalten, und diese Kleine Syrte ist bei den Seefahrern ebenso gefürchtet wie die Große, die so reich an Schiffsunfällen ist.

An der Mündung des Oued Melah war es, wo die ersten Arbeiten für den neuen Hafen, den Ausgangspunkt des Kanales, begannen. Von der Uferhöhe bei Gabes, die zwanzig Kilometer breit war und von der man zweiundzwanzig Millionen Kubikmeter Erde und Sand abgetragen hatte, war an dieser Stelle nur noch ein schmaler Damm übrig, der das Wasser des Golfes zurückhielt. Dieser Damm war in wenigen Tagen zu beseitigen, natürlich sollte das aber erst im letzten Augenblick geschehen, wenn in den Schotts alle Schutzvorrichtungen vollendet waren. Außerdem mußte an derselben Stelle die Erbauung einer Brücke in der Linie nach Gabes und nach der tripolitanischen Grenze für die Eisenbahn von Kairouan nach Feriana und Gafsa vorgesehen werden.

Übrigens war es diese erste Teilstrecke des Kanales durch die Uferhöhe von Gabes, die die meiste Arbeit und die größten Unkosten verursacht hatte. An manchen Stellen erreicht dieser Uferwall hundert Meter Höhe, abgesehen von zwei fünfzig bis sechzig Meter hohen Lücken, und der Sand kam hier gemischt mit felsigem Gestein vor, dessen Beseitigung sehr schwierig war.

Von der Mündung des Oued Melah aus verlief der Kanal nach den Ebenen des Djerid hin, und der Ingenieur mit seiner Begleitmannschaft folgte während der ersten Etappen bald dessen nördlichem und bald dessen südlichem Ufer.

Der Ingenieur von Schaller und der Kapitän Hardigan ritten an der Spitze unter dem Geleite einiger vom Wachtmeister Nicol geführten Spahis. Diesen folgten die Wagen, die den Proviant und das Lagermaterial beförderten. Endlich bildete eine vom Leutnant Vilette befehligte Rotte den Nachtrab.

Die Expedition, die ja nur den einzigen Zweck verfolgte, den Verlauf des Kanales in seiner ganzen Ausdehnung zu besichtigen und von dem Zustand der Dinge bis zum Schott Rharsa und dann bis zum Schott Melrhir Kenntnis zu nehmen, sollte nur mit kurzen Tagereisen vorwärts dringen. Wenn es wahr ist, daß die von Oase zu Oase ziehenden Karawanen auf ihrem Wege im Süden um die Berge und Hochebenen Algeriens und Tunesiens in zehn bis zwölf Tagen gelegentlich vierhundert Kilometer überwinden, so gedachte der Ingenieur doch binnen vierundzwanzig Stunden nicht mehr als etwa ein Dutzend zurückzulegen.

»Wir gehen ja nicht auf Entdeckungen aus«, sagte von Schaller, »sondern wollen uns nur von dem Zustande der Arbeiten überzeugen, die unsere Vorgänger uns zurückgelassen haben.«

»Ganz recht, lieber Freund«, antwortete der Kapitän Hardigan, »in diesem Teile des Djerid ist auch schon seit langer Zeit nichts mehr zu entdecken. Was aber mich angeht, bin ich gar nicht böse darüber, diese Gegenden noch ein letztes Mal zu besuchen, bevor sie eine so gründliche Umwandlung erfahren. Wird ihnen diese auch von Vorteil sein?«

»Das versteht sich, Herr Kapitän, und wenn es Ihnen beliebt, einmal hierher zurückzukehren ...«

»So nach einer Mandel Jahre ...«

»O nein, ich bin fest überzeugt, daß Sie sehr bald einen lebhaften Handelsverkehr da finden würden, wo jetzt nur die Einöde der Wüste herrscht.«

»Die doch auch ihren Reiz hatte, lieber Ingenieur ...«

»Je nun, wenn die Verlassenheit und Leere für jemand einen Reiz haben kann ...«

»Für Naturen wie die Ihrige freilich nicht«, antwortete der Kapitän Hardigan, »wer weiß aber, ob die alten und treuen Bewunderer der Natur nicht Ursache haben werden, die Veränderungen zu beklagen, die die Menschen ihr aufzwingen.«

