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Wirklich ein recht poetischer Ort! – Dieser hohe Rosenstrauch voll frisch aufgeblühter Rosen, wie schön er sich über mich herab wölbt! Wie lieblich diese Quelle neben mir über die kleinen Kiesel hinrieselt! Wie eben und weich dieser Rasenplatz ist! wie frisch sein Grün, wie dicht sein kurzes Gras! Ich würde mir Vorwürfe machen, wenn ich mir eine so wollüstige Gegend mit Fleiß ausgesucht hätte.
Was für ein Zauber liegt in der einfältigen Natur! Selbst der unpoetische Diogenes wird von ihr begeistert. Ich sehe, ja, ich sehe die Grazien! rosenbekränzt tanzen sie auf diesem weichen Grasplatz ihre schwesterlichen Tänze. Kleine versteckte Amorn winden indeß hinterm Gebüsche ein lange Kette von Rosen; sie winken einander lächelnd zu; nun sind sie fertig. Auf einmahl rauschen sie aus ihrem Hinterhalt hervor, und umschlingen lachend die Tanzenden mit ihrer Rosenkette. – Welch ein liebliches Gemählde!
Wenn ihr es erst so lebhaft vor euch stehen sähet, als es jetzt, von meiner Fantasie ausgemahlt, vor mir steht! Sie hat einen feinen warmen Pinsel, das versichr' ich euch, meine schönen Damen, – so unempfindlich für eure Reitzungen man mich ausruft, weil ich mir vielleicht mehr Mühe als ein andrer gegeben habe, euch entbehren zu können; ohne daß ich mir jedoch schmeichle, es gar weit darin gebracht zu haben. Eine Dryade, die hinter diesem Gebüsch hervor schliche, käme vortrefflich gelegen, die Probe darüber zu machen.
Aber, meine Grazien – ihr denkt, ich habe das Gemählde selbst erfunden, und das wundert euch. Ich will euch aus dem Wunder helfen; ich verachte es, mich für besser zu geben als ich bin. – Es ist eine bloße Kopie.
Chärea hat das Original, von Apelles, den sie den Mahler der Grazien nennen, und der den Muth hatte, sich diesen Nahmen selbst zu geben, weil er fühlt, daß ers ist.
Ich war zugegen, da es gekauft wurde. Es ist göttlich! rief der entzückte Chärea: ich muß es haben; ich laß' es keinem Könige. – Kennst du, Diogenes, das Myrtenwäldchen in meinem Garten, mit dem kleinen Sahle, wo ich zuweilen Mittagsruhe halte? Dort will ich diese Grazien im Gesicht haben, wenn ich ruhe.
Chärea kaufte das Gemählde um vier Attische Talente.
Vier Attische Talente! rief ich, um drey halb nackte Mädchen, und drey oder vier kleine nackte Buben auf einem Stück Leinwand!
Aber siehe nur, wie schön sie sind! rief Chärea; – wie idealisch! wie ganz Grazie! Jede mit ihrem eigenen karakteristischen Reitze, jede durch sich selbst schön, und dennoch durch eine Art von Wiederschein von ihrer Nachbarin verschönert!
Es ist wahr, Chärea – Aber ihr reichen Leute habt Unrecht, diese Künstler so theuer mit ihren Werken zu machen. Zehen Minen wären immer genug für einen Mahler. Er soll auch das Vergnügen, das er unter einer so schönen Arbeit genießt, für etwas rechnen! – Vier Talente, Chärea! für eine Augenlust, die in wenig Wochen ihren Reitz für doch verloren haben wird! Wie viel Glückliche hättest du mit dieser Summe machen können!