Armand (Friedrich Strubberg)
Saat und Ernte
Armand (Friedrich Strubberg)

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Sechstes Kapitel.

Das Werk war vollbracht. Mit einem Gefühl von Größe, Macht und Gewalt sah Harry die für ihre Lebenszeit der Freiheit beraubten Menschen vergnügt und sorglos an die Arbeit gehen. Wohl tönte die Kunde von dem Erscheinen des furchtbaren Heeres unter Santa-Anna unangenehm in sein Ohr und der Gedanke, daß Texas trotz des amerikanischen Elements, welches dasselbe zur selbstständigen freien Republik erhoben hatte, unterliegen möchte, wollte mitunter folternd in ihm aufsteigen, die Zuversicht in seine Berechnungen aber verscheuchte, immer wieder bald jeden Zweifel an dem vollständigen Erreichen seines vorgesteckten Ziels.

An demselben Morgen, an welchem Harry die Kunde überbracht wurde, daß Santa-Anna vor San-Antonio stehe, erhielt er auch Nachricht von Handon, daß dieser laut getroffener Verabredung in den wichtigsten

Zeitungen der Vereinigten Staaten fortwährend hatte dringende Aufforderungen an die Regierung in Washington ergehen lassen, die Landeskinder in Texas in ihrer errungenen Freiheit zu beschützen und zu erhalten, sowie daß diese Aufforderungen seitens des amerikanischen Volkes den erwünschten Zweck erreicht hätten, indem bereits Bundestruppen nach Texas eingerückt seien und Nacogdoches, San-Augustine und mehrere andere östlich gelegene Plätze dieses Landes von ihnen besetzt wären.

»Vortrefflich, vortrefflich!« sagte Harry, nachdem er die Depesche zum zweiten Male durchlesen hatte. »Besser sind aber auch niemals Karten ausgespielt worden. Nun noch eine Partie mit Ihnen, Herr Dandon; ich biete Va banque!«

Harry hatte am Tage nach seiner Ankunft den Kapitänen der beiden Schooner die versprochene Belohnung von je tausend Dollars ausgezahlt und ihnen dabei Schweigen über das gemachte Sklavengeschäft aufgelegt. Der eine von ihnen war am folgenden Morgen, nachdem der Sturm sich gelegt hatte, wieder in See gegangen, den andern aber, denselben, mit welchem Harry gefahren war, hatte dieser auf seinem Ankerplatze zurückgehalten, weil er selbst sich auf dessen Schooner nach Neuorleans einschiffen wollte.

Blieb Harry hier, so mußte er oder sein Bruder

Ashmore in das Heer eintreten, und sein Leben im Interesse des Landes auf das Spiel zu setzen, hielt er für die größte Thorheit, die er überhaupt hätte begehen können. Jetzt, nachdem er seinem Leben erst den wahren Werth gegeben hatte, jetzt, wo er dasselbe nach allen Richtungen hin und in vollsten Zügen genießen konnte, jetzt sollte er sich für andere Leute zum Krüppel, ja vielleicht gar todtschießen lassen? Das fiel Harry nicht im Traume ein. Er hatte das Seinige für die Freiheit der Republik gethan, aus welchem Grunde, das war gleich; mochten die Texaner das Fechten nun ohne ihn thun, und fechten mußten sie, denn jetzt galt das alte Sprichwort: »Vogel friß oder stirb!« An Gnade seitens der Mexicaner war nicht zu denken, und darum blieb den Texanern nichts Anderes übrig, als zu kämpfen oder die Flucht zu ergreifen und Haus und Hof, Ernten und Heerden den Feinden als Beute zu überlassen. Daß sie dieses nicht thun würden, das wußte Harry sehr wohl, und kämpften sie für ihr eigenes Eigenthum, so fochten sie ja auch für das seinige, seine Gegenwart war deshalb zum Schutze desselben sehr entbehrlich, seinem Wohle aber, seiner persönlichen Sicherheit stand sie schroff entgegen. Er hatte sich darum kurz entschlossen, der Republik und den Gefahren, denen man sich jetzt in ihr aussetzte, Lebewohl zu sagen und statt des Schießens und Mordens eine angenehmere, mehr lohnende Beschäftigung in den Vereinigten Staaten zu suchen.

