Berthold Auerbach
Das Landhaus am Rhein / Band III
Berthold Auerbach

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Zehntes Capitel.

Bei der Fürstin hatte man um Audienz gebeten, um ihr danken zu dürfen.

Sie ließ erwidern, daß ihr die Professorin willkommen sei; Sonnenkamp war damit abgelehnt.

Die Professorin fuhr nach dem Schlosse. Von Allem, was sie in der letzten Zeit hatte erleben müssen, erfuhr sie nun das Peinlichste; sie mußte beistimmen, wie die Fürstin von dem großartigen Wesen Sonnenkamps, von seiner ausgebreiteten Wohlthätigkeit und seinem Hochsinn sprach. Die Cabinetsräthin, die Palastdame der Fürstin war, hatte das richtig unterlegt und die Professorin durfte nicht widersprechen.

Wieder sah sie, in welche falsche Lage sie gebracht war und wie sie sich zu unredlichem Spiel gebrauchen lassen mußte. Und wenn die Menschen erfahren, was sie von Sonnenkamp bereits wußte, wie würde sie ihnen erscheinen? . . .

Prancken brachte die vorläufig vertrauliche Nachricht, daß Herrn Sonnenkamp ein Orden zuertheilt sei.

»Das ist der erste Schritt, die erste Stufe.«

Frau Ceres aber klagte:

»So, das ist für Dich; was bekomme denn ich?«

Sonnenkamp sprach seine Zuversicht aus, daß die Adelserhebung gewiß und bald käme.

»Ach, das dauert so lang,« klagte Frau Ceres.

Er bekannte, daß es ihm selber ärgerlich sei, wie formensteif die Dinge in der alten Welt gehen, aber man müsse sich gedulden.

»Freilich,« erwiderte Frau Ceres, »es ist doch schön, daß Du einen Orden hast; nun sieht man Dir in Gesellschaft gleich an, daß Du kein Bedienter bist.«

Wenige Tage darauf hielt Wagen um Wagen vor dem Hotel, Alles glückwünschte zur Ordensverleihung.

Sonnenkamp war sehr bescheiden.

Ein bitterer Tropfen fiel in den Freudenkelch, da die Zeitung des Professor Crutius unter der Ueberschrift »Courszettel der Ehre« die Nachricht brachte: Herr Sonnenkamp auf Villa Eden, verpflanzt aus der Havanna, habe allerhöchsten Ortes das Verdienstkreuz erhalten, man sage, wegen seiner Verdienste um Veredlung der Obstzucht, die auch die Veredlung des Obstzüchters in sich schließe. Unter den schönen Bäumen im Garten Eden fehle nur noch der in unserem gesegneten Vaterlande vornehmlich gedeihende Stammbaum.

Es gab Schadenfrohe genug, die ihre Empörung über solche Bissigkeit gegen Sonnenkamp aussprachen; sie lauerten dabei, welche Miene er dazu machte. Sonnenkamp that gleichgültig, heimlich aber setzte er sich vor, die tugendstolzeste aller moralischen Personen, die sogenannte öffentliche Meinung, ebenfalls zu bestechen.

Er ging auf die Redaction. Er wurde in ein Zimmer gewiesen, wo er Professor Crutius traf, der ihn mit ausnehmender Höflichkeit empfing. Sonnenkamp sagte, daß er Scherz verstehe; er sei von Amerika her an Oeffentlichkeit gewöhnt. Crutius fand nicht nöthig, etwas darauf zu erwidern. Sonnenkamp äußerte, wie er sich freue, Professor Crutius in so bedeutsamer Stellung zu finden; dieser machte eine dankende Verbeugung. Im Redactionszimmer brannte eine kleine Gasflamme; Sonnenkamp bat um die Erlaubniß, seine Cigarre rauchen zu dürfen, und bot Crutius eine solche an. Mit verbindlichem Dank willfahrte Crutius.

»Ich erinnere mich recht wohl,« begann Sonnenkamp, »daß Sie damals, als ich die Ehre Ihres Besuches hatte, ein kühnes, aber treffendes Wort sagten; Sie hatten den Muth, zu sagen, Amerika ginge der Monarchie entgegen.«

»Ja wohl,« entgegnete Crutius halb scherzend, halb ernst, »und ich habe das nicht blos als Thema zu beliebter Ansprache hingeworfen; ich war der Ansicht, daß es als ein Vorzeichen der Monarchie angesehen werden konnte, wie sich damals in Amerika die Besseren von der Politik zurückzogen.«

Crutius machte eine Pause und Sonnenkamp fragte:

