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Der Hochmeister residierte wieder in der Marienburg. Im Schlosse und in der Stadt hatten noch immer die Bauhandwerker reichlich Beschäftigung. Wittinnen mit Ziegeln und Feldsteinen schwer beladen lagen im Nogatstrom. Ein Teil des Stadtangers war zu Zimmerplätzen eingerichtet, und die Äxte hämmerten da von früh bis spät, das Sparrenwerk zu den Dächern der neuerbauten Häuser herzustellen. Immer mehr schwanden die Holzbaracken, in denen man sich nach Aufhebung der Belagerung begnügt hatte, und machten stattlichen Gebäuden mit gewölbten Lauben Platz. Am Turm der Pfarrkirche hingen die Gerüste der Maurer, die neue Ziegel in die Kugellöcher einfügten, und hoch oben hantierten die Dachdecker. Jenseits des Flusses ließ der Orden den Kaldenhof neu aufbauen. Aber auch im Schlosse selbst und in der Vorburg waren die Reparaturen noch lange nicht beendet.
Auch jetzt bewohnte Heinrich von Plauen nicht die dem Hochmeister bestimmten Prunkgemächer im mittleren Schlosse. Seinem einfachen Sinne sagte es nicht zu, fürstlich hofzuhalten und seine Lebensweise von der seiner Ritter mehr als dringend nötig zu entfernen. Er hatte einige Zimmer im Hochbau inne neben denen der obersten Gebietiger, die er so schnell zur Seite haben konnte, und hielt sich im mittleren Schlosse meist nur auf, wenn er fremde Botschafter aufzunehmen oder mit den Sendboten der Städte zu verkehren hatte.
Von dem heiteren Leben, das in der Marienburg unter seinen Vorgängern geherrscht hatte, und von dem fürstlichen Glanz ihrer Hofhaltung war jetzt wenig zu spüren. Plauen hatte zu Festen keine Zeit. Er arbeitete unablässig mit seinen Schreibern, beriet mit dem Großkomtur Hermann Gans, mehr noch mit Behemund Brendel, dem Oberst-Tresler, der Geld verschaffen sollte und doch schon alle Hilfsquellen erschöpft hatte. Häufig fand sich auch Albrecht von Tonna, der Oberst-Trappier, von der Christburg ein und blieb dann tagelang, um dem Meister die Bestände an Ausrüstungsgegenständen aller Art aus den Registern vorzuweisen und mit ihm zu beraten, wie die Lücken auszufüllen seien. Briefe waren bald an den König von Ungarn, bald an den König von Böhmen, an den Deutschmeister, an die Reichsfürsten, geistliche und weltliche, an die Hansestädte, die sich Danzigs wegen schwer beruhigen konnten, oder auch an den Landmeister von Livland zu schreiben, der den Großfürsten von Litauen scharf beobachten sollte, damit man nicht überrascht werde. Boten des Königs von Polen, der wegen Erfüllung der Friedensbedingungen drängte und immer neue Winkelzüge machte, oder Abgesandte des Meisters an ihn waren immer unterwegs.
Dazu beaufsichtigte Plauen gern selbst die ritterlichen Übungen, die er angeordnet hatte, die jüngeren Glieder des Ordens kriegstüchtiger zu machen, und ungern versäumte er den Gottesdienst in der Kapelle zu den Gezeiten. Sein Leben war Sorge und Arbeit, und selten schlief er nachts länger als vier oder fünf Stunden.
Betrat der Hochmeister die Vorburg, um dort nach dem Rechten zu schauen, so versäumte er nicht leicht, ins Gießhaus einzutreten, das jetzt größer ausgebaut und nach den Weisungen des wackeren Ambrosius mit allem trefflich versehen war, was zur Herstellung großer Geschütze erforderlich schien. In seinem Auftrag war der Gießmeister nach Nürnberg gereist, um sich in den dortigen berühmten Werkstätten selbst zu überführen, wie weit man inzwischen in der Gießkunst Fortschritte gemacht habe. Ambrosius verbesserte danach sein eigenes Verfahren, setzte auch unablässig seine Versuche fort, durch allerhand Mischungen von Metallen ein brauchbares Material zum Gusse zu gewinnen, meinte aber, die Büchsen leisteten schon, was sie leisten könnten, und er wollte sich's wohl übernehmen, eine ganz fehlerfrei herzustellen, die nicht zehn Pferde von der Stelle bewegen könnten. Das sei eben der Übelstand, daß die Rohre, wenn sie auch geradeaus mächtig wirkten, sich schwer transportieren und auf ihrem Standpunkt richten ließen. Der wird bei Fürsten und Städten wohlangesehen sein, sagte er, der eine Vorrichtung erfindet, wie man die Büchsen auf freiem Felde gebraucht, ohne sie abladen und aufladen zu dürfen, und wie man sie mit wenig Menschenkraft nach allen Himmelsrichtungen wendet, jedes beliebige Ziel zu treffen. Da können nur Hebel und Schrauben helfen. Abends saß er dann vor einer schwarz angestrichenen Holztafel und zeichnete mit Kreide darauf allerhand wunderliche Figuren, die außer ihm niemand verstand.