Außer den Freuden, den Genüssen, die seiner dort harrten, hatte er neue kühne Pläne für den Erwerb noch größern Reichthums zu verfolgen, als der war, welchen er bereits in seinem Antheil an dem Compagniegeschäft mit Dandon besaß. Er übergab daher seinem Bruder Ashmore die Verwaltung seines Eigenthums, eilte im Stillen an Bord des Schooners und glitt ungesehen auf dem Brazosflusse hinab aus dem Lande des Kriegs, aus Texas hinaus in den Golf, auf dessen sonnig überfunkelten grünen Wogen er seinen Weg nach Neuorleans richtete.

In dieser Zeit rollte ununterbrochen der Donner von Geschützen durch die weiten Prairien um San-Antonio und Goliad, denn beide Städte wurden von Heeresabtheilungen Santa-Anna's hart bedrängt, während er selbst an der Spitze seiner Kerntruppen die texanische Armee unter General Houston mit großer Uebermacht schlug und über den Guadelupefluß zurückwarf.

San-Antonio wurde von nur fünfhundert Texanern unter Colonel Albert Randolph vertheidigt, dennoch wagten es wochenlang die Belagerer kaum, sich auf Schußweite der Stadt zu nähern, denn das Feuer der Belagerten war mörderisch und richtete furchtbare Verheerungen unter ihnen an. Da erschien Santa-Anna mit seinen siegreichen Kriegern vor der Stadt und gab den Befehl zum Sturm.

Dreimal wurden die Sturmcolonnen mit ungeheuern Verlusten zurückgeschlagen, beim vierten Angriff aber drangen sie in die Stadt ein und Albert Randolph zog sich mit seiner kleinen Schaar in die alte spanische Festung, die Alamo, zurück. So unbedeutend und schwach diese Burg gegenüber einer solchen Streitmacht, wie sie Santa-Anna befehligte, auch erscheinen mochte, so verbreitete sie doch Schrecken und Entsetzen unter den Mexicanern, denn sobald sich diese den alten Mauern nahten, sprühten aus denselben einige vierzig Feuerschlünde Tod und Verderben in ihre Reihen. Santa-Anna's Wuth gegen die Helden, die das alte Schloß vertheidigten, steigerte sich von Tag zu Tag; während einer ganzen Woche ließ er sein Geschützfeuer gegen die Mauern richten und mit grimmer Freude begrüßte er den Augenblick, wo das alte Gestein unter seinen Kugeln zusammenbrach und die Breschen sich zum Stürmen öffneten.

In jeder Nacht, sobald die Dunkelheit dem Feuer der Belagerer ein Ziel setzte, hatte Albert alle Schäden, welche die Mauern erlitten hatten, soweit es möglich war, wieder ausbessern lassen, an diesem Tage aber war das alte Gemäuer an mehreren Stellen so sehr zusammengestürzt, daß die wenigen Stunden der Nacht zur

Wiederherstellung desselben selbst dann nicht ausgereicht haben würden, wenn die Vertheidiger noch bei vollen Kräften gewesen wären.

Zu Tode ermüdet durch die unausgesetzte Arbeit unter Todesgefahr, durch Entbehrung von Schlaf und hinreichender Nahrung waren die Männer in der Alamo kaum noch im Stande, sich aufrecht und wach zu erhalten, sobald der Donner der Kanonen und das Prasseln und Schmettern der Kugeln in dem alten Gemäuer den Schlaf nicht mehr von ihnen verscheuchten.

An diesem Abend versank die Sonne blutroth auf der weiten flachen Ferne, als das Rollen und Stürzen des Gemäuers die Belagerten abermals erschreckte und ein Sturm von Jubelrufen aus dem mexicanischen Heere zu ihren Ohren herüberschallte. Bald darauf aber schwiegen die Geschütze.

