Armand (Friedrich Strubberg)
Saat und Ernte
Armand (Friedrich Strubberg)

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Viertes Kapitel.

Um dieselbe Zeit trug sich weiter im Westen von Texas ein Ereigniß zu, bei welchem die amerikanische Bevölkerung noch viel offener und in größerem Maßstabe den Mexicanern mit Gewalt entgegentrat.

An dem wunderbar schönen Guadelupeflusse, einige sechzig Meilen östlich von San-Antonio, dem Sitz der Provinzialregierung, lag ein Städtchen Namens Gonzales, dessen Einwohnerschaft größtentheils aus Amerikanern bestand. Die unendlich vielen Reize, welche die Natur hier jahraus jahrein entfaltete, hatten die wandernden, eine Heimat suchenden Familien hier zusammengeführt und sie schon seit Jahren an dieses Land gefesselt, trotz der großen Gefahren, welche ihnen die Urbewohner, die Indianer, bereiteten, indem dieselben fortwährend mit ihnen um den Besitz dieses ihres schönen Eigenthums kämpften. Was aber wären alle Gefahren gegen ein irdisches Paradies, wie es hier an den ewig grünen, ewig mit Blumen geschmückten Ufern der krystallklaren, rauschend dahinschäumenden Guadelupe ausgebreitet lag! Wolkenlos und durchsichtig spannt sich hier der blaue Aether über den weiten, saftig grünen, wellenförmig auf- und absteigenden Prairien, belebend und ewig verjüngend reizt das Sonnenlicht die reiche Erde zu ununterbrochener schaffender Thätigkeit, und der vom Golf ungehindert und fortwährend über sie hinziehende erfrischende Seewind erquickt und stärkt die Keime, die in üppiger Lebenskraft strotzend aus ihr hervorschießen. Und durch diese mit hohen feinen Gräsern und tausend farbigen Blumen wogenden, unabsehbaren Grasfluren, aus denen sich kleine schattig dunkle Waldgruppen wie Inseln aus dem Meere erheben, schlängelt sich in graziösen Windungen und überschattet von majestätischem Walde die zauberisch schöne Guadelupe und stürzt sich bald tobend und brausend über mächtige Felsstücke, von denen ihr weißer Gischt emporsprüht und kühlend und erfrischend das heimliche Dunkel über ihr durchweht, bald gleitet sie geräuschlos zwischen den üppigen Riesenpflanzen ihrer Ufer hin und spielt mit deren glühend farbigen Blumen und mit den blühenden Ranken und Schlinggewächsen, die aus dem dunkelgrünen Laubgewölbe in ihre klare Flut herabhängen. Dabei zeigt sie dem staunenden Auge in ihrer tiefsten Tiefe das blendend weiße

Gestein auf ihrem Grund, die zwischen ihm grünenden zierlichen Wasserpflanzen und die goldigen Fische und Schildkröten, die spielend ihre krystallene Flut beleben. Kein Wunder war es, daß um dies schöne Land die Indianer mit den Weißen, die es ihnen entreißen wollten, blutige Kämpfe fochten, und sehr erklärlich war es, daß diese keine Gefahr scheuten, sich in einem solchen Paradiese zu behaupten. Die Wälder spendeten ihnen den kostbarsten Honig und die süßesten Früchte in unglaublicher Fülle, Bären, Hirsche, Antilopen, wilde Truthühner und Prairiehühner gab es hier in endloser Zahl und die Erde lieferte bei der oberflächlichsten Bearbeitung die reichsten Ernten. Der Mensch brauchte hier kaum zu sorgen, die Natur gab ihm Alles freigebig und machte es ihm selbst unnöthig, sich ein Obdach zu bauen, da es eine schönere Wohnung auf der weiten Welt nicht gab, als in dem Schatten der rauschenden Bäume an der kühlen, brausenden Guadelupe.

Dennoch hatten die Bewohner von Gonzales sich recht saubere, dem herrlichen Klima angepaßte Wohnungen aus Holz erbaut und dieselben mit starken Einzäunungen umgeben, um sich gegen einen raschen Ueberfall der Indianer zu schützen. Sie waren, wie es überhaupt dem Amerikaner eigen ist, mit den Waffen vertraut und reichlich damit versehen und hatten schon seit Jahren einen Freund in ihrer Mitte, der durch seine Donnerstimme die Wilden schon manchmal in die Flucht getrieben hatte. Es war eine Kanone, ein Zehnpfünder, der stets mit Kartätschen geladen bereit stand, einem Feinde seinen Eiseninhalt zuzuschleudern, und dem Gonzales es zum großen Theile verdankte, daß es bei so vielen Sturmangriffen der Wilden nicht in Schutt und Asche gelegt worden war.

