Ernst Wichert
Heinrich von Plauen
Ernst Wichert

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49. DIE ABSETZUNG

Und wenn Könige und Fürsten gegen mich sind und alle Kleinmütigen mich verlassen, rief Heinrich von Plauen, ich vertraue auf Gott und des Ordens gutes Recht! Ich habe den Frieden ernstlich gewollt und jedes Opfer dafür gebracht, das mit der Ehre verträglich. Ehe ich aber das Recht beugen lasse zu unserm Schimpf und mich und das Land des Feindes Willkür unterwerfe, stell' ich die Entscheidung nochmals auf des Schwertes Spitze. Nicht von des römischen Königs und meiner Nachbarn Gnade will ich Hochmeister des Deutschen Ordens und Fürst dieses Landes Preußen sein, sondern mit Gottes Beistand aus eigener Kraft und Mächtigkeit. Sie wollen den Krieg – sie mögen ihn haben und verantworten!

Die mannhaften Worte hörten seine vertrauen Räte, Hans von Baisen, die Bürgermeister von Thorn und Elbing und andere von den Landen und Städten, die er bei sich hatte, als er Herrn Benedikt von Makra, des römischen Königs Sendboten, in großem Unwillen verabschiedete.

Denn er meinte vielen Grund zur Unzufriedenheit über die Ausführung seines Geschäfts zu haben. Statt, wie er nach dem Ofener Schiedsspruch sollte, die Grenzen zu bereisen, die Beschwerden entgegenzunehmen und Beweise zu sammeln, hatte er sich in maßloser Überhebung selbst zum Schiedsrichter aufgeworfen. Vom Großfürsten Witowd, der doch eifrig rüstete und selbst die Fürsten von Nowgorod und Pskow gegen den Orden hetzte, hatte er sich köstlich bewirten, mit Gold und Silber beschenken und sogar den Ritterschlag erteilen lassen. Daß aber die Burg Welun gebrochen würde, die von den Litauern widerrechtlich auf preußischem Gebiet erbaut war und täglich verstärkt wurde, dafür war von ihm nicht gesorgt. Ja, er hatte zugunsten Wladislaus Jagellos und Witowds seine Hand im Spiel gehabt, als dieselben nun endlich dem Hochmeister das Instrument wegen Samogitiens vorlegten, und nicht nur die Klausel hineingebracht, daß die Abtretung künftig »unbeschadet der Rechte Dritter« erfolgen sollte, sondern auch für diese »Dritten«, den Erzbischof von Gnesen, Witowds Gemahlin und Töchter und die polnischen Magnaten namens der Tochter ihres Königs, Gegenerklärungen verfaßt, in denen sie gegen den Verschreibungsbrief Einspruch taten, so daß also klar wurde, wie nur zum Schein Sigismunds Spruch geachtet werden solle. Mehr noch: der Gesandte hatte sich in seinem Übermut die freche Äußerung erlaubt, Könige und Herzöge sollten der Ordensherren Land haben; diese hätten genug an einem Stück Brotes!

Deshalb hatte der Hochmeister dem römischen König geschrieben, er müsse Benedikt von Makra verwerfen als einen Mann, der die Gerechtigkeit nicht liebe, seine Befugnisse überschreite und mit unredlichen Absichten für sein Land umgehe.

Und deshalb war ihm nun auch, da er sich verantworten und neue Verhandlungen einleiten wollte, ein sehr ungnädiger Abschied zuteil geworden. Feuerrot vor Zorn verließ er des Meisters Gemach und nahm den Ordensmarschall beiseite, gegen ihn seinen Ärger zu entladen. Euer Herr und Gebieter, zischelte er ihm zu, ist mit Blindheit geschlagen. Er sieht nicht, was alle Welt sieht, daß der Orden zu schwach ist, mit Gewalt sein Stück durchzusetzen. Das Reich aber kann dieses Außenwerk nicht schützen und halten. Nie wird Friede werden, solange dieser halsstarrige Mann des Ordens Oberhaupt ist. Sagt Euch selbst, edler Herr, wer das am meisten zu beklagen haben wird.

