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»Mein Lieber,« sagte Margaret Forrest, »Ihr Vorschlag ist zwar sehr schmeichelhaft, aber ich kann mir nicht vorstellen, daß Sie mich durchaus heiraten müssen, und nun ich darüber nachdenke, glaube ich auch nicht, daß ich gern Ihre Frau werden möchte. Um ganz ehrlich zu sein, ich würde mich nicht wohl dabei fühlen. Die Frau eines Polizisten zu sein, muß furchtbar langweilig sein; sich immer nur gut betragen müssen!«
»Ich muß natürlich zugeben,« sagte George Emmerson ruhig, »daß ein Detektiv nur eine Art besserer Polizist ist, und man kann von einer Frau, sei sie auch noch so reizend, nicht erwarten, daß sie diesen feinen Unterschied machen kann. Zugegeben, daß unser Beruf in mancher Hinsicht nicht angenehm ist, so hat er doch auch – wie Sie eines Tages herausfinden werden – seine guten Seiten.«
»Oder auch nicht,« sagte Peggy Forrest mit tiefer Überzeugung. Dabei warf sie ihr Haar zurück. »Ich habe nicht die Absicht, mich in die Lage zu begeben, um das herausfinden zu können.«
»Dann werfen Sie den Kopf nicht so zurück, Peggy! Es macht mich wahnsinnig.«
Peggy lachte leicht. Sie wußte, welchen Eindruck sie auf Männer machte. Besonders ihr Haar! Es war nicht goldfarben und auch nicht strohblond. Es hatte einen Ton, für den noch keine passende Bezeichnung gefunden worden ist. Wenn sie ihren Kopf schüttelte und die Sonne auf ihr Haar schien, verwandelte es sich in lauter Gold. Und wenn sie dir gerade ins Gesicht schaute, und dich mit ihren graublauen Augen anlächelte, fühltest du, daß diese Welt doch schön ist, besonders mit Peggy in der Nähe und am schönsten mit Peggy im Arm.
Das hatte George Emmerson schon oft gedacht, aber erst in den letzten Wochen war ihm der Gedanke gekommen, sie zu seiner Frau zu machen, bevor ein anderer auf den gleichen Gedanken käme.
Sie lächelte ihn an. »Sicherlich hat es etwas Angenehmes für Sie, George, aber nicht für mich. Wie würde ich mir vorkommen, wenn ich eine Art besseren Polizisten – war das nicht der Ausdruck? – zum Mann hätte und all mein Tun von dem strengen Auge des Gesetzes beobachtet werden würde? Ich könnte das nicht ertragen, George. Manchmal muß ich fortgehen und etwas wirklich Verbotenes tun. Haben Sie diesen Trieb niemals in sich gefühlt?«
George Emmerson strich sein glattrasiertes Kinn. »Ich glaube nicht, Peggy. Sehen Sie, ich habe meist soviel damit zu tun, andere auf dem geraden, engen Weg der Tugend zu halten, daß ich selbst keine Zeit habe, ihn zu verlassen.«
»Aber mein Freund, Sie wollen mir doch nicht erzählen, daß Sie in der ganzen Zeit, da Sie fort waren, an nichts anderes gedacht haben?«
»Nein, das will ich nicht,« sagte George mit Überzeugung, »ich habe in Wirklichkeit sehr viel an eine bestimmte reizende junge Dame gedacht.«
Peggy Forrest beugte sich mit freundlichem Lächeln zu ihm.
»Erzählen Sie mir, George, wer ist die glückliche junge Dame?«
»Aber,« sagte der junge Mann, »ich habe in den letzten zehn Minuten immer wieder versucht, Ihnen klar zu machen, daß Sie es sind, meine liebe Peggy.«
Das Mädchen drohte mit dem Finger. »Oh, Sie werden schon wieder sachlich, George, das ist nicht richtig. Ich weiß, daß ich nicht das bin, was Sie glauben, und ich bin überzeugt, daß, wenn wir heiraten würden, es uns beiden vor Ablauf des Jahres leid sein würde. Ich bin eine ordentliche und ziemlich pünktliche Person und möchte nicht einen Mann haben, der einen so unregelmäßigen Dienst hat. Und in was für schlechte Gesellschaft müssen Sie sich manchmal begeben! Haben Sie schon daran gedacht, welch schlechten Einfluß das auf Ihre eigene Moral haben könnte?«
Eine leichte Verstimmung glitt über das Gesicht des Mannes, aber im nächsten Augenblick brach er in Lachen aus. »Nun, Peggy, ich habe selten jemand gefunden, der es so gut versteht, eine bittere Pille zu versüßen. Ich glaube kaum, daß Sie Ihren Entschluß ändern werden und daß ich das nächstemal mehr Aussichten haben werde.«
»Ich fürchte, Georg,« sagte sie voll tiefer Sympathie, »daß kaum Hoffnung vorhanden ist. Sie wissen, ich habe Sie wirklich sehr gern, Sie sind ein guter Freund und ein treuer Kamerad, aber ich glaube nicht, daß ich Ihnen etwas anderes sein kann, und ich möchte es auch nicht versuchen. Sie nehmen es mir doch nicht übel, wenn ich mit Ihnen so offen spreche?«
»Nein, ich bin nicht beleidigt, Peggy. Aber Sie können es nicht nachfühlen, wie enttäuscht ich bin.«
Das Mädchen am Fenster tat einen tiefen Seufzer. »Es tut mir leid, daß es so gekommen ist, George,« sagte sie voll Mitgefühl, »Sie und ich sind gute Freunde gewesen; ist nun alles vorbei?«
»Nein, Peggy. Wenn wir uns nichts anderes sein können, wollen wir wenigstens gute Freunde bleiben, obgleich es mir sehr schwer sein wird. Doch sagen Sie mir eins – vielleicht sollte ich nicht fragen, aber ich möchte es doch gern wissen –, ist es ein anderer?«
Das Mädchen starrte ihn erschreckt an und errötete langsam. »Ja,« gab sie zögernd zu.
