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Hüll' ein mich in die grünen Decken,
Mit deinem Säuseln lull' mich ein!
Bei guter Zeit magst du mich wecken
Mit deines Tages jungem Schein.
Ich hab' mich müd in dir ergangen,
Mein Aug' ist matt von deiner Pracht:
Nun ist mein einziges Verlangen,
Im Traum zu ruh'n, in deiner Nacht.
Des Kindesauges freudig Leuchten
Schon singest du mit Blumen ein,
Und wollte junger Gram es feuchten
Du scheuchtest ihn mit buntem Schein.
Ob wildes Hassen, maßlos Lieben
Mich zeither auch gefangen nahm,
Doch immer bin ich Kind geblieben,
Wenn ich zu dir in's Freie kam!
Geliebte, die mit ew'ger Treue
Und ew'ger Jugend mich erquickt,
Du einz'ge Lust, die ohne Reue
Und ohne Nachweh mich entzückt:
Sollt' ich dir jemals untreu werden,
Dich kalt vergessen, ohne Dank:
Dann ist mein Fall genaht auf Erden,
Mein Herz verdorben, oder krank!
O steh' mir immerdar im Rücken,
Bin ich im Feld mit meiner Zeit!
Mit deinen warmen Mutterblicken
Ruh' auf mir, auch im schärfsten Streit!
Und sollte mich mein Stündlein finden,
Schnell decke mich mit Rasen zu;
O selig Sterben und Verschwinden,
Zu neuem Kampf nach kurzer Ruh'!
So oft die Sonne aufersteht,
Erneuet sich mein Hoffen,
Und bleibet, bis sie untergeht,
Wie eine Blume, offen;
Dann schlummert es ermattet,
Geduldig mit ihr ein:
Doch fröhlich wacht es wieder auf
Mit ihrem ersten Schein.
Das ist die Kraft, die nimmer stirbt
Und immer wieder streitet,
Das gute Blut, das nie verdirbt,
Geheimnißvoll verbreitet.
So lang noch Morgenwinde
Voran der Sonne wehn,
Wird nie der Freiheit Priesterschaar
In Nacht und Schlaf vergehn.
In Gold und Purpur tief verhüllt,
Willst du mit deiner Leuchte scheiden,
Und ich, noch ganz von dir erfüllt,
Soll, Sonne, dich nun plötzlich meiden?
Du hast mein Herz mit Lust entzündet:
Du allerschönste Königin;
Wenn mir dein Strahlenantlitz schwindet,
Ist nicht das Feuer todt und hin?
O reiche mir noch Einen Strahl,
Der labend, leuchtend auf mich falle,
Daß ich aus diesem Dämmerthal
An deiner Hand hinüber walle!
Ich will dein treuer Page bleiben,
Dein Spiegel, wie das blaue Meer,
Als Schäfer deine Lämmer treiben,
Die Morgenwolken, vor dir her.
Als leichte, leichte Wolke nur
Laß mich an deinem Hofe weilen,
Als deines Glanzes letzte Spur
Von deinem Siegszug kündend eilen!
Ich präg' als Lehrer neue Lieder
Den Lerchen, deinen Kindern, ein –
Du willst mich nicht? Du tauchest nieder? –
Ich bin im Schatten, bin allein!
Verlassen, bang wend' ich mich ab,
Die Welt ist eine todte Kohle;
Was jüngst nur Klarheit wiedergab,
Stäubt, Asche, unter meiner Sohle. –
Doch schau: wie ich gen Osten kehre,
Taucht mir ein neues Wunder auf:
In rosig mildem Nebelmeere
Beginnt der Silbermond den Lauf.
Leis, magisch kommt der Riesenstern
Auf grünen Wipfeln hergegangen;
Er ist nicht kalt, er ist nicht fern,
Nein, warm und nah wie zum Erlangen.
Ist er der Sonne Aehrenleser,
Der nach verlornen Strahlen jagt?
Ist er der Sonne Reichsverweser,
Bis wieder sie im Osten tagt? –
Es ist auf Erden keine Nacht,
Die nicht noch ihren Schimmer hätte,
So groß ist keines Unglücks Macht,
Ein Blümlein hängt in seiner Kette!
Ist nur das Herz von rechtem Schlage,
So baut es sich ein Sternenhaus,
Und schafft die Nacht zu hellem Tage,
Wo sonst nur Asche, Schutt und Graus.
Das ist doch eine üppige Zeit,
Wo Alles so schweigend blüht und glüht,
Wo des Sommers stolzirende Herrlichkeit
Langsam durch die schwelgenden Lande zieht.
Das Himmelblau und der Sonnenschein,
Die zehren und trinken mich gänzlich auf!
Ich welke dahin in üppiger Pein,
Im Blumenmeer versiegt mein Lauf.
Die Schnitter so stumm an der Arbeit stehn,
Nachdenklich und lahm auf brennender Au;
Ich hör' ein heimliches Dröhnen gehn
Fern in des Gebirges dämmerndem Blau.
Wie sehn' ich mich nach Gewitternacht,
Nach Sturm und Regen und Donnerschlag,
Nach einer tüchtigen Freiheitsschlacht,
Nach einem entscheidenden Völkertag!
Im Herbst erblichen liegt das Land
Und durch die dichten Nebel bricht
Ein blasser Strahl vom Waldesrand,
Den Mond doch selber sieht man nicht.
Doch schau! Der Reif wird Blüthenstaub,
Ein Myrthenhain der Tannenwald.
Das falbe, halberstorbne Laub
In bunten Blumenwogen wallt.
Welch Traumbild durch das Herbstgrau lacht?
Ist's Frühlingstraum vom neuen Jahr? –
Die Freiheit wandelt durch die Nacht
Mit wallend aufgelöstem Haar!