Michael Küchmeister verstand ihn. Listig antwortete er: Es ziemt mir nicht, gegen meinen obersten Herrn zu sprechen, da er mich nicht hört. Aber wisset, daß nach unseren Gesetzen das Generalkapitel des Ordens über dem Hochmeister steht und Macht hat, ihn seiner Würde zu entsetzen. Ich sage nicht, daß etwas der Art im Werk ist; aber es ist Eurem Scharfsinn schwerlich entgangen, daß viel Unzufriedenheit im Orden herrscht wegen des Landesrats, auf den der Meister sich stützt, und daß viele von den Gebietigern den Krieg nicht wollen. Sollte also über kurz oder lang hier im Lande etwas geschehen, wovon jetzt nicht gesprochen werden darf, so wollet das nach Eurer Kenntnis von den Dingen und Menschen richtig deuten. Wir verhoffen uns dann von Eurer Freundschaft und Klugheit, daß Ihr's bei Eurem gnädigsten Herrn in das rechte Licht stellet, damit der Schatten nicht auf diejenigen falle, deren unliebe Pflicht es ist, der Not zu gehorchen.

Makra schüttelte ihm eifrig die Hand. Verlaßt Euch ganz auf mich! An großem Lärm würde es freilich nicht fehlen; aber man kennt solches Geschrei am Königshofe und weiß sich zu rechter Zeit die Ohren zuzuhalten. Sigismund hat größere Dinge vor und braucht hier im Norden einen Mann von feinem Geiste, der durch die Überlegenheit seiner Einsicht die Nachbarn im Zaum hält und die Macht des Ordens stärkt, nicht aber durch unbedachte Drohung mit dem Schwert seine Verlegenheit steigert und sich die Freunde entfremdet. Ich kenne einen solchen Mann, den König Sigismund gar gern auf des Meisters Stuhl sähe. Er dürfte dann auch hoffen, zu dem Gelde zu kommen, das ihm und seiner Gemahlin Barbara für gute Dienste versprochen ist und dessen Zahlung nun wohl absichtlich verzögert wird. Wir haben Euer Wort , Herr Michael Küchmeister, daß das Versprechen gelöst werde.

Damit war er abgereist. Der Ordensmarschall aber wußte nun, woran er war. Die Schmeichelei hatte ihm wohlgetan, und der Ehrgeiz machte sein Herz höher schwellen. Auch mußte er nach jenem Tage, an dem er Heinz von Waldstein abwies, schon öfters die persönliche Kränkung erfahren, daß der Hochmeister auf seine Meldung antworten ließ, er habe nicht Zeit oder sei unwohl, da er doch mit seinen Vertrauten verhandelte. Das verzieh er ihm nicht.

Plauen hatte den falschen Mann durchschaut. Nicht durch ihn konnte geschehen, was doch zu des Landes Ehre geschehen mußte. Rastlos war seine Tätigkeit den ganzen Sommer hindurch, dem Orden in dem bevorstehenden Kampfe den Beistand der Reichsfürsten zu sichern, Söldner anzuwerben, die Schlösser zu befestigen und Geld zusammenzubringen. Auch die Kirche mühte er sich zu gewinnen; wohl wußte er, wie arg man ihn verketzert und verlästert hatte, weil er gegen die Bischöfe von Kujawien und Ermland das Recht des weltlichen Arms hochhielt. Nun hatte er aus rechter Herzensfrömmigkeit auf dem Schlachtfelde zu Tannenberg eine schöne Kapelle erbauen und mit Gütern ausstatten lassen, auch gesorgt, daß der Papst sie mit einem reichen Ablaß von hundert Tagen begnadete. Mit großer Feierlichkeit wurde sie eingeweiht, und viel Volks strömte zu, für die Gefallenen zu beten und sich der Gnadenmittel teilhaftig zu machen.

So erhielt auch das Kloster der Predigermönche zu Dirschau hundert Mark; dafür sollten sie täglich eine Messe lesen für das Seelenheil Ulrichs von Jungingen und aller im Streite mit ihm Gefallenen, sowie auch derer, die künftig noch im Kampfe für den Christenglauben fallen würden. Auch sollte dabei seines edlen Vetters, des Grafen von Plauen, gedacht werden, der sich um des Landes Rettung hochverdient gemacht, und ein Gottesdienst mit Glockengeläut an die Tannenberger Schlacht erinnern.