Diese vortreffliche Waffe hatten die Mexicaner nun schon lange mit neidischem Auge angesehen und namentlich in letzterer Zeit war sie ihnen in den Händen der ihnen feindlich gegenüberstehenden Bevölkerung von Gonzales als ein unangenehmer Trumpf erschienen. Aus diesen Gründen beschloß der Gouverneur von Texas, der in San-Antonio seinen Wohnsitz hatte, bei Zeiten dieses gefahrdrohende Instrument aus Gonzales zu entführen und nach San-Antonio zu bringen, und gab einigen hundert Dragonern den Befehl zur Ausführung dieser Vorsichtsmaßregel.

Die Amerikaner aber hatten in San-Antonio wie überall im ganzen Lande ihre Kundschafter, die jeden Schritt der Mexicaner überwachten, und kaum war der Befehl erlassen worden, als auch schon die Nachricht davon durch einen Eilboten nach Gonzales getragen wurde.

Mit großer Entrüstung empfingen die Bewohner die Kunde und beschlossen einstimmig, die ungebetenen Gäste bei ihrem Eintreten mit der Kanone selbst zu begrüßen. Dieselbe wurde sofort in die Straße gefahren, durch welche die Reiterei in die Stadt einziehen mußte, und vor das Geschütz stellte man einen großen Kastenwagen hin, der dasselbe vor dem Blick der Mexicaner verbergen sollte. Die ganze männliche Bevölkerung aber griff zu den Waffen und vertheilte sich hinter den Fenstern, Thüren und Seiten der Häuser, um zugleich mit der Kanone den Feinden ein blutiges Willkommen zu geben.

Es war ein heißer, stiller Tag und die Sonne hatte ihren höchsten Stand erreicht, als die vor der Stadt auf einer Anhöhe ausgestellten Wachen die Nachricht in dieselbe brachten, daß eine dichte Staubwolke in der Prairie von San-Antonio her heranziehe und daß man Reiterei darin erkannt habe. Alle Männer sprangen auf ihre Posten, die Büchsen wurden zum Schuß bereit gemacht, und mit wachsender Spannung schaute man verstohlen aus den Verstecken in der Straße hinauf und sah von Augenblick zu Augenblick dem Erscheinen der verhaßten Feinde entgegen. Da erschallte der hellklingende Ton von Trompeten und zwischen drei- und vierhundert Dragoner kamen in geschlossenen Reihen in die Straße hereingetrabt. Bei dem Kastenwagen vor dem Geschütz stand eine Anzahl von Männern, wie an demselben beschäftigt, und bei der Kanone dahinter verbargen sich lauernd vier kräftige junge Burschen, bis die Dragoner sie auf fünfzig Schritte erreicht hatten. Da zog man den Wagen mit Blitzesschnelle zur Seite, ein schwarzgelockter Jüngling drückte die brennende Lunte auf das Geschütz, die Kavallerie stutzte, aber im selbigen Augenblick entlud sich die Kanone und schleuderte mit einem Donnergruß ihren Eisenregen in die dicht zusammengedrängte Reiterei. Zugleich aber blitzten und krachten Hunderte von Büchsen von beiden Seiten der Straße und sandten ihr tödtliches Blei unter die Dragoner, die jetzt in Schreck und Entsetzen sich wandten und in der Flucht ihr Heil suchen wollten. Zu dicht aber zusammengepreßt, kamen sie nicht vom Platz. Mac-Coor, einer der Bedienung bei dem Geschütz, schob eine neue Büchse mit Kartätschen in dasselbe hinein, Albert Randolph, der die Lunte hielt, drückte sie wieder an den Zünder und abermals flog die Eisenladung donnernd und pfeifend in die verworrenen Reihen der Mexicaner. Jetzt hatten die letzten Glieder derselben das Weite gesucht, alle stürmten nun über ihre gefallenen Kameraden hinweg aus der Stadt hinaus, und noch manche

Büchsenkugel flog ihnen nach. Gegen achtzig Dragoner blieben unberitten, verwundet oder todt in der Straße zurück, und die Männer und Weiber von Gonzales eilten den Verwundeten zu Hülfe, um ihnen beizustehen und ihre Schmerzen zu lindern.

