Armand (Friedrich Strubberg)
Saat und Ernte
Armand (Friedrich Strubberg)

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Viertes Kapitel.

Es war ein prächtiger Morgen, das Meer zeigte sich in seiner besten Laune und rollte seine schaumgekrönten Wogen wie krystallene Berge rauschend dahin, und die beiden Abenteurer saßen mit hochfahrenden Hoffnungen für das Gelingen ihrer Unternehmung beisammen auf dem Verdeck über der Kajüte und ließen ihre offene Brust von der erfrischenden Seeluft umspielen.

»Wenn wir nur Vorrath von Negern an der Küste finden, sodaß wir nicht zu lange in der Höllenglut zu verweilen brauchen, welche auf den engen, von Wald eingeschlossenen Buchten liegt; man wird dort von Mosquitos aufgefressen«, sagte Holcroft zu seinem Gefährten.

»Daran soll es wohl nicht fehlen«, entgegnete Harry, »denn wie ich hörte, ist der Sklavenhandel im vergangenen Jahre bedeutend gewesen, und der Verdienst, der dadurch jenen schwarzen Häuptlingen und Königen zugeflossen, hat sie sicher gereizt, in diesem Jahre ein noch besseres Geschäft zu machen.

»Gerade aus diesem Grunde fürchte ich, daß die Neger rar sind. Das letzte Jahr hat Afrika nahe an dreimalhunderttausend Wollköpfe gekostet, wenn auch vielleicht kaum ein Sechstel dieser Zahl die Küste von Amerika erreicht hat. Die Sklavenhändler in Nord- und Südamerika schließen Contracte mit den Plantagenbesitzern ab, wonach sie denselben eine gewisse Anzahl Sklaven zu liefern haben. Sie senden ihre Schiffe nach Afrika, dieselben werden dort mit schwarzem Fleisch beladen und treten ihre Rückreise an. Fällt nun die Ladung in die Hände eines Kreuzers, oder wird sie bei Annäherung eines solchen schnell über Bord geworfen, um die Schiffsmannschaft vor dem Aufhängen zu bewahren, so befreit dies den Sklavenhändler in Amerika nicht von seinen eingegangenen Contracten mit den Pflanzern, er muß die bestimmte Zahl Neger liefern und einen neuen Versuch machen, solche sich zu verschaffen. Jetzt werden Kosten gespart, alte, zerbrechliche Schiffe werden benutzt, die Neger werden enger zusammengepackt, um mit demselben Geld die doppelte Zahl zu erhalten und dadurch den Verlust an der vorigen Ladung zu decken. Darum, je mehr Neger die Engländer und Spanier vor der Sklaverei in Amerika bewahren, um sie in ihren eigenen Colonien jahrelang als Sklaven arbeiten zu lassen und dann das schön klingende Wort »frei«

über sie auszusprechen, anstatt sie gleich bei Empfangnahme in ihr Vaterland zurückzubringen, desto mehr Neger werden von Afrika abgeholt, denn die Contracte müssen ausgeführt werden, koste es, was es wolle. Im letzten Jahre sind die Engländer sehr glücklich gewesen, und das ist die Ursache, daß in diesem Jahre das Geschäft mit aller Gewalt betrieben werden wird. Der Bedarf von fünfzigtausend Sklaven kann Afrika immer eine halbe Million Köpfe kosten, weil die Engländer nicht die Küsten bewachen, damit die Sklavenschiffe nicht auslaufen können, sondern weil sie ihnen weit draußen in dem Ocean auflauern, um ein gutes Geschäft dabei zu machen.«

Hier unterbrach sich Holcroft in seiner Rede, um ein paar Züge aus seiner Cigarre zu thun, und fuhr dann fort:

»Sehen Sie, Williams, das nennt man im Großen und unter dem Scheine des Rechts, der gepriesenen Menschlichkeit auf Kosten seiner Mitmenschen leben, und wenn unsereins einmal ein gutes Geschäftchen macht, wobei er Witz und Talent entfaltet, dann schreit die ganze Welt Mordio, während man auf der andern Seite die Engländer noch hochpreist für die Humanität, daß sie sich für jeden gefangenen Neger fünfundzwanzig Dollars Kopfgeld berechnen, welches derselbe als

Freiheitscandidat fern von seiner Heimat in einer englischen Colonie abverdienen muß, um nachher als freier Mann das Sklavenleben dort bis an sein Ende fortzuführen. Aber schauen Sie sich doch einmal nach Brasilien um, die schönen blauen Berge verschwimmen schon in dem Duft der Ferne.«

»Ich wollte, wir steuerten mit voller Ladung schon wieder diesen Bergen entgegen«, versetzte Harry, nach der Küste zurückblickend.