Auch verordnete der Hochmeister, als nun die Entscheidung näher rückte, mit Rat der Prälaten, daß das Volk gemeinsam an drei Feiertagen die Kreuze tragen mußte. Man sang eine Messe von dem Leid des Herrn, und die Leute überall im Lande mußten den Vormittag feiern und brennende Lichte in ihren Händen tragen. Und wenn die Messe geschehen war, so ging man von einer Kirche zur andern, singend: Auf era nobis cuncta siniquitates nostras und: Exaudi, exaudi, exaudi domine preces nostras , rief auch die Hilfe der Jungfrau Maria und aller Heiligen an, auf daß Gott der Herr gnädig wäre dem Volke und das Land in Frieden und Gnade behielte. Am Sonnabend aber sang man eine löbliche Messe von der Botschaft Unserer Frauen und drei Sonntage von der Auferstehung des Herrn, und wenn das Offizium geschehen war, so sang man: Tedeum laudamus . Der Priester, der das Amt tat, kehrte sich gegen das Volk, wenn es zur Stätte kam, und sang: Salvum fac populum tuum domine etc. , und die Leute knieten alle und sprachen ihre Gebete, lobten den Herrn und baten ihn, daß er sie erlösete von den Händen ihrer Feinde.

So war nun das Land in großer Aufregung und auf das Schlimmste gefaßt. Der Hochmeister aber meinte nicht abwarten zu dürfen, bis Witowd mit seinen wilden Scharen der Litauer, Russen und Tataren über die Grenze rückte und König Jagello in seinem von der Pest heimgesuchten Lande das Heer ordnete. Mußte es zum Schlagen kommen, so wollte er selbst den ersten Schlag führen, den Feinden seinen Mut und seine Kraft zu beweisen.

Leider hatte ihn infolge der übermäßigen Anstrengungen Tag und Nacht eine Krankheit aufs Lager geworfen, so daß er nicht selbst Harnisch anlegen und an die Spitze des Heeres treten konnte. Dem Ordensmarschall, der nach ihm der nächste zu diesem Amte war, mochte er am wenigsten Vertrauen schenken, und auch des Großkomturs und der anderen obersten Gebietiger glaubte er sich bei solchem Werke nicht sicher. Deshalb berief er seinen Bruder, den Komtur von Danzig, an sein Lager, den er als tapfer und willenskräftig kannte, und sagte ihm: Lieber Bruder, du bist der einzige, dem ich zutraue, daß er dies gut und schnell vollbringt. Deshalb ernenne ich dich zum obersten Befehlshaber des Ordensheeres in Pommerellen an meiner Statt und gebe dir ganze Vollmacht zu handeln. Bist du bereit, diesen Auftrag anzunehmen?

Ich bin's, antwortete der Komtur, und mein Herz ist froh, daß du dich tapfer entschlossen hast, diesem Zustande der Ungewißheit und Halbheit ein Ende zu machen. Hättest du früher auf mich gehört und überall mit Strenge durchgegriffen, wie ich's in Danzig tat, du wärest heute der Herr gehorsamer Untertanen. Ich verhehle nicht, daß ich mir von dem Landesrat nichts Gutes verspreche. Ist er dessen in Wirklichkeit mächtig, was der Brief ihm zuspricht, so wird ewiger Streit und Hader mit deinen Ordensräten sein; ist er aber nichts Besseres als ein Puppenspiel vor den Leuten, so wird das Land selbst sich bald von ihm abwenden, und dir wird er mehr eine Last als eine Hilfe sein.

Sprich von diesen Dingen nicht weiter, bat der Hochmeister. Wir sind da von alters verschiedener Meinung und werden uns nicht vergleichen. Will ich den Krieg, so muß ihn auch das Land wollen, sonst bin ich machtlos. Darum stütze ich mich auf das Land.

Es ist gut, daß der Krieg sein eigen Gesetz hat, sagte der Komtur, und unter sein Gesetz alles Widerstrebende beugt. Bist du siegreich gegen Polen, wie ich zuversichtlich hoffe, so stärkst du nicht nur dein Ansehen, sondern auch des Ordens Macht. Auch binnen Landes wird dann ein ander Regiment anheben und der Krämer und Köllmer nicht mehr verlangen, im Rat der Gebietiger zu sitzen. Dazu will ich mit aller Kraft helfen!