Mit Festigkeit und Entschlossenheit aber wurden jetzt eiligst Anstalten getroffen, die Stadt zu befestigen und gegen einen Angriff einer größern Truppenmacht, welche man unfehlbar am folgenden Tage von San-Antonio her erwarten mußte, zu vertheidigen.

Albert Randolph hatte, von Mac-Coor geführt, seine Flucht aus den Vereinigten Staaten glücklich vollbracht und war, durch Texas nach dessen gepriesenem Westen ziehend, durch die Schönheit der Natur um Gonzales an dieses Städtchen gefesselt worden. Niedergebeugt vom Schicksal und zerfallen mit der Menschheit, hatte er hier still und ungekannt gelebt, bis die amerikanische Bevölkerung sich gegen die mexicanische Tyrannei zu sträuben begann und diese die Ketten noch fester zu ziehen sich bemühte. Bei der Rückkehr Austin's aus der Gefangenschaft in Mexico trat Albert zuerst aus seiner Unthätigkeit, seinem Unbekanntsein hervor in das politische Leben und nahm Partei für Austin. Er war oft und viel mit ihm zusammen, Austin lernte bald seinen hohen geistigen Werth kennen und sah in ihm einen Mann, der in der politischen Gestaltung von Texas eine große Rolle spielen müsse. Bei allen Volksversammlungen und Berathungen in diesem westlichen Theile des Landes wurde Albert's Stimme gehört, das Begeisternde, Hinreißende seiner prächtigen, klaren und doch hochpoetischen Rede gab immer bei Verschiedenheit der Meinungen die Richtung an, der man schließlich folgte, und seinem weitgreifenden klaren Blick in die politischen Zustände sowie seiner Thätigkeit verdankte die Partei Austin's die Macht, die sie bald erlangte. Gänzlich unbekannt aber blieb es, daß er der Dichter Albert sei, er war nur der Advocat Randolph, ein Name, der über ganz Amerika verbreitet ist. Zugleich mit Entfaltung seiner Thätigkeit für die Freiheit von Texas widmete er sich wieder literarischen Arbeiten, und wohl seine werthvollsten poetischen Schöpfungen verdanken dieser Zeit ihre Entstehung. Sie erschienen im Norden der Vereinigten Staaten unter dem Namen Albert, während Niemand wußte, wo der Dichter lebte. Was ihm aber sein hartes Geschick erträglich machte, war seine Correspondenz mit der Geliebten seines Herzens, mit Blancha, die ihm regelmäßig wöchentlich Nachricht von sich gab, und aus vielen seiner wunderbar herrlichen Poesien klingt seine hochbegeisterte schwärmerische Liebe für die ferne Geliebte hervor.

Albert war neben Austin eine der bedeutendsten Persönlichkeiten im Westen von Texas und sein Name stand in San-Antonio und selbst in Mexico sehr schwarz angeschrieben.

Mac-Coor folgte ihm, wo er ging und stand, wie sein Schatten nach, obgleich er ihm seine Gesellschaft nie aufdrängte, im Gegentheil, er vermied es vor der Welt, als ein näherer Bekannter von ihm zu erscheinen, und wenn ihm Albert im Gefühl seiner unverlöschlichen Dankbarkeit manchmal einen leisen freundlichen Vorwurf darüber machte und ihm sagte, daß er seit ihrem Bekanntwerden nur Gutes von ihm gesehen habe und daß er seiner Freundschaft werth sei, so antwortete ihm Mac-Coor in einem Ton der Selbstverdammung, daß er für das Gute, welches er ihm gethan, sich habe bezahlen lassen und daß es dadurch jeden Werth verloren habe.

Sowie die Männer von Gonzales bei allen öffentlichen Angelegenheiten Albert's Wort zu Rathe zogen, so leitete er auch an dem Abend, nachdem die Dragoner zurückgeschlagen waren, die Vorkehrungen zu einer nachdrücklichen weitern Vertheidigung, welche schnell mit aller Energie getroffen wurden; denn in San-Antonio lagen gegen dreitausend Mann mexicanische Truppen, die sicher bald erscheinen würden, um die Niederlage ihrer