Neben dem Gießhause hatte Ambrosius eine geräumigere Wohnung, die der Hochmeister gar freundlich hatte einrichten lassen, damit es dem Nürnberger auch ferner bei ihm gefalle. Zwei Stübchen waren für Waltrudis bestimmt, mit schönen Ledertapeten bekleidet und mit weichen Decken ausgelegt, auch mit hübsch geschnitzten Möbeln von Eichenholz gut versehen. In dem ersten hatte sie ihr Arbeitstischchen am Fenster stehen und den Spinnrocken daneben, der künstlich von verschiedenem Holz gearbeitet war. Auf dem Tische stand ein Kästchen zu allerhand Nähzeug, das Ambrosius für sie auf des Meisters Bestellung aus Nürnberg hatte mitbringen müssen. Auf dem Deckel war mit Schildpatt, Perlmutter und Silber ein Heiligenbild zierlich ausgelegt, und innen zeigten sich viele kleine Fächer und bewegliche Schachteln, daß es jedem Mädchen eine Freude sein mußte, Ordnung zu halten. In dem zweiten Stübchen stand das Bett, das mit einem Himmel von blauem gesterntem Zeuge faltig überdeckt war, so daß Frau Ambrosius meinte, sie schlafe wie eine Prinzessin. An der Wand hing ein kleiner Spiegel von venezianischem Glase, der so glatt und eben geschliffen war, daß sich das Bild dessen, der hineinschaute, gar nicht verzerrte, und die Waschschale auf dem niedrigen Bänkchen und die Wasserkanne daneben waren von getriebenem Metall, wie man solche Stücke sonst nur in den Taufkapellen oder bei fürstlichen Herrschaften sah. Der Hochmeister hatte sie von seinem Erbgut hergeliehen nebst einem Kästchen von arabischer Arbeit, in dem sich Elfenbeinkämme, Spangen, Ringe und mancherlei Nadeln befanden. Die Gießmeisterin hatte sich längst daran gewöhnt, Waltrudis als eine nahe Verwandte Plauens anzusehen, die dieser zärtlich liebte und dauernd in seiner Nähe haben wollte. Sie behandelte sie nicht wie eine Tochter, so gern das Mädchen sich zu allen häuslichen Diensten erbot und überall zusprang, aber auch nicht wie eine vornehme Fremde, die sich nur zum Besuche aufhielt. Es hatte sich ein gut freundschaftliches Verhältnis herausgebildet, das beide Teile befriedigte. Die kluge Frau merkte wohl, daß ihr Mann mancherlei Vorteile hatte, die er nicht alle seiner amtlichen Tätigkeit dankte, und gab sich alle Mühe, sie ihm durch eine sorgsame Pflege des ebenso schönen als sittsamen Fräuleins zu erhalten.
Eines Tages hatte der Hochmeister einen jungen Gesellen mit ins Gießhaus gebracht, dessen äußere Erscheinung auffallend war. Hoch und schlank gewachsen, trug er den Kopf ein wenig gebückt. Langes, schwarzes Haar hing ihm auf Nacken und Schultern hinab; über den Augenbrauen war es aber geradlinig bis über die Schläfen hin abgeschnitten, so daß von der niedrigen Stirn nur ein schmaler Streifen sichtbar wurde. In seinen dunklen Augen lauerte etwas von Hinterlist und Tücke, die Nasenflügel waren sehr beweglich, der breite Mund mit den starken Lippen zeigte zwei Reihen kräftiger perlweißer Zähne und schloß sich selten völlig. Hände und Füße waren klein und fast zierlich gestaltet. Er trug Sandalen mit hoch aufgebundenen Lederriemen, die mit Knöpfen und Buckeln von Edelmetall verziert waren, einen langen, vorn schräg aufgeschnittenen, an den Achseln und Ärmelaufschlägen mit Seide gestickten Rock nach litauischer Art, darüber einen breiten Ledergürtel mit mächtiger Schnalle von Silber, in welchem Waffen steckten, und einen spitzen Hut, von dem an seidenen Schnüren kleine Heiligenbilder von Blei, durchlochte Goldmünzen und Amulette von verschiedener Form hingen. Ein Schmuck ähnlicher Art umfaßte auch seinen Hals. Er sprach das Deutsche etwas mühsam und wie jemand, der es in der Schule gelernt hat, gab auch nur spärliche und immer mürrische Antwort. Der Hochmeister stellte ihn als Fürsten Switrigal, Sohn des Herzogs Ziemowit von Masowien und der Großfürstin Alexandra, vor, die eine Tochter Oljierds, also eine Schwester König Jagellos war.
Die Eltern hatten nach geschlossenem Frieden den zwanzigjährigen Prinzen nach der Marienburg geschickt mit der brieflich an den Hochmeister gerichteten Bitte, er möchte sich gütig des jungen Knaben annehmen, damit er unter seinen Augen ritterliche Lebensart lerne und in allen freien Künsten wohlunterrichtet werde, wie es einem Fürstensohne zieme. Sie wollten ihm dafür mit anderen guten Diensten, so viel in ihrer Macht stehe, gewärtig sein.