Und wandelnd späht sie rings und lauscht,
Die bleiche hohe Königin;
Und ihre Purpurschleppe rauscht
Leis über dunkle Gräber hin.
Sie hat gar eine reiche Saat
Verborgen in der Erde Schooß:
Sie forscht, ob die und jene That
Nicht schon in zarte Keime sproß.
Sie drückt ein Schwert an ihre Brust,
Es blinkt in weißem Dämmerlicht:
Sie bricht in wehmuthvoller Lust
Manch blutiges Vergißmeinnicht.
Es ist auf Erden keine Stadt
Es ist kein Dorf, deß stille Huth
Nicht einen alten Kirchhof hat,
Darin ein Freiheits-Märtrer ruht.
Wohin hat dich dein guter Stern gezogen,
O Schulgenoß aus ersten Knabenjahren?
Wie weit sind auseinander wir gefahren
In unsern Schifflein auf des Lebens Wogen!
Wenn wir die Untersten der Klasse waren.
Wie haben wir treuherzig uns betrogen,
Erfinderisch und schwärm'risch uns belogen
Von Aventüren, Liebschaft und Gefahren!
Da seh' ich just, beim Schimmer der Laterne,
Wie mir gebückt, zerlumpt ein Vagabund
Mit einem Häscher scheu vorübergeht –:
So also wendeten sich unsre Sterne?
Und so hat es gewuchert, unser Pfund?
Du bist ein Spitzbub worden, ich – Poet!
So manchmal irre werd' ich an der Stunde,
An Tag und Jahr, ach, an der ganzen Zeit;
Es gährt, es tost: doch mitten auf dem Grunde
Ist es so still, so kalt, so zugeschneit.
Habt ihr euch auf ein neues Jahr gefreut,
Die Zukunft preisend mit beredtem Munde?
Es rollt heran und schleudert, o wie weit,
Euch rückwärts! – Ihr versinkt im alten Schlunde.
Und dennoch kann die Hoffnung nie verlieren!
Sind auch noch viele Nächte zu durchträumen,
Zu schlafen, zu durchwachen – zu durchfrieren.
So wahr erzürnte Wasser müssen schäumen,
Muß, ob der tiefsten Nacht, Tag triumphiren,
Und sieh: schon bricht es roch aus Wolkensäumen!
Wo sich drei Gassen kreuzen, krumm und enge,
Drei Züge wallen plötzlich sich entgegen
Und schlingen sich, gehemmt auf ihren Wegen,
Zu einem Knäul und lärmenden Gedränge.
Die Wachparad' mit gellen Trommelschlägen
Ein Hochzeitzug mit Geigen und Gepränge,
Ein Leichenzug klagt seine Grabgesänge:
Das Alles stockt, kein Glied mehr kann sich regen.
Verstummt sind Geiger, Pfaff' und Trommelschläger;
Der dicke Hauptmann flucht, daß Niemand weiche,
Gelächter schallet aus dem Hochzeitzug.
Doch oben auf den Schultern schwarzer Träger,
Starrt in der Mitte kalt und still die Leiche
Mit blinden Augen in den Wolkenflug.
Ja, du bist frei, mein Volk! – von Eisenketten;
Kein Fürst, kein Adel schmiedet dir die Bande;
Frei von des Vorrechts unduldbarer Schande
Und fröhlich magst du deinen Wohlstand betten.
Doch nicht kann dies dich vor der Knechtschaft retten.
Der schwarzen – die im weißen Schafsgewande
An allen Thüren lauscht im Schweizerlande,
Sich als Polyp an jedes Herz zu kletten!
Wenn du nicht tapfer magst den Geist entbinden
Von alles Dunsts erstickender Umhüllung,
Nicht heilig deiner freien Einsicht pflegen:
So wird der Feind stets offne Thore finden,
All deiner Hoffnung rauben die Erfüllung,
All dein gefördert Werk in Asche legen!
Ob sie geschehn? Das ist hier nicht zu fragen;
Die Perle jeder Fabel ist der Sinn.
Das Mark der Wahrheit ruht hier frisch darin,
Der reife Kern von allen Völkersagen.
Es war der erste Schuß ein Alleswagen,
Kind, Leib und Gut, am köstlichen Gewinn:
»Blick' her, Tyrann! was ich nur hab' und bin.
Will ich beim Ersten in die Schanze schlagen!
Und du stehst leer und heillos, wie du bist,
Und lässest fühllos dir am Herzen rütteln,
Und spiegelst höhnisch dich in meinem Blut?
Und immer: Nein?! – verlaufen ist die Frist!
Verflucht sei deines Hauptes ewig Schütteln!
O zweiter, heilger Schuß, nun triff mir gut!«
Sitzt man mit geschlossnen Augen
Einsam in dem dunkeln Zimmer,
Blitzt oft durch die zarten Lider
Plötzlich rother Kerzenschimmer;
Weiß ich doch, daß Sonnenstrahlen
Durch die Augendeckel dringen
Und in flimmernden Gebilden
Sich um unsre Seele schlingen.
Also saß ich in der Dämm'rung,
Müd' vom Erdenlärm und Staube,
Eingelullt vom Abendsäuseln,
Schlummernd in der grünen Laube:
Da begann von Licht und Blumen
Gar ein seltsam schimmernd Weben
Und ein Ranken um die Augen,
Wie von goldnen Zauberreben.
Rothe Rosen, weiße Rosen,
Primeln, Tulpen und Narzissen,
Dahlien von hundert Farben
Sah ich durcheinander sprießen.
Purpur, Gold, Azur und Silber
Flimmerten in Wechseltönen,
Lila, Rosa, heit'res Meergrün
Mußten Glanz mit Glanz versöhnen.