»Der Wunsch ist kein weiser, junger Freund«, fiel Holcroft ein, »denn mit seiner Erfüllung hätten Sie schon so viele Monate mehr von Ihrer kurzen Lebenszeit hinter sich liegen. Man muß niemals die Zukunft herbeiwünschen und sich vorwärts sehnen, oder man versäumt die Gegenwart zu genießen, die einzig und allein einen wirklichen Werth für uns Menschen hat. Ich sehne mich nie nach einer spätern Zeit.«

»Hoho, Freund Holcroft! Ich möchte wohl wissen, wonach Sie sich gesehnt haben, als Sie hungrig und durstig in dem Boote auf der See umhertrieben! Ich sollte denken, Sie hätten wohl nach der Zukunft verlangt. Ich wenigstens bekenne, daß ich während meines muntern Spazierritts durch das Meer auf meinem hölzernen Pferde, dem Bret, mich sehr nach einer Zukunft gesehnt in der ich eine gut besetzte Tafel, eine Flasche

Madeira und nachher ein gutes Bett zu meiner Verfügung haben würde.«

»Ganz recht!« lachte Holcroft auf. »Wenn einem das Feuer so sehr unter den Sohlen brennt, dann mag man schon etwas eilen, im gewöhnlichen Leben ist es aber nicht weise.«

»Und wenn ich meine Weisheit noch so sehr dadurch an den Pranger stelle, so leugne ich es doch nicht ab, daß ich mich sehr nach dem Mittagsessen sehne, um den Champagner zu versuchen, den ich mitgenommen habe«, fuhr Harry lachend fort.

»Warum nicht die Gegenwart nützen und den Champagner jetzt versuchen?« antwortete Holcroft und rief dem Kajütendiener zu, eine Flasche davon heraufzubringen.

Mit immer vollen Segeln und unter ungetrübtem blauen Himmel eilte die Tcresa Woche auf Woche dahin, ohne ihren Curs zu ändern und ohne einem andern Fahrzeuge zu begegnen, bis plötzlich eines Morgens der wachthabende Matrose im Mastkorbe die Schiffsmannschaft aus ihrer nachlässigen Ruhe aufjagte und ein Segel im Süden anmeldete. Alle hefteten ihre Blicke spähend nach dem weißen Pünktchen, welches so eben am Horizont über der See auftauchte, und Holcroft sprang mit dem Fernrohr in der Hand nach dem

Mastkorb hinauf, um sich über den Charakter des Schiffes Sicherheit zu verschaffen. Nach wenigen Minuten schon hatte er dies gethan und stieg mit dem Rufe: »Ein englischer Kreuzer!« eilig wieder auf das Verdeck herab.

»Wenn der Engländer uns anruft, um zu uns an Bord zu kommen, so müssen sich zehn Mann von Euch in ihre Betten verkriechen«, sagte Holcroft mit unveränderter Ruhe zu der ungewöhnlich zahlreichen Mannschaft und wandte sich dann scherzend mit den Worten zu Harry:

»Kapitän Jones, ich habe große Lust, Sie mit dem Commando über mein Schiff zu belästigen; solche ungebetene Gäste bewirthe ich nicht gern in eigener Person.«

»Ich werde mich sehr dadurch geschmeichelt fühlen, Kapitän Holcroft«, entgegnete Harry in gleicher Weise mit einer Verbeugung und folgte demselben in die Kajüte.

»Bleiben Sie nur ganz ruhig, wenn der Kerl an Bord kommt, lieber Williams«, sagte Holcroft, indem er die beiden Blechbüchsen, mit den Schiffspapieren aus einem Koffer hervornahm.