Plauen hatte sich dessen gefreut. Es war ein Zeichen wiedererwachenden Vertrauens in den kräftigen Fortbestand der Ordensherrschaft. Unter seinen glücklicheren Vorgängern war es häufig vorgekommen, daß die benachbarten Fürsten ihre Söhne einige Jahre nach der Marienburg wie auf die hohe Schule der Ritterschaft schickten, oder auch dort von tüchtigen Lehrern in den Elementen der Wissenschaften unterweisen ließen, und gern unterzog sich der Orden allemal solcher Mühewaltung, weil er hoffen durfte, sich die jungen Herrlein freundschaftlich zu verbinden. Nun war es Plauen überdies sehr wohl bekannt, daß die Herzöge von Masowien, deren Land zwischen Polen und Litauen lag, nördlich aber an Preußen grenzte, stets bemüht waren, sich nach beiden Seiten hin eine Art von Unabhängigkeit zu sichern, indem sie bald mit dem einen, bald mit dem andern Bündnisse schlossen und Krieg führten. Jagello war es freilich gelungen, Schwester und Schwager zu überzeugen, daß der Orden ihr Feind sei und nach einem Teile ihres Besitzes trachte. Jetzt aber erschien ihnen die Vereinigung der beiden verwandten mächtigen Nachbarn noch viel gefahrdrohender, und sie machten daher in der Stille Anstalten, wieder zum Orden in gute Beziehungen zu treten, um für den Notfall einen schützenden Rückhalt zu haben. Plauen ergriff mit Eifer die dargebotene Hand. Nichts konnte ihm in seiner jetzigen Lage erwünschter sein als ein Bündnis mit Masowien, das sich recht wie ein Keil zwischen die Gebiete seiner Todfeinde legte und unter ihnen selbst von alters her der Zankapfel war. Er nahm daher den jungen Prinzen mit aller Zuvorkommenheit auf und schickte, als ob er deshalb zu Dank verpflichtet sei, an Ziemowit und Alexandra reiche Geschenke.
Er nahm sich nun auch mit voller Sorge der Erziehung Switrigals an, der anfangs wenig Lust zeigte, seine gewohnte Lebensweise zu ändern, immer nur auf dem Pferde liegen und zur Jagd reiten oder im Flusse Fische fangen wollte, jede Unterweisung in höfischen Künsten und Fertigkeiten aber unwirsch genug zurückwies. Der Hochmeister hatte ihm den alten Wigand von Maiburg zum Lehrer gesetzt, aber selten gelang es diesem, den wilden Gesellen für eine Stunde durch seine Erzählungen von merkwürdigen geschichtlichen Begebenheiten zu fesseln, oder ihn zu vermögen, sich aus dem Wappenbuche unterrichten zu lassen. So wollte Plauen es nun auf andere Weise versuchen. Er führte ihn in der Vorburg herum, zeigte ihm die verschiedenen Werkstätten, in denen Waffen aller Art hergestellt wurden, und übergab ihn seinem Gießmeister Ambrosius, damit er ihn immer an seiner Seite habe und mehr gelegentlich über alles Wissenswerte im Waffenhandwerk belehre. Hatte doch der Prinz gerade im Gießhause größere Aufmerksamkeit für die Dinge bewiesen, die ihm neu waren, und sogar, um seine Kraft zu zeigen, mit eigenen Händen einen eisernen Amboß, den zwei Männer nur mit Anstrengung fortbewegen konnten, aufgehoben und lachend eine Strecke fortgetragen.
Gleichwohl wäre es Ambrosius schwerlich gelungen, ihn bei sich festzuhalten, wenn Switrigal nicht Gelegenheit gehabt hätte, Waltrudis zu sehen, als sie am Fenster stand und ihren Dompfaffen fütterte, der dort in einem Drahtbauer hing. Mit offenem Munde blieb er stehen und starrte unverwandt hinauf, bis das Mädchen mit dem krausen Goldhaar ihn bemerkte und sich scheu zurückzog. Wer ist das? fragte er, ganz Staunen und Verwunderung. Waltrudis, antwortete Ambrosius, des Herrn Hochmeisters nahe Verwandte. – Und sie wohnt bei dir? – Sie ist in meines Weibes Pflege, da sie doch auf dem Schlosse selbst nicht wohnen kann. – Laß uns hinaufgehen! – Morgen, Prinz, wenn Ihr im Gießhause etwas gelernt habt, vertröstete Ambrosius. Pünktlich fand sich Switrigal am andern Tage ein.
Waltrudis hatte schon erfahren, wer der sonderbare Mensch gewesen, der sie so unartig angegafft hatte, und verließ nur ungern ihr Stübchen, um ihm Gesellschaft zu leisten. Er war dann, als er sie in der Nähe sah, ganz wie auf den Mund geschlagen, ließ aber die Augen nicht von ihr, so daß es ihr unheimlich zumut wurde. Seine erste Frage war, ob das wirklich Haar sei, was ihr Gesicht umglänze, und darüber mußte sie nun doch lachen. Sie bestätigte es, er aber schüttelte ungläubig den Kopf und streckte die Hand aus, um sich durch das Gefühl zu überzeugen, was sie jedoch nicht litt. Ihre Weigerung erzürnte ihn, und als sie nun einige Fragen an ihn richtete, die auf seine Heimat bezug hatten, gab er keine Antwort. Ihr seid nicht gut erzogen, Prinz, sagte die Gießmeisterin in ihrer offenen Weise, sonst wüßtet Ihr, was ein junger Herr einem Fräulein schuldet. Er wandte sich kurz um und ging nach der Tür, blieb aber stehen und kehrte wieder zurück. Verzeiht mir, bat er, ich will's lernen.