O, das war ein prächt'ger Reigen,
Wie die Farben all' ihn tanzten,
Wie die Blüthenstern' und Glocken
Ringelnd sich in Beete pflanzten!
Aber in den Wundergarten
Senkte eine Jakobsleiter
Von zwei Strahlen sanft sich nieder
Aus zwei Sternen, bläulich heiter!
Kleine blonde Liebesengel
Schwebten daran auf und nieder,
Stiegen in den Sternenhimmel,
Kehrten in mein Herze wieder;
Weckten and're hübsche Knaben,
Die darinnen träumend schliefen
Und darauf mit ihnen spielend,
Kosend durch die Blumen liefen.
Und die aus dem Himmel kamen,
Wollten meines Herzens Kinder
Ringend mit sich aufwärts ziehen;
Aber diese auch nicht minder
Hielten Stand und kämpften wacker,
Als sie jene dicht umschlangen,
Hielten sie in meines Herzens
Tiefstem Grunde bald gefangen.
Oben an der Himmelsleiter
Eine klare Seele schwebte,
Die halb zornig, halb mit Lächeln,
Sie zurückzulocken strebte;
Doch es schien mir im Gefängniß
Ihnen leidlich zu gefallen:
Denn ich sah, der Herrin trotzend,
Bunt sie durcheinander wallen.
Und sie mußte sich bequemen.
Endlich selbst herabzusteigen.
Sah sich plötzlich dann gefangen
Mitten in dem frohen Reigen.
Doch für all' den Liebesjubel
Ward mein Herz zu eng und nieder:
Klingend sprangen auf die Pforten,
Sprangen auf die Augenlider!
Sieh! da standest du, auf meine
Schläferaugen schweigsam schauend,
Vorgebogen, unbefangen,
Auf den festen Schlaf vertrauend;
Wurdest roth und flohst vorüber,
Ungeschickt ein Liedlein summend,
Und vergeblich dein Geheimniß
In der Dämmerung vermummend!
Fliehe nur, verrath'ne Seele,
Trostlos durch des Gartens Blüthen!
Such' dir bessre Zauberdrachen,
Deines Busens Schatz zu hüten!
Thöricht Kind! nun magst du immer
Dreifach mir dein Herz verschließen:
Unerbittlich seh' ich innen
Für mich rothe Rosen sprießen!
Wild hallt der Schrei der Glocken durch die Nacht
Und Schüsse dröhnen von des Berges Wacht;
In allen Gassen tönt's: »Es brennt! es brennt!«
Und Jeder angstvoll an sein Fenster rennt.
Der erste Blick: ist es in unserm Haus?
Der zweite mindert schon den Schreck und Graus,
Wenn weit, o weit die wunderschöne Gluth
Behaglich dort am fernen Himmel ruht.
Nun strömt der Neugier Bächlein ungehemmt.
Und ungewaschen wohl und ungekämmt,
Der ohne Strümpfe, Jener ohne Schuh',
Läuft Alles rings dem seltnen Schauspiel zu.
Und manchem ehrlichen Philister bangt,
Es könnte enden, eh' er angelangt;
Auch der Poet, er watschelt mit hinaus
Und sendet seinen Kennerblick voraus.
Da wallt vom Berg mit ungebrochnem Lauf
Die Eine Flamme hell zum Himmel auf;
Von Feuerlilien ein gewalt'ger Straus:
So blüht und glüht das große Bauernhaus.
Es ist die allerschönste Maiennacht,
Von Gold durchwirkt, tiefblau der Himmel lacht;
Eng zwischen Gärten voller Frühlingsflor
Klimmt der Poet zur Feuerstätt' empor.
Da sitzt der helle Geist auf seinem Raub
Und macht den morschen Kram zu Asch' und Staub;
Umsonst belästigt ihn der Menschenschwarm,
Er wehrt ihn ruhig ab mit glühem Arm.
Es brennt der Hof dem reichen Bauersmann,
Der nie genug seh'n und erhaschen kann;
Längst hat der Sohn ein neues Haus begehrt,
Wogegen sich der Alte stets gewehrt.
Nun steht er da und schlottert jämmerlich,
Weiß nicht zu rathen noch zu helfen sich;
Doch Alle sind in guter Sicherheit,
Kein Nachbarhaus gefährdet weit und breit.
Drum laßt uns keck ein wenig näher gehn,
Die heiße Wirtschaft besser zu besehn,
Zu lesen in des Feuers Angesicht,
Und was es heimlich mit den Steinen spricht.
Von Holz und Reisig eine hohe Wand
Seit langen Jahren um die Scheune stand:
Schon Vieles ward vom Regen unbrauchbar,
Doch jeder Herbst bringt neue Lasten dar.
Der letzte Winter brachte große Noth.
Und manche arme Wittwe, frierend, bot
Ihr armes Geld dem Mann für wenig Holz –
Er gab's nicht her in seinem Bauernstolz.
Nun flammt es auf in wildem Feuerflug
Mit Scheun' und Stall, Pferd, Wagen, Vieh und Pflug;
Die armen Weiber stehn und schaun es an,
Und wärmen lächelnd ihre Hände dran.
Dies Lächeln mag die bleichste Blume sein,
Die einstens ziert des Mannes Todtenschrein. –
Weh' dem, der solchen Blüthenflor gesät.
Wenn einst die Saat in reifen Früchten steht!
Seit alter Zeit her war des Hauses Wand
Von wuchernd dichtem Epheu überspannt:
Den liebt der Bauer, sonst so liebeleer.
Weil er so gierig, alt und zäh, wie Er!
Nun brennt das dunkle Unkraut lichterloh
Und flackert in die Luft wie leichtes Stroh;
Wer glaubte, daß der alte schwere Kranz
So lustig hielte seinen Todtentanz?