»Seien Sie unbesorgt, Kapitän«, erwiderte Harry lächelnd, »ich, werde meinen Posten gut ausfüllen.« Die Büchse, welche die Papiere mit dem Schiffsnamen Teresa enthielt, wurde nun an ein Seil gebunden, dessen anderes Ende hinten am Schiffe und zwar unter dem Wasserspiegel befestigt war. Nachdem Holcroft den Knoten des Seils nochmals betrachtet hatte, warf er die Büchse zum Fenster hinaus in die See, wo sie sofort versank. Dann nahm er die Papiere mit dem Namen Clara, Kapitän Jones, aus dem andern Blechverschluß und legte sie zum bevorstehenden Gebrauch in das Schreibpult, das auf dem Tische stand.

»So«, sagte er, »nun mag der Bursche kommen, er wird die Clara auf gesetzlichem Wege finden. Streifen Sie jetzt aber Ihre Haut ab, Williams, und ziehen Sie den Kapitän Jones an, ich werde mich schnell zum Matrosen degradiren.«

Nach wenigen Minuten hatte Harry die Seemannstracht angelegt, sein schön geordnetes Haar verwirrt, die glänzenden Locken aus seinem Bart gekämmt und statt seiner gewohnten vornehmen Haltung eine mehr nachlässige, gleichgültige angenommen.

»Ich habe die Ehre, Ihnen Ihren fliegenden Kapitän vorzustellen«, sagte er, zu Holcroft tretend.

»Vortrefflich, wie er im Buche steht«, entgegnete dieser lachend, indem er seinen Matrosenhut aufsetzte. »Nun lassen Sie uns auf das Verdeck gehen und unsere Rollen spielen.«

Dort trat Holcroft zu der Mannschaft, um ihr noch weitere Verhaltungsbefehle zu ertheilen, und nahm dann das Fernglas wieder zur Hand, durch welches er den rasch näher kommenden Kreuzer nun fest beobachtete.

Nach einer Weile sagte er zu Harry, der neben ihm saß:

»Treten Sie hinauf, auf das obere Verdeck, sodaß der Engländer Sie durch sein Glas als Kapitän befehlen sieht, und lassen Sie die amerikanische Flagge aufziehen, denn er hat so eben durch die seinige angezeigt, daß er uns zu sprechen wünscht.«

Harry that, wie ihm Holcroft gesagt, und begleitete seine Befehle mit Hand- und Armbewegungen. Als die Flagge sich im Winde entfaltet hatte, wurden Segel eingenommen und die Brigg ein wenig in den Wind gebracht, sodaß sie, ohne vorwärts zu kommen, sich auf den Wellen schaukelte. Der Kreuzer kam jetzt rasch heran und nach Verlauf einer halben Stunde legte er sich in Schußweite neben die Brigg.

»Wo kommen Sie her?« rief ihm Harry jetzt mit kräftiger Stimme durch das Sprachrohr zu.

»Seiner Majestät Kutter Growler auf einer Beobachtungsfahrt!« antwortete der befehlende Offizier des Kreuzers und stieg dann in das Boot hinunter, welches während dieser Zeit in das Wasser hinabgelassen worden.

Nach einigen Minuten erreichte dasselbe die Brigg, der commandirende Lieutenant erstieg deren Verdeck. Harry trat ihm höflich entgegen und sagte: »Seien Sie willkommen auf der amerikanischen Brigg Clara, deren Kapitän ich bin; mein Name ist Jones.«

»Wohin bestimmt?« fragte der Offizier gleichfalls höflich.

»Nach der Goldküste, um von da eine Ladung Elfenbein, Oel und Hölzer nach Boston zu bringen«, erwiderte Harry. »Wollen Sie meine Papiere nachsehen?«

»Es ist dies meine Pflicht, Kapitän Jones, ich bedauere aber sehr, wenn Ihnen mein Besuch unangenehm sein sollte«, entgegnete der Offizier mit Artigkeit.

»Keineswegs, Herr Lieutenant. Der Besuch eines wirklichen Gentleman kann mir nur angenehm und erfreulich sein. Ich bitte, treten Sie ein«, sagte Harry und ließ den Offizier vor sich her in die Kajüte treten. Dort nahm er die Papiere aus dem Pult, legte sie dem Engländer zur Einsicht vor und ließ dann eine Flasche Madeira und zwei Gläser bringen.