Albert stand in der Kuppel, die sich über einen Theil der Alamo wölbte, und schaute nach der sinkenden Sonne hinüber, als nähme er zum letzten Male Abschied von ihr. Er dachte an Blancha; morgen mußten die entscheidenden Würfel fallen. An eine längere Vertheidigung der Veste war nicht zu denken, ihre Mauern waren zerstört, die Kräfte der Besatzung aufgerieben und die Munition für viele der Geschütze bis auf den letzten Schuß verbraucht. Einen ehrenhaften freien

Abzug von dem Feinde zu erlangen, daran war jetzt nicht mehr zu denken, ein Sieg über ihn lag außer den Grenzen der Möglichkeit, und so blieb nur ein ehrenvoller Tod unter der Fahne der jungen Republik übrig.

Wohl ließ Albert seinen Blick nach Westen und nach Süden schweifen, woher konnte aber wohl Hülfe gegen eine solche Uebermacht kommen! Er sah die Sonne versinken, eine Thräne trat in seine Augen, er sagte Blancha Lebewohl!

Die Dämmerung zog über die Erde; im mexicaninischen Lager wurde es still und die Feuer und Lichter in demselben fingen an zu funkeln. Da trat Albert in den geräumigen Hof, wo auf den Mauertrümmern die noch lebenden Männer der Besatzung umhersaßen und lagen, deren bleiches und entkräftetes Aussehen mit der Todtenstille in Einklang stand, die unter ihnen herrschte. Als Albert aber zwischen sie schritt, erhoben sie sich sämmtlich und richteten ihre Blicke ernst, doch mit Hingebung ihm entgegen.

»Habt Ihr beschlossen, Brüder, was wir thun sollen?« fragte er in einem Tone, als wisse er ihre Antwort schon. »Morgen wird Santa-Anna zum Sturme schreiten, wenn wir nicht die weiße Fahne aufziehen.«

Alle schwiegen und erst nach einer langen Pause hob Albert abermals an:

»Noch ist es Zeit, die Waffen freiwillig zu strecken und unser Leben möglicherweise zu retten. Sagt mir offen, was ist Euer Entschluß?«

Dabei ließ Albert seinen Blick durch die Versammlung schweifen, als wolle er den Mann herausfinden, dem seine Andeutung willkommen gewesen sei. Kein Wort wurde laut, doch in aller Augen stand ihre Antwort geschrieben.

»Ihr schweigt, Ihr hofft noch auf Hülfe von außen«, fuhr Albert mit festerem Tone fort. »General Houston ist geschlagen, Fannin ist in Goliad eingeschlossen, woher soll Hülfe kommen? Entweder die weiße Fahne aufziehen oder als Männer sterben; was wollt Ihr thun? Ihr müßt Euch bald entscheiden.«

Da trat ein alter Mann mit weißem Haar aus der Menge vor und sagte:

»Ihr wißt es wohl, Randolph, daß nicht einer unter uns ist, der Eure Frage anders beantworten würde als Ihr selbst. Euch folgen wir alle, auch morgen zu unserm letzten Siege!«

»Ist es wirklich so, meine Brüder? Wollt Ihr mir folgen auch in den Tod?« rief Albert begeistert aus und ließ seinen aufflammenden Blick über die welken Gestalten seiner Gefährten wandern.

»In den Tod!« riefen alle wie aus einem Munde und ließen dann drei donnernde Hurrahs für Randolph folgen, daß es weit hinaus aus der alten Veste in das Lager der Mexicaner hinübertönte.