Ei, was fliegt da für Ungeziefer aus!
In ganzen Schwärmen fliegt die Fledermaus;
Kreuzspinnen, Käfer, was da kriechen mag.
Kommt sterbend in der hellen Gluth zu Tag.
Was von Gespenstern und von Koboldsbrut,
Von alten Sünden auf dem Hause ruht.
Und was es sonst für Spuck und Sagen gab
Brennt mit den alten Epheuranken ab.
Was mag wohl schimmern dort, und, seh ich recht?
Was löst sich aus dem brennenden Geflecht
Und poltert da zu meinen Füßen her?
Ein tüchtig Kruzifix, von Golde schwer!
Einst riß der Ahn, vor manchem hundert Jahr,
Das Kreuz als Bilderstürmer vom Altar;
Es blieb im grünen Rankenwerk versteckt.
Nun endlich hat's das Feuer aufgedeckt.
Zwar munkelt man, daß in verschloss'ner Brust
Die Enkel jederzeit davon gewußt;
Sie hätten's nächtlich auf den Tisch gesetzt
Und sich an dem Geflunker oft ergötzt.
Eins thut mir leid – manch' zierlich Schwalbennest
Hing traulich in den wirren Ranken fest;
Wenn nun die liebe Schwalbe wiederkehrt,
So findet sie ihr kleines Haus verheert.
Doch tröste dich, o Schwalbe zart und traut!
Ist erst der neue Giebel aufgebaut.
G'nug Winkel noch und Ecken findest du,
Daran du bauen kannst in guter Ruh.
Da ist ein Buch, geschwärzt und halb verbrannt.
Wonach der Mann in Todesangst gesandt;
Ein Jüngling wagte dran sein junges Blut
Und trug's mit kecken Händen aus der Gluth.
Und gierig stürzt der Mann sich auf das Buch
Und – wirft es weg mit einem derben Fluch.
Sein dickes Schuldnerbuch hatt' er gemeint,
Nun liegt – – die Bibel vor dem guten Freund!
Wie arg und undankbar ist diese Welt,
Wie schmählich nun der alte Mann sich stellt!
Erinnert ihn die Bibel nicht mehr dran,
Wie gütlich er sich oft an ihr gethan?
Wenn er am Sonntagabend vor ihr saß
Und schmunzelnd dann von dem Kameele las,
Dem Nadelöhre und dem Himmelreich,
Wie ward ihm das Gemüth da froh und weich!
Wie manchen Bettler, hungerig und matt,
Macht' er mit schönen Bibelsprüchen satt,
Betheuernd hoch und feierlich dabei,
Daß dies sein reichster Trost und Hausschatz sei.
Nun liegt das alte Buch zertreten hier,
Im Feuer blieb der Ecken Silberzier;
Zerriss'nen Angesichtes liegt im Koth
Das einst so hochgepries'ne Lebensbrot.
Ich denke dran mit wehmuthsvollem Schmerz,
Wie rettungslos ein königliches Herz,
Indeß das Haus in Rauch und Schutt verfliegt,
Tief unter ihm in schnöden Banden liegt.
Goldfarbner Löwe, seufzt der edle Wein
Seit Jahr und Tag im dunkeln Eichenschrein,
Und ob ihm trampelte der graue Wicht,
Ließ keinen Tropfen an das Tageslicht.
Wenn still der Sonnenschein das Haus umfing
Und singend ein Gesell vorüberging.
Ein fröhlich dürstender mit heißem Blut,
Dann wallt' es unten auf mit süßer Wuth:
»O laßt mich an des Tages goldnen Blick,
Ich bring' euch Freiheit, Freude, Lieb' und Glück!
Laßt schäumend mich entgegensprühn dem Lied,
Das aus der hellen Menschenkehle zieht!«
Umsonst verhieß er reichen Minnelohn,
Gefesselt blieb der goldne Sonnensohn;
Nicht wahr, ihr Alle, die ihr Herrscher heißt,
Es ruht sich süß auf unterdrücktem Geist?
Nun wankt und stürzt das morsche Sündenhaus,
Doch unter seinen Trümmern athmet aus,
Vergessen, was so lang das Licht gesucht, –
Heil unsrer jungen Reben süßer Frucht!
Ein Apfelbaum in voller Blüthe steht,
Ein leichter West in seinen Zweigen weht;
Er schaut, verklärt vom blutigrothen Schein,
Verwundert auf den wilden Brand herein.
Es ist, als ob der helle Glanz ihn freut',
Weil Blüthenblätter in die Gluth er streut;
Er athmet ein des Feuers heißen Hauch,
Um seine Krone spielend zieht der Rauch.
Da plötzlich langt herüber aus dem Brand
In seine Aeste tief die Flammenhand:
Zu Kohlen brennt der schöne Blüthenbaum –
Hier ist ein dichterlicher Lebenstraum!
Dort gegen Westen, traulich unterm Dach,
Liegt hoch und abgeschieden das Gemach,
Das sich des Hauses Töchter jederzeit
Zum stillen Allerheiligsten geweiht.
Es ist ein eng und niedrig Kämmerlein
Mit runden Scheiben und uraltem Schrein,
Drin Bänder, Kettlein, Herzchen aller Art
In mannigfachen Kästlein wohl verwahrt.
Am Fenster steht das Spinnrad und davor
Der zartgepflegte bunte Blumenflor,
Gelbveiglein, Nelken, Rosen ohne End',
Und wie man all das liebe Zeug benennt!
Manch nächtlich Lied hat hier heraufgetönt
Und diese Fensterlein sind dran gewöhnt,
Geräuschlos blinkend, heimlich aufzugehn,
Geöffnet ganze Nächte durch zu stehn.
Und manche Leiter wurde aufgethürmt
Und auf die Liebeswarte kühn gestürmt;
Ob stets das Rosengitter widerstand.
