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Fünfzehntes Kapitel
Auf der Flucht

Erst nach reiflicher Überlegung, was infolge der gelungenen Entweichung zu tun sei, hatte sich der Kapitän Hardigan für die Marschrichtung nach Osten entschieden. An der entgegengesetzten Seite, etwas westlich jenseits der Grenze des Melrhir, lag zwar der mehr besuchte Ort Touggourt, der neben der späteren Transsaharischen Bahnlinie hin verlief, von wo es leicht gewesen wäre, Biskra mit Sicherheit in der gewöhnlich dazu nötigen Zeit zu erreichen. Diesen Teil des Schotts kannte er aber nicht, da er von Goleah nach Zenfig von Osten her gekommen war, und nach Westen vom Henguiz hinauszugehen, das bedeutete für ihn nicht nur einen Sprung ins Dunkle, sondern brachte auch die Gefahr mit sich, Mannschaften von Hadjar zu begegnen, die von Biskra aus auf dieser Seite heranziehen könnten. Übrigens war der Weg zwischen Zenfig und dem Kanalende ziemlich gleich lang, und die Arbeiter konnten jetzt in größerer Zahl nach dem Werkplatze zurückgekehrt sein. Begab er sich nach Goleah, so begegnete er vielleicht sogar der Abteilung des Leutnants Vilette, der ja Nachsuchungen in diesem Teile des Djerid unternehmen mußte. Endlich war auch Coupe-à-Cœur von der Oase aus in dieser Richtung hingelaufen, der, wie der Brigadier dachte, dafür seine »guten Gründe« haben werde, und empfahl es sich denn nicht, sich auf die Findigkeit Coupe-à-Cœurs zu verlassen?

»Herr Kapitän«, äußerte deshalb auch Pistache, »wir brauchen ihm nur zu folgen, er irrt sich jedenfalls nicht. Obendrein sieht er in der Nacht ebensogut wie am Tage. Ich versichere Ihnen, das ist ein Hund mit den Augen der Katze!«

»Nun, so gehen wir ihm nach«, hatte Kapitän Hardigan geantwortet.

Das war wohl auch das Beste, was sie tun konnten. In der tiefen Finsternis und in dem Labyrinth der Oase wären die Flüchtlinge Gefahr gelaufen, rund um den Flecken zu irren, ohne davon wegzukommen. Da sie aber Coupe-à-Coeur folgten, gelangten sie glücklich und schnell nach der nördlichen Grenze des Henguiz, längs dessen Seite sie hinziehen konnten.

Es war um so notwendiger, sich davon nicht zu entfernen, als der Boden des Melrhir weiter draußen ziemlich unsicher war und vielfach sumpfige Stellen enthielt, aus denen es fast unmöglich wäre, sich wieder zu befreien. Die dazwischen verlaufenden gangbaren Wege waren nur den Tuareg von Zenfig und einigen Nachbarorten bekannt, die als Führer zu dienen pflegten, ihre Dienste aber häufig nur anboten, um die betreffenden Karawanen zu plündern.

Die Flüchtlinge schritten schnell dahin und hatten keine gefährliche oder unliebsame Begegnung gehabt, als sie bei Tagesanbruch in einem Palmenwäldchen haltmachten. Unter Berücksichtigung der Schwierigkeit, in voller Dunkelheit dahinzumarschieren, konnten sie die auf dieser ersten Wegstrecke zurückgelegte Entfernung höchstens auf sieben bis acht Kilometer schätzen. Es blieben also noch zwanzig bis zur äußersten Spitze des Henguiz und von da etwa noch ebenso viele durch das Schott bis zur Oase vor Goleah.

Von dem nächtlichen Marsche stark ermüdet, hielt es der Kapitän Hardigan für angezeigt, hier eine Stunde auszuruhen. Das Gehölz war verlassen, und die nächsten Ortschaften lagen am südlichen Rande der zukünftigen Zentralinsel. Diese konnten leicht vermieden werden. So weit der Blick nach Osten reichte, war von der Reiterschar Hadjars nicht das geringste zu sehen. Da sie aus Zenfig vor fünfzehn Stunden aufgebrochen war, mußte sie wohl schon sehr weit gelangt sein.