»So öffnen Sie unsere Vorräthe, Kapitän Rambels, und lassen Sie einen Jeden davon nehmen, was er will«, sagte Albert zu einem der Offiziere und fuhr dann wieder zu der Menge gewandt fort:

»Morgen speisen wir zusammen dort oben!« Die Nacht war sehr dunkel, und um das aus schneeweißem Gestein erbaute alte Fort Alamo glühten die Feuer der Mexicaner und über ihm blitzten und funkelten die Sterne wie Juwelensaat, in seinen Mauern aber herrschte tiefe Stille. Es war die erste Nacht seit dem Beginnen der Belagerung, in welcher ihre Vertheidiger sich der Ruhe, dem Schlafe hingaben. Sie hatten sich mit der Ueberzeugung niedergelegt, daß dieser Schlaf ihr letzter in dieser Welt sein würde; alle hatten ihre Rechnung mit ihr abgeschlossen und allen hatten die unnatürlichen Anstrengungen, die große Entkräftung die Augen zugedrückt. Wohl waren im Hinsinken mancher Brust schwere Seufzer entstiegen, mancher heiße Abschiedsgedanke war entsandt worden und manches Auge hatte im Schließen eine Thräne zerdrückt, jetzt aber lagen die Helden regungslos da in den barmherzigen Armen des erquickenden, stärkenden Schlafes.

Die Nacht verblich, der neue Tag zog heiter und wolkenlos am Himmel auf und die Klänge des Kriegs begrüßten ihn aus dem Lager der Mexicaner, in der Alamo aber blieb Alles stumm und still, als ob sie ausgestorben sei; kein Horn, keine Trommel ertönte, und kein Kanonenschuß forderte zum neuen Kampf heraus. Die todesmuthige Schaar in der Veste war indeß schon lange gerüstet und stand bereit, ihr Leben theuer zu verkaufen.

Noch glänzten die Perlen des Thaues auf Gras und Blume der Prairie, als das mexicanische Heer sich sammelte und Santa-Anna hoch zu Roß selbst die Sturmcolonnen ordnete. Mit klingendem Spiel näherten sie sich der Burg und bald kamen sie im Sturmschritt gegen sie angezogen. Bis auf fünfzig Schritte hatten sie die Breschen erreicht, ohne daß sie ein Schuß begrüßt hätte, da aber brüllten die Kanonen ihnen ihren Donner zu und ein Eisenregen flog in ihre dicht zusammengedrängten Reihen. Sie wankten, sie wichen zurück, kein Commando wurde mehr gehört und in wilder Verwirrung flohen sie aus der Nähe der furchtbaren Geschosse. Angriff auf Angriff wurde von den Belagerten zurückgeschlagen und der Weg nach den Breschen war mit Leichen bedeckt, da ließ Santa-Anna Kavallerie hinter den stürmenden Regimentern folgen und gab den

Befehl, jeden Fliehenden niederzuhauen. Umsonst stellten seine Generale ihm vor, daß es eines solchen Blutbads nicht bedürfe, da in kurzer Zeit der Mangel an Lebensmitteln die Besatzung zwingen werde, sich zu ergeben, er hörte sie nicht und schwur, daß keiner der Vertheidiger die Sonne solle untergehen sehen.

Wieder trieb er die Regimenter zum Sturme gegen die Alamo vor, doch diesmal schwiegen die Kanonen der Belagerten, denn ihre Munition war verbraucht. Von zwei Seiten drangen die Stürmenden in die Breschen ein und Mann gegen Mann raste der Kampf jetzt in den engen Räumen der Burg. Ganze Schichten von Leichen deckten den Boden und auf ihnen hin und her wogte das Morden und Schlachten.

Das Häuflein der Texaner schmolz rasch zusammen, denn immer neue Truppen stürmten durch die Breschen heran, da stellten sich die Letzten der Heldenschaar in dem Hofe um Albert Randolph auf, um ihn mit ihren Körpern gegen die Wuth der Angreifer zu schützen.

Dicht vor seine Brust trat Mac-Coor, als wolle er mit der seinigen die feindlichen Streiche für ihn auffangen, doch kaum stand er da, als Albert, von einem Büchsenschuß am Kopf getroffen, zu Boden sank.