Seitdem war er nun täglich im Gießhause und mit Ambrosius in den anderen Werkstätten oder Vorratskammern, dann aber zur Belohnung für fleißiges Zuhören in seiner Wohnung bei den Frauen. Er sah einmal, daß Waltrudis aus einem Buche abschrieb, und wollte nun auch schreiben lernen, lesen konnte er ein wenig. Er bat so artig, daß sich das Mädchen herbeiließ, ihm zu zeigen, wie man die Feder halten und den Strich auf das Papier ziehen müsse. Seine Ungeschicklichkeit dabei machte ihm so viel Spaß als vorhin ihre zierliche Bewegung. Als aber der Versuch auch beim dritten und vierten Male nicht gelingen wollte, warf er die Rohrfeder unwillig fort und sprang so hastig auf, daß der Tisch ins Schwanken kam und das Schälchen mit der schwarzen Farbe umfiel, die weiß gescheuerte Platte beschmutzend. Darüber war Frau Ambrosius sehr böse und kanzelte ihn derb ab wegen seines auffahrenden Wesens. Waltrudis aber verließ, ohne ein Wort zu sagen, die Wohnstube. Als er am nächsten Tage kam und das Fräulein sich nicht zeigen wollte, wurde er ganz zahm, kniete vor der Tür nach ihrem Stübchen nieder und erklärte, nicht eher aufzustehen, bis sie ihm seine Heftigkeit verziehen habe. Nun mußte wohl Frau Ambrosius selbst für ihn eine Fürbitte einlegen.
Dem Hochmeister konnte diese Wandlung in der Sinnesweise seines Schützlings nicht entgehen. Auch erfuhr er von Ambrosius, welchen Einfluß das Fräulein auf den sonst so schwer lenksamen Herrn habe, und als er sie einmal zusammen antraf, hätte er blind sein müssen, wenn er nicht hätte merken sollen, daß des Prinzen finstere Augen ordentlich fromm wurden, wenn sie sich auf Waltrudis richteten. Das schien ihm wohl zu gefallen, denn er streichelte ihre Wange und sagte zu ihr: Da ist uns ein zottiger Bär aus den masowischen Wäldern gekommen, daß wir ihn tanzen lehren. Uns Männern zeigt er die Zähne, aber deiner kleinen weichen Hand gelingt's ohne Mühe, ihn zu binden und abzurichten, über Jahr und Tag ist er vielleicht in deiner Zucht so zahm wie ein Schoßhündlein geworden und gar nicht mehr wiederzuerkennen. Wahrlich, Kind, du kannst ein gutes Werk an ihm tun.
Das hörte Switrigal mit an und wurde feuerrot im Gesicht. Das Mädchen aber wechselte nicht die Farbe und antwortete ganz frei und offen: Ich tue gern, was ich kann. Er ist auch gar nicht so ungelenk, als er sich anfangs den Schein gab, und nimmt gute Weisung an. Ich berede ihn wohl noch, daß er zu Herrn Wigand in die Schule geht.
Laßt ihn hierherkommen, rief der Prinz, und ich höre ihm zu, solange du willst!
Dieses Wort faßte der Meister auf und trug es eine Weile nachdenklich mit sich herum. Dann sprach er mit Ritter Wigand. Der alte Herr war nicht abgeneigt, einen Versuch dieser Art zu wagen, und hatte sich bald seines Gelingens zu erfreuen. Täglich am Vormittage saß er nun im Wohnzimmer des Meisters Ambrosius am großen Tisch zwischen Switrigal und Waltrudis und trug ihnen vor, was für Länder in Europa wären, und was für eine Regierung ein jedes habe, wie die Fürsten hießen und deren Gemahlinnen, wie sie miteinander verwandt und verschwägert waren, welche Wappen sie und ihre vornehmsten Vasallen führten und welche Bedeutung alle die krausen Zeichen darin und darauf hätten. Auch erzählte er, wie man es in Krieg und Frieden mit dem Verkehr unter den Potentaten halte, wie man Gesandte schicke und beglaubige und welche Rechte man ihnen beilege, auch was das Heroldsamt zu sagen habe, wie man Fehde ankündige und was im Kriege und bei Turnieren für unritterlich gelte. Über alle diese Dinge und noch viele mehr wußte er gut Bescheid. Waltrudis schien aufmerksam zuzuhören, und wenn Switrigal auch öfter zu ihr hinüber als den Lehrer ansah, so blieb doch auch bei ihm einiges haften, und der Ehrgeiz, es dem Fräulein im Antworten gleichzutun, wirkte anstachelnd. Ihr müßt sorgen, Prinz, sagte sie ihm, daß einmal in Eurem Herzogtum Masowien eine recht christliche und ritterliche Regierung in Kraft sei, damit dieses Ordensland eine gute Stütze an ihr finde im Kampfe gegen die barbarischen und heidnischen Völker des Ostens.