Hilf mir zum Siege! rief Plauen, sich von seinem Lager aufrichtend und seine Hand ergreifend. Dem Orden und dem Lande soll er nützen, so wahr ich lebe und durch ihn wieder zu Ehren komme gegen meine Feinde! Ich muß das Letzte wagen, und mich selbst setz' ich dafür ein. Wie ein Mann bin ich, der in der Feldschlacht weit vorgegangen ist mit der Fahne in der Hand; und nun sieht er, daß die Seinen weit zurückgeblieben sind und ringsum Feinde ihn umdrängen. Er muß kämpfen um sein Leben und um die Ehre der Fahne, die er trägt. Vielleicht macht seine Tapferkeit den Zaghaften Mut und reißt sie ihm nach zum Siege. Niemand steht zu mir mit ganzem Herzen. Aber solange ich Hochmeister bin, will ich nicht herrschen von des Königs von Polen Gnade, sondern den Orden in seinem Recht erhalten, daß er sich Gottes Gnade erfreue. Darum frage ich niemand, sondern handle nach eigenem Rat, wie ich muß. Steh du mir treu zur Seite – Bruder!

Der Komtur legte die Schwurfinger auf des Schwertes Griff, drückte des Hochmeisters fieberkalte Hand und ging. –

Krieg! Dem Entschlusse sollte die Tat auf dem Fuße folgen. Der Hochmeister, in der aufregenden Erwartung, was jeder neue Tag bringen werde, ließ sich durch seine Krankheit nicht hindern, täglich Noten zu empfangen und abzusenden, Weisungen zu erteilen, Briefe zu schreiben an alle Welt zur Rechtfertigung seines Vorgehens und zur Ermutigung der zaghaften Freunde. Da trafen ihn Schlag auf Schlag Nachrichten, die auch ein so starkes Herz erschüttern mußten.

Der Ordensmarschall glaubte seine Zeit gekommen. Scheinbar die Befehle seines Herrn ausführend, verhandelte er heimlich mit den unzufriedenen Gebietigern und versicherte sich ihres Beistandes. Die Parole war: dem Orden zu gehorchen! Jeder wußte, was das bedeutete. Als er so seiner Sache gewiß war, tat Michael Küchmeister den entscheidenden Schritt: Kraft seines Amtes als Ordensmarschall, dem nach des Ordens Statuten die oberste Heeresleitung gebühre, gebot er dem Komtur von Danzig, den Kriegszug zu unterlassen, und entsetzte ihn, da er den Rückzug weigerte, des Befehls. Die Gebietiger aber, die gegen den König ausgeschickt waren, erklärten mit ihren Rittern und der ganzen Wehrmannschaft, daß sie den Frieden mit Polen nicht brechen wollten und nicht weiter vorrücken würden.

Das war offene Empörung! Heinrich von Plauen sank ohnmächtig zusammen. Als aber durch der Ärzte Bemühung sein Körper wieder einige Kraft gewonnen hatte, da rüstete sich auch sein Geist, mannhaft den letzten Kampf aufzunehmen. Er berief auf den Tag Burchardi, das ist der 14. Oktober, ein Generalkapitel aller Gebietiger nach der Marienburg und lud den Ordensmarschall zu demselben vor sich zu seiner Rechtfertigung. Sein Wille war, ihn zu entsetzen und zu strafen.

Als aber der Tag kam, ließ er sich in Pelze gehüllt auf einem Sessel in den Kapitelsaal tragen. Die Versammlung war schon eröffnet. Michael Küchmeister hatte den Vorsitz übernommen.

Da nun der Hochmeister erschien und ein Zeichen gab, daß er sprechen wolle, stand der Ordensmarschall auf, ließ sich eine Schrift reichen, die schon im engeren Rat der Gebietiger vorbereitet war, und sagte: An uns ist es jetzt, den Richttag zu halten. Die Brüder haben Ew. Gnaden zu ihrem Oberhaupt erwählt, damit Ihr mit starker Hand den Orden bei Land und Leuten und bei allen seinen Rechten erhieltet. Jetzt aber ist es zutage, daß Ihr die Wege des Verderbens wandelt. Gott weiß, daß es uns schwer bedrängt, gegen unsern Herrn und Meister aufzustehen; aber wir gedenken unseres Eides, mit dem wir uns dem Orden gelobt, zuerst und ewiglich. Wechselnd sind die Ämter, und niemand steht so hoch, daß nicht die Gesamtheit über ihm wäre. Denn er dient dem Orden und hat seine Vollmacht von dem Orden. Darum ist das Generalkapitel über allen.