»Und dieser Ansicht sind Sie nun nicht mehr?«

Sonnenkamp hatte selbst das Gerücht verbreitet, er stehe in Verbindung mit der Gründung des mexikanischen Kaiserthums und daß von dort aus die monarchische Regierungsform in der neuen Welt sich weiter ausdehnen sollte; er fand einen unschädlichen, nach gewisser Seite mit Ehren begrüßten Ruf darin, als Agent für eine in den Südstaaten der Union zu gründende Monarchie zu gelten. Crutius antwortete lange nicht, er sah mit lächelndem Blick auf den vor ihm Sitzenden und sagte endlich:

»Ich bin der Ansicht nicht mehr. Die Lässigkeit der Besseren hat in Amerika aufgehört. Das zeigt sich in den öffentlichen Blättern wie in Versammlungen, und Herr Weidmann hat mir auch Briefe seines Neffen, des Doctor Fritz, mitgetheilt, aus denen deutlich hervorgeht, daß eine Wendung zum Bessern eingetreten; Alles ist wieder politischer Kampf und Partei.«

»Ah, Herr Weidmann,« nahm Sonnenkamp auf. »Wie ich höre, ist er bei Ihrer Zeitung betheiligt.«

»Ich kenne keinen Mann, ich kenne nur die Partei.«

»Echt amerikanisch. Recht so!« rief Sonnenkamp und fuhr fort, in behaglichem Tone zu erklären, wie man nur bedauern könne, daß die hieländische Presse noch weit entfernt sei von dem großen Maßstabe anderer Völker und Länder; er wäre daher nicht abgeneigt, wenn ein Mann von der bewährten Welterfahrung des Professors eine neue Zeitung gründen wolle, mit genügenden Mitteln sich zu Gebote zu stellen, er selbst könne aus seiner Correspondenz auch wol manches Bedeutsame mittheilen.

»Die Sache ist zu überlegen,« führte Crutius weiter. Er ging an die Kasse und öffnete sie; er hatte die Absicht, Herr Sonnenkamp das früher Gespendete wieder zurückzuerstatten, aber er sagte fast mit Worten vor sich hin: »Nein, noch nicht; Du sollst eine öffentliche Quittung zu gleicher Zeit haben.« Er verschloß die Kasse, setzte sich wieder Sonnenkamp gegenüber und begann:

»Ich muß noch um Entschuldigung bitten. Als ich die Ehre hatte, Sie auf Ihrer Villa zu besuchen, hielt ich Sie für einen gewissen Banfield.«

Lauernd sah er dabei in die Mienen Sonnenkamps, der mit großer Ruhe erwiderte:

»Ich bin Ihnen dankbar, daß Sie mir das sagen; es ist immer gut, ein Mißverständniß geradezu von Mann zu Mann aufzuklären. Ich bin leider vielfach mit dem Manne verwechselt worden und eigens einmal nach Virginien gereist, um meinen Doppelgänger kennen zu lernen, aber gerade, als ich ankam, war er gestorben.«

»So? Ich habe nichts von seinem Tode gehört und wundere mich, daß der Neffe des Herrn Weidmann, der mit diesem Herrn Banfield in offenem Kriege stand, uns noch nichts davon berichtet hat. Es ist in der That auffallend, wie Sie in der ganzen äußern Erscheinung ihm ähnlich sehen. Ich werde nun natürlich, wenn ich den Nekrolog Banfields schreibe, dies nicht erwähnen.«

»Mich selbst,« lächelte Sonnenkamp, »würde das nicht stören, aber meiner Frau und meinen Kindern wäre solch eine Vergleichung wahrscheinlich höchst unangenehm.«

Crutius betheuerte, daß ihm alle Persönlichkeiten gleichgültig seien; er habe es nur mit den Principien zu thun. Sonnenkamp lobte dies Verfahren, er nannte das einen Vorzug der europäischen Bildung.

Sehr höflich geleitete Crutius Herrn Sonnenkamp durch das Expeditionszimmer bis an die Treppe. Als er aber wieder in die Redaction zurückkam, öffnete er das Fenster, es schien ihm dumpfig.

»Und er ist es doch,« sagte er vor sich hin. »Gib Acht, Ritter des Verdienstordens, ich halte Dich auch an einem Bande; noch eine Weile sollst Du mir flattern.«

Er suchte das Blatt, worin die Notiz gestanden, machte einen rothen Strich und drei Ausrufungszeichen an den Rand und verschloß das Blatt in einem besondern Fache, in welchem »Künftig zu Benutzendes« aufbewahrt war.


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