Wenn die Müdigkeit aber die Flüchtlinge nötigte, einmal auszuruhen, so genügte diese Ruhe doch nicht, sie auch wieder zu kräftigen, wenn sie sich nicht irgendwelche Nahrung verschaffen konnten. Da ihr Proviant noch in den letzten Stunden des Aufenthalts in Bordj aufgezehrt worden war, konnten sie nur darauf rechnen, auf dem Wege durch die Oasen des Henguiz Früchte zu pflücken, eigentlich nur Datteln und verschiedene Beeren, vielleicht auch einige eßbare Wurzeln, die Pistache sehr gut kannte. Feuerstein und Schwamm fehlte weder den einen noch den anderen, und, über einem Feuer von dürrem Holz geröstet, boten solche Wurzeln eine stoffreichere Nahrung.

Unter den vorliegenden Verhältnissen konnten der Kapitän Hardigan und seine Gefährten wohl darauf rechnen, ihren Hunger zu stillen und auch ihren Durst zu löschen, denn durch das Henguiz schlängelten sich verschiedene Oueds. Vielleicht gelang es ihnen auch, mit Hilfe des schnellfüßigen Coupe-à-Cœur ein Stück Haar- oder Federwild zu erbeuten. Jede Aussicht auf eine solche Möglichkeit schwand aber, wenn sie erst durch die sandigen Ebenen des Schotts über das salzgeschwängerte Gebiet wanderten, worauf höchstens vereinzelte Bündel von uneßbaren Driß dem Boden entsproßten.

Da die Gefangenen aber unter Führung Sohars binnen zwei Tagen von Goleah nach Zenfig gekommen waren, durften sie wohl hoffen, die Strecke von Zenfig nach Goleah in der gleichen Zeit zu überwinden? Nein, leider nicht, und zwar aus zwei Gründen: Erstens hatten sie jetzt keine Pferde, und da ihnen zweitens die gangbaren Wege unbekannt waren, mußte mit deren Aufsuchung gewiß viel Zeit verstreichen.

»Alles in allem«, bemerkte der Kapitän, »handelt es sich doch nur um fünfzig Kilometer. Heute abend werden wir schon die Hälfte hinter uns haben. Nach einer Nacht der Ruhe brechen wir wieder auf, und wenn wir für die zweite Hälfte auch die doppelte Zeit brauchten, werden wir doch übermorgen abend in Sicht des Kanals sein.«

Nach einstündiger Rast, während deren sie sich ausschließlich mit Datteln gesättigt hatten, folgten die Flüchtlinge, sich möglichst verbergend, dem Saume des Gehölzes. Der Himmel war bedeckt, nur dann und wann blitzte ein Sonnenstrahl durch einen Riß zwischen den Wolken. Diese drohten zwar mit Regen, doch kam es zum Glück nicht dazu.

Die erste Wegstrecke wurde zu Mittag beendet, ohne daß ein Zwischenfall eingetreten oder auch nur ein einziger Eingeborener sichtbar geworden wäre. Was die Rotte Hadjars betraf, so befand sich diese ohne Zweifel schon vierzig bis fünfzig Kilometer weiter im Osten.

Die Mittagsrast dauerte eine Stunde. An Datteln fehlte es nicht, und der Brigadier grub Wurzeln aus, die man über glühenden Kohlen röstete. Damit sättigten sich alle, so gut es eben anging, und auch Coupe-á-Coeur mußte sich damit begnügen.

Am Abend waren von Zenfig aus fünfundzwanzig Kilometer zurückgelegt, und der Kapitän Hardigan ließ am Ende des Henguiz haltmachen.

Das war die Grenze der letzten Oase. Weiter draußen dehnten sich die gewaltigen Einöden der Bodensenke aus, das scheinbar grenzenlose, von Salzauswüchsen flimmernde Gebiet, über das zu gehen beim Mangel eines Führers ebenso beschwerlich wie gefahrvoll war.

Die Flüchtlinge waren aber doch wenigstens fern von ihrem Kerker, und wenn Ahmet und die anderen ihre Verfolgung aufgenommen hatten, so hatten sie wenigstens ihre Fährte nicht entdeckt.

Alle empfanden ein dringendes Verlangen nach Ruhe. Soviel ihnen auch daran lag, möglichst bald nach Goleah zu kommen, mußten sie doch die nächste Nacht an dieser Stelle zubringen. Es wäre auch unklug gewesen, sich im Dunkeln auf das bewegliche Gebiet jenseits des Henguiz hinauszuwagen, konnten sie sich doch am Tage da nur mühsam zurechtfinden. Da zur jetzigen Jahreszeit und in der kommenden Nacht nichts von Kälte zu befürchten war, streckten sich alle am Fuße einer Palmengruppe zum Schlummer nieder.