Mac-Coor warf sich bei ihm nieder, wischte das Blut von Albert's Stirn und hielt seine Hand auf die

Wunde gedrückt, um die Blutung zu stillen, da stürzten die fechtenden Männer um ihn mit dem Tod im Herzen über ihn hin und bedeckten ihn und Albert mit ihren blutenden Körpern. Mac-Coor rührte sich nicht, er hielt die Hand fest auf Albert's Wunde und fühlte, daß das Leben nicht aus ihm gewichen sei.

Der letzte der Helden lag bald entseelt auf diesem Hügel von Leichen, die Schreckensaccorde des Kampfes verhallten und in der zerstörten Veste herrschte die Stille des Todes. Da regte sich Albert unter der Hand Mac-Coor's, als wolle er das Gewicht, welches ihn preßte, von sich schieben, dieser aber flüsterte ihm in das Ohr:

»Rühren Sie sich nicht, Randolph, vielleicht ist noch Rettung für uns möglich.«

Albert's Bewußtsein kehrte zurück, er erkannte Mac-Coor an seiner Seite, verstand dessen Worte und beide lagen nun so unbeweglich als möglich, wenngleich letzterer nach und nach zwischen den Leichen über sich eine Oeffnung bereitete, um freier Athem schöpfen zu können.

So verstrichen wohl einige Stunden in ununterbrochener Stille, als plötzlich laute Stimmen hörbar wurden und Albert erkannte, daß die Mexicaner ihre Todten aus der Veste trugen, um sie zu beerdigen. Immer näher kamen dieselben mit ihrer Arbeit, bis sie dicht um den Leichenhügel, unter welchem Albert und Mac-Coor lagen, die gefallenen Mexicaner wegzogen.

»Wer wird die Ketzer, die Amerikaner begraben?« hörten die beiden einen Soldaten sagen.

»Wir sicher nicht, denn wir marschiren morgen frühzeitig; die Geier werden sich an ihnen füttern«, antwortete ein Anderer, und so kamen und gingen die Leichenbestatter, bis nach und nach ihre Arbeit beendet war und die Todtenruhe wieder in der Alamo herrschte.

Albert und Mac-Coor hatten die Leichen ihrer auf sie gefallenen Kameraden von sich geschoben und schauten zu dem Himmel empor.

Es wurde düster in dem Hofe, die Sterne wurden sichtbar und die Nacht brach rasch herein. Mac-Coor hatte sich und Albert gänzlich von ihrer Last bereit und beide erhoben sich und schritten über die Todten nach der Treppe, die hinauf in die Kuppel führte. Albert's Wunde war nur ein Streifschuß und wenn auch noch sehr schmerzhaft, so hatte sie doch aufgehört zu bluten. In der Kuppel angelangt, band er sich ein Tuch um die Stirn und schaute dann mit seinem Gefährten rund um die Alamo auf die Stadt und die Umgegend. Nur im Süden derselben brannten Lagerfeuer der Mexicaner, während im Norden die Prairie öde und verlassen zu erkennen war.

Vorsichtig schlichen sich die beiden Geretteten wieder in die Burg hinab und über die Leichen ihrer Kameraden hin aus derselben hinaus bis an die Mauer, welche sie in weitem Kreise umgab.

Nirgends war ein lebendes Wesen zu erkennen. So gelangten sie ungehindert in die Prairie hinaus und flohen nun mit aller Schnelligkeit, die ihre Kräfte noch erlaubten, durch die Nacht davon. Sie waren die Einzigen von der ganzen Besatzung, die ihr Leben retteten.

Einen theuern Sieg hatte Santa-Anna erfochten, er kostete ihn über zweitausend Mexicaner.

Von San-Antonio richtete er seinen Vertilgungszug nach der von seinen Truppen bereits eingeschlossenen Festung Goliad, um ihr ein gleiches Schicksal widerfahren zu lassen. Colonel Fannin befehligte die neunhundert Mann starke Besatzung derselben und leistete während einer Woche dem Feinde festen Widerstand, dann aber gingen die Vorräthe an Lebensmitteln und Munition auf die Neige.