»Es ist gegen meine Instruction, hier etwas zu genießen, Kapitän Jones«, sagte der Offizier, auf den Wein schauend.

»Ich dachte, nachdem Sie mein Schiff untersucht und dasselbe auf gesetzlichem Wege befunden hätten, würden Sie mir die Freude machen, zum Abschied und auf eine glückliche Reise ein Glas mit mir zu leeren. Doch will ich Sie nicht nöthigen«, sagte Harry, die Flasche wieder aus der Hand setzend.

»Nun, es wird kein großes Verbrechen sein, mit einem so artigen Amerikaner, wie Sie es sind, zu trinken; ich nehme ein Glas Madeira an«, versetzte der Engländer. Harry füllte die Gläser und beide leerten dieselben auf glückliche Reise.

»Ihre Papiere sind in Ordnung«, sagte der Offizier dann, indem er dieselben zusammenlegte.

»So werde ich Ihnen nun die leeren Räume in meinem Schiffe zeigen«, nahm Harry das Wort und rief zur Kajüte hinaus, daß man die Luken öffnen solle. Dann ließ er den Lieutenant wieder vor sich her auf das Verdeck hinaustreten, führte ihn an die Oeffnung, die in das untere Schiff zeigte, und sagte:

»Ist's gefällig hinabzusteigen?«

»Nein, nein, Kapitän Jones, es ist Alles in Ordnung, nur mußte ich die Form wahren. Ich bitte den kleinen Zeitverlust zu entschuldigen, den ich Ihnen verursacht habe. Nochmals glückliche Reise!« antwortete der Offizier und reichte Harry die Hand zum Abschied, dieser aber zog schnell eine Cigarrentasche aus dem

Rocke hervor, hielt sie dem ungebetenen Gaste hin und sagte: »Eine Cigarre auf den Weg, Herr Lieutenant.«

Derselbe bediente sich dankend, empfing von Harry Feuer und stieg dann mit den Worten in sein Boot hinab:

»Ich lebe der Hoffnung, Kapitän Jones, Ihnen auf Ihrer Rückreise wieder zu begegnen, was mir eine große Freude sein würde.«

»Mir gleichfalls, Herr Lieutenant. Auf Wiedersehen!« rief ihm Harry, sich über die Brüstung neigend, zu und winkte ihm noch wiederholt seine Grüße nach.

Während der Engländer nach seinem Kutter zurückfuhr, waren die Segel des Sklavenschiffs wieder gefüllt, dasselbe in seinen Curs zurückgebracht, und mit aller Eile glitt es Woge auf Woge nieder von seinem Feinde hinweg.

»Bravo, Kapitän Jones!« rief Holcroft seinem fliegenden Kapitän lachend zu. »Sie haben Ihre Probe vortrefflich bestanden, ich lade mich aber nun bei Ihnen zu Gaste zu dem Weine, den Sie noch übrig gelassen haben. Wenn Seine Majestät nur immer so artige Leute zum Kreuzen aussenden wollte!«

Hiermit nahm er Harry beim Arm, schaute noch einmal in die Segel hinauf, rief dem Manne am

Steuer zu, dieselben steif gefüllt zu halten, und begab sich dann mit seinem jungen Freunde in die Kajüte, wo sie auf die Gesundheit und Leichtgläubigkeit des Engländers die angebrochene Flasche leerten.

Noch während mehrerer Tage schaukelte sich die Brigg der Küste immer näher und lief dann an einem frühen Morgen in eine zu beiden Seiten dicht bewaldete Bucht ein, an deren Ufern der Hauptsammelplatz für den Sklavenhandel war.

Kaum zeigte sich das Fahrzeug in der Bucht, als dessen Kapitän von beiden Ufern her durch viele schwarze Agenten der Sklavenbesitzer angerufen wurde, von denen ein jeder die besten und billigsten Neger zu verkaufen haben wollte. Bald darauf kamen sie in Booten herangefahren, um das Schiff zu besteigen. Holcroft aber wies sie zurück und versprach am folgenden Tage an das Land zu kommen, um ihre Waare in Augenschein zunehmen.