Kameraden an Gonzales und dessen Bewohnern zu rächen. Während Albert nun die Eingänge in die Stadt durch Gräben und Erdaufwürfe für Cavallerie unzugänglich machen ließ, sandte er auch zugleich reitende Boten nach allen Richtungen in das Land und rief die in der Umgegend wohnenden Amerikaner zu den Waffen. Es war schon spät in der Nacht und noch herrschte in Gonzales die größte Thätigkeit, als plötzlich eine ganz unerwartete Hülfe in der Noth erschien: Stephan Austin langte mit einigen hundert bewaffneten und berittenen Männern vor der Stadt an. Austin, welcher in der nach seinem Vater genannten Stadt Austin lebte, hatte gleichfalls am frühen Morgen von dem beabsichtigten Ueberfall der Mexicaner Kunde erhalten und eiligst alle Männer in seiner Nähe zur Hülfe aufgerufen und hierher geführt. Außer ihnen trafen aber in der Nacht noch viele Streiter aus der Umgegend von Gonzales ein, sodaß, als der Morgen graute, gegen vierhundert Männer in der Stadt sich befanden, die jetzt mit begeistertem Verlangen dem Erscheinen des Feindes entgegensahen.

Derselbe ließ auch nicht lange auf sich warten, denn die Sonne stand noch ziemlich hoch über dem flachen Horizont, als zweitausend Mann Mexicaner mit zwei Geschützen vor der Stadt anlangten und sofort

Anstalten zum Angriff machten. Ehe eine halbe Stunde verging, war der Kampf im vollen Gange. In der Ueberzeugung, die kleine Macht, welche ihnen die Stadt Gonzales entgegenzusehen vermochte, erdrücken zu können, stürmten die Mexicaner mit hartnäckiger Wuth gegen sie an, wurden aber von dem mörderischen Feuer der kaltblütigen Amerikaner immer wieder zurückgeworfen, bis sie an ihrem großen Verluste erkannten, daß die Stadt Hülfe von außen erhalten haben müsse. Nach zweistündigem Gefechte zogen sie sich zurück, um ihren Heimmarsch anzutreten, da brach aber Austin mit allen berittenen Männern aus der Stadt hervor und trieb die Feinde meilenweit auf ihrer tollen Flucht davon, bis die Nacht der Verfolgung ein Ziel setzte. Die beiden Kanonen der Mexicaner wurden erbeutet und im Triumph in die Stadt Gonzales eingeführt.

Die Fahne des Aufruhrs war jetzt entfaltet und die Kriegsposaune schallte durch ganz Texas von dem Sabine bis zum Rio Grande. Allenthalben griff man zu den Waffen, sammelte sich in Schaaren und verjagte alle kleinen Militärposten der Mexicaner; der Oberst Bradburne wurde in Brazoria angegriffen, zog sich aber nach der Meeresküste bis Velasco zurück und fand bei dessen Vertheidigung seinen Tod. Nachdem seine Truppen zersprengt waren, setzten die Sieger nach der Insel Galveston, dem einzigen Hafen von Texas für große Seeschiffe, über, entwaffneten die mexicanische Besatzung des dortigen Forts und vergrößerten dessen Vertheidigungswerke.

Nur die beiden mit Befestigungen versehenen Städte San-Antonio und Goliad waren noch mit mexicanischen Besatzungen versehen, sonst war das ganze Land von ihnen gesäubert, und mit ihnen waren auch alle mexicanischen Behörden verschwunden. Die Unabhängigkeit, die selbstständige Republik von Texas war ausgerufen, es wurde ein Präsident gewählt, und unter ihm trat in San-Felipe der Congreß zusammen, um das neue Reich zu regieren.

Der letzte mexicanische Soldat sollte nun auch noch aus dem Lande vertrieben werden, und um dies zu vollbringen, sammelte und organisirte Stephen Austin am Coloradoflusse eine Streitmacht.

Bis hierher hatte Harry Williams mit rastloser Thätigkeit, mit Aufbieten aller seiner Kräfte, seines ganzen Einflusses an der politischen neuen Gestaltung von Texas gearbeitet und selbst seine eigene Sicherheit mitunter aus den Augen gesetzt, jetzt aber war das Ziel erreicht, für welches er Alles gethan hatte, und mit hochfliegenden Hoffnungen wandte er sich nun seinem alleinigen Interesse zu, um die Früchte seiner Bemühungen zu ernten. Im Stillen sagte er der neuen Republik und den Gefahren Lebewohl, übergab seinem Bruder Ashmore die Aufsicht über sein Eigenthum und schiffte sich nach Neuorleans ein. Endlich konnte er sich einmal wieder den Genüssen der Weltstadt hingeben, und so sehr ihn auch sein Eigennutz nach Natchez zog, so verzögerte er doch mehrere Tage seine Abreise und genoß in vollen Zügen die Freuden, die ihm hier geboten wurden.