Fannin ließ einen Kriegsrath halten, in welchem man beschloß, daß sechshundert Mann unter Kapitän Ward die Festung verlassen und sich durch den Feind schlagen sollten, um den texanischen General Houston zu erreichen und mit ihm vereint der in Goliad zurückbleibenden Besatzung zu Hülfe zu kommen.

Der Ausfall wurde sehr plötzlich gemacht, Kapitän Ward warf die ihm entgegenstehenden Feinde über den Haufen und eilte nun in die Prairie hinaus dem Guadelupeflusse zu, doch bald holte ihn die flüchtige mexicanische Reiterei ein und hemmte seinen raschen Marsch. In ein geschlossenes Viereck zusammengetreten, wiesen die Texaner zwar jeden Angriff der zahlreichen Cavallerie blutig zurück, doch wurde ihre Eile so sehr dadurch gehemmt, daß sie gegen Abend statt des ersehnten Flusses nur auf halbem Wege eine kleine Waldinsel in der Prairie erreichten. Hier verbrachten sie die Nacht, und als der Tag ihnen die rundum gelagerten Feinde zeigte, sahen sie, daß sich auch ein Scharfschützencorps und Artillerie bei demselben eingefunden hatte.

Kapitän Ward erkannte sehr richtig, daß Widerstand unmöglich sei; seine Leute waren nur für heute noch mit Lebensmitteln versehen, Wasser führten sie gar nicht mit sich und ihre Munition war sehr spärlich. Er schlug daher in einer gemeinschaftlichen Berathung vor, mit dem Feinde zu unterhandeln und womöglich freien Abzug zu erlangen. Das ganze Corps stimmte seinem Vorschlag bei und Capitän Ward selbst begab sich als Unterhändler in das mexicanische Lager. Der dort befehligende General nahm das Anerbieten an, bestand aber darauf, daß man die Waffen zurücklasse. Es war eine harte Bedingung, und als Ward sie seinen Gefährten überbrachte, erklärten diese fast einstimmig, daß sie lieber mit den Waffen in der Hand sterben wollten. Ward aber überzeugte sie, daß der Feind sich außer dem Bereiche ihrer Büchsen halten und nur seine Kanonen spielen lassen werde, welche in Verbindung mit Durst und Hunger ihm bald den Sieg über sie geben müßten, ohne daß er einen Mann dabei einbüße.

Nach langem Zögern wurde die Bedingung angenommen. Ward ließ seine Leute hinaus in die Prairie marschiren, dort stellten sie ihre Gewehre zusammen und traten nun unbewaffnet ihren Weg nach dem Guadelupeflusse an. Kaum aber hatten sie sich einige hundert Schritte entfernt, als die mexicanischen Dragoner auf sie einsprengten und sie niederzumetzeln begannen. Wie verwundete Tiger sprangen die Texaner an die Reiter, rissen viele von ihren Pferden und zerfleischten sie mit ihren Messern, mit ihren Zähnen; die Uebermacht aber war zu groß, nach kurzer rasender Gegenwehr wurden sie überwältigt, und nur drei Mann von den Sechshundert retteten sich, indem sie sich während der Verwirrung in dem hohen Grase versteckten.

Santa-Anna hielt die Festung Goliad, ohne sie weiter zu beschießen, noch acht Tage eingeschlossen, in welcher Zeit ihre Besatzung sämmtliche Lebensmittel verbraucht hatte. Am folgenden Morgen wehte die weiße Fahne über ihren Mauern, und bald darauf schritt eine Gesandtschaft aus ihr hervor, um mit Santa-Anna über die Capitulation zu unterhandeln. Er bewilligte freien Abzug ohne Waffen und verlangte denselben vor Ablauf einer Stunde. Als die Deputation den Belagerten diese Antwort überbrachte, sprach Colonel Fannin gegen die Annahme der gestellten Bedingung und rieth, sich mit den Waffen in der Hand einen Weg durch die Feinde zu bahnen, da der Treulosigkeit der Mexicaner kein Glauben zu schenken sei; er wurde aber von der Besatzung überstimmt, und ehe die gestellte Frist abgelaufen war, verließ dieselbe die Festung und die Mexicaner zogen in dieselbe ein. Ein gleiches Schicksal, wie es Kapitän Ward und seine Gefährten betroffen hatte, war auch Colonel Fannin und seinen Leuten beschieden, denn kaum hatten die Mexicaner ihnen den Rückweg in die Veste abgeschnitten, als Santa-Anna seinen Dragonern den Befehl gab, sie niederzuhauen. Erbarmungslos wurde das Urtheil vollstreckt und sämmtliche dreihundert Texaner hauchten, ohne Waffen kämpfend, ihr Leben unter dem Mordstahl von Santa-Anna's Henkern aus.