Die geheimen, künstlich verborgenen Räume unter der Kajüte wurden jetzt geöffnet, acht Kanonen und eine große Zahl von Gewehren, Säbeln, Pistolen und Handäxten daraus hervorgenommen und Schiff und Mannschaft damit bewaffnet. Zugleich zog man die unter Ballast versteckten Faßstäbe heraus, um für die Menschen die nöthigen Wasserfässer daraus zusammen zustellen, und endlich holte man die Ketten und Handschellen aus den Verstecken hervor, um die Sklaven daran zu befestigen. Während des ganzen Abends umschwärmten die Agenten in ihren Booten das Schiff, um dem Kapitän Früchte, frisches Fleisch und andere Lebensmittel zu bringen und sich in dessen Gunst einander den Rang abzujagen.

Am folgenden Morgen begab sich Holcroft, von Harry und einigen bis an die Zähne bewaffneten Männern begleitet, an das Land, um die angepriesene Waare in Augenschein zu nehmen. In allen Richtungen lagen in dem Schatten der Bäume mehr oder weniger zahlreiche Gruppen von gefangenen Schwarzen beiderlei Geschlechts und verschiedenen Alters hingestreckt wie Schlachtvieh, welches von seinen Eigenthümern zum Verkauf ausgeboten wird. Sie waren vermittelst Baststricken in größerer oder geringerer Zahl an einander gebunden und schienen unter ihren Fesseln heftige Schmerzen zu leiden, denn sie zuckten oft mit den Gliedern und suchten die Knoten der Stricke zu lockern. Weh und Leid lag auf ihren schwarzen Gesichtern und ihre finstern, starren Blicke verriethen den Grad von Unglück, wo es kein tieferes gibt, wo jede Hoffnung aufgehört hat. Die größere Zahl von ihnen schien in ihr gräßliches Schicksal ergeben zu sein und nur hier und dort flammte ein Auge in unterdrückter Wuth, in wilder Verzweiflung auf.

Die Agenten, denen die Gefangenen zum Verkauf übergeben waren, drängten sich zu Holcroft heran und jeder derselben wollte seine Waare zuerst verkaufen. Sie ließen die Sklaven aufstehen oder peitschten sie auf, wenn sie nicht gleich ihrem Befehle folgten, und priesen dann bei den Männern deren kräftige Muskeln und starke Knochen, bei den Weibern deren volle üppige Formen und schlanke, geschmeidige Gestalten.

Holcroft ging, ohne zu kaufen, von einem Lager zum andern, um die Forderungen der Agenten noch mehr herunter zu drücken, bis sie auf den Durchschnittspreis von zwanzig Dollars für das Stück herabgekommen waren. Dann begann er auszuwählen, ließ den gekauften Sklaven die Stricke abnehmen und dagegen die weniger schmerzhaften Handschellen anlegen und ließ sie in Zügen von zehn Stück an einander gekettet nach der Brigg treiben. In deren untern Räumen wurden sie nun neben einander an die Wände oder an den Fußboden festgeschlossen, sodaß jeder Platz benutzt wurde. Sechs Tage lang dauerte der Handel, denn täglich kamen neue Züge von Gefangenen zum Verkauf an, am siebenten Tage aber war die Brigg mit zweihundert und achtzig Sklaven beladen, der höchsten Zahl, die das Schiff zu fassen vermochte. Während dieser Zeit war für die Reise hinreichend Wasser eingenommen worden, Früchte waren in Massen auf dem Verdeck untergebracht und Alles stand zur Abreise in Bereitschaft. Die Sonnenhitze war trotz des über dem Verdeck aufgespannten Segeltuchs fast unerträglich, entsetzlich aber die Glut in den untern Räumen des Schiffes, wo die vielen Menschen zusammengedrängt saßen und wohin keine Bewegung der Luft gelangen konnte. Das Stöhnen und Wehklagen der Gefangenen war herzzerreißend, dennoch blieb Holcroft noch während des ganzen Tages in der Bucht liegen, und erst als die Abenddämmerung einbrach, lichtete er die Anker und trieb in die See hinaus. Alle Luken und Luftlöcher wurden geöffnet, sodaß der Seewind in das Schiff eindringen konnte, dessenungeachtet fand man am folgenden Morgen drei Negerinnen infolge der großen Hitze entseelt an ihren Ketten liegen.