Wie verabredet, hatte er Dandon immer von Texas aus mit dem Gange der Dinge dort bekannt gemacht und ihn schließlich davon in Kenntniß gesetzt, daß er in Kürze bei ihm eintreffen werde, um nun die große Sklavenspeculation ins Leben treten zu lassen.

Nachdem er sich in möglichster Eile für die Entbehrungen in Texas entschädigt und seine in diesem wilden Lande sehr verwahrloste Toilette wieder vervollständigt hatte, begab er sich auf einen der prächtigen Dampfer, welche regelmäßig zwischen Neuorleans und Cincinnati fahren. Auf diesen Schiffen hält sich jahraus jahrein eine große Zahl von Leuten auf, die sich Sportsmen nennen, unter welchem Namen nicht allein Liebhaber von Pferderennen, Hahnengefechten und Wetten, sondern Glücksritter im Allgemeinen und insbesondere Spieler, Schwindler und Gauner aller Art verstanden werden.

Sie leben von der Unvorsichtigkeit, der Unerfahrenheit, Dummheit und Gutmüthigkeit der Passagiere, indem sie denselben in irgend einer Weise das Geld abzunehmen wissen.

Kaum hatte sich das Schiff, auf welchem Harry sich befand, den Fluß hinauf in Bewegung gesetzt, als auch sofort in der großen Kajüte ein Spieltisch etablirt wurde, an welchem einige Sportsmen Platz nahmen und die herzutretenden Reisenden einluden, sich an einem gemeinschaftlichen Kartenspiel zu betheiligen.

Harry stand unweit des Tisches und unterhielt sich damit, zu beobachten, wie sich so viele bethören ließen und wie schnell und geschickt sie von diesen Gaunern um ihr Geld betrogen wurden.

Da öffnete sich die Kajütenthür und Harry's Blick wurde in höchstem Erstaunen von einem eintretenden Mann gefesselt, welcher eine so große Aehnlichkeit mit Herrn Dandon in Natchez hatte, daß er ihn wirklich im ersten Augenblick für denselben gehalten hatte. Freilich war des Mannes Erscheinung eine ganz andere als die Dandon's, denn er war sehr abgerissen in seiner Kleidung und bewegte sich mit einer Art von Schüchternheit, dennoch blieb die Aehnlichkeit mit Dandon in Gesicht und Gestalt eine ganz auffallende, ungewöhnliche und hielt Harry's Aufmerksamkeit gefesselt.

Der Mann hatte sich sehr langsam und von den um den Tisch Versammelten unbemerkt denselben genähert und sich hinter mehreren der Spielenden dem Bankhalter gegenüber aufgestellt und schien dem Spiele zuzusehen, ohne sich im entferntesten dafür zu interessiren. Nur Harry, der immer noch seinen verwunderten Blick auf ihm ruhen ließ, bemerkte bald, daß er keineswegs so unthätig dastand, sondern mit dem Bankhalter in vollster Thätigkeit war, indem er demselben fortwährend Zeichen gab und zugleich in den Karten der vor ihm sitzenden Spielenden las. Er war also ein geheimer Verbündeter der Sportsmen und seine Hülfe erprobte sich auch als eine sehr wirksame, denn die Spielenden verloren ihr Geld, sie mochten setzen, wie sie wollten. Nach Verlauf von einer Stunde war Niemand mehr da, der noch Geld verlieren wollte, die Sportsmen forderten umsonst zum Spiel auf, sie blieben allein am Tische zurück. Das Ebenbild Dandon's wandelte wie in Gedanken verloren einigemal in der Kajüte auf und ab und ging dann hinaus auf das Verdeck.

Harry's Interesse für den Mann hatte sich noch mehr gesteigert und er folgte ihm, um seine persönliche Bekanntschaft zu machen.

»Ich darf Sie wohl um etwas Feuer bitten«, sagte er zu ihm tretend und nahm eine Cigarre aus seiner Tasche hervor.

»Mit Vergnügen«, antwortete der Mann, indem er Harry seine brennende Cigarre reichte, wobei er ihn scharf fixirte.

