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Liebeslieder
Sie:
Guckst du mir denn immer nach,
Wo du nur mich findest?
Nimm die Äuglein doch in acht,
Daß du nicht erblindest!
Er:
Gucktest du nicht stets herum,
Würdest mich nicht sehen;
Nimm dein Hälschen doch in acht!
Wirst es noch verdrehen.
ist geboren am 26. April 1787 zu Tübingen. Besuchte nach der Gymnasialzeit die Universität seiner Heimatstadt, um sich dem juristischen Studium zu widmen. Seine ersten Gedichte erschienen in Seckendorffs Musenalmanach. 1815 erschien seine erste Gedichtsammlung bei Cotta. Heiratete 1820 und lebte in sehr glücklicher Ehe. Wurde 1829 zum außerordentlichen Professor der deutschen Literatur an die Universität Tübingen gewählt. Seine Studien auf dem Gebiete der Sagenforschung und Volksliederkunde waren bahnbrechend. Er starb am 13. November 1862.
Mein Liebchen liebt so treulich mich,
Erfreut mich alle Tage,
Sie zeigt am kleinen Fenster sich
Genau beim Stundenschlage.
Nur heute, wie ich lauschend tret'
Ans traute Gartenheckchen,
Da fehlt sie, doch am Fenster steht
Ihr schönstes Rosenstöckchen.
An jedem Abend geh' ich aus,
Hinauf den Wiesensteg.
Sie schaut aus ihrem Gartenhaus;
Es stehet hart am Weg.
Wir haben uns noch nie bestellt,
Es ist nur so der Lauf der Welt.
Ich weiß nicht, wie es so geschah,
Seit lange küss' ich sie.
Ich bitte nicht, sie sagt nicht ja,
Doch sagt sie nein auch nie.
Wenn Lippe gern auf Lippe ruht,
Wir hindern's nicht, uns dünkt es gut.
Das Lüftchen mit der Rose spielt,
Es fragt nicht: hast mich lieb?
Das Röschen sich am Taue kühlt,
Es sagt nicht lange: gib!
Ich liebe sie, sie liebet mich,
Doch keines sagt: ich liebe dich!
Gestorben war ich
Vor Liebeswonne;
Begraben lag ich
In ihren Armen
Erwecket ward ich
Von ihren Küssen;
Den Himmel sah ich
In ihren Augen.
Im Sommer such' ein Liebchen dir
In Garten und Gefild'!
Da sind die Tage lang genug,
Da sind die Nächte mild.
Im Winter muß der süße Bund
Schon fest geschlossen sein:
So darfst nicht lange stehn im Schnee
Bei kaltem Mondenschein.
Sie:
Guckst du mir denn immer nach,
Wo du mich nur findest?
Nimm die Äuglein doch in acht,
Daß du nicht erblindest!
Er:
Gucktest du nicht stets herum,
Würdest mich nicht sehen;
Nimm dein Hälschen doch in acht!
Wirst es noch verdrehen.
Ich hör' meinen Schatz,
Den Hammer er schwinget,
Das rauschet, das klinget,
Das dringt in die Weite
Wie Glockengeläute
Durch Gassen und Platz.
Am schwarzen Kamin,
Da sitzet mein Lieber,
Doch geh' ich vorüber,
Die Bälge dann sausen,
Die Flammen aufbrausen
Und lodern um ihn.
Auf eines Berges Gipfel,
Da möcht' ich mit dir stehn,
Auf Täler, Waldeswipfel
Mit dir herniedersehn;
Da möcht' ich rings dir zeigen
Die Welt im Frühlingsschein
Und sprechen: »Wär's mein eigen,
So wär' es mein und dein.«
In meiner Seele Tiefen,
O sähst du da hinab,
Wo alle Lieder schliefen,
Die je ein Gott mir gab!
Da würdest du erkennen,
Wenn Echtes ich erstrebt,
Und mag's auch dich nicht nennen,
Doch ist's von dir belebt.
Lebe wohl, lebe wohl, mein Lieb!
Muß noch heute scheiden.
Einen Kuß, einen Kuß mir gib!
Muß dich ewig meiden.