Ritter Wigand stimmte zu und sang des Ordens Lob. Helft mir dazu, Waltrudis, antwortete er, das Gesicht in beide Arme stützend und sie mit verlangenden Blicken anschauend. Sie aber wollte ihn nicht verstehen.
So stand's in der Marienburg, als Hans von der Buche sich nach zweitägigem scharfem Ritt dort einfand. Er war am Abend angelangt und in der städtischen Herberge abgestiegen, man ließ ihn aber so spät nicht mehr in die Burg ein. Am nächsten Morgen kam er zwar in den Schloßhof, sah sich aber überall abgewiesen, da er erklärte, nur mit dem Herrn Hochmeister selbst sprechen zu wollen, auch keinem Geringeren sagen zu können, um was es sich handle, außer, daß größte Gefahr im Verzuge sei. Man hielt ihn für gestört und trieb ihn zuletzt vom Hofe. Da er nun sah, daß er sich hier vergeblich mühen und nur Zeit versäumen würde, ging er nach der Vorburg, um nach Meister Ambrosius zu fragen und ob der noch dort seine Wohnung habe.
Er fand ihn im Gießhause, und es war große Freude des Wiedersehens. Der Meister führte ihn in seine Wohnung hinauf, und auch seine Frau bewillkommte den unerwarteten Gast aufs freundlichste. Als er nun aber zu erzählen anfing, wie es ihm seit dem Herbst ergangen und wie er seinen Hof wieder aufgebaut, da öffnete sich die Tür zur Seite und Waltrudis trat mit hochgerötetem Gesicht ein. Seid Ihr's wirklich, Herr Hans von der Buche? rief sie; hab' ich Euch doch gleich gemeint an der Stimme zu erkennen! Willkommen, willkommen!
Sie reichte ihm die Hände hin und hielt eine Weile die seinigen fest. Er war sehr bewegt und konnte nicht sogleich Worte finden. Dann sagte er: Ich wagte gar nicht zu hoffen, daß ich Euch hier auf der alten Stelle noch antreffen würde. Oder – daß ich ganz aufrichtig bin – ich hoffte es wohl im stillen, wagte aber nicht, nach Euch zu fragen. Nun Ihr mich so begrüßt, ist mein Herz doppelt froh.
Die Gießmeisterin, bei der er nun einmal einen Stein im Brett hatte, trug auf, was die Vorratskammer an Speisen und Getränk hergab. Er aber aß nur ein weniges und sagte: Ehrt mich nicht als Euren Gast. Denn in so teurem Andenken ich Euer Haus hielt und so sehr ich mich nach ihm sehnte – seinetwegen machte ich diese Reise nicht, sondern weil ich in einer dringenden Angelegenheit den Herrn Hochmeister zu sprechen habe. Ich kann Euch nicht mitteilen, was es ist, aber das möget Ihr wissen, daß ich ihm ein Geheimnis entdecken will, an dem das Heil und Unheil seiner Regierung, vielleicht seines Lebens hängt. Man will mich nicht zu ihm einlassen, da man mich nicht kennt. Deshalb bitte ich Euch, lieber Meister Ambrosius, begleitet mich ins Schloß und schafft mir eiligst Gehör. Ich kann nicht ruhig sein, bis ich diese Last von meinem Herzen habe.
Tut das, Meister Ambrosius, bat Waltrudis; wenn Junker Hans versichert, daß sein Geschäft wichtig sei und Eile habe, so ist's gewiß so. Gebe Gott, daß Ihr meinem Wohltäter einen rechten Dienst erweisen könntet!
Ich tu's nicht um Dank, sagte er, ihre Hand zärtlich drückend, aber ich hoffe, daß er meine Treue wohl erkennen soll.
Ambrosius legte den Arbeitsrock ab und machte sich zum Ausgang bereit. Indessen hatte sich auch Switrigal im Gießhause eingefunden und nach ihm gefragt; es war verabredet worden, daß sie diesen Morgen auf die Mauer gehen wollten, damit der Prinz dort lerne, wie man die Büchsen aufstelle und richte. Nun kam er ihm nach in seine Wohnung und war augenscheinlich sehr unangenehm überrascht, dort einen jungen Herrn mit Waltrudis in vertrautem Gespräch zu finden. Ambrosius nannte die Namen beider, und Hans sprach auch einige höfliche Worte, wie sie bei solcher Begegnung mit einem Fürstensohne passend waren. Der aber zog sich mürrisch in die Fensternische zurück, kreuzte die Arme über der Brust, neigte den Kopf und spähte eifrig jedem Blicke nach, den Waltrudis dem Fremden schenkte. Sie ließ sich dadurch nicht beirren, Hans ganz so freundlich zu verabschieden, als es ihr ums Herz war.