Nun wäre es gewiß angezeigt gewesen, daß wenigstens einer von der Gesellschaft die Umgebung des Platzes überwacht hätte. Der Brigadier hatte sich auch erboten, das für die ersten Stunden zu übernehmen, während ihn dann die beiden Spahis ablösen sollten. Seine Gefährten versanken bald in tiefen Schlummer, und er blieb zuerst in Gesellschaft Coupe-à-Cœurs wach. Nach kaum einer Viertelstunde konnte Pistache dem Verlangen nach Schlaf jedoch nicht mehr widerstehen. Fast unabsichtlich setzte er sich zuerst nieder, streckte sich dann auf dem Boden aus, und wider seinen Willen schloß er endlich die Augen.

Glücklicherweise war Coupe-à-Cœur ein besserer Wächter, denn kurz vor Mitternacht erwachten die Schläfer durch sein dumpfes Bellen.

»Achtung ... Achtung!« rief der Brigadier, der sofort aufgesprungen war. Gleich darauf stand auch der Kapitän Hardigan schon auf den Füßen.

»Horchen Sie, Herr Kapitän!« sagte Pistache.

Von der linken Seite der Baumgruppe her ertönte ein lauter Lärm, ein Knirschen und Knistern von abgebrochenen Zweigen und zerrissenen Gebüschen, etwa aus der Entfernung von einigen hundert Schritten.

»Sollten die Tuareg von Zenfig uns verfolgen und uns vielleicht auf der Spur sein?«

Ja, es war ja nicht zu bezweifeln, daß die Tuareg sich nach Bekanntwerden der Entweichung zur Verfolgung aufgemacht hatten. Kapitän Hardigan lauschte dem Geräusche, stimmte dann aber der Ansicht des Brigadiers nicht zu und sagte:

»Nein, das sind keine Eingeborenen! Die würden versucht haben, uns zu überraschen, und ein solches Geräusch machten sie dann nicht.«

»Was wäre es aber dann?« fragte der Ingenieur.

»Das sind Tiere ... vielleicht Raubtiere, die durch die Oase schweifen«, erklärte der Brigadier.

Wirklich war der Lagerplatz jetzt nicht von Tuareg, sondern von ein oder mehreren Löwen bedroht, deren Anwesenheit keine geringere Gefahr bildete. Wenn diese das Lager überfielen, wie hätte man sie beim Fehlen aller Waffen abwehren können?

Der Hund verriet durch Zeichen die lebhafteste Erregung. Der Brigadier hatte große Mühe, ihn etwas zu beruhigen, am Bellen zu verhindern und ihn zurückzuhalten, da er immer nach der Stelle fortstürmen wollte, woher das Geräusch und ein wütendes Gebell herübertönte.

Was mochte dort vorgehen? Kämpften die Raubtiere selbst miteinander, machten sie einander in ihrer Wut eine Beute streitig? Oder hatten sie die Flüchtlinge unter der Baumgruppe aufgespürt und standen sie schon auf dem Sprunge, sie zu überfallen?

Einige Minuten ängstlichen Schweigens. Waren sie entdeckt, so mußten der Kapitän Hardigan und seine Gefährten bald eingeholt sein. Besser schien es, an Ort und Stelle zu warten und schleunigst auf die Bäume zu klettern, um einem Überfall zu entgehen.

Der Kapitän gab einen diesbezüglichen Befehl, und der sollte eben ausgeführt werden, als der Hund den Händen des Brigadiers entschlüpfte und rechtshin von der Lagerstelle verschwand.

»Hierher ... Coupe-à-Coeur! ... Hierher!« rief Pistache.

Das Tier hörte ihn jedoch nicht oder wollte ihn nicht hören und kam nicht zurück.

In diesem Augenblicke schienen der Lärm und das Gebrüll sich zu entfernen; es wurde allmählich schwächer und verstummte endlich ganz. Man hörte nur noch das Bellen Coupe-à-Coeurs, der auch bald wieder erschien.

»Abgezogen ... die Raubtiere sind offenbar davongetrottet«, sagte der Kapitän. »Von unserer Anwesenheit haben sie nichts gewittert. Jetzt haben wir nichts mehr zu fürchten.«

»Doch was hat denn Coupe-à-Coeur?« rief Pistache, der, als er den Hund streichelte, bemerkte, daß seine Hände von Blut feucht geworden waren. Sollte er verletzt sein? Sollte er da draußen einen Tatzenschlag abbekommen haben?

Nein ... Coupe-à-Cœur klagte oder winselte ja nicht; er sprang lustig in die Höhe und lief wiederholt nach rechts hin und zurück. Es sah so aus, als ob er den Brigadier auffordern wollte, mit dahin zu kommen, und dieser war auch schon bereit, dem Tiere zu folgen.