Gehört zu den Geheimnissen im Land.
Auch jetzt ist eine Leiter angelegt,
Die einen Schwarm geschwärzter Männer trägt;
Im rothen Mantel stürmet in die Thür
Ein Freiersmann mit flammendem Panier.
Und vor ihm fährt ein Knäuel, wirr und kraus,
Erschreckter Liebesgötter fliehend aus;
Das flattert irrend in der Frühlingsluft,
Verfliegend wie verbrannter Ambraduft.
Das ganze Fenstergärtlein stürzt herab
Und findet in der Gluth sein feurig Grab;
Ob all' die stille, schöne Liebeswelt
Wohl rettungslos zugleich in Asche fällt?
Mir ist nicht bang; ist neu das Haus erbaut.
Man sicher wieder dran ein Fenster schaut
Mit Rosen, Gelbveiglein und Nelkenzier:
Denn Solches muß man haben für und für.
Welch' lieblich Wunder nimmt mein Auge wahr!
Dort fließt ein Brünnlein, gar so frisch und klar.
Ein holzgeschnitzter Meergott gießt den Trank
In eine ausgehöhlte Eichenbank.
Der Westwind hat die Gluth herangeweht,
Der alte Gott in vollen Flammen steht,
Und aus der Feuersäule quillt der Schwall,
Des Wasserstrahls lebendiger Krystall.
Wie fröhlich tönt der schöne Silberstrang,
Gleich jenem Kleeblatt, das im Feuer sang!
Du klares Leben, ew'ger Wellenschlag,
Wer sendet aus der Tiefe dich zu Tag?
Ich glaubt', ein Brunnenhaus sei feuerfest –
Nun ist ein Häuflein Kohlen hier der Rest:
Die Quelle aber rieselt frisch und rein
Auch über Kohlen in die Welt hinein.
Wer weiß, wie lange schon der Bergquell springt?
Wer weiß, wie lang er noch zum Lichte dringt?
Auf! schnitzelt einen neuen Brunnenmann,
Der wieder hundert Jahr ihn fassen kann.
Zu loben ist der Männer kühner Muth,
Womit sie ringen mit der heißen Gluth,
Zu retten, was man irgend retten kann;
Doch ist nicht redenswerth was man gewann.
Das Beste ist ein alter Todtenkranz,
Erinnerung an hohen Jugendglanz,
An irgend einen frühgestorbnen Sohn,
An einen längst verhallten Harfenton.
Mit welken Blättern liegt er in der Au,
Und auf ihn fällt der milde Maienthau;
Die blassen Bänder wehn im Morgenwind,
Daneben zitternd wacht ein schwaches Kind.
Wie leicht und dürr der alte Kranz mag sein.
Man wird ihm wieder eine Stelle weihn
Im neuen Bau, hoch an der Stubenwand,
Als des Vergangnem letztem, welkem Pfand.
Da wird er still auf's junge Leben sehn,
Und dieses ehrend ihm vorübergehn,
Bis auch sein letztes leichtes Blatt zerstiebt
Und man den nackten Reif dem Feuer giebt.
Die Flamm' ist todt, der Krater ist verglüht,
Die Himmelsrose drüber aufgeblüht;
Sie glänzt auf Kohlen, wo die Wohnung stand,
Verschwunden ist das morsche Werk der Hand.
Woran der Mensch die kalten Hände legt
Und was er diebisch scheu zusammenträgt:
Hin ist nun Alles, was nach Richt' und Maß
Gefügt, gebunden aufeinander saß.
Doch ihr erglänzet mir unwandelbar,
Ihr Morgenlande, wonniglich und klar!
Ihr Berg' und Thäler voller Knospendrang,
Voll Quellenrauschen und voll Frühlingssang!
O Ueberfülle, die zum Lichte schwillt,
O Blüthenwirbel, der da überquillt
Und überwuchert, wo die Sünderhand
Ihr Maß will legen auf das reiche Land.
Das ist die Nachhut, die den Rücken deckt:
Drum auf zum Werke, Menschheit, unerschreckt!
Bau auf, reiß' nieder und bau' wieder auf:
Das Jahr geht immer seinen Segenslauf.
O mein Heimatland, o mein Vaterland,
Wie so innig, feurig lieb' ich dich!
Schönste Ros', ob jede mir verblich,
Duftest noch an meinem öden Strand!
Als ich arm, doch froh, fremdes Landes durchstrich,
Königsglanz mit deinen Bergen maß,
Thronenflitter bald ob dir vergaß:
Wie war da der Bettler stolz auf dich!
Als ich fern dir war, o Helvetia!
Faßte manchmal mich ein tiefes Leid;
Doch wie kehrte schnell es sich in Freud',
Wenn ich Einen deiner Söhne sah!
O mein Schweizerland, all' mein Gut und Hab!
Wenn dereinst mein banges Stündlein kommt,
Ob ich Schwacher dir auch Nichts gefrommt:
Nicht versage mir mein stilles Grab!
Werf' ich ab von mir dies mein Staubgewand,
Beten will ich dann zu Gott dem Herrn:
»Lasse strahlen Deinen schönsten Stern
Nieder auf mein irdisch Vaterland!«
Glückauf! nun will ich wandern
Von früh bis Abends spät,
So weit auf dieser Erde
Die Sonne da mit mir geht.
Nichts nehm' ich mit, als den Becher,
Mein leichtes Saitengetön;
Ich wundre mich über die Maßen,
Wie's überall doch so schön!
Oft ist die Ebene schöner
Als meine Berge noch,
Und wo kein blauer Himmel,
Gibt's pupurne Wolken doch.