Alle Segel, welche die Brigg tragen konnte, waren jetzt aufgezogen, die Kanonen geladen und die Mannschaft zu einem Kampfe auf Tod und Leben vorbereitet.

»Der fliegende Kapitän hat jetzt ausregiert«, sagte Holcroft zu seinem Zögling. »Und wenn Ihr Freund, der Engländer, uns wieder begegnet, so wird ihm Kapitän Holcroft statt der amerikanischen Flagge die blutrothe Fahne der Sklavenhändler und Piraten zeigen.

Mit dem Durchlügen ist es vorbei, jetzt heißt es durchgefochten. Dies ist die Seite des Sklavenhandels, die mich reizt und mich immer wieder in denselben hineingezogen hat; mit voller Ladung den Ocean zu durchziehen und jeder Gewalt offen die Stirn zu bieten, darin liegt für mich Begeisterung und Poesie.«

»Offen gestanden, Holcroft, ist mir die andere Seite bei weitem interessanter, und ich hoffe, daß mein Freund und seine Kameraden uns mit ihrem angenehmen Besuch verschonen werden. Es wäre doch kein Spaß, wenn sie uns in den Grund bohrten«, entgegnete Harry und ließ seinen Blick um den Horizont wandern.

Die Hoffnung Harry's sollte in Erfüllung gehen, denn Woche auf Woche verstrich, ohne daß sich ein Segel zeigte, und kaum war ein Monat verflossen, als die Brigg sich nur noch wenige Tagereisen von der Küste Brasiliens befand,

Die Sklaven hatten sich nach und nach in ihre Lage gefunden und wurden des Morgens und des Abends in Abtheilungen auf das Verdeck gelassen, damit sie die erfrischende Seeluft genießen sollten. Nur einzelnen von ihnen, die immer noch bösen Willen gezeigt hatten, war diese Gunst vorenthalten worden. Unter ihnen befand sich ein ungewöhnlich schöner junger Mann von athletischem Körperbau und stolzer Haltung, der niemals ein Zeichen von Freundlichkeit und Fügsamkeit gegeben hatte. Er war ein mächtiger Häuptling in seinem Vaterlande gewesen, weshalb man ihm auf dem Schiffe den Namen Fürst gegeben hatte.

Es war an dem Abend, als die Ufer Brasiliens zuerst aus dem Meere auftauchten und die Sonne in ihrem Purpur hinter ihnen versinken wollte, da sagte Holcroft zu dem ersten Steuermann:

»Laßt den Fürst doch einmal heraufkommen, damit er seine neue Heimat sieht; ihr Anblick stimmt ihn vielleicht freundlicher.«

Wenige Minuten später trat der schöne Mann aus der Luke hervor auf das Verdeck. Er stand hoch aufgerichtet und ließ seinen Blick über das Meer schweifen, als Holcroft ihm zurief und nach dem Lande hinzeigte. Der Schwarze folgte mit seinen großen schwarzen Augen der Richtung, schlug stolz die Arme unter, daß die Ketten rasselten, trat festen Schritts an die Brüstung und sprang in hohem Bogen über dieselbe hinaus. Gerade und aufrecht mit untergeschlagenen Armen, wie er gestanden hatte, schoß er hinab in das Meer, um nie wieder aufzutauchen.

Die Männer, die zugesprungen waren, um ihn zurückzuhalten, standen sprachlos da und schauten auf die See hinab, und einige Minuten verstrichen, ohne daß ein Wort, ein Laut auf dem Verdeck hörbar wurde, dann sagte Holcroft:

»Ein stolzer Bursche, wahrhaftig! Ich würde dasselbe gethan haben!«

»Schade um ihn«, bemerkte Harry, »er war ein bildschöner Mann!«

Am folgenden Morgen waren die Berge bei Rio Janeiro deutlich zu erkennen, und Holcroft gab nun dem Schiffe eine mehr südliche Richtung, in welcher er mit vollen Segeln dem Lande zusteuerte. Gegen Mittag schon lief die Brigg südlich von der Kaiserstadt in eine Bucht ein, welche sich eine Meile weit in das Land erstreckte und in deren Mitte sie vor Anker gelegt wurde. Holcroft spähte während einiger Stunden vergebens nach dem Ufer hin, um Salerio dort erscheinen zu sehen, bis derselbe sich endlich mit seinen Leuten zeigte, und nun wurden sofort Anstalten gemacht, die Ladung an das Land zu bringen. Die Boote wurden ausgesetzt, die Sklaven in Abtheilungen an einander gekettet in die Kähne geführt und mit aller Eile an das Ufer gerudert, wo Salerio sie in Empfang nahm.