Unterwegs fragte der Junker den Gießmeister nach dem Prinzen aus. Es schien ihn doch ein wenig zu beunruhigen, als er hörte, in wie nahem Verkehr er mit dem Fräulein sei, und daß der Herr Hochmeister denselben offenbar begünstige. Aber das machte sich nicht durch Worte merklich, sondern nur durch das hastige Abspringen von einer Frage zur andern, so daß Ambrosius mit seinen Antworten schwer nachkommen konnte. Schließlich dachte er doch bei sich: von dem hat's keine Gefahr, ich bin gut aufgehoben in ihrem Herzen.
Ambrosius ging gleich auf des Hochmeisters Gemach zu. Es hatte für ihn keine Schwierigkeit, Eintritt zu erlangen, und auf seine Bitte schickte Plauen denn auch den Schreiber hinaus, dem er eben den Brief diktierte, und hieß den Junker von der Buche eintreten. Das Fenster im Rücken, lehnte er gegen den Tisch, auf dem mancherlei Papiere gerollt und gefaltet lagen, und erwartete stehend die Meldung.
Du hast mich um eine Unterredung ohne Zeugen bitten lassen, begann er, die grauen Augen fest auf ihn heftend. Danke es dem würdigen Ambrosius, der für dich gut steht, daß ich sie dir gewähre. Versprichst du mir, das, was du mir sagen willst, in Gegenwart eines meiner Gebietiger zu wiederholen, wenn ich es so verlangen müßte?
Das verspreche ich, gnädigster Herr, antwortete Hans, die rechte Hand auf die Brust legend und sich verneigend. Aber prüfet erst selbst –
Der Hochmeister unterbrach ihn: Ich sehe an deiner Hand einen Ring mit der Eidechse. Bist du im Bunde?
Ich bin's, gnädigster Herr, seit meines Vaters Tode.
Man warnt mich vor den Eidechsen. Er griff hinter sich, nahm ein Blatt auf, öffnete es und legte es wieder zurück. Der Schreiber hat sich nicht genannt, sagte aber, die heimlichen Zusammenkünfte fänden im alten Hause zu Buchwalde statt. Ist dem so?
Ja, gnädigster Herr.
Und wie soll ich dir Vertrauen schenken, wenn du zu des Ordens Widersachern stehst, Hans?
Ew. Gnaden wollen mich hören und dann entscheiden, ob ich Ew. Gnaden guten Vertrauens würdig bin.
Plauen antwortete nicht sogleich, sondern stützte nach seiner Gewohnheit, wenn er über etwas nachdachte, das Kinn in die Hand und strich den Bart unter demselben. Nach einer Pause begann er wieder: Du hast mir einmal eine wichtige Botschaft gebracht und bist Tag und Nacht geritten, um sie nicht zu verspäten. Hätte ich nicht von dir erfahren, was auf dem Tannenberger Felde geschehen, vielleicht wäre die Marienburg nicht gerettet worden und dieses Land dem Deutschen Orden verlorengegangen. Vielleicht! Denn Gott hat mehrere Wege, als wir kurzsichtigen Menschen erkennen können. Aber bei mir ist dir's unvergessen.
So laßt mich glauben, gnädigster Herr, entgegnete Hans, daß Gott mich ohne all mein Verdienst ausersehen und gewürdigt, auch jetzt wieder in schweren Nöten, von denen Ihr nichts ahnt, gute Dienste Euch und Eurem Orden zu leisten. Wieder bringe ich eine Botschaft, die vieles wenden kann.
So sprich denn!
Gnädigster Herr, es könnte sein, daß Ew. Gnaden von großem Wert wäre, zu erfahren, was ich weiß, daß Ihr aber gleichwohl den Hinterbringer geringschätztet, weil ein edler Mann den Verräter nicht leiden mag, auch wenn er ihm nützt. So sage ich im voraus, daß ich nichts verrate, was ich geheimzuhalten versprochen habe mit Eid, Handschlag oder Manneswort, und daß ich nur aus aufrichtiger Liebe und Treue und aus schuldigem Gehorsam gegen meinen gnädigsten Herrn nach meines Gewissens ernstlicher Mahnung handle, auf daß ich dereinst bestehe vor Gott. Also treibt mich auch nicht Haß oder Rachsucht gegen irgendwen, sondern was ich für meine Pflicht erachte, das tue ich. Gefalle es Ew. Gnaden, mir solches Vertrauen zu schenken.
Der Hochmeister winkte mit der Hand und sagte: Sprich nur, sprich; wir wollen dir's nicht verdenken.
Nun erzählte Hans, was er von des Komturs bösen Anschlägen wußte. Plauen lächelte anfangs ungläubig, als von Georg von Wirsberg die Rede war; er glaubte ihn besser zu kennen. Bald aber mußte er einsehen, daß sein junger Freund über vieles unterrichtet war, was nur jemand wissen konnte, dem der Komtur selbst sich eröffnet hatte. Es war ihm kürzlich ein Brief des Deutschmeisters zugegangen, in dem dieser anfragte, ob die Werbungen in Böhmen, Mähren und Schlesien mit seinem Willen geschähen. Auch war ihm heimlich geschrieben worden, daß Georg sich in des Königs von Böhmen Rat geschworen habe. Das hatte er für eine böswillige Verleumdung gehalten, die Werbungen aber sich zum Nutzen gerechnet. Nun bekam die Sache plötzlich ein ander Gesicht. Es war ihm ein Stich ins Herz, daß Wirsberg untreu sein sollte, aber er wagte nun doch nicht, dem Angeber das Wort abzuschneiden, sondern hörte mit gespannter Aufmerksamkeit zu, und sein Blick verfinsterte sich mehr und mehr, da er wohl erkannte, daß etwas Wahres an dem Bericht sei.
