Berthold Auerbach
Das Landhaus am Rhein / Band III
Berthold Auerbach

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Siebentes Buch.

Erstes Capitel.

Das Beste, womit ein Menschenherz sich erfüllt und erquickt, ist Mutterliebe. Alle Liebe der Menschen muß erworben, erobert und verdient, über Hindernisse hinweg erkämpft und bewahrt werden; die Mutterliebe allein hat man immer, unerworben, unverdient und allzeit bereit.

Warum hat Roland solch eine Mutterliebe nicht vollauf?

Erich stand früh am Bette Rolands; es war nie nöthig, daß er ihn weckte, sobald er ihn mit vollem Blicke betrachtete, wachte Roland auf. Jetzt öffnete er die großen Augen und sein erstes Wort war:

»Deine Mutter ist da!«

Der Tag wurde neu geweiht, denn Erich und Roland gingen zuerst, um die Mutter zu begrüßen. Ihr milder ruhiger Geist hatte etwas Segnendes in jedem Worte, in jeder Handbewegung, in jedem Augenstrahl und sie selbst war es, die die Ordnung und stetig sich fortsetzende Pflicht anrief, indem sie den Beiden sagte, sie würde es als Beweis der Liebe und Herzensfestigkeit betrachten, wenn sie ihre Arbeit fortsetzten heute, wie gestern.

So saßen die Beiden bald wieder bei ihrer Arbeit.

Wie eines neuen Geschenkes wurde man sich am Mittage bewußt, daß die Mutter da war. Man fand sich im Garten zusammen; Frau Ceres war nicht sichtbar, sie ließ sich durch Fräulein Perini entschuldigen. Sonnenkamp lächelte, denn er wußte, daß Frau Ceres nicht daran dachte, sich entschuldigen zu lassen. Fräulein Perini that dies aus eigener Machtvollkommenheit, und sie that wohl daran, denn das störrige Wesen der Frau Ceres wehrte sich gegen die ihr aufgedrungene Gesellschaft. Fräulein Perini bemühte sich offenbar mit großer Beflissenheit, der Frau Professorin sich so angenehm als möglich zu machen.

Die ehrende Auszeichnung, die die Cabinetsräthin der Professorin widmete, gab dieser eine Ehrenstellung, die sie vielleicht allmälig errungen, die ihr nun aber sofort wie durch einen allerhöchsten Erlaß zuerkannt wurde; denn die Cabinetsräthin wiederholte stets, die Professorin sei ihrer Zeit die angesehenste Dame am Hofe gewesen, die man noch heute schmerzlich vermisse. Die Professorin fand sich durch solche stark aufgetragene Hervorhebung etwas beengt, aber sie war der angesehenen Frau dankbar; sie erkannte das Bestreben, ihr die abhängige Stellung und offenbare Armuth in Herrschaft und Huldigung zu verwandeln.

Selbst Fräulein Perini wurde von dem Wesen der Professorin bezwungen, denn diese Frau hatte eine sanfte Würde, einen freundlichen Glanz in ihrem Wesen, daß das Unwürdige und nun gar das Unreine keine Stätte in ihrer Nähe hatte; dabei war sie voll Begeisterung, die, durch das idealistische Leben ihres Mannes genährt, nun im Zusammensein mit dem Sohne neu auflebte.

Noch am Mittag kam ein Brief von Bella. Sie hieß die Professorin willkommen und kündigte für den nächsten Tag einen Besuch an.

Die Professorin gab Sonnenkamp in einfacher Weise zu erkennen, daß sie einen ihr gemeldeten Besuch als dem Hause ihres Gastfreundes geltend annehme.

Durch die Anwesenheit der Mutter und Tante gewann auch Erich eine neue Stellung; es schien ein Gleichgewicht zwischen ihm und seinen Angehörigen und denen Sonnenkamps sich wie von selbst festzusetzen.


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