Schon versank die Sonne hinter den Bergen, als sämmtliche Sklaven, welche die Fahrt überlebt hatten, zweihundertundsechzig an der Zahl, gelandet waren und durch Salerio weiter in das Innere getrieben wurden. Holcroft mit Harry und sämmtlicher Mannschaft hatte gleichfalls das Ufer erreicht, er sandte aber einige von seinen Leuten nach der Brigg zurück, um mit ihr jeden Nachweis von dem gelungenen Geschäfte zu vernichten. Nach Verlauf von einer Viertelstunde schlugen die Flammen aus dem Schiffe hervor, und bald stand auf der glatten dunkeln Flut eine hohe Feuersäule, die prasselnd zum Himmel aufwirbelte und sich tief in dem Wasser spiegelte. Auch das Boot, in welchem die Matrosen an das Land zurückkehrten, wurde versenkt, und dann trat die ganze Mannschaft ihre Wanderung nach der Hauptstadt an, während Holcroft und Harry ihr auf den Pferden voraneilten, die Salerio für sie zurückgelassen hatte.

Die beiden Glücksritter bezogen ein Hotel, in welchem sie nicht gekannt waren, und empfingen am folgenden Tage die volle bedungene Zahlung dafür, daß sie zweihundertsechzig Menschen der Heimat gewaltsam entführt und sie auf fremder Erde ewiger Knechtschaft und großem Elend überliefert hatten.

Sie vermieden es, sich öffentlich zu zeigen, um nicht als Offiziere der Brigg Teresa erkannt zu werden, welche noch nicht von ihrer Reise zurückgekehrt war, weshalb sie auch die erste sich darbietende Gelegenheit, Brasilien zu verlassen, benutzten und sich nach Mexico einschifften.

Es war gegen das Ende des Monats October im Jahre 1832, als Holcroft und Harry Williams zwischen der von Meereswogen umspülten Felsenfeste San-Juan de Ulloa und der alten Stadt Veracruz vor Anker gingen und sich nach der breiten Hafentreppe hinüberrudern ließen. Es mußte etwas für das mexicanische Volk Wichtiges und Erfreuliches geschehen sein, denn von den hohen Zinnen der Feste, von den Thürmen und Kuppeln der Stadt und von den Balkonen und Dächern der Häuser wehten die mexicanischen Farben in tausend Flaggen in der frischen Abendluft, welche von dem Meere her über die Küste zog. Kaum hatten die beiden Reisenden die Treppe erstiegen und schritten dem Zollgebäude zu über den mit Menschen gefüllten Platz, als sie nach allen Seiten hin jubelnde Vivas für den Helden Santa-Anna ertönen hörten.

General Antonio Lopez de Santa-Anna, der schon im Jahre 1821 in den Freiheitskämpfen Mexicos gegen die spanische Herrschaft als General focht, der 1823 den Kaiser Iturbide stürzte und 1829 unter Guerrero zum Kriegsminister und Oberbefehlshaber des Heeres ernannt wurde, hatte sich gegen den Präsidenten General Bustamente empört, dessen Truppen vor wenigen Tagen aufs Haupt geschlagen und nach seinem Triumphzug in die Stadt Mexico Don Manuel Gomez

Pedrazza auf den Präsidentenstuhl gesetzt. Er hatte schon lange Zeit mit dieser höchsten Stelle geliebäugelt und alle dahin führenden Wege eingeschlagen, doch war er ihr immer noch nicht näher gekommen, obgleich ihn das Volk als einen Gott der Schlachten feierte. Bustamente und dessen Anhänger waren seine gefährlichsten Widersacher auf seinem Wege zum Präsidentenstuhle, darum mußte derselbe fallen und der unbedeutende Pedrazza für die nur noch kurze Regierungsperiode dessen Stelle einnehmen. Die neue Präsidentenwahl stand in wenigen Monaten bevor, und Santa-Anna's Partei in dem Volke hatte sich durch diese seine neuen Siege bedeutend vergrößert, weil Bustamente sich durch Strenge, Ungerechtigkeiten und Soldatenherrschaft sehr viele Feinde gemacht hatte.