»Oh, lieber Kapitän, beklagen Sie sich nur nicht allzuviel, denn wenn die ganze Sahara unter dem Niveau des Mittelländischen Meeres läge, würden wir sie vom Golfe von Gabes an bis zur Küste des Atlantischen Ozeans in ein einziges Meer verwandeln.«

»Ja, ja, das sieht Ihnen ähnlich«, erklärte der Offizier lächelnd. »Die modernen Ingenieure scheuen vor gar nichts mehr zurück. Ließe man sie gewähren ... wahrlich, sie füllten am Ende die Meere mit den Bergen aus, und unsere Mutter Erde würde zu einer hübsch ebenen, polierten Kugel, wie ein Straußenei, so daß sich auf bequemste Weise überall Eisenbahnen herstellen ließen!«

Aus dem Vorliegenden leuchtet zwar ein, daß der Ingenieur und der Offizier während der mehrwöchentlichen Reise durch das Djerid die Dinge niemals unter demselben Gesichtswinkel betrachten würden ... gute Freunde blieben sie aber jedenfalls trotz dieses Zwiespaltes.

Der Zug durch die Oase von Gabes führte mitten durch eine reizende Landschaft. Hier gedeihen zwischen dem Seesande und den Dünen der Wüste die verschiedensten Vertreter der afrikanischen Flora. Die Botaniker haben in der Oase allein fünfhundertdreiundsechzig Pflanzenarten gefunden. Die Bewohner dieser gesegneten Oase haben sich wahrlich nicht zu beklagen: Die Natur hat hier die reichsten Schätze vor ihnen ausgebreitet. Kommen da auch Bananen, Maulbeerbäume und Zuckerrohr nur weniger vor, so gibt es dafür einen Überfluß von Feigen-, Mandel- und Orangenbäumen, die unter dem hohen Laubdache von Dattelpalmen prächtig gedeihen, abgesehen von den reichen Rebenhügeln und den Gerstenfeldern, die sich über Sehweite hinaus ausdehnen. Das Djerid, das Land der Datteln, hat über eine Million dieser Bäume und davon wohl hundertfünfzig Arten. Ihre Früchte, darunter die »Licht-Dattel« – eine mit durchscheinendem Fleische –, gedeihen in der Oase Gabes, dank der Feuchtigkeit infolge der Nähe des Meeres, sogar vorzüglicher als anderswo.

Jenseits der Grenzen dieser Oase betrat die kleine Karawane aber die dürren Strecken des Uferhöhenzugs, die das Bett des neuen Kanals durchschnitt. Hier hatte dessen Aushebung Tausende von tätigen Armen beansprucht.

Trotz der vielen Schwierigkeiten hatten die Arbeiter jedoch die vorliegende Aufgabe glücklich zu Ende geführt, und die Compagnie franco-étrangère hatte für vierzig Centimes Taglohn stets so viele Araber einstellen können, wie sie brauchte. Nur die Stämme der Tuareg und einzelne andere, die am Rande der Sebchas umherschweiften, hatten davon abgesehen, sich an der Herstellung des Kanals zu beteiligen.

Unterwegs machte sich von Schaller Notizen über die Sachlage. Da war an der Böschung der Ufer des Kanales und auch in dessen Bette noch manche Nachhilfe nötig, den berechneten Fall herauszubringen, um eine hinreichende Zuströmung zu sichern, »genug Zufluß« – wie schon Roudaire ausgesprochen hatte –, »die Wasserbecken zu füllen und sie durch Ersatz der verdunstenden Wassermenge immer in gleichem Niveau zu erhalten«. Dieser Fall war für den Kilometer auf fünf Zentimeter berechnet worden; da der Kanal bis Rharsa nun hundertneunzig Kilometer Länge bekommen sollte, betrug der Fall über neun Meter, und da seine Tiefe an der Uferhöhe von Gabes bis sechs Meter unter den Meeresspiegel reichte, mußte das Bett bis zu jenem Schott fünfzehn Meter tief ausgehoben werden.