Wo keine schmachtenden Lotos,
Wächst blühendes Haidekraut,
Wo keine gothische Dome,
Sind jonische Tempel gebaut.
Und bin ich des Griechischen müde,
Mich lockt die luft'ge Moschee:
Ich kleid' in maurische Schnörkel
Mein europäisches Weh.
Nur Einer süßen Blüthe
Ermangel' ich überall,
Von Einem süßen Namen
Den silbernen Zauberschall.
Hallo, du muntrer Jäger!
Sag' an, du Bergmann traut!
Hast du, mein stiller Fischer!
Mein Liebchen nirgends geschaut?
Mein Liebchen, das ist die Freiheit,
Die such' ich kreuz und quer –
Sie ist doch nicht ertrunken
Im alten falschen Meer?
Wie ahnungsvoll er ausgezogen,
Der junge Held, aus Kluft und Stein!
Wie hat er durstig eingesogen
Die Milch der Freiheit frisch und rein!
Nun wallt der Bergessohn hernieder,
Hin in mein zweites Heimatland:
O grüß mir all' die deutschen Brüder,
Die Herrlichen, längs deinem Strand!
So grüß' auch all die deutschen Frauen
Mit deinem feinsten Ritterbrauch,
Und wenn du wirst die Dome schauen,
Die lieben Käuze, grüß sie auch!
Sonst weiß ich Niemand just zu grüßen,
Als etwa noch die Loreley
Und deiner Reben freudig Sprießen,
Den Dreißigen – geh' still vorbei.
Es taucht ein Aar in's Wolkenlose
Hoch über mir im Sonnenschein:
Ich werfe eine Alpenrose
Tief unten in den wilden Rhein;
Führ' nieder sie, führ' sie zu Thale,
Du grüner Held zum Meeresthor,
Und halt' dem Volk im Eichenthale,
Dem Harrenden, dies Zeichen vor!
So bist du eine Leiche!
So ist die alte Eiche
Doch endlich abgedorrt!
Es ist ein lang Stück Leben,
Das wir dem Staube geben,
Ein ausgeklungen Gotteswort.
Da wir vor zwanzig Jahren
Als Kinder um dich waren,
Standst du schon silberweiß:
Und noch ein Jünglingsleben,
Ein zwanzigjähriges eben,
Trankst du begierig, durst'ger Greis!
Des Mittelalters Schwingen,
Mit letztem, bebendem Klingen,
Umfachten die Wiege dir:
Jetzt, voll von Sturmesahnen,
Umrauschen die dunklen Fahnen
Der neuen Welt dein Bahrtuch hier.
Darin wir uns vertieften,
Die aber hundert Schriften,
Was uns erfüllt die Brust:
Das zog dir all vorüber,
Dämmernd heran, hinüber,
Du aber hast es nicht gewußt.
In jenen fernen Tagen
– Ich hör' die Finken schlagen –
Als durch den grünen Wald
Herr Geßner las im Brockes:
In's Herz des Föhrenstockes
Hat deiner Jugend Axt geschallt.
Hast du dem deutschen Sänger,
Dem edlen Schlittschuhgänger
Den Stahlschuh hier gereicht? –
Du hast vor fünfzig Jahren
Den See hinaufgefahren
Den fünfzigjährigen Göthe vielleicht?
Vorüber deiner Leiche
Flieht heut der zornesbleiche
Poet den See entlang;
Verschwunden sind die Spuren,
Wo heitere Dichter fuhren,
Und anders tönt des Flüchtlings Sang!
Die Scherben stolzer Kronen,
Zwei Revolutionen,
Die haben dich umklirrt;
Erdbeben und Kometen,
Sturmglocken und Schlachtdrommeten
Sind deiner Stirn vorbei geschwirrt.
Der unsre Welt gewendet
Wie seine Hand, geendet
Im Meere, still und fern:
Mit seinem ehrnen Tritte
Fiel just er in die Mitte
Des Lebens dir, ein irrer Stern.
Du sahst auf deinem Felde
Erstaunt die fremden Zelte,
Die Flucht durch's Saatengrün:
Und als sie abgezogen,
Zum alten Steinenbogen
Der Väter Haus – in Flammen sprühn!
Doch Alles ist in trüben
Gebilden dir fern geblieben,
Ein Räthsel dir und Traum;
Auch die vorüber jagten,
So wenig nach dir fragten.
Als dort nach deinem Apfelbaum.
Doch in dir hell erglühte
Das Urlicht und erblühte
Ein grünes Urwaldreis:
Oft sah ich dein Auge scheinen,
Als ob's in heiligen Hainen
Noch ruht' auf der Runensteine Kreis.
Du hast den Stier gezwungen,
Du hast das Beil geschwungen,
Daß Dorn und Eiche fiel:
Wer diese harte Erde
Mit eiserner Pflugschar kehrte,
Erlernt auch leicht des Krieges Spiel.
Es schliefen heimliche Sagen
Von grauen Heidentagen
Auf deines Gemüthes Grund;
Du sangst noch hin und wieder
Verschollne Schwänk' und Lieder,
– Freund' Uhland wohl ein guter Fund.
Vom Weltend' die vier Winde
Durch deiner Heimat Gründe
Sahst wallen du und wehn:
Doch jener nahen Firnen,
Die ragen zu den Gestirnen,
Hast selber den Fuß du nie gesehn.
Und dennoch ist's das ächte,
Das bleibende Volk, das rechte,
Das auf der Scholl' erblaßt,
Auf der es ward geboren!
Das Schifflein geht verloren,
Deß Anker diesen Grund nicht faßt.
Propheten, lernt euch neigen!
Nicht auf zu euch soll steigen
Der Kronen kalte Pracht:
Hernieder laßt uns dringen,
Demüthigen Herzens bringen
Licht in der engsten Hütte Nacht!
