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Max Bewer

»Goethe«

Reifer Sohn der reifen Sonne,
Der in Glanz die Welt getaucht,
Wie des Sommers warme Wonne
Golden jede Frucht umhaucht,
Als ein Sinnbild der Erfüllung
Bot dich uns die Allmacht dar,
Der als Schaffender Enthüllung
Uns des Geistes Gottes war!

In Spinozas Allgedanken
Hat sich früh dein Sinn verträumt,
Bis er sah des Himmels Schranken
wie durch Zauber fortgeräumt;
Alles schauend, alles liebend.
Wurdest du zum Gott belebt,
Wie der Springquell, der zerstiebend
Wieder auf zum Aether strebt!

Am Gestein in Bergesschluchten,
An den Blumen auf der Flur,
An den Wäldern, an den Buchten
Hing dein Blick an der Natur,
Aber tiefer noch ins Leben
Drängest du der Seelen ein,
Bis das heimlichste Erbeben
Ward ein Teil von deinem Sein!

Spiegel jeder Weltgestaltung,
Echo jeder Qual und Lust,
Stieg in schönerer Entfaltung
Neu die Welt aus deiner Brust;
Dunkle Rätsel wurden klarer,
Worte fand das stummste Leid,
Wundersamer Offenbarer
Du der tiefsten Menschlichkeit!

Mancher Jüngling, der geduldet,
Tröstete an Werther sich,
Manches Mädchen, gramverschuldet,
Gretchen, nannte Schwester dich,
Helden, ihres Volkes Lenker,
Lehrte Götz das rechte Wort,
Und als Faust setzt mancher Denker
Abends still dein Träumen fort!

Inhalt gabst du jedem Leben,
Der das Tote selbst beseelt,
Ließest Königstöchter schweben
Wo nur Erlennebel schwält;
Perlend um den Fischer kräuselnd,
Sang das Wasser selbst im Ried,
Und in Wipfeln sanft versäuselnd
Ward der Wind zum Abendlied! ...

Webend stets an neuem Werke,
Unerschöpflich gabenreich,
Hob in höchster Daseinsstärke
Sich dein Haupt prometheusgleich:
Gott voll Trotz ins Auge schauend,
Hast du ganz dein Glück gestillt,
Droben er, ein Weltall bauend,
Drunten du, sein Ebenbild!

Plötzlich schlug ein Adlerrauschen
An dein weltverliebtes Ohr,
Und in atemlosem Lauschen
Staunte ernst dein Blick empor,
Strahlend flog an deiner Seite
Schiller zu den Sternen auf,
Und du gabst ihm das Geleite
Bis zum Saum der Welt hinauf!

Heiter, wie vom Zeus vollendet,
Thronest nun in Wolken du,
Und wohin dein Haupt sich wendet,
Trägt es des Olympos Ruh,
Und es folgen deine Blicke
Sanft voll ruhiger Geduld
Jedem irdischen Geschicke,
Jedem Glück und jeder Schuld!

Und von deinen Lippen fallen
Worte, weise, mild und licht,
Wie wenn aus des Himmels Hallen
Liebevoll ein Vater spricht:
Edel, gut und hilfreich formen
Möchte uns dein Gottgebot,
Daß in menschlich sanften Normen
Mildre sich des Daseins Not!

Und dann sinken deine Pfade
wieder ganz der Erde zu,
Wie die Sonne am Gestade
Taucht dein Geist in Weltenruh,
Fern am Strand dem tät'gen Volke
Sprichst du noch ein Segenswort,
Bis dich eine Abendwolke
Traumvoll trägt zum Vater fort!

Seliger, der so vollendet
Und in seines Lebens Bahn
Bildend uns ein Bild gespendet.
Nach dem höchsten Schöpferplan:
Der als Erdensohn geboren,
Doch den Weg der Sonne fand,
Der uns von des Himmels Toren
Glanz und Wärme zugesandt!

Und wenn wieder auch von Erden
Dich der Allverwandler nahm,
Muß zum Brot die Frucht doch werden,
Die aus deinem Samen kam;
Denn so wahr dein Geist bewundert
Drang in tausend Seelen ein,
Wird das herrschende Jahrhundert
Ein Jahrhundert Goethes sein!

Abend am Rhein

Einmal in den grünen Bergen
Stehet noch die Sonne still,
Weil sie vor dem Untergehen
Dich noch einmal grüßen will,
König aller Erdenströme,
Kühler, tiefer, stolzer Rhein,
Sollst von ihren goldnen Strahlen
Einmal noch durchatmet sein!
Und so stehn auch wir und heben
Unsre grünen Römer hoch,
Einmal seien deine Reben,
Edler Rhein, gesegnet noch,
Siehe, deine Fluten malen
Wunderbar sich grün und gold,
So wie ietzt in unsren Schalen
Dein geheiligt Feuer rollt!

Und es wird ein stilles Beten
Tief in unsren Seelen wach,
Eh' die dunkle Nacht sich neiget,
Töne fromm ein Lied dir nach,
Friede soll dein Bett umschweben,
Vater unser, Vater Rhein,
Horch, der Himmel betet mit uns,
Ferne Glocken stimmen ein!

In uns

Laß dem Himmel seine Sterne,
Seine Wolken, seinen Wind,
Seine Sonne, seine Engel,
Wenn nur wir beisammen sind,
Du und ich und niemand anders,
Und kein Laut in Wald und Feld,
Nichts ist süßer, als zu fühlen:
Auch in uns ist Gottes Welt ...

An einem Herzen

Klagt ich mein Leid den Winden,
Sie trugen es ruhig fort,
Klagt ich mein Leid den Sternen,
Sie blieben an ihrem Ort;
Klagt ich mein leid dem Vater,
Der droben alles kann,
Hoch in den Wolkenfernen
Sah er mich schweigend an!
Doch als ich dir vertraute,
Was mir die Welt geschickt,
Hast du mit tapfren Armen
Mich an dein Herz gedrückt!

Liebe auf Erden

Es kommt die Liebe wie ein Blitz,
Sie kommt auch still gegangen,
Sie nimmt von uns im Sturm Besitz,
Sie tut es auch mit Bangen:
Hell kann sie wie ein Sonnenblick
In unser Dasein scheinen,
Und oft verrät ihr tiefes Glück
Nur ein verhaltnes Weinen ...
Ein Sturm, ein Strahl, ein Regen mild,
So naht sie uns auf Erden,
Weil uns gegeben soll ein Bild
In ihr vom Himmel werden!

 


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