»Diese von Roudaire angegebenen Bestimmungen«, sagte der Ingenieur, »sind überall ohne Überschreitung eingehalten worden, und das ist auch recht gut in Hinsicht auf den beweglichen Boden, den der Kanal durchschneidet.«

»Welche Breite sollte er denn ursprünglich bekommen?« fragte der Kapitän Hardigan.

»Durchschnittlich nur fünfundzwanzig bis dreißig Meter«, antwortete von Schaller, »und er sollte so angelegt werden, daß eine weitere Verbreitung durch die Strömung des Wassers von selbst erfolgen konnte. Doch hat man es trotz der größeren Arbeit und der höheren Kosten, die es verursachte, für geboten erachtet, ihm die Breite von neunzig Metern zu geben, wie Sie heute sehen.«

»Das geschah jedenfalls, um die zur Anfüllung der Schotts von Rharsa und Melrhir notwendige Zeit abzukürzen?«

»Gewiß, und ich wiederhole Ihnen, wir rechnen noch immer darauf, daß die Strömung Sand von den Seitenwänden wegspült, so daß ein noch größerer Wasserzufluß stattfinden kann.«

»Ja«, warf der Kapitän Hardigan ein, »anfänglich sprach man doch wohl von zehn Jahren, die die Anfüllung des Saharameeres bis zu seinem bleibenden Niveau dauern würde?«

»Freilich ... das weiß ich recht wohl«, erwiderte von Schaller, »und man behauptete obendrein, daß das Wasser auf seinem Weg durch den Kanal verdunsten und kein Tropfen davon nach dem Schott Rharsa gelangen würde. Meiner Ansicht nach hätte man aber sogar besser getan, die zuerst geplante Breite beizubehalten und dafür eine schnellere Strömung des Kanalwassers, mindestens im ersten Teile des Bettes, einzutauschen. Das wäre entschieden weit praktischer und weniger kostspielig gewesen. Doch Sie wissen ja, daß das nicht der einzige Rechnungsfehler unserer Vorgänger gewesen ist. Erneute Untersuchungen auf unbedingt zuverlässigen Grundlagen haben uns auch berechtigt, jene Behauptungen zurückzuweisen, und es wird bestimmt keine zehn Jahre in Anspruch nehmen, alle algerischen Bodensenkungen anzufüllen. Keine fünf Jahre mehr, und die Handelsschiffe werden über das neue Meer vom Golfe von Gabes bis zum entferntesten Hafen des Melrhir hingleiten.«

Die beiden Etappen dieses ersten Reisetages waren unter recht günstigen Umständen zurückgelegt worden, und die Karawane hatte allemal haltgemacht, wenn der Ingenieur einzelne Arbeiten oder Maschinen genauer besichtigte. Etwa fünfzehn Kilometer von Gabes gab dann der Kapitän Hardigan gegen fünf Uhr abends das Signal zum Halten für die Nacht.

Sofort wurde am nördlichen Kanalufer und unter dem Schutze eines kleinen Dattelgehölzes das Lager aufgeschlagen. Die Reiter sprangen aus dem Sattel und führten die Pferde nach einer Wiese, die den Tieren reichlich Futter bot. Durch das Gehölz schlängelte sich ein Bach, der, wie man sich überzeugte, klares und frisches Wasser führte.

Die Zelte, die übrigens nur in den Stunden des Schlafes benutzt werden sollten, wurden schnell errichtet. Das Abendessen nahm man unter dem Laubdache der Bäume ein. Von François bedient, taten der Ingenieur und die beiden Offiziere dem von Gabes mitgenommenen Proviant alle Ehre an. An Fleisch und Gemüsekonserven war die Versorgung der Karawane für mehrere Wochen gesichert, und in den Flecken und Dörfern von Niedertunesien und Niederalgerien in der Nachbarschaft der Schotts mußten sich diese Vorräte leicht ergänzen lassen.

Es versteht sich von selbst, daß der Wachtmeister und seine Leute, lauter gewandte Burschen, mit ihren Zelten im Handumdrehen in Ordnung waren, nachdem sie die beiden Wagen, die zum Zuge gehörten, am Saume des Gehölzes untergebracht hatten. Ehe er an sich selbst dachte, wollte Nicol – ein bei ihm beliebter Scherz, den Pistache immer herzlich belachte – Va d'l'avant noch massieren und einsalben. Das prächtige Pferd schien mit dem ersten Tagesmarsch durch das Djerid zufrieden zu sein und antwortete seinem Herren mit einem anhaltenden Gewieher, in das sich noch das lustige Gekläffe von Coupe-à-Cœur mischte.

