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Wenn die Verwaltung eines Stadtbezirkes in London nicht die Änderung der Hausnummern beschlossen hätte, wäre eine gefährliche Verbrecherbande nicht entstanden und Mr. Donald McNab nicht mit der Polizei in Konflikt gekommen.
Eine Dame, die mit Mr. McNab einen heftigen Streit gehabt hatte, hielt ihn für einen unhöflichen und ungebildeten Menschen, da er während des Streites beide Hände in die Hosentasche gesteckt und sie auch dort behalten hatte. Ein hoher Polizeibeamter, der bei einer anderen Gelegenheit die gleiche Beobachtung machte, hatte daraus ganz andere Schlüsse gezogen. Die Polizei, die das geheimnisvolle Tun unserer lichtscheuen Mitbürger kontrolliert, beobachtete Mr. McNab und sein Gewerbe mit großem Interesse, das nicht ganz frei von Mißtrauen war, aber sie mußte offen zugeben, daß sie hier vor einem Rätsel stehe.
Donald McNab besaß ein kleines Büro im dritten Stock eines unscheinbaren Hauses am Rande der eigentlichen City. Auf der Glasscheibe, die den oberen Teil der Tür ausfüllte, stand groß und klar:
DONALD McNAB
Geldverleiher
Andere Vertreter seines Gewerbes, die mehr Sinn für die Feinheiten der Sprache besaßen, hätten sich Finanzier genannt, aber Donald war mit der populären Bezeichnung zufrieden. Das Schild an seiner Tür war jedenfalls bis zum letzten Buchstaben korrekt, er verlieh gegen entsprechende Sicherheiten Geld und finanzierte keine wilden Geschäfte.
Das Geschäft war nicht groß, und es schien alles in bester Ordnung zu sein. Man hörte niemals über seine Geschäftsmethoden klagen, und alle Kunden waren mit ihm und seinen Bedingungen vollkommen zufrieden.
Die Polizei konnte die Einnahmen des Geschäfts bis auf den Pfennig nachrechnen, auch seine Ausgaben hatte sie mit überraschender Genauigkeit festgestellt. Aber der große Unterschied, der zwischen Einnahmen und Ausgaben bestand und mehrere tausend Pfund betrug, machte ihr viel Kummer. Dieser erstaunliche Mann gab nicht nur mehr aus, als er verdiente, sondern er brachte auch noch Geld auf die Bank. Das war nicht bloß überraschend, es war auch unklug.
McNab kümmerte sich den Teufel darum, was die Polizei über ihn dachte. Von Zeit zu Zeit gestattete er ihr freundlichst, sorgfältig seine Bücher durchzusehen. Er bereitete dabei nicht die geringsten Schwierigkeiten, sondern ließ ihr jede Unterstützung zuteil werden. Bei einer Gelegenheit gab er zu verstehen, daß in seinem Geschäft nichts Strafbares vorkomme. Bromley Kay, der zweite Kommissar von Scotland Yard, beobachtete, wie er beim Sprechen die Hände in den Taschen behielt.
»Ich wette, der Kerl ist alles andere als ein Schotte,« dachte er und bewunderte die Selbstbeherrschung des Mannes.
Eine Zeitlang glaubte Scotland Yard, Donald McNab sei Hehler von Diebesgut. Gelegentlich des Diebstahls der Pentland-Smaragden kehrte man sein Haus von oben bis unten um, Donald McNab bot jede erdenkliche Unterstützung und gab sich große Mühe, nicht mit den Händen in der Luft herumzufuchteln.
Seine Geschäftsstunden waren von neun bis vier, dann fuhr er in sein prunkvolles Haus, das er sich in einem Vorort erbaut hatte. Dringende Geschäfte erledigte er auch hier. Das war alles, was die Polizei von ihm wußte.
Es gab einen Mann, der sich J. Green nannte und auch alle Schriftstücke so unterzeichnete. Er hatte in Highstreet einen kleinen Arbeitsnachweis für Hausangestellte. Es war seltsam, daß die Kunden den Chef kaum zu sehen bekamen. Der gewöhnliche Strom der Dienstboten wurde durch einen Angestellten abgefertigt. Nur diejenigen, die mit ihrem Dienstherrn einen Streit gehabt hatten und sich dadurch rächen wollten, daß sie seine Verhältnisse und Geheimnisse gegen Bezahlung verrieten, wurden vor J. Green gelassen. Die Besuche fanden nur nach vorheriger Verabredung und immer nachts statt.
Dann wurde ein mit der Maschine geschriebener Brief abgeschickt, und die Erpressung begann. Manchmal weigerte sich der Betreffende auch zu zahlen, dann war J. Green machtlos. Eine Veröffentlichung der Information konnte ihm keinen finanziellen Vorteil bringen, aber vielleicht J. Green und Donald McNab als ein und dieselbe Person enthüllen, und das war natürlich das letzte, was dieser Mann mit den zwei Namen wünschte.