An diese erste Annäherung knüpfte Harry nun, indem er dem Fremden seinen Namen nannte, eine weitere Unterhaltung, sprach vom Wetter, von dem Schiff, auf dem sie fuhren, und von schlechten Zeiten und lud schließlich den Mann ein, mit ihm ein Glas zu leeren. Sie begaben sich in die Kajüte nach dem Schenktische, und als der Kellner ihnen die Gläser, den Zucker und die Flasche mit Cognac zugeschoben und der Mann sein Wasserglas mit Branntwein gefüllt und noch ein wenig Wasser hinzugegossen hatte, sagte Harry mit zutraulichem, freundlichem Tone:

»Nun weiß ich aber noch nicht, auf wessen Wohl ich trinken werde.«

»Mein Name ist Capper«, antwortete der Fremde, verneigte sich mit den Worten: »Ihr Wohlsein, Herr Williams!« und leerte das Glas bis auf den letzten Tropfen, während Harry, ihn in gleicher Weise begrüßend, nur wenig trank, dann seinen neuen Bekannten beim Arm nahm und wieder mit ihm hinaus auf das Verdeck ging. Dort reichte er ihm eine neue Cigarre und sagte im Laufe der Unterhaltung zu ihm:

»Sie sind Sportsman, sowie auch ich es früher war, doch scheint das Glück Ihnen weniger hold gewesen zu sein als mir.«

Capper sah Harry überrascht an und entgegnete mit einem verbissenen Lächeln:

»Es war mir recht hold gewesen und ich hielt den besten Spieltisch zwischen Neuorleans und Cincinnati, da fiel ich einer Bande von geschicktern Sportsmen, als ich es war, in die Hände, die mich ausplünderten und dann verhöhnten. Einem derselben vertrieb ich das Lachen, ich stach ihm fünf Zoll Eisen in die Rippen und würde dafür in Natchez gehangen worden sein, wenn nicht mein alter Freund, der Advocat Hanley, mir durchgeholfen hätte. Nun muß ich wieder klein anfangen.«

»Sie thun mir leid, alter Kamerad«, sagte Harry mit Theilnahme, zog seine Börse und reichte Capper einige Goldstücke mit den Worten hin: »So wird Ihnen eine kleine Hülfe nicht unwillkommen sein.«

»Ich nehme sie mit Dank an, und kann ich Ihnen gelegentlich dienlich sein, so dürfen Sie es mich nur wissen lassen. Ich fahre regelmäßig auf diesem Boote, bin aber auch immer in unserm Club in Neuorleans in der Burgundystraße zu erfragen; da Sie selbst Sportsman waren, so wissen Sie dort Bescheid. Den Bob Capper kennt Jedermann.«

»Wer kann sagen, wann und wie man einen Freund nöthig hat«, versetzte Harry leichthin und gab dann der Unterhaltung eine andere Richtung.

Harry hatte in der That keinen, auch nicht den entferntesten Grund, weshalb er diesen Mann sich verpflichtete oder überhaupt dessen Bekanntschaft machte, es war lediglich der innere Trieb, keine Gelegenheit unbenutzt vorübergehen zu lassen, die ihm möglicherweise einen Vortheil über seine Mitmenschen verschaffen konnte, und wer wußte, wie ihm die auffallende Aehnlichkeit dieses Mannes mit Dandon noch von Nutzen werden mochte? Er stand auf dem Punkte, mit diesem in eine Geschäftsverbindung zu treten, deren Tragweite nicht abzusehen war und durch welche er jedenfalls einen möglichst hohen Gewinn von Dandon zu ziehen hoffte.

Während der Fahrt unterhielt sich Harry häufig mit Capper, tractirte ihn oftmals an dem Schenktisch und bat ihn schließlich, als er selbst in Natchez das Dampfboot verließ, immer in dem besagten Club in Neuorleans zu hinterlassen, wo man ihn finden könne.

Mit schwellenden Erwartungen betrat Harry wieder die Stadt, von der er bei seinem letzten Hiersein seiner Meinung nach einen so gewandten, genialen Abschied genommen hatte, und lächelnd ließ er auf seinem Wege nach dem Hotel alle Abenteuer, die er hier bestanden, an seiner Erinnerung vorüberziehen. Auch das Bild des verhaßten Randolph trübte seine begeisterte Laune nicht, denn ihn hatte er ja glücklich aus seinem Wege geschoben, wenn derselbe auch, wie ihm der alte Dandon geschrieben hatte, dem Galgen entgangen war. Keinesfalls hatte er in ihm noch einen Nebenbuhler zu fürchten.