Natürlich hatte der Kapitän Hardigan alle zur Bewachung des Lagers erforderlichen Maßregeln getroffen. Die Nachtruhe wurde übrigens nur gelegentlich durch ein dumpfes Geheul unterbrochen, das den Nomaden dieser Gegend gut genug bekannt ist. Die Raubtiere hielten sich aber in weiter Entfernung, und auch bis zum Sonnenaufgang blieb die Karawane von ihrem unheimlichen Besuche verschont.

Früh fünf Uhr waren alle wieder auf den Füßen, und zehn Minuten später hatte sich François auch schon wieder vor einem Stückchen Spiegelglas frisch rasiert, das an dem Pfahle des Zeltes hing.

Die Pferde wurden nun herangeholt, die Wagen bespannt, und in derselben Ordnung wie am Tage vorher setzte sich die kleine Truppe wieder in Bewegung.

Auch weiter führte der Weg bald an dem einen, bald am anderen Ufer des Kanales hin, dessen Seitenwände hier schon nicht mehr so hoch waren wie an dem dem Golfe näher liegenden Landrücken von Gabes. Überall nur aus lockerem Erdboden oder aus losem Sande bestehend, ließ es sich gar nicht bezweifeln, daß die Böschungen dem Drucke des Wassers nachgeben würden, wenn die Strömung zu einiger Stärke anwuchs. Wie von den Ingenieuren vorausgesehen und von den Eingeborenen befürchtet, würde sich der Kanal somit von selbst verbreitern, und die zur völligen Auffüllung der beiden Schotts nötige Zeit verkürzen. Im ganzen war, wie sich von Schaller überzeugen konnte, das Kanalbett doch ziemlich fest. Nur in dem Durchschnitt der großen tunesischen Sebchas hatte der weiche Boden die Aushebung erleichtert, so daß hier die Arbeit schnellere Fortschritte gemacht hatte als in dem Ufergelände der Kleinen Syrte. Das Land zeigte noch immer denselben Charakter der Einöde und Unfruchtbarkeit wie jenseits der Grenze der Oase von Gabes. Nur da und dort erhoben sich beschränkte Dattelhaine oder dehnten sich Ebenen mit Alfabüscheln, dem eigentlichen Reichtum des Landes, aus.

Von Anfang an hatte sich die Expedition längs des Kanalbettes heute nach Westen hin gewendet, um die unter dem Namen Fedjedj bekannte Bodensenke und damit die Ortschaft Hamma zu erreichen. Dieses Städtchen ist nicht mit dem anderen gleichen Namens am Eingange zum Rharsa zu verwechseln, das die Expedition nach ihrem Zuge durch das Djerid und das Fedjedj besuchen sollte. Nach den beiden regelmäßigen Etappen des 18. März schlug der Kapitän Hardigan nun in Hamma sein Nachtquartier auf.

Die verschiedenen Ortschaften dieser Gegend haben alle eine gleiche Lage in der Mitte kleiner Oasen. Ebenso wie die Dörfer sind sie mit Lehmmauern umgeben, um einigen Schutz gegen die Angriffe von Nomaden und gegen die Überfälle von Raubtieren zu gewähren.

Hamma hat nur wenige hundert eingeborene Bewohner, untermischt mit mehreren französischen Kolonisten. Eine kleine Abteilung eingeborener Soldaten lag im Bordj ... hier freilich nur ein Häuschen, das in der Mitte des Fleckens seine Umgebung überragte. Die Spahis, von der Bevölkerung gern aufgenommen, verteilten sich in verschiedene arabische Häuser, während der Ingenieur und die Offiziere die Gastfreundschaft eines Landsmannes annahmen.

