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Der junge Habichtsburger Graf
Fand nimmer Ruh und nimmer Rast,
Es war dem Herren nirgends wohl
Als unter seiner Waffen Last.
Wer Leid zu klagen hatte, stets
An ihm den schnellen Rächer fand;
Drum hieß er »Aller Welt Schirmherr«
Auf jeder Burg im Schweizerland.
Der stolze Regensberger Herr
Den Zürchern schnöde Bande flocht;
Da fand denn Rudolf einen Strauß,
Wie lang er keinen lieber focht.
Als ihm die Boten stehend nahn
Der hart vom Feind bedrängten Stadt,
Da beut er lachend seine Hand
Und spricht: »Da, Freunde, schaff ich Rath!«
Flugs zeucht gen Kyburg er zum Ohm
Mit seiner treuen Knechte Schaar;
Dort weilt er nun und lugt und forscht,
Und nimmt des Feindes sorglich wahr.
Einst sitzt er nach vollbrachtem Werk
Des Abends mit dem Ohm beim Schach,
Da springt des Regensbergers Narr
Mit Hast ins stille Burggemach.
Starr blickt und lang dem edlen Graf
Der kecke Narr ins Angesicht:
»Nun, so mir Gott! was meint mein Herr?
Sie scheint doch überlang mir nicht!«
»Was schaffst du, Narr, was willst du mein?«
Erwiedert ernst der milde Graf;
»Wer, Männlein, hat dich hergehetzt?
Was störte dich von Bett und Schlaf?«
»Ich wollte, Gräflein, mit Vergunst,
Nur deine Nase mir beschaun;
Es meint mein Herr, sie sei zu lang;
Man müsse, sprach er, sie behaun.
Und viele Herrn von nah und fern
Zur Burg der Ritter heut entbot.
Und viele, viele kamen auch
Zur Burg seit frühstem Morgenroth.
Sie brachten Schwert und Spieß und Beil
Und manchen blanken Morgenstern,
Und deine Nase, schwuren sie,
Behiebe wahrlich Jeder gern.
Da meint' in meiner Einfalt ich.
Die mußt du selber doch beschaun;
Wie groß muß nicht die Nase sein.
Die man mit Aexten will behaun!«
Und Rudolf lächelt still und spricht:
»Hab, Lieber, Dank für den Bescheid!
Gern magst du meine Nase schaun.
Gar sonder Furcht und Fahr und Leid.
Und schaust du heute nicht dich satt,
So schaue sie nur morgen mehr;
Jetzt aber geh zur Ruhe, Freund,
Mich dünkt, dich schläfert sehr!«
Zu Bette ging der Narr; der Graf
Jedoch, der ging zu Bette nicht,
Der ging und legt' sein Streitgewand
Sich an bei falbem Kerzenlicht.
Und seine Knechte weckt er auf:
»Ihr Knechte, munter! rüstet schnell!
Wir reiten diese Stunde noch;
Es scheint der Mond zum Weg uns hell!«
Bald ziehn die Reis'gen schweigend aus.
Von Rudolf klug und still geführt;
Sie treffen ein, eh' noch der Hahn
Zum Ruf die frühen Flügel rührt.
Der Graf bezieht den Hinterhalt
Und harret da des Feindes still;
Den edeln Herrn den Hauerlohn
Er voraus gern entrichten will.
Und als die Sonne morgen frisch
Sich aus den lichten Wolken schwang.
Da zieht heran des Freiherrn Harst,
Geschaart, unübersehbar lang.
Und Keiner aus der lauten Schaar
Bemerkt des Grafen Hinterhalt;
Sie reiten schallend ihren Weg
Hin durch den grünen Tannenwald.
Da stößt der Graf mit Macht ins Horn
Und ruft die Seinen muthig an.
Und durch des Feindes langen Zug
Bricht er sich eine breite Bahn.
Die Knechte folgen wacker ihm.
Kein Spieß, kein Schwert, kein Beil ist stumpf;
Hier fliegt ein Arm vom Leibe weg,
Dort fliegt ein Kopf weit weg vom Rumpf.
Und bald nach allen Winden fliegt
Des stolzen Regensbergers Troß;
Dem Grafen lassen sie geschwind das Feld,
Und manch ein leeres Roß.
Er nimmt die Beute freudig auf;
Und manch ein muthig stolzes Pferd,
Das seinen Reiter herrlich trug,
Trägt jetzt nur Harnisch, Helm und Schwert.
Nach Kyburg zog des Grafen Schaar,
Und pries mit Bang ihr gutes Glück;
Der Regensberger aber schlich
Beschämt und still zur Burg zurück.
Und als der Graf nun abgethan
Der schweren Eisenringe Last,
Beruft den Narren er zu sich
Und spricht zu dem erstaunten Gast:
»Geh, Lieber, jetzt zu deinem Herrn,
Und meld' ihm freundlich meinen Rath,
Wer Rudolfs Nase will behaun,
Der schweige klüglich vor der That!«