Als Hans geendet hatte, stand der Hochmeister eine Weile unbeweglich, ging dann auf ihn zu, legte ihm die schwere Hand auf die Schulter und sah ihn so scharf an, als ob er ihn durch und durch sehen wollte. Und wie gedenkst du das zu beweisen? fragte er ihn.
Hans zuckte ein wenig zurück. Zu beweisen, gnädigster Herr?
Bedenke, daß du einen Gebietiger des Ordens schwerster Schuld gegen sein Oberhaupt, daß du angesehene Landesritter schwerster Verbrechen gegen ihre Herrschaft anklagst. Meinst du, mir könne genügen, was du sprichst und was ich höre? Ich muß Beweise haben, wenn ich dir glauben und wenn ich handeln soll.
Hans erschrak im Innersten. Durfte ich schweigen, wenn ich Beweise nicht zur Stelle schaffen konnte? fragte er. Ich selbst bin der Zeuge, und ich entbiete mich zu dem größten Eide auf unseres Heilandes Blut und seiner Mutter Schmerzen, daß ich die Wahrheit spreche. Laßt mich in die Kapelle vor den Altar führen, und ich will jedes Wort wiederholen.
Plauen schüttelte das Haupt. Das würde mich bestimmen können, dir mehr zu glauben, wenn ich an deinem Worte zweifelte. Denen gegenüber aber, die du des Verrats beschuldigst, giltst du selbst als ein Verräter. Dein Zeugnis hat kein Gewicht. Es nutzt nicht einmal, daß ich dich ihnen nenne. Was soll also geschehen?
Gilt Euch mein Wort nur so viel, gnädigster Herr, daß Ihr darauf hin eine Nachforschung halten lasset, so zweifle ich nicht, daß Euch in des Komturs Gemach Schriftstücke in die Hand fallen werden, die gegen ihn und seine Helfershelfer beweisend sind. Auch möchte es wohl gelingen, seinen Bruder Friedrich aufzufangen, der von allem weiß. Ich aber erbiete mich freiwillig zur Haft, bis Ihr meine Angaben richtig befunden habt, und will mit Schwert und Schild jedem auf Leben und Tod Rede stehen, der mich anklagen kann, daß ich ihn fälschlich bezichtigte.
Das ist ein mannhaftes Wort! rief Plauen, seine Hand fassend. Ich will dich daran halten. Tue ich jemand Unrecht, so wisse, daß es dein Unrecht ist und daß du es zu verantworten hast hier und ewiglich. Finde ich's aber, wie du sagst, so sollst du eines fürstlichen Dankes gewiß sein; denn wahrlich, aus großer Gefahr hast du das Land gerettet! O Absalon, Absalon!
Er drückte die Hand vor die Augen und preßte schmerzlich die Lippen Zusammen. So stand er eine Minute lang. Dann öffnete er die Tür und berief den Hauskomtur. Dieser da hat sich uns zur Haft gestellt, sagte er, bis sein Pfand gelöst ist. Weist ihm ein Gemach im Turme an und hütet ihn wohl. Doch soll er ritterlich Gefängnis haben und von meinem eigenen Tische Speise und Trank erhalten. Ersucht den Großkomtur, sich sofort zu mir zu bemühen. In einer Stunde sollen zehn Ritterpferde im Marstalle gesattelt stehen.
Der Großkomtur erschien. Der Meister beriet mit ihm die notwendigen Schritte. Die zuverlässigsten von den Brüdern wurden ausgewählt. Herr Hermann Gans erbot sich selbst, mit ihnen nach Rheden zu reiten, den Komtur und die Rädelsführer unter den Eidechsen aufzuheben und unschädlich zu machen. Drei von den Brüdern sollten dann weiter über Thorn, um Friedrich von Wirsberg den Weg zu verlegen und die Söldner in des Meisters Auftrag zu verpflichten. Die Vollmachten wurden sogleich ausgestellt.
An diesem Vormittag kam Ritter Wigand umsonst nach der Vorburg. Waltrudis hatte sich in ihr Stübchen zurückgezogen und ließ sich entschuldigen. Es war ihr nicht möglich, in so erregter Stimmung am Unterricht teilzunehmen, und das lautere Schlagen des Herzens sagte ihr, wie sehr das unverhoffte Wiedersehen sie erregt hatte. Ihr war froh zumut, als ob sich ein sehnlicher Wunsch nun erfüllen müßte, und doch sprach sie ihn vor sich selbst nicht aus. Sie wollte nur allein sein und niemand Rechenschaft geben dürfen, wenn sie zerstreut in die Ferne schaute oder lächelte oder eine Melodie vor sich hin summte, während sie das Rad am Rocken drehte und den feinen Faden auszog. Oft genug knotete er sich, aber darin sah sie keine schlimme Bedeutung.