Als der Kapitän Hardigan sich dann bei dem Kolonisten erkundigte, was er etwa von dem aus dem Gefängnisse von Gabes entflohenen Tuareghäuptling wüßte, antwortete dieser, daß er kaum etwas über Hadjar gehört hätte. In der Umgebung von Hamma sei der wilde Targi jedenfalls nicht gesehen worden. Es wäre vielmehr anzunehmen, daß der Flüchtling unter Umgehung des Fedjedj die Gegend der algerischen Schotts erreicht und bei den Tuaregstämmen des Südens Unterschlupf gefunden hätte. Jedenfalls hatte ein aus Tozeur zurückgekehrter Bewohner von Hamma davon reden hören, daß Djemma in der Nachbarschaft aufgetaucht sei, nur wußte niemand, wohin sie sich von da aus gewendet haben mochte.

Hier sei übrigens daran erinnert, daß Hadjar nach seiner Entweichung und nach dem kurzen Aufenthalt nahe dem Strande der Kleinen Syrte, wo er seine Mutter bei dem Marabut einen Augenblick wiedergesehen hatte und wo ihn bereits gesattelte Pferde erwarteten ... daß Hadjar mit seinen Begleitern da eine Richtung einschlug, in der Djemma ihnen nicht folgte.

Frühmorgens am 19., bei etwas bedecktem Himmel, der einen weniger warmen Tag erwarten ließ, gab der Kapitän Hardigan wieder das Zeichen zum Aufbruch. Zwischen Gabes und Hamma waren bisher dreißig Kilometer zurückgelegt worden, es war von hier nur noch halb so weit zum Fedjedj. Das war ein Tagesmarsch, und am Abend lagerte die Truppe dann an einer dem Schott nahe gelegenen Stelle.

Bei der letzten Etappe, die ihn nach Hamma brachte, hatte sich der Ingenieur vom Kanale ein wenig entfernen müssen, doch noch am Vormittag des heutigen Marschtages traf er am Eingange des Schotts bei ihm wieder ein. Auf einer Strecke von hundertneunzig Kilometern durch die große Bodensenkung des Fedjedj, das fünfzehn bis fünfundzwanzig Meter unter dem Meeresspiegel lag, hatte die Herstellung des Kanalbettes keine besonderen Schwierigkeiten bereitet.

In den nächsten Tagen folgte die Expedition noch weiter der Linie des Kanales, doch auf einem Erdboden, der nicht immer die wünschenswerte Festigkeit zeigte. In der Mitte dieser Depressionen sinken die Sonden zuweilen von selbst bis zum Verschwinden ein, und was einem Instrumente widerfahren kann, das kann doch auch einem Menschen passieren. Diese tunesische Sebcha ist übrigens eine der ausgedehntesten von allen. Von der Spitze Bou-Abdallah an bilden das Fedjedj und das Djerid – nicht zu verwechseln mit dem Wüstenbezirke gleichen Namens – bis ans westliche Ende nur eine einzige Bodensenkung. Vom Dorfe Mtocia, ein Stück von Hamma gelegen, an war der Kanal quer durch das Fedjedj angelegt, an dem die Karawane weiter hinziehen mußte.

Hier war nichts weiter Besonderes zu sehen als die seeartigen Becken, die unter dem Namen der Schotts und der Sebchas bekannt sind. Bezüglich der beiden, die in der Geographie das Djerid und das Fedjedj genannt werden und bei denen sich nicht einmal in der Mitte noch ein Tümpel vorfindet, äußerte von Schaller gegen den Kapitän Hardigan und den Leutnant Vilette im Weiterreiten:

»Wir sehen hier deshalb keine Wasseransammlung, weil diese von einer Salzschicht bedeckt ist. Das Wasser liegt aber unmittelbar unter dieser Schicht ... ein richtiges geologisches Kuriosum ... Sie bemerken ja wohl auch, daß die Tritte unserer Pferde klingen, als gingen die Tiere auf einem hohlen Gewölbe ...«

»Ja, wirklich«, bestätigte der Leutnant, »und das legt doch die Frage nahe, ob ihnen der Boden unter den Hufen nicht einmal ganz fehlen könnte.«

»Jedenfalls heißt es vorsichtig sein«, sagte der Kapitän Hardigan. »Ich empfehle das auch meinen Leuten immer und immer wieder. Man weiß ja, daß aus den tiefsten Stellen dieser Bodensenkungen das Wasser schon manchmal plötzlich hervorgequollen und den Pferden bis an die Brust gestiegen ist.«

»Das ist allerdings vorgekommen, und gerade auch bei der früheren Untersuchung dieser Sebcha. Man kennt auch Beispiele von ganzen Karawanen, die auf dem Wege von Tozeur nach Nefta, Gafsa und anderen Orten dieser Gegend plötzlich tief eingesunken waren.«

»Eine Gegend, die weder Meer noch Binnensee und doch kein Land im wahren Sinne des Wortes ist!« bemerkte Leutnant Vilette.