Die Nachricht von den gewonnenen Schlachten und dem Umsturz der Regierung ging wie ein Lauffeuer durch das ganze Land und wurde allenthalben mit Jubel und mit Vivas für den Sieger Santa-Anna begrüßt.

Die sämmtliche Bevölkerung von Veracruz schien in Bewegung zu sein, und alle Straßen und alle Plätze wogten von freudig aufgeregten Menschenmassen.

Veracruz, die vergnügungslose Geschäftsstadt in der ungesunden, baumlosen Sandebene war aber nicht der Ort für Holcroft noch für Harry; die alte Kaiserstadt Mexico zu sehen, waren sie gekommen. Sie deponirten darum am folgenden Morgen ihr Geld bei einem angesehenen amerikanischen Hause, ließen sich Kreditbriefe nach der Hauptstadt geben und verließen mit der Post noch am selbigen Tage die Stadt.

Mit schwellender Erwartung der hohen Genüsse, die ihnen zu Theil werden würden, warfen sie am Abend des folgenden Tags von den Bergen, die das Thal von Tenochtitlan umschließen, den ersten Blick auf die schöne alte Stadt Mexico und versetzten sich in Gedanken schon in die tausend Lustbarkeiten, die ihrer dort harrten.

Die Postkutsche lieferte sie im Vorüberfahren vor einem der ersten Hotels der Stadt ab und der Wirth desselben, dem sie mittheilten, daß sie nur zu ihrem Vergnügen die Reise hierher gemacht hätten und längere Zeit hier zu zverweilen gedächten, empfing sie mit großer Aufmerksamkeit.

Sie hatten sich in ihrer Rechnung in Bezug auf Belustigungen nicht geirrt, denn die ganze Stadt schien augenblicklich ein großer Vergnügungsort zu sein; die Häuser waren mit Fahnen und Teppichen geschmückt, abends wurden sie mit Lampen und Transparents erleuchtet, Fest- und Tanzmusik verhallten weder Tag noch Nacht und deren lustige Weisen mischten sich mit dem Geprassel von Feuerwerken und dem Donner von Geschützen. Santa-Anna, der siegreiche Held war es, dem zu Ehren die Stadt ihr Festkleid angelegt hatte, den zu feiern die Bevölkerung sich dem Taumel von Lustbarkeiten hingab.

Santa-Anna war ein kluger, berechnender Mann. Wo er auch erschien, es geschah immer im höchsten Glanze, umgeben von seinem mit Gold überladenen Stabe, damit seine Vertraulichkeit, seine Freundlichkeit, womit er sich auch dem geringsten Bürger nahte und sich mit ihm unterhielt, so viel höhern Werth erhielten und einen um so dauerndern und begeisterndem Eindruck hinterließen. Wenn abends in dem Theater die seidenen Vorhänge seiner Loge aufflogen und er von seinen Adjutanten begleitet unter dem stürmischen Jubelgruß der versammelten Menge eintrat, schritt er sogleich an die Brüstung vor, verneigte sich nach dem Parterre hinab und dann erst erwiderte er mit vornehmer Höflichkeit den Gruß der Nobleza im ersten Range. Abends bei den Promenaden in der Alameda, wo er von den Großen des Reichs umringt erschien, rief er oftmals einen vorübergehenden Bürger an, reichte ihm die Hand, blieb, in traulicher Unterhaltung bei ihm stehen und ließ seine stolzen Begleiter auf sich warten. Nur in den Dom zur Frühmesse ging er allein und zwar im einfachen, ungeschmückten Waffenrocke und zeigte dort die tiefste Demuth und Unterwürfigkeit. Aber auch nur in der Kirche konnte er erscheinen, ohne von dem Volke umringt und mit den lautesten, begeistertsten Vivas begrüßt zu werden.


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