Ich wandle taumelnd, wie im Traum,
Der Frühling tanzt auf Berg und Haide,
Und zierlich schürzt die Birk' den Saum
An ihrem grünen Seidenkleide;
Mein Bettelsack, tanz' mit den Reigen,
Schwing' dich hinauf zum tollen Ritt!
O Birke, wieg' auf deinen Zweigen
Mein armes Ränzel freundlich mit!
Was macht mein junges Bettlerherz
Der Haide grüner Glanz so traurig?
Was bettelt es und was begehrt's,
Was weht durch mich so süß und schaurig?
Rasch möcht' ich in den Himmel greifen
Und meine Lippen zucken leis –
O könnt' ich singen oder pfeifen.
Was mir im Blute zählt so heiß!
O traute Birk! im Morgenstrahl
Sah ich am Quell mein Mädchen stehen,
Dann aber froh aus unserm Thal
Mit Wanderschritten eilend gehen;
Sie ist dies Jahr so schön geworden,
Ich sah's mit süßem Schrecken ein!
Was aber soll bei Bettlerhorden
Der reichen Schönheit Prunk und Schein?
Beschränke dich, du eitle Brust!
Was schiert dich all' dies stolze Blühen?
Umsonst! mich will die fremde Luft
Weit in die goldne Ferne ziehen!
O süße Schwester Birke, senke
Mein Säcklein wieder mir herab,
Und einen deiner Aeste schenke
Mir noch zum Wanderbettelstab!
Wie schön, wie schön ist dieses kurze Leben,
Wenn es eröffnet alle seine Quellen!
Die Tage gleichen klaren Silberwellen,
Die sich mit Macht zu überholen streben.
Was gestern freudig mocht' mein Herz erheben,
Das muß ich lächelnd heute rückwärts stellen;
Wenn die Erfahrungen, sich drängend, schwellen,
Erlebnisse, wie Blumen sie umgeben!
So muß ich breiter stets den Strom erschauen,
Auch tiefer mälig seh' den Grund ich winken,
Und täglich lern' ich mehr der Fluth vertrauen.
Nun goldene Geschirre, sie zu trinken,
Gebt, Götter! mir und Marmor, um zu bauen
Den festen Damm zur Rechten wie zur Linken.
Willst du, o Herz! ein heitres Ziel erreichen.
Mußt du in eigner Angel schwebend ruh'n;
Ein Thor versucht zu geh'n in fremden Schuh'n,
Nur mit sich selbst kann sich der Mann vergleichen!
Ein Thor, der aus des Nachbars Bubenstreichen
Sich Trost nimmt für das eigne schwache Thun!
Der immer um sich späht und lauscht und nun
Sich seinen Werth bestimmt nach falschen Zeichen.
Thu frei und offen, was du nicht kannst lassen,
Doch wandle streng auf selbstbeschränkten Wegen
Und lerne früh nur deine Fehler hassen!
Dann gehe mild den Anderen entgegen;
Kannst du dich selbst nur fest zusammenfassen,
So hängt an deine Schritte sich der Segen.
Der Herr gab dir ein schönes Augenpaar,
Du weißt damit zu blicken lieb und klar.
Mit seiner Hand hältst du in schönen Banden,
Das er dir gab, dein anmuthsreiches Haar.
Wie eine Palme aus den Morgenlanden
Ließ er dich wachsen, der im Anfang war.
Du aber weißt dich köstlich zu gewanden,
Daß sich verdunkelt deiner Schwestern Schaar.
Wie dankbar du des Schöpfers Sinn verstanden,
Legst du in reizbewußtem Wesen dar.
Als ich an deiner Frühlingsbrust zwiefachem Himmel geruht,
In königlicher Ruhe stolz hinwogte unser Blut:
Von diesem Himmel unverwandt sah ich zum andern auf
Und schaute in den Hesperus mit frohem, stillem Muth.
Dann drückte müd' die Augen ich an deinem Busen zu,
Doch immerfort sah ich den Stern in seiner schönen Gluth.
Er ging in deinem Herzen auf, wie es der Widerschein
Luna's in einem spiegelnden und tiefen Brunnen thut.
Wie strahlet ihr im Morgenschein,
Du rosig Kind, der Blüthenbaum
Und dieser Brunnen, frisch und rein –
Ein schön'res Kleeblatt gibt es kaum.
Wie dreifach lieblich hat Natur
In euch sich lächelnd offenbart!
Aus deinem Aug' grüßt ihre Spur
Des Wandrers stille Morgenfahrt.
Es ist, als käm' aus deinem Mund
Das Lied, das dort die Quelle singt,
Es ist, als thät' der Brunnen kund,
Was tief in deiner Seele klingt!
Und wie der weiße Apfelbaum
Mit seinen Zweigen euch umweht;
Dieß Schau'n, zart wie ein Morgentraum,
Ersetzt mir jedes Frühgebet.
Reich' einen Trunk, du klare Maid,
Vom Quell, der deine Kindheit sah!
Sein Rauschen sei dir allezeit,
Die Klarheit deinem Herzen nah!
Ich wünsche Segen deiner Hand
Zur Arbeit, wie zum Liebesbund,
Dem bravsten Burschen hier zu Land
Den ersten Kuß von deinem Mund!
An den schönen Limmatborden,
Die so grün in's Wasser hangen,
Bin ich manches Mal gegangen.
Wenn die Erde jung geworden
Und den Frühlingsmantel wob.
Wenn die Wasser voller klangen
Und bis vor die Füße drangen,
Daß der Pfad sich schwellend hob.
Wenn die Welle singend flieht,
Ist's, als höre man Geschichten,
Was im Oberland geschieht,
Weit ins Niederland berichten.