Plauen schaute im Kreise um, sich auf die Lehnen stützend und das mächtige Haupt hoch aufrichtend. Aber nur wenige gaben durch Mienen ihren Unwillen über des Ordensmarschalls Rede zu erkennen, und den meisten war's anzusehen, daß sie nicht einmal überrascht wurden. Finster blickten sie zur Erde oder nickten dem Sprecher zu zum deutlichen Zeichen ihres Einverständnisses. Da merkte Plauen wohl, daß er ganz verlassen war, und das Herz schnürte sich ihm zusammen, daß er kaum atmen konnte, und sein kranker Leib sank matt in den Stuhl zurück. Wessen klagt ihr mich an? fragte er mit tonloser Stimme tief betrübt.

Wessen wir Euch anklagen, antwortete der Marschall, das steht geschrieben in diesen Artikeln, die wir Euch lesen lassen wollen. Das Merklichste aber ist, daß der Herr Hochmeister keinem Rat seiner obersten Gebietiger folgen wollte, die da gehören in seinen Rat, in keiner Weise, sondern nach seinem eigenen Willen fremdem Rat weltlicher Leute folgte wider des Ordensbuches Satzung, davon der Orden zunichte kommen müßte.

Der Landesrat ist eingesetzt mit der Gebietiger Bewilligung, rief Plauen entrüstet. Wie wollt ihr mich das verantworten lassen?

Lächelnd fuhr der Marschall fort, indem er einen Blick auf das Blatt warf: Item, was er mit seinen Gebietigern und mit dem Lande, die in seinen Rat geschworen haben, eins wurde, das befolgte er nicht, sondern nach dem Abschied wandelte er alle Dinge nach seinem eigenen Willen.

Plauen fuhr auf: Das lüget ihr! Was ich versprochen habe, das hab' ich auch ehrlich und treulich gehalten alle Zeit und nicht ins Gegenteil gewandelt. Vieles aber, das geschah mit des Landes Bewilligung und wogegen ihr nicht zu stimmen wagtet, das gefiel euch nicht, obschon die Not es forderte!

Item, so klagt das gemeine Land, wie es mit großem Schoß beschwert worden und den doch willig gegeben habe, um Gnade und Friedens willen und es doch befinde, daß des Meisters Sinn nach Krieg und Verderbnis des Landes steht. Darum hat er alle Briefe, die dem Lande hätten Frieden bringen können, unterdrückt und den Gebietigern nicht vorgebracht, die Briefe und Artikel aber, die zu Krieg und Unglück trieben, die wurden verlautbart und offenbart. Darum hat er des Ordens Geld und Gut verschwendet zu unnützen Botschaften, und Gäste und Söldner in das Land gebracht, um Krieg zu führen gegen den verschriebenen ewigen Frieden. Seine Klagen bei Fürsten und Herren sind nicht mit der Wahrheit verbunden worden, woraus dem Orden große Schande erwachsen; den Orden und das Land hat er in bösen Leumund gebracht, so daß sie schweren Schaden erlitten. Und da er nun den Krieg geplant und gerüstet ohne Wissen und Willen der obersten Gebietiger, hat er denen, die seine Freunde sind, Vollmacht gegeben, an seiner Statt zu handeln, das alles zu großer Beschwernis des Ordens und zum Verderb des Landes. Zeit ist's wahrlich, daß solchem schädlichen Tun Einhalt geschieht.

Da griff Plauen an sein Herz und rief schmerzlich bewegt: Ich sehe wohl, worauf ihr hinaus wollt. Weil mir die Ehre lieber ist als das Leben, so fürchtet ihr, daß ich auch euer Leben fordere für die Ehre. Lieber den schimpflichen Frieden wollt ihr, als den Kampf um Recht und Gerechtigkeit. Lieber demütigen mögt ihr euch vor den Feinden und klein werden vor den Mächtigen der Welt, als Gut und Blut opfern für die gemeine Sache und für das Kreuz, das euch der Heiland zu tragen gab. Wohl denn! Nicht meine, sondern eure Schande schreibt ihr auf dieses Tages Gedenkblatt!

Michael Küchmeister las die anderen Artikel nach der Reihe. Als er an den kam, daß der Hochmeister seinen Rat mit Sternsehern und Weissagern habe, auf deren Wort er Krieg anheben wolle, lachte Plauen bitter. So kleinlich war seiner Gegner Haß.