In dem Hotel angelangt, machte er schnell Toilette, denn es war noch Zeit zu einem Vormittagsbesuch, bestieg den bestellten Wagen und fuhr nach Dandon's Haus.

Der Diener, der ihn an der Thür empfing, theilte ihm mit, daß Herr Dandon ausgegangen sei, worauf Harry ihm seine Karte gab und ihn bat, ihn bei Fräulein Blaucha zu melden.

Nach wenigen Augenblicken jedoch kehrte der Neger mit der unangenehmen Antwort zurück, daß Fräulein Dandon für ihn nicht zu sprechen sei.

Harry entfärbte sich und war im Begriff, seinem Zorn Worte zu geben, doch der Gedanke an Dandon und den Gewinn, den er von ihm ziehen wollte, ließ ihn seinen Aerger verbeißen, und schweigend kehrte er in den Wagen zurück, der ihn eiligst nach dem Leseclub führte. Kaum trat er in das Zimmer ein, als Dandon ihm entgegeneilte und ihn mit den Worten bewillkommnete:

»Endlich, endlich, bester Freund! Wo blieben Sie so lange? Ich habe Sie schon vor mehreren Tagen erwartet.«

»Dringende Geschäfte hielten mich in Neuorleans auf«, antwortete ihm Harry und begab sich mit ihm nach einem andern Zimmer, wo sie allein waren und im Sopha Platz nahmen.

»Gott Lob, daß Sie da sind«, hob der Alte nun in großer Aufregung an. »Ich habe mit Ungeduld Ihrer Ankunft entgegengesehen. Wir dürfen keine Stunde verlieren, das Eisen ist heiß, es muß geschmiedet werden. Alles ist ja über jede Erwartung nach Wunsch gegangen, und unser Gewinn wird enorm sein.«

»Ganz so, wie ich es Ihnen vorausgesagt habe; Meine Berechnung war richtig«, bemerkte Harry in gleichgültigem Tone und legte sich nachlässig in die Ecke des Sophas.

»Sie sind eine Perle von einem Geschäftsmann«, fuhr Dandon begeistert fort. »Auch in Havanna stehen die Sachen günstig, die Neger sind niedrig im Preis und in Menge zu haben. Lassen Sie uns das Geschäft möglichst bedeutend machen.«

»Wir müssen uns leider nach der Decke strecken«, sagte Harry ruhig.

»Wie so nach der Decke strecken?« fiel ihm Dandon hastig in das Wort. »Meine Decke ist lang, länger, als wir sie bedürfen, das Geld liegt bereit!«

»Ja, ja, verehrter Herr Dandon, daran habe ich auch nicht gezweifelt«, antwortete Harry, ohne seine Lage zu ändern; »wir sind aber an das Fahrzeug gebunden, denn nur ein kleiner Schooner kann in die Flüsse von Texas einsegeln, und wenn wir die Neger wie Häringe zusammenpacken, so bringen wir doch nicht mehr in ein solches Schiff als hundert Stück.«

»So nehmen wir zwei Schiffe, bester Freund. Unter zweihundert Stück dürfen wir das Geschäft nicht machen; es wäre ja unverzeihlich und eine Sünde, eine solche Gelegenheit nur halb benutzt vorübergehen zu lassen.«

»Da haben Sie wohl Recht; zweihundert Neger wäre nicht zu viel und sie werfen schon einen schönen Nutzen ab, namentlich durch ihre Arbeit in Texas. Wissen Sie wohl, bester Herr Dandon, daß dort ein guter Neger durch Baumwollenpflanzen jährlich doppelt seinen eigenen Werth einbringt?«

»Ungeheuer!« sagte Dandon, sich wohlgefällig die Hände reibend. »Nun aber an das Werk; wann wollen Sie abreisen?«

»Je eher, desto lieber. Es würde aber wohl gut sein, wenn Sie mich bis Neuorleans begleiteten und dort meine Nachricht von Havanna, daß ich die Neger zusammengekauft, abwarten wollten, damit Sie die beiden Schiffe ganz genau nach meiner Vorschrift absenden könnten«, entgegnete Harry.

»Sehr gern, ich habe ohnehin Neuorleans seit mehreren Jahren nicht im Festkleide gesehen. So lassen Sie uns übermorgen reisen«, versetzte Dandon eifrig.