Wie Todesschauer zogen die Nachrichten dieser ungeheuern Thaten durch das Land und wie höllische Mächte folgten die Schaaren Santa-Anna's ihnen nach. Alles floh, um von ihrem Tod bringenden Erscheinen nicht überrascht zu werden, und ganze Züge von Weibern, Greisen und Kindern zu Fuß, zu Pferd und zu Wagen eilten auf den Flügeln der Angst, des Entsetzens nach Osten. Die schönen Städtchen, die paradiesischen Niederlassungen an der Guadelupe und an den vielen krystallklaren, rauschenden Bächen zwischen ihr und dem Coloradoflusse wurden verlassen und die zügellosen Banden Santa-Anna's ließen sie in Flammen auflodern.

Eine seiner Heeresabtheilungen raste mit Feuer und Schwert an der Meeresküste hin gegen Velasco, eine andere zog nördlich auf San-Felipe; er selbst mit einigen tausend Mann seiner Kerntruppen führte das Centrum.

General Houston hatte alle Streiter an sich gezogen, doch nicht mehr als sechshundert Mann zusammenbringen können, eine zu unbedeutende Zahl, um der feindlichen Macht in offener Schlacht zu begegnen. Er war Schritt für Schritt zurückgewichen und hatte sich darauf beschränken müssen, durch unerwartete plötzliche Ueberfälle dem Feinde kleine Nachtheile beizubringen, denn seine Leute waren sämmtlich beritten und Büchsenschützen ersten Ranges.

Er stand in San-Felipe, bei der Nachricht aber von dem Heranziehen der mexicanischen Division unter General Viesca ging er mit seinen Reitern und sechs Geschützen über den Fluß, um sich nach Harrisburg in sumpfiges Land zurückzuziehen. Nur fünfzig Mann ließ er in der Stadt zurück, um deren Einwohnerschaft unter ihrem Schutze Zeit zur Flucht zu geben, namentlich aber die vor dem barbarischen Feinde heranziehenden flüchtigen Weiber- und Kinderschaaren aufzunehmen und über den Fluß zu befördern. Der Führer dieses kleinen Corps war Albert Randolph.

Seit General Houston das Obercommando über die texanischen Streitkräfte übernommen hatte, war Albert dessen rechte Hand gewesen und hatte ihn mit Rath und That unterstützt.

Wenige Tage nach seiner Rettung aus der Alamo hatte er mit Mac-Coor Houston's Lager erreicht und war mit stürmischem Jubel von dem Heere begrüßt worden. Schon am folgenden Tage übernahm er das Commando über ein Streifcorps und führte binnen kurzer Zeit mehrere Transporte Lebensmittel, welche er dem Feinde abgejagt hatte, den Texanern zu.