Und wenn man stromaufwärts sieht,
Will es scheinen, daß die ganze
Inn're Schweiz im Firnenglanze
Auf der Fluth herniederzieht.
Ausgespannte Netze schimmern
Zwischen blüthenweißen Bäumen,
Perlend in der Sonne flimmern
Sie von feuchten Wasserschäumen.
Und ein Knäblein schläft im Kahn,
Wiegend sich in jungen Träumen;
Ohne Hast und ohne Säumen
Schafft der Vater nebenan.
Ja, mit ruhig festem Schritte
Schreiten dort die Männer hin!
Klar und einfach ist die Sitte,
Klug und ernst der freie Sinn.
Und in ihrer sich'ren Mitte
Wuchsen Recht und Freiheit groß;
Das Gesetz schmückt jede Hütte,
Jeden Herd ziert ein Geschoß.
Etwas Wein auch pflanzt der Bauer
An der Berge grünen Füßen,
Wenn auch manchmal etwas sauer:
Arbeit weiß ihn zu versüßen.
Längst schon wohnt an jenen Flüssen
Rasche That, entschloss'nes Handeln,
Daß vor ihrem heitren Wandeln
Gram und Sorge schwinden müssen.
Hier an diesem fremden Strand,
Sind die Weine stark und süß,
Und es gleicht das edle Land
Auch wohl einem Paradies;
Aber dumpf und ungewiß
Sind die Herzen und die Blicke
Und verworrene Geschicke
Walten in der Finsterniß!
Nun legst du, alte knorrenvolle Föhre,
Den allerletzten Jahresring dir an,
Da ich mit seiner Axt rumoren höre
Im Walde schon den grauen Zimmermann.
Er wird so wenig mit mir federlesen,
Als Jemand über mein Verschwinden klagt –
Ein alter Lump ist wohl das einz'ge Wesen,
Dem man des Alters Ehrenzoll versagt!
Sei's immerhin! ich liebe d'rum nicht minder
Dieß schöne Land, mein gutes Vaterland,
Und segne seine frohen stolzen Kinder
Mit der verworfnen todten Bettlerhand!
Ich segne euch, o Strom, Gebirg und Auen,
Die ihr im Lenzgold heiter vor mir schwimmt!
Ein Reichthum ist dieß selig klare Schauen,
Den Niemand auch dem ärmsten Manne nimmt.
Als meine Brüder einst vor vierzig Jahren
Das alte morsche Vaterhaus verkauft,
Um nach der fernen neuen Welt zu fahren,
Wo man sich mit der alten Erde rauft,
Da bin ich ganz allein zurückgeblieben.
Bald war es um mein kleines Erb gethan;
Weiß nicht, wie weit sie drüben es getrieben,
Ich aber fing darauf zu betteln an.
Denn weder Noth noch Mühsal konnten scheiden
Mich aus den Marken meines Vaterlands –
Wer will mich zwingen, seinen Schooß zu meiden,
Zu missen seiner Ströme blauen Glanz?
Hier will ich wandeln, wo ich bin geboren,
Und sei's auch in zerriss'nen Bettlerschuh'n!
Ging drob die Bürgerehre mir verloren:
Ich will und muß bei meinen Vätern ruh'n!
Dich sollt' ich meiden, trautes Netz der Wege,
Das mein Volk auf des Landes Boden spann?
Und dich Gebirg, wo ich des Abgrunds Stege
Auch mit verbundnem Aug' beschreiten kann?
Wo ich der Quellen tiefen Ursprung kenne,
Und jeden Stamm im dunkeln Forst gezählt,
Und jede Trift bei ihrem Namen nenne –
Den Boden, wo mir nie ein Tritt gefehlt?
O meines Vaterlandes gute Erde,
Wie kriech' ich gern in deinen warmen Schoos!
Mir ahnet schon, wie süß ich ruhen werde
In dir, von allem Druck und Irrsal los!
Wie will ich meine müden Beine strecken,
Wegwerfend meiner Armuth dürren Stab!
Wie selig mich von West nach Osten recken
Und unverwüstlich ruh'n in meinem Grab!
Doch, spinnt sich weiter meiner Seele Leben,
So möge sie, im grauen Schattenkleid
Vergnügt und still dieß gute Volk umschweben,
Noch immer treu, in Freude wie in Leid!
Als leichte Mahnung neckend umzugehen
In seines Glückes hellem Sonnenschein:
Möcht' meine Seligkeit darin bestehen,
Einst seines letzten Bettlers Geist zu sein.
Flack're, fernes Licht, im Thal
Durch die Nacht mit leisem Blinken:
Noch vor Morgen wird dein Strahl
Endlich in sich selbst versinken!
Rausche, singe, schöner Fluß!
Dein Gesang wird fortbestehen;
Aber jede Welle muß
Endlich doch im Meer vergehen.
Nachtviolen süß und stark
Duftet ihr durch diese Lauben;
O, wie wißt das feinste Mark
Ihr der Erde schnell zu rauben!
Von der warmen Nacht geküßt,
Wißt ihr schnell es auszuhauchen,
Eh' ihr selber wieder müßt
Eure Köpflein untertauchen!
Aus dem tiefen blauen Raum
Perlt ihr leuchtend, goldne Sonnen,
Kommt und schwindet, wie ein Traum;
Doch gefüllt bleibt stets der Bronnen.
Und nur du, mein armes Herz,
Du allein willst ewig schlagen,
Deine Lust und deinen Schmerz
Ewig durch die Himmel tragen?
And're Blumen, and're Wellen,
And're Sterne, and're Herzen,
And're Freuden, and're Schmerzen
Werden unerschöpflich quellen.
Und, eh' wir noch gar verglommen,
Ganz uns auszulöschen kommen.
Ewig ist, begreifst es du,
Sehnend Herz? nur deine Ruh!