»Recht sehr bedaure ich, Ihrer Fräulein Tochter nicht meine Aufwartung machen zu können«, sagte Harry nun. »Ich ließ mich, ehe ich hierher kam, bei ihr anmelden, erhielt aber die Antwort, daß sie für mich nicht zu sprechen wäre; ich muß Ihnen gestehen –«

»So macht sie es mit allen Freunden. Sie hat seit jenem unglückseligen Ereigniß, von dem ich Ihnen schrieb, auch nicht einen Besuch angenommen, noch ist sie erschienen, wenn meine Freunde bei mir waren. Es ist ein wahres Schicksal; ich habe eigentlich keine Tochter mehr, und all dies Unglück habe ich jenem Schurken zu verdanken, jenem Randolph, den der Teufel zuletzt noch gerettet hat.«

»Wissen Sie nicht, wohin er geflohen ist?« fragte Harry.

»Nein, man hat durchaus seine Spur nicht finden können. Vor einigen Tagen las ich in den Nachrichten von Texas, daß ein Advocat Namens Randolph dort eine Rolle spielt, er ist die rechte Hand von Austin, und ich dachte, ob er nicht am Ende der Bösewicht sei, der hier unter dem Galgen fortlief.«

»Nein, nein, das ist ein Anderer, ich habe ja viel von ihm gehört; er ist ein Mann, der schon seit Jahren in Gonzales gewohnt haben soll«, entgegnete Harry beruhigend.

»Lassen Sie uns nicht weiter daran denken und gehen Sie mit mir nach Hause, Sie müssen bei mir essen«, sagte Dandon, sich erhebend.

»Das kann ich nicht gut, verehrter Herr Dandon. Ich bin noch nicht bei meiner Mutter gewesen und werde wohl bei ihr zum Essen bleiben müssen. Aber nach Tische komme ich zu Ihnen, damit wir unser Geschäft vollständig besprechen können«, erwiderte Harry, verließ mit Dandon den Leseclub und begab sich zu seiner Mutter.

Er war sehr viel mit Dandon zusammen, bekam aber Blancha mit keinem Auge zu sehen und schiffte sich mit dem Alten am zweitfolgenden Morgen wieder nach Neuorleans ein.

Das erste Geschäft, welches die beiden neuen Compagnons vornahmen, war, daß sie zwei schnellsegelnde Schooner mietheten, groß genug, um zweihundert Neger in ihnen unterbringen zu können. Dann ließ Dandon durch seinen Banquier einen Credit von fünfzigtausend Dollars nach Havanna für Harry ausfertigen, und wenige Tage später befand sich dieser mit hochstrebenden Plänen am Bord eines Paquetschiffs auf den grünen Wogen des Golfs.

Gleich nach seiner Ankunft in Havanna gab er seine Empfehlungsbriefe an die ersten dortigen Häuser ab und wurde mit der allergrößten Auszeichnung empfangen. Er stellte sich als Theilhaber einer bedeutenden Besitzung auf der Insel vor, welche an der Südseite derselben unweit Trinidad de Cuba gelegen und welche zu bebauen er von Neuorleans herübergekommen sei. Er sagte, daß er seinen Antheil erst kürzlich in Neuorleans gekauft habe, ohne selbst auf der Besitzung gewesen zu sein, und daß er jetzt beabsichtige, einige hundert Neger, welche nur auf gewisse Zeit Sklaven waren, zu kaufen, um sie nach der Besitzung zu verschiffen und dieselbe durch sie bearbeiten zu lassen.

Die Erzählung hatte alle Glaubwürdigkeit, zumal da sie durch einen Credit von fünfzigtausend Dollars unterstützt wurde, und Jedermann war gern behülflich, ein für Cuba so segensreiches Unternehmen zu unterstützen und zu fordern. Von allen Seiten erbot man sich, Harry bei dem Ankauf der Neger behülflich zu sein, und er begann unter den vielen ihm käuflich angebotenen Sklaven diejenigen auszuwählen, welche nur noch ganz kurze Dienstzeit hatten.

An jedem Morgen nach dem Frühstück fand sich ein Sklavenmäkler, Namens Serrado, bei ihm ein, um ihm neue Anerbietungen in seiner Waare zu machen, und da die meisten käuflichen Sklaven sich auf den Plantagen in der Umgegend von Havanna befanden, so fuhr Harry sehr oft, von dem Mäkler begleitet, in einem Cabriolet in das Land, wo er dann oftmals auch die Nacht zubrachte.


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