Sie hatte auch einen Gesellschafter, der sie nicht störte, das war ihr kleines Vögelchen. Das nahm sie nun auf die Hand, reichte ihm Futter, sprach mit ihm und gab ihm allerhand zärtliche Namen, die das Tierchen noch nie gehört hatte. Es war ihr Bedürfnis, irgendein liebes Lebendiges zu streicheln und zu liebkosen, zu herzen und zu küssen, und das Vögelchen konnte ja nichts verraten. Seinen Namen hatte es schon längst erhalten.
Switrigal aber, als er erfuhr, daß Waltrudis ausbleiben würde, zeigte sich recht unwirsch und sagte auch für sich dem Lehrer ab. Er vermutete wohl, daß der Besuch daran schuld sei, und fühlte sich zurückgesetzt. Eine eifersüchtige Laune trieb ihn auf den Höfen und in den Ställen umher. Endlich ließ er sich ein Pferd satteln und jagte fort ins Land hinein, um erst am späten Abend zurückzukehren.
Warum kam aber Junker Hans nicht wieder? Nachdem Waltrudis viele Stunden in den Nachmittag hinein geduldig gewartet hatte, wurde sie doch unruhig. Es trieb sie nun zur Gießmeisterin, und bald genug kam das Gespräch auf ihn. Ambrosius hatte sich nicht die Zeit gegönnt, abzuwarten, bis Hans von der Buche des Hochmeisters Gemach wieder verließ, und so wußte er nicht, was geschehen war. Nun durfte er sich's, den Frauen zu Gefallen, nicht verdrießen lassen, nochmals aufs Schloß zu gehen und Nachfrage zu halten. Als er dann berichtete, daß der Junker auf des Hochmeisters Befehl gefangengenommen und in den Turm gelegt sei, gab's große Bestürzung. Wer weiß, womit er sich vergangen hat? meinte Frau Ambrosius. Es ist jetzt eine schlimme Zeit und geschehen Dinge überall, die früher unerhört waren. Der Gießmeister hatte den Ring mit dem Eidechsenzeichen bemerkt und leitete von da her allerhand Befürchtung ab.
Waltrudis aber verwies ihm solche Rede und sprach's zuversichtlich aus, daß er gewiß gut und treu sei und so jederzeit werde erfunden werden. Im Herzen war sie aber doch schwer beunruhigt. Er hatte von einem Geheimnis gesprochen. Hatte ihn das nun um seine Freiheit gebracht?
Ritter Wigand wußte am nächsten Tage auch nicht mehr, als daß eilig etwas im Werk sein müsse. Früher, sagte er, geschah nichts Wichtiges, ohne daß das Kapitel befragt wurde, jetzt aber sind sich die Herren Gebietiger allemal selbst klug genug, und oft wissen sie nicht einmal von des Meisters Ratschlägen, sondern er bespricht sich heimlich mit wem er will, auch mit solchen, die der Brüderschaft nicht angehören, und es ist versteckte Klage darüber, daß er gern seine eigenen Wege geht. Weiß nicht, was daran zu loben oder zu tadeln ist – die Dinge sind eben nicht mehr wie ehedem, und die Menschen können es auch nicht sein.
Waltrudis schmeichelte ihm das Versprechen ab, daß er versuchen wolle, den Gefangenen zu sprechen und ihm einen Gruß zu bringen. Er ist meines Bruders liebster Freund, sagte sie gleichsam zur Entschuldigung, da ist's wohl natürlich, daß ich um ihn besorgt bin.
Er erhielt unschwer Erlaubnis, in des Hauskomturs Beisein den Junker zu sprechen und seine Bestellung auszurichten. Da sah er denn mit eigenen Augen, daß der Gefangene nicht streng gehalten wurde. Dessen Freude über des Fräuleins gütiges Gedenken war groß. Er zog den Ring mit der Eidechse vom Finger und sagte: Bringt ihr den Ring zum Zeichen, daß Ihr wirklich bei mir gewesen seid, und bittet sie, zu glauben, daß ich mich selbst zur Haft erboten habe, bis ein Versprechen gelöst worden. Ich hoffe, es soll sich bald zeigen, daß ich mit Ehren bestehe. Ich bin nicht in Sorge, und so mag sie's auch nicht sein. Der Ritter versprach ihm Bücher zu schicken, daß er sich in den langen Stunden des Tages besser unterhalte und seine Einsamkeit weniger merke.
Waltrudis zog durch den Ring ein güldenes Kettchen, das ihr schon in früher Jugend als Andenken von ihrer verstorbenen Mutter gegeben war und das sie mit ihrem liebsten Besitz aufbewahrte. Nun hing sie es um den Hals, daß der Ring unter dem hohen Kleide und der faltigen Krause versteckt war. Alle Sorge wich nun wirklich von ihr. Ob sie nun schon selbst darüber lächeln mußte, so war es ihr eine Beruhigung, die kleine Eidechse eingefangen zu haben, die Hans sicher kein Glück bringen konnte, an ihrem Busen aber ganz unschädlich war.