»Nein, bleiben Sie hier, Pistache«, rief ihm der Kapitän zu. »Erst wollen wir etwas Tageslicht abwarten und dann sehen, was zu tun ist.«

Der Brigadier gehorchte. Jeder nahm den Platz wieder ein, den er beim ersten Gebrüll der Raubtiere verlassen hatte, und alle verfielen bald aufs neue in Schlaf.

Dieser sollte auch nicht weiter gestört werden, und als die Flüchtlinge erwachten, stieg die Sonne schon über den Horizont im Osten des Melrhir empor.

Da sprang Coupe-à-Cœur nochmals in den Wald hinein, und als er zurückkehrte, sah man deutlich frische Blutspuren auf seinem Felle.

»Jedenfalls«, meinte der Ingenieur, »liegt dort drin ein verwundetes oder totes Tier, vielleicht einer der Löwen, die miteinander gekämpft haben ...«

»Schade, daß ein solcher nicht eßbar ist, sonst würde man gern etwas von ihm verzehren!« sagte einer der Spahis.

»Wir wollen doch erst nachsehen«, antwortete der Kapitän Hardigan.

Alle folgten dem Hunde, der sie lustig bellend führte, und nach etwa hundert Schritten fanden sie ein Tier, das in seinem Blute lag.

Ein Löwe war es aber nicht, sondern eine sehr große Antilope, die die Löwen erwürgt, um die sie gekämpft und die sie zuletzt, da ihre Kampfwut sie noch aufeinanderhetzte, einfach liegengelassen hatten.

»Ah, das ist ja prächtig ... das kommt wie gerufen!« jubelte der Brigadier. »Ein Stück Wild, das wir nimmermehr erbeutet hätten! Ha, gerade zur rechten Zeit beschert ... nun wird's auf dem weiteren Wege nicht an Fleisch fehlen!«

Es war in der Tat ein glücklicher Zufall. Die Flüchtlinge sahen sich nicht mehr darauf beschränkt, nur von Wurzeln und Datteln zu leben. Die Spahis und Pistache gingen sofort an die Arbeit und schnitten von der Antilope die besten Stücke ab; natürlich bekam auch Coupe-à-Coeur sein reichliches Teil. Die Antilope lieferte mehrere Kilo vortreffliches Fleisch, das nach der Lagerstätte gebracht wurde. Hier zündete man ein Feuer an, legte ein halbes Dutzend Schnitte über die glühenden Kohlen, und es bedarf wohl keiner besonderen Versicherung, daß sich alle an dem saftigen Rostbraten mit Vergnügen erquickten.

Wie fühlten sich die Flüchtlinge neu gekräftigt durch dieses unerwartete Frühstück, wo endlich Fleisch anstelle der Früchte getreten war; doch nachdem es zu aller Befriedigung beendigt war, trieb der Kapitän Hardigan schon zum Aufbruch.

»Vorwärts«, rief er, »wir dürfen nicht säumen! Eine Verfolgung durch die Tuareg ist noch immer zu befürchten.«

Das war gewiß richtig, und ehe sie ihren Lagerplatz verließen, überblickten die Flüchtlinge aufmerksam die ganze Grenze des Henguiz, die bis zu dem Flecken hin reichte. Alles erschien verlassen, und auf der gesamten Fläche des Schotts zeigte sich, im Westen ebenso wie im Osten, kein lebendes Wesen.

Und nicht allein die Raubtiere und die Wiederkäuer hielten sich von diesem trostlosen Gebiete fern, auch Vögel sah man fast nie darüberziehen. Warum auch? Die verschiedenen Oasen des Henguiz boten den Tieren ja Hilfsquellen, an denen es auf der dürren Fläche des Schotts vollständig fehlte.

Auf eine Bemerkung dieser Art, die der Kapitän Hardigan hatte fallenlassen, erwiderte der Ingenieur:

»Ganz recht, doch sie werden hier bald zu gewöhnlichen Gästen werden, mindestens Seevögel, wie Meerschwalben, Möwen, Fregattvögel und Taucherkönige, wenn das Melrhir erst zu einem großen See verwandelt ist, und unter dem Wasser schlüpfen dann Fische hin und tummeln sich Cetaceen aus dem Mittelmeere! Oh, ich sehe im Geiste, unter Segel oder Dampf, Kriegs- und Handelsflottillen das neue Meer durchfurchen.«