Als nun die Vorlesung beendet war, fragte der Großkomtur, ob er noch etwas zu antworten habe. Plauen aber schüttelte den Kopf und schwieg.

Da trat der alte Graf von Zollern vor, der dreißig Jahre lang Ämter im Orden bekleidet hatte und wegen seiner Redlichkeit und Frömmigkeit in großem Ansehen stand. Der sagte freundlich: Belieb's Eurer Gnade zu sprechen, daß man Euer Schweigen nicht für Zugeständnis erachte. Denn vieles, dünkt mich, ließe sich auf diese schwere Anklage erwidern.

Der Hochmeister nickte ihm zu, richtete sich im Sessel auf und entgegnete: Ich will mich nicht verteidigen. Die mich anklagen, wissen am besten, daß ich keiner Verteidigung bedarf. Was ein Mann tun konnte, das tat ich nach bestem Wissen und Gewissen in schwerer Zeit. Mehr bin ich selbst Gott nicht schuldig. Ihr wollt die Sache nicht, darum wollt ihr den Mann nicht. Tut ihr ihn ab, so meint ihr, es falle ein Mann, aber der Orden komme zu dem Frieden, den ihr wollt. Wohl denn! Ich nenn euch nicht undankbar. Ich habe nicht gedient um Lohn und Dank, und was ihr euch selbst einbringt für diese Tat ist Schimpf und Schmach. Armut, Keuschheit und Gehorsam hab' ich gelobt, und das Gelobte treu gehalten. Arm kam ich in dieses Amt, und arm scheide ich daraus – keusch waren meine Gedanken, und kein Blendwerk fürstlicher Macht hat sie verstört – gehorsam nahm ich die Last dieser Würde auf mich und … gehorsam soll der Orden mich auch jetzt finden. Tut mit mir, was ihr verantworten könnt.

Er winkte seine Diener herbei und ließ sich in seine Krankenstube zurücktragen.

Tiefes Schweigen herrschte im Kapitelsaale. Wenige wagten die Blicke vom Boden zu erheben und dem Meister nach zuschauen. Endlich nahm Michael Küchmeister das Wort und sagte: Die Artikel, die verlesen worden sind, sind gut bezeugt. Aber es mag künftig darüber gerichtet werden in aller Form. Heute drängt die Not zu schnellem Entschluß, und nur zwei Wege gibt's, beide gleich kurz: der eine führt zum Krieg. Wollt ihr den, so berufet Heinrich von Plauen zurück, mich aber laßt meines Amtes ledig sein und die Verwegenheit büßen, gegen meinen obersten Herrn geklagt zu haben. Der andere führt zum Frieden. Die ihn aber gehen wollen, müssen über diesen Hochmeister hinweg. Zu unseres Ordens Heil will ich diesen letzten Weg gehen. Wer mit mir ist, der erkläre Heinrich von Plauen vom Hochmeisteramt des Deutschen Ordens abgesetzt.

Die Stimmen wurden gesammelt. Weitaus die meisten fielen dem Marschall zu: Heinrich von Plauen war abgesetzt.

Herr Hermann Gans wurde zum Statthalter gewählt bis zur neuen Meisterwahl. Darauf begaben sich die obersten Gebietiger in Plauens Gemach und verkündeten ihm des Kapitels und des Hauskonvents Beschluß. Sie forderten ihm die Ordens- und Meistersiegel ab, auch die Schlüssel zu Kammern, Kasten und Keller des Hauses, und unweigerlich gab er alles heraus.

Als sie ihn fragten, wo er in Zukunft bleiben wolle, bat er um das Komturamt der stillen Engelsburg. Es war eins der geringsten im Lande. Sie gewährten es ihm willig.

Noch in derselben Nacht wurden Briefe geschrieben an den König von Polen und den Herzog von Stolpe, worin die obersten Gebietiger ihnen sehr demütiglich des Hochmeisters Absetzung anzeigten und versicherten, daß sie immer zum Frieden geraten, der verhärtete Mann in seinem Eigensinn aber allein den Krieg gewollt. Sie schrieben auch an die Könige von Ungarn und Böhmen zu ihrer Rechtfertigung und baten um deren Vermittlung.

Heinrich von Plauen aber verließ schon am folgenden Tage krank und gebrochenen Herzens des Deutschen Ordens Haupthaus, das er vor drei Jahren so mannhaft verteidigt hatte, und zog nach der einsamen Engelsburg.


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