Christoph Martin Wieland
Menander und Glycerion
Christoph Martin Wieland

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XXXIII.

Leontion an Glycera.

Du scheinst noch nicht so gleichgültig gegen deinen Ungetreuen zu sein, als du dich selbst überreden möchtest, liebe Glycerion, wenn dir sein Benehmen so räthselhaft vorkommt, als du sagst, wiewohl du es wirklich schon errathen hast. Freilich will Menander dich mit Schonung hehandeln, dir den Schmerz über seine Untreue erträglicher machen, dir zeigen, daß er noch immer Antheil an dir nimmt; vielleicht auch sich selbst durch seine Augen überzeugen, ob er sich nicht zu viel schmeichle, wenn er glaubt, der Verlust eines Liebhabers, wie Er, müsse dir sehr nahe gehen. Wie sollte dich das wundern? Ist er nicht ein Mann und ein Dichter? Giebt es eitlere Geschöpfe unter der Sonne, als die Männer? und etwas eitleres unter den Männern, als die Dichter? – Daß deine Eigenliebe sich dadurch beleidigt fühlt, ist billig; dafür bist du ein Weib. Aber daß Menander in diesem allem aufrichtig ist, und daß Nannion, wie berauscht er auch von ihr sein mag, ihm deinen Verlust nicht ersetzen kann, dafür wollt' ich mich verbürgen, wenn du selbst daran zweifeln könntest. Bei allem dem ist das Mädchen so einzig in seiner Art, und vereinigt so vieles in sich, wogegen die Männer nicht aushalten können, daß leicht vorauszusehen war, die Weisheit unsers Freundes würde an dieser Sirenenklippe scheitern. Unerwarteter ist mir, daß er einen so tiefen Eindruck auf Nannion gemacht hat. Und doch, im Grunde beweiset es weder mehr noch weniger, als daß beider Liebe von einerlei Art ist, nehmlich von derjenigen, bei welcher (wenn man einander wohl ins Auge gefaßt, und recht errathen hat) die wenigste Täuschung Statt findet. Die Natur thut dabei alles, und da sie gerade auf ihren Zweck losgeht, so kann eine Liebe dieser Art zwar sehr feurig und unaufhaltsam, aber ihrem Wesen nach, zumal auf Seiten des Liebhabers, von keiner langen Dauer sein.

Um so grausamer war es von dir, liebe Glycera, daß du dem guten Mädchen die Wonne der ersten Liebe so kaltblütig verkümmern konntest. Deinem eignen Geständniß nach versichert, daß deine Warnung zu nichts helfen werde, wie konntest du gegen eine dir so ergebene Jugendfreundin hartherzig genug sein, ihr, wie eine Unglück weissagende Krähe, das Ende ihres Glücks anzukünden, bevor sie noch die Erstlinge desselben gekostet hat? Unbekümmert, daß du sie dadurch einer der größten Wohlthaten der Natur beraubst, die uns das Voraussehen der Zukunft versagte, weil es uns allen Genuß des Gegenwärtigen verbittern würde! Auch dies, liebste Freundin, bestätigt mich in meiner oben geäußerten Vermuthung. Aber ist es billig, daß die arglose Nannion für die Missethat eines andern büße? sie, die an den Begierden, die sie erregt, so unschuldig ist, als an ihren eignen, und sich durch den Sieg, den sie ohne ihr Verdienst über dich erhalten hat, so beschämt und gedemüthigt fühlt, als andere dadurch übermüthig würden. Mit Einem Wort, du hast dich an dem armen Mädchen schwer versündigt, und da ich dich zur Erkenntniß deines Unrechts gebracht zu haben glaube, so wirst du dich hoffentlich auch der Buße nicht entziehen wollen, die ich dir auflege, um die strenge Nemesis je bälder, je lieber zu versöhnen. Sie besteht in nichts geringerm, als mir deinen heutigen Abend aufzuopfern, von welcher Art auch die Einwendungen sein mögen, die du dagegen anzuführen haben könntest. Um dir diese Buße, soviel an mir ist, zu erleichtern, habe ich dafür gesorgt, daß du, außer meiner Base Philänis, niemand bei mir finden wirst, als Metrodoren und seinen Freund Hermotimus, einen jungen Mann aus Mitylene, der vor einiger Zeit durch den Tod seines Vaters Herr eines großen Vermögens geworden ist, und sich einige Jahre zu Athen aufzuhalten gedenkt. Ich darf dir wohl im Vertrauen entdecken, daß es diesem Fremdling (der, im Vorbeigehen gesagt, ein sehr liebenswürdiger Mann ist) nichts weniger als gleichviel zu sein scheint, ob du meine Einladung annehmen wirst oder nicht. Er hat dein Bild bei Xanthippides gesehen; erhat auch, von dir unbemerkt, dich selbst schon mehr als Einmal von ferne angebetet, und von mir und Metrodor so viel von dir gehört, daß ich sein Verlangen, dich in der Nähe zu sehen, sehr natürlich finde. Besorge nichts von ihm für deine Ruhe. Er ist zwar dem Glauben an die Unsterblichkeit der Liebe sehr eifrig zugethan, scheint aber, nicht weniger als du selbst, überzeugt, daß sie, um dieses Vorrechts der Götter theilhaft zu werden, sich vom bloßen Anschauen, als dem wahren Ambrosia der Liebenden, nähren müsse. Kurz, er macht keinen andern Anspruch, als an das Glück, dich anzuschauen; und ich denke, wenn man einen hübschen Mann mit so Wenigem glücklich machen kann, so ist es beinahe Pflicht, sich dessen nicht zu weigern. Du wirst mich zweifach verbinden, wenn du deine Schwester Melitta mitbringst, um meine Gäste mit einer kleinen Musik bewirthen zu können.


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