Eine Blüt', eine Blüt' mir brich
Von dem Baum im Garten!
Keine Frucht, keine Frucht für mich!
Darf sie nicht erwarten.
So soll ich nun dich meiden,
Du, meines Lebens Lust?
Du küssest mich zum Scheiden,
Ich drücke dich an die Brust.
Ach Liebchen, heißt das meiden,
Wenn man sich herzt und küßt?
Ach Liebchen, heißt das scheiden,
Wenn man sich fest umschließt?
Will ruhen unter den Bäumen hier,
Die Vöglein hör' ich so gerne.
Wie singet ihr so zum Herzen mir?
Von unsrer Liebe, was wisset ihr
In dieser weiten Ferne?
Will ruhen hier an des Baches Rand,
Wo duftige Blümlein sprießen.
Wer hat euch, Blümlein, hieher gesandt?
Seid ihr ein herzliches Liebespfand
Aus der Ferne von meiner Süßen?
Ich reit' ins finst're Land hinein,
Nicht Mond noch Sterne geben Schein,
Die kalten Winde tosen.
Oft hab' ich diesen Weg gemacht,
Wann goldner Sonnenschein gelacht
Bei lauer Lüfte Kosen.
Ich reit' am finstern Garten hin,
Die dürren Bäume sausen drin,
Die welken Blätter fallen.
Hier pflegt' ich in der Rosenzeit,
Wann alles sich der Liebe weiht,
Mit meinem Lieb zu wallen.
Erloschen ist der Sonne Strahl,
Verwelkt die Rosen allzumal,
Mein Lieb' zu Grab getragen.
Ich reit' ins finst're Land hinein
Im Wintersturm, ohn' allen Schein,
Den Mantel umgeschlagen.
So hab' ich nun die Stadt verlassen,
Wo ich gelebet lange Zeit;
Ich ziehe rüstig meiner Straßen,
Es gibt mir niemand das Geleit.
Man hat mir nicht den Rock zerrissen
(Es wär' auch schade für das Kleid),
Noch in die Wange mich gebissen
Vor übergroßem Herzeleid.
Auch keinem hat's den Schlaf vertrieben
Daß ich am Morgen weiter geh';
Sie konnten's halten nach Belieben,
Von
einer aber tut mir's weh.
O brich nicht, Steg, du zitterst sehr!
O stürz nicht, Fels, du dräuest schwer!
Welt, geh nicht unter, Himmel, fall' nicht ein,
Eh ich mag bei der Liebsten sein!
Deine Augen sind nicht himmelblau,
Dein Mund, er ist kein Rosenmund,
Nicht Brust und Arme Lilien.
Ach, welch ein Frühling wäre das,
Wo solche Lilien, solche Rosen
Im Tal und auf den Höhen blühten
Und alles das ein klarer Himmel
Umfinge, wie dein blaues Aug'!
Die Stelle, wo ich auf verschlung'nen Wegen
Begegnete dem wunderschönen Kinde,
Das, leicht vorübereilend mit dem Winde,
Mir spendete des holden Blickes Segen,
Wohl möcht' ich jene Stelle liebend hegen,
Dort Zeichen graben in des Baumes Rinde,
Mich schmücken mit der Blumen Angebinde,
Zu Träumen mich in kühle Schatten legen;
Doch so verwirrte mich des Blickes Helle,
Und so geblendet blieb ich von dem Bilde,
Daß lang' ich wie ein Trunk'ner mußte wanken
Und nun mit allem Streben der Gedanken
Sowie mit allem Suchen im Gefilde
Nicht mehr erforschen kann die teure Stelle.
Der schöne Schäfer zog so nah'
Vorüber an dem Königsschloß;
Die Jungfrau von der Zinne sah,
Da war ihr Sehnen groß.
Sie rief ihm zu ein süßes Wort:
»O dürft' ich gehn hinab zu dir!
Wie glänzen weiß die Lämmer dort,
Wie rot die Blümlein hier!«
Der Jüngling ihr entgegenbot:
»O kämest du herab zu mir!
Wie glänzen so die Wänglein rot,
Wie weiß die Arme dir!«
Und als er nun mit stillem Weh
In jeder Früh' vorübertrieb,
Da sah er hin, bis in der Höh'
Erschien sein holdes Lieb.