Emmerson zog die Augenbrauen zusammen, als ob er stark nachdenke. »Ist es vielleicht Ferris Mance?«
Peggys Wangen verloren etwas von ihrer Farbe, als sie ihn anschaute. »Ich weiß, daß Sie ihn nicht mögen,« sagte sie hastig, indem sie die eigentliche Frage mit Stillschweigen beantwortete.
»Ich habe durchaus nichts gegen ihn,« sagte Emmerson schnell, »aber wenn ein Mann Ihr erfolgreicher Rivale ist, werden Sie ihm kaum um den Hals fallen, wenn Sie ihn sehen. Ich kann auch nicht jedesmal ehrerbietig meinen Hut ziehen, wenn Sie seinen Namen nennen.«
Das Gesicht des Mädchens verdüsterte sich. »Nach meinem Gefühl nehmen Sie alle Sachen zu leicht, auch die ernsten Angelegenheiten, George. Ich wünschte, Sie täten es nicht, es kränkt mich.«
»Nun gut, ich werde es nicht tun. Ich verspreche Ihnen, daß ich von nun an Ferris Mance nicht so leicht nehmen werde. Nicht im geringsten! Die Lage erfordert allen Ernst, den ich aufbringen kann.«
»Sehen Sie, schon wieder!« klagte Peggy. »Sie können nicht zwei Minuten lang ernst sein.«
»Das tut mir sehr leid,« sagte Emmerson reumütig, »aber Sie können mich nicht dafür tadeln, daß ich eine so heitere Veranlagung habe.«
Das Mädchen lächelte und zeigte zwei Reihen weißer Zähne. »Sie sind unverbesserlich, George; wissen Sie wirklich nichts Interessanteres zu erzählen?«
»Als von Ihnen? Bestimmt nicht!«
»Warum sind Sie heute morgen nicht bei der Arbeit? Ist die Verbrecherliste kleiner als sonst?«
»Ich dachte, ich hätte Ihnen das erklärt. In Wirklichkeit bin ich heute morgen erst nach Hause gekommen, und da ich erst morgen berichten muß, braucht Scotland Yard nicht zu erfahren, daß ich einen Tag früher zurückgekommen bin. Übrigens sieht es so aus, als ob ich in meiner Abwesenheit jemand in meinem Hause beherbergt hätte.«
»Was haben Sie? Wieso, George?«
»Ich weiß auch nichts Bestimmtes. Jedenfalls hat während meiner Abwesenheit jemand in meinem Hause gewohnt, in meinem Bette geschlafen, meine Zigarren geraucht und meinen Wein getrunken.«
»Vielleicht war es einer der Dienstboten?«
»Kaum. Sie hatten Urlaub. Das Mädchen ist bei ihren Angehörigen in Devon, außerdem sind Wein und Zigarren nicht ihr Geschmack, und mein Diener ist der letzte, der etwas anrührte, was ihm nicht gehört. Warum, werde ich Ihnen ein anderes Mal erzählen. Vielleicht werde ich Ihnen dann auch erzählen, wieso ein Mann von meinem Vermögen in Scotland Yard angestellt ist. – Es ist eine Art Geheimnis.«
»Was denn? Was Sie von sich erzählen?«
»Nein, ich meine, was sich in meiner Abwesenheit ereignet hat.«
»Es ist immer wieder das alte Lied,« sagte das Mädchen mit Mißbilligung in Augen und Stimme, »Sie können die Geheimnisse anderer lüften, aber Ihre eigenen nicht.«
Der Mann nickte zustimmend. »So ist es, aber das schadet nichts.«
»Nein, ich glaube auch nicht. Aber merken Sie sich eins! Sie dürfen mich nun nicht ganz verlassen. Ich hoffe, daß Sie immer zu mir kommen werden, so oft Sie hier in der Nähe sind.«
Emmerson lächelte. »Das ist der Ausgleich für den Korb, den ich mir geholt habe. Ich werde es mir merken und mich danach richten. Sie können sich darauf verlassen: So oft ich in der Nähe bin, besuche ich Sie.«
»Auf jeden Fall hat er es wie ein Mann ertragen,« meinte das Mädchen mit plötzlichem Ernst, als sie die Tür hinter ihm schloß. »Aber ich möchte doch gern wissen, ob er mich wirklich so liebt, wie er glaubt.«