»Nun ja, wenn das Schott einmal gefüllt ist, Herr Ingenieur«, ließ sich der Brigadier Pistache vernehmen, »jetzt aber, wo das noch nicht der Fall ist, wollen wir den Weg darüber benutzen, nach unserem Kanäle zu kommen. Wollten wir darauf warten, daß uns ein Schiff von hier abholte ... Na, das würde doch eine arge Geduldprobe werden!«

»Gewiß«, stimmte ihm von Schaller zu, »ich bleibe aber dabei, daß die völlige Überflutung des Melrhir und des Rharsa eher Tatsache sein wird, als man glaubt.«

»Und wenn es nur noch ein Jahr dauerte«, warf der Kapitän lachend ein, »so wäre es zu viel für uns. Nein, sobald alles dazu bereit ist, werde ich das Zeichen zum Aufbruch geben.«

»Also aufgepaßt, Herr François«, sagte darauf der Brigadier, »jetzt gilt's, die Beine zu rühren, und ich wünsche Ihnen nur, eine Ortschaft zu entdecken, wo ein Barbier wohnt, denn sonst laufen wir doch alle bald mit Sappeurbärten umher.«

»Sappeurbärten!« murmelte »Herr« François, der sich schon nicht mehr kannte, wenn das Wasser eines Oued sein Gesicht widerspiegelte.

Unter den Verhältnissen, in denen sich die Flüchtlinge jetzt befanden, konnten die Vorbereitungen zum Aufbruch weder lange dauern noch schwierig sein. Verzögert wurden sie an diesem Morgen nur durch die Notwendigkeit, die Ernährung des kleinen Trupps für die zwei Marschtage bis Goleah sicherzustellen. Dazu stand ihnen nur das Fleisch der Antilope zur Verfügung, von dem doch erst ein Teil aufgezehrt war. Wie sollten sie aber auf dem Wege über das Melrhir, wo es an Holz gänzlich fehlte, ein Feuer anzünden? Hier gab es wenigstens Brennmaterial im Überfluß, da der letzte Gewittersturm, der das Melrhir heimsuchte, den Erdboden mit einer Menge abgebrochener Zweige bestreut hatte.

Der Brigadier und die beiden Spahis gingen deshalb ans Werk. Binnen einer halben Stunde waren viele Stücke des vortrefflichen Fleisches über glühenden Kohlen geröstet. Nach ihrem Erkalten verteilte sie Pistache in sechs Portionen, und jeder nahm die seinige und wickelte sie in frische Blätter.

Nach dem Stande der Sonne über dem Horizonte, die sich inmitten rötlicher, einen warmen Tag versprechender Dunstmassen erhob, mochte es jetzt gegen sieben Uhr sein. Auf dem weiteren Wege fehlte nun dem Kapitän und seinen Gefährten gegen die brennenden Sonnenstrahlen der Schutz der Bäume, dessen sie sich auf dem Henguiz erfreut hatten.

Zu diesem beklagenswerten Umstande gesellte sich noch ein anderer, der ernstere Gefahren barg. Solange die Flüchtlinge sich an dem schattigen Waldsaume hielten, war die Gefahr, bemerkt und infolgedessen verfolgt zu werden, zum großen Teile ausgeschlossen gewesen. Wenn sie nun aber über die offenen Sebchas des Schotts hinzogen ... wer weiß, ob sie da nicht beobachtet wurden. Und wenn eine Schar Tuareg ihren Weg kreuzte, wohin hätten sie flüchten sollen, um ein Zusammentreffen mit ihnen zu vermeiden? Und wenn nun Hadjar an diesem oder dem folgenden Tage gerade mit seiner Reitertruppe auf dem Rückwege nach Zenfig begriffen war, was stand ihnen da bevor?

Zu diesen Gefahren kamen außerdem noch die Schwierigkeiten des Marsches über den beweglichen Grund des Melrhir, dessen gangbare Pfade weder der Ingenieur noch der Kapitän kannte. Wer könnte da nicht die Gefahren ermessen, die ein Marsch von fünfundzwanzig Kilometern zwischen dem Henguiz und dem Werkplatze bei Goleah mit sich führte?

Der Kapitän Hardigan und Herr von Schaller hatten das schon reiflich erwogen und dachten auch noch darüber nach, doch jetzt galt es, auch den schlimmsten Möglichkeiten Trotz zu bieten; waren doch alle zum Äußersten entschlossen, wieder gut bei Kräften und fähig, die größten Anstrengungen zu ertragen.

»Vorwärts!« rief der Kapitän.

»Ja, vorwärts ... wackeres Kriegsvolk!« setzte der Brigadier Pistache hinzu, der es für angezeigt hielt, die übrigen noch besonders anzueifern.


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