»Was hier nicht vorkommt«, nahm von Schaller wieder das Wort, »das findet man im Rharsa und im Melrhir. Außer überkrusteten Wasserflächen enthalten diese Schotts auch mehrfach offenes Wasser in Becken, die unter dem Meeresniveau liegen.«

»Na, lieber Ingenieur, da ist es doch wirklich traurig, daß das bei diesem Schott nicht auch der Fall ist! Dann hätte es nur eines dreißig Kilometer langen Kanals bedurft, das Wasser des Golfs von Gabes hineinzuleiten, und jetzt führe man schon seit soundso vielen Jahren auf dem Saharameer umher!«

»Ja, das ist sehr bedauerlich«, stimmte von Schaller ein, »und nicht allein, weil dann die Dauer und der Umfang der Arbeiten beträchtlich vermindert worden wären, sondern auch, weil das neue Meer sich sozusagen verdoppelt hätte. Statt siebentausendzweihundert Quadratkilometer oder siebenhundertzwanzigtausend Hektar würde es deren dann fast eine Million fünfmal hunderttausend bedeckt haben. Auf der Karte dieser Gegend sieht man, daß das Fedjedj und das Djerid eine größere Ausdehnung haben als die Schotts von Rharsa und Melrhir, und das zweite wird nicht einmal ganz von Wasser überflutet sein.«

»Könnte man nach alledem«, sagte der Leutnant Vilette, »nicht vermuten, daß der Erdboden – da wir hier über so unzuverlässige Strecken hinziehen – nicht einmal noch weiter einsinkt, vorzüglich wenn er erst von dem Kanalwasser durchfeuchtet ist? Wer weiß denn, ob nicht der ganze Süden von Algerien und Tunis, infolge einer allmählichen oder plötzlichen Veränderung des Erdbodens, zum Becken eines Ozeanes wird, wenn das Mittelländische Meer diese Landesteile vom Osten bis zum Westen überschwemmt?«

»Das würde ja den von den Engländern ausgegangenen Plan eines marokkanischen Meeres verwirklichen!« sagte der Kapitän Hardigan. »Da läßt sich unser Freund Vilette doch nicht wenig von Nebelbildern mit fortreißen, von den Schreckgespenstern, die in den Erzählungen der Araber spuken! Wahrlich, es sieht aus, als wollte er mit dem wackeren Va d'l'avant unseres ebenso wackeren Nicol in der Schnelligkeit wetteifern!«

»Nun im Ernst, Herr Kapitän«, erwiderte der junge Offizier lächelnd, »ich glaube doch, daß das alles eintreten könnte.«

»Und wie denken Sie darüber, lieber Herr von Schaller?«

»Ich liebe es, mich nur auf greifbare Tatsachen, auf zuverlässige Beobachtungen zu stützen«, erklärte der Ingenieur. »Je mehr ich aber den Erdboden dieser Gegend studiert habe, desto mehr erkenne ich die abnormen Verhältnisse, die hier vorliegen, und da kann man sich allerdings fragen, welche Veränderungen im Laufe der Zeit und infolge nicht vorauszusehender Ereignisse hier wohl eintreten könnten. Inzwischen aber wollen wir uns begnügen und es getrost der Zukunft überlassen, ob sie einmal das herrliche Projekt eines allumfassenden Saharameeres verwirklicht oder nicht!«

Nach mehreren Tagereisen, die die Expedition nach Limagnes, Seftima und Bou-Abdallah führten – lauter Ortschaften auf der Landzunge zwischen dem Fedjedj und dem Djerid –, war die Besichtigung der alten Kanallinie bis Tozeur beendet, und hier traf die kleine Truppe am Abend des 30. März ein.


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