Dann rief er freundlich ihr hinauf:
»Willkommen, Königstöchterlein!«
Ihr süßes Wort ertönte drauf:
»Viel Dank, du Schäfer mein!«
Der Winter floh, der Lenz erschien,
Die Blümlein blühten reich umher;
Der Schäfer tät zum Schlosse ziehn,
Doch sie erschien nicht mehr.
Er rief hinauf so klagevoll:
»Willkommen, Königstöchterlein!«
Ein Geisterlaut herunterscholl:
»Ade, du Schäfer mein!«
Es zogen drei Bursche wohl über den Rhein,
Bei einer Frau Wirtin, da kehrten sie ein:
»Frau Wirtin, hat sie gut Bier und Wein?
Wo hat sie ihr schönes Töchterlein?« –
»Mein Bier und Wein ist frisch und klar.
Mein Töchterlein liegt auf der Totenbahr'.«
Und als sie traten zur Kammer hinein,
Da lag sie in einem schwarzen Schrein.
Der erste, der schlug den Schleier zurück
Und schaute sie an mit traurigem Blick:
»Ach, lebtest du noch, du schöne Maid!
Ich würde dich lieben von dieser Zeit.«
Der Zweite deckte den Schleier zu
Und kehrte sich ab und weinte dazu:
»Ach, daß du liegst auf der Totenbahr'!
Ich hab' dich geliebet so manches Jahr.«
Der dritte hub ihn wieder sogleich
Und küßte sie an den Mund so bleich:
»Dich liebt' ich immer, dich lieb' ich noch heut
Und werde dich lieben in Ewigkeit.«
Laßt euch pflücken, laßt euch pflücken,
Lichte Blümlein, meine Lust!
Denn ihr sollet lieblich schmücken
Meiner schönsten Fürstin Brust.
Glühet purpurn nach der Süßen,
Äugelt blau empor zu ihr!
Ach! ihr müßt es endlich büßen,
Sinken ohne Glanz und Zier.
Einst auch glühten meine Wangen,
Meine Augen hin nach ihr:
Nun ist alles Rot vergangen,
Aller blaue Schimmer mir.
Ich geh' all Nacht die Runde,
Um Vaters Hof und Hall',
Es schlafen zu dieser Stunde
Die trägen Wächter all'.
Ich Fräulein zart muß streifen,
Ohn' Wehr und Waffen schweifen,
Den Feind der Nacht zu greifen.
O weh' des schlimmen Gesellen!
Nach Argem steht sein Sinn;
Würd' ich nicht kühn mich stellen,
Wohl stieg' er über die Zinn'.
Wann ich denselben finde,
Wie er lauert bei der Linde,
Ich widersag' ihm geschwinde.
Da muß ich mit ihm ringen,
Allein die Nacht entlang;
Er will mich stets umschlingen
Wie eine wilde Schlang'.
Er kommt vom Höllengrunde,
Wie aus ein's Drachen Schlunde
Gehn Flammen aus seinem Munde.
Und hab' ich ihn überwunden,
Halt' ihn im Arme dicht:
Doch, eh' die Sterne geschwunden,
Entschlüpft mir stets der Wicht.
Ich kann ihn niemand zeigen,
Muß meinen Sieg verschweigen
Und mich in Trauer neigen.
Vom Feuer, das in Liebenden sich dränget,
Wie Ebb' und Flut, vernehmt geheime Kunde!
Sind sie getrennt, so bleibt es tief im Grunde
Des sehnsuchtsvollen Herzens eingeenget.
Nur Widerschein der Glut, die innen senget,
Gelangt zum dunkeln Aug' und bleichen Munde,
Bis nun erscheint des Wiedersehens Stunde,
Wo sich das Feuer aus der Tiefe sprenget.
Wie erst mit heißen Blicken sie sich grüßen!
Wie beider lang verhalt'ne Flammen streben,
Sich zu vereinen durch das Spiel der Augen!
Bald senken sich die Wimpern, um in Küssen
Noch tiefer eins des andern glühend Leben
Aus Lippen, als aus Augen, einzusaugen.