Jetzt hatte er mit seinen wenigen Leuten die Häuser an dem Eingange in die Stadt San-Felipe besetzt, um das Corps Viesca's aufzuhalten, und eben war man damit beschäftigt, die Pferde seiner Mannschaft über den Fluß zu befördern, da wurde ihm die Nachricht gebracht, daß nur wenige Meilen rückwärts an der Straße eine Anzahl Frauen und Kinder sich in eine verlassene Farm geflüchtet hätten und daß der Feind sich rasch nahe. Ohne sich einen Augenblick zu bedenken, befahl er die Pferde herbeizuholen, ließ aufsitzen und sprengte nach der Farm, wo er sechs Frauen und vier Kinder vorfand, die vor Ermattung nicht hatten weiter flüchten können. Albert erkannte die Frauen, sie waren aus Gonzales und ihre Männer waren sämmtlich in der Alamo getödtet worden. Er ließ sie sowie die Kinder schnell hinter so viele seiner Schützen auf deren Pferde heben und wollte mit ihnen den Rückzug nach San-Felipe antreten, als Trompetenton auf der nahen Biegung der Straße erschallte und eine Abtheilung mexicanischer Dragoner, welche dem Heere des Generals Viesca vorauszog, herangesprengt kam.

»Fort, fort!« rief er den Reitern mit den Frauen und Kindern zu, und während diese davoneilten, ließ er seine Leute sich zum Schuß gegen den herannahenden Feind fertig machen.

Alle ritten ihre jagdgewohnten Pferde und alle hatten ihre Büchsen auf die Dragoner gerichtet, als Albert ihr Feuer noch zurückhielt, indem er ihnen zurief:

»Laßt sie nahe herankommen, sodaß keine Kugel fehlgeht.« Dann commandirte er: »Feuer!« und einige dreißig Dragoner stürzten von ihren Rossen.

»Es lebe die Republik Texas!« rief Albert jetzt und stürmte mit wildem Hurrah seinen Schützen voran auf die verworrene Masse der Dragoner ein, die nun in wilder Flucht den Pistolenkugeln und Säbelhieben der Texaner zu entkommen suchten.

Weit verfolgten diese die Fliehenden nicht, denn das Corps Viesca's konnte nicht mehr fern sein. Albert ließ halten, wieder laden und jagte dann mit seinen Gefährten, so schnell die Gäule sie tragen konnten, nach San-Felipe zurück. Mit den geretteten Frauen und Kindern zugleich, denn die Mexicaner schonten auch solcher Leben nicht, langten sie in der Stadt an und Albert führte sie eilig nach dem Flusse, wo mehrere große Boote die Ueberfahrt unterhielten. Die letzten Bewohner der Stadt waren eingeschifft, sämmtliche Schützen hatten ihre Waffen in die Boote gelegt, und als dieselben die Mitte des Flusses erreicht hatten, spornten die Reiter ihre Pferde in den Strom hinein.

Da ertönten wieder die Trompeten des Feindes, und nach wenigen Minuten schwärmte die mexicanische Cavallerie auf dem Ufer hin und her, ihre Pistolenkugeln aber erreichten die Schützen auf ihren schwimmenden

Rossen nicht mehr, und selbst zu Pferde ihnen zu folgen, unternahmen die Mexicaner nicht.

Ihre Wuth ließen sie aber an den hölzernen Häusern aus, denn noch ehe Albert's Corps das jenseitige Ufer verließ und der Straße nach Harrisburg folgte, war die Stadt San-Felipe in Flammen und Rauch gehüllt.

Alle Ansiedlungen am Brazosflusse und weiter östlich an den kleinen Gewässern wurden verlassen, Alles floh nach Osten und strebte der Grenze der Vereinigten Staaten zu.

Santa-Anna's Heer überschritt an drei Punkten den Brazosfluß und bezeichnete seine Wege mit Raub, Brand, Mord und Greuelthaten der unerhörtesten Art. Er selbst führte an der Spitze von zweitausend Mann und sechzehn Geschützen die Mitte und nahm seine Richtung nach dem nordwestlichen Arme der Galvestonbai, unweit deren Ufer er südlich von der Mündung des San-Jacintoflusses in dieselbe ein Lager aufschlagen und dasselbe verschanzen ließ. Hier wollte er die Division des Generals Vilasola, welcher an der Meeresküste heranzog, erwarten, um dann mit der ganzen Armee nach dem Trinityflusse vorzugehen und den östlichen, am zahlreichsten bevölkerten Theil von Texas mit Feuer und Schwert zu überziehen.


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