August Bebel
Die Frau und der Sozialismus
August Bebel

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Umgekehrt nennen einzelne eine Reihe landwirtschaftlicher Betriebe ihr eigen. Der größte deutsche Grundbesitzer ist der König von Preußen, der 83 Güter mit 98.746 Hektar besitzt, nach ihm kommen

Fürst von Pleß mit 75 Gütern und 70.170 Hektar
Fürst Hohenzollern-Sigm. mit 24 Gütern und 59.968 Hektar
Herzog von Ujest mit 52 Gütern und 39.742 Hektar
Fürst Hohenlohe-Öhringen mit Gütern und 39.365 Hektar
Fürst zu Ratibor mit 51 Gütern und 33.096 Hektar

Der im Jahre 1895 in Preußen fideikommissarisch gebundene Besitz umfaßte in 1.045 Fideikommissen ein Areal von 2.121.636 Hektar oder 6,09 Prozent der Gesamtfläche des Landes. Die 1.045 Fideikommisse befanden sich in den Händen von 939 Besitzern und war dieser ihr fideikommissarischer Besitz noch um 206.600 Hektar größer als das Königreich Württemberg, das rund 1.915.000 Hektar groß ist. 1903 besaßen 1.034 Besitzer 1.152 Fideikommisse, so daß einzelne mehrere Fideikommisse besaßen. Die fideikommissarisch gebundene Fläche betrug 1903 2.197.115, 1904 2.232.592 Hektar, davon sind gegen 90 Prozent in Komplexen von über 1.000 Hektar vereinigt. Etwa 10 Prozent der Fideikommißbesitzer vereinigten mehr als 5.000 Hektar in ihren Händen und 53,3 Prozent der gebundenen Fläche J. Conrad, Fideikommisse. Handwörterbuch der Staatswissenschaften. 4. Band, 3. Auflage, S. 120 bis 123. . Der mittlere und der große Besitz ist naturgemäß an der Erhaltung des bestehenden Zustandes interessiert. Anders der Kleinbesitz, der aus einer rationellen Umgestaltung der Verhältnisse große Vorteile ziehen würde. Es liegt in der Natur der Sache, daß der große Besitz bestrebt ist, sich immer mehr zu vergrößern und alles ihm zugängige Bauernland an sich zu reißen, so in Oberschlesien, der Lausitz, dem Großherzogtum Hessen usw., Gegenden, aus denen wiederholt Ankäufe von Bauernbesitz in großem Maßstab gemeldet wurden.

In Österreich herrscht der große Grundbesitz weit mehr vor als in Deutschland beziehungsweise Preußen. Hier ist es neben dem Adel und der Bourgeoisie die katholische Kirche, die sich einen Hauptteil der Beute am Grund und Boden sicherte. Auch ist das Bauernlegen in Österreich in vollem Schwunge. In Steiermark, Tirol, Salzburg, Ober- und Niederösterreich, dem Sudetengebirge sucht man die Bauern mit allen Mitteln von ihrem heimatlichen Boden zu verdrängen und das Bauernland in Herrenbesitz umzuwandeln. Dasselbe Schauspiel, das einst Schottland und Irland boten, spielt sich jetzt in den schönsten Gegenden Österreichs ab. Einzelne wie Gesellschaften kaufen enorme Landkomplexe, und was vorläufig nicht zu kaufen ist, wird gepachtet, um sie in Jagdreviere zu verwandeln. Der Zugang zu den Tälern, Höhen und Weilern wird durch die neuen Herren gesperrt, und die hartnäckigen Besitzer einzelner Höfe und Alpen, die sich weigern, den Herren zu Willen zu sein, werden durch alle möglichen Schikanen gezwungen, ihr Eigentum an die reichen Alp- und Waldbesitzer zu veräußern. Alter Kulturboden, auf dem seit Jahrtausenden viele Generationen ihr Auskommen fanden, wird in Wildnis verwandelt, in der Hirsche und Rehe hausen, wohingegen die Gebirge, die der adlige oder bürgerliche Kapitalist sein eigen nennt, den Aufenthalt großer Gemsherden bilden. Ganze Gemeinden verfallen der Armut, weil man ihnen den Auftrieb ihres Viehes zu den Alpenweiden unmöglich macht oder das Recht des Auftriebs überhaupt bestreitet. Und wer sind die Attentäter auf des Bauern Gut und seine Selbständigkeit? Neben Rothschild und Baron Mayer-Melnhof die Herzöge von Koburg und Meiningen, die Fürsten und Prinzen zu Hohenlohe, der Fürst zu Liechtenstein, der Herzog von Braganza, die Fürstin Rosenberg, der Fürst zu Pleß, die Grafen Schönfeld, Festetics, Schafgotsch, Trauttmannsdorff, die Graf Karolysche Jagdgesellschaft, die Baron Gustädtsche Jagdgesellschaft, die Blühnbacher adlige Jagdgesellschaft usw. Überall ist der Großgrundbesitz in der Ausdehnung begriffen. So gab es im Jahre 1875 nur 9 Personen in Niederösterreich, von denen jede mehr als 5.000 Joch besaß mit einer Gesamtfläche von 89.490 Hektar, im Jahre 1895 gab es schon 24 Personen, die im ganzen 213.574 Hektar besaßen.

In ganz Österreich umfaßt der Großgrundbesitz eine Fläche von 8.700.000 Hektar, während auf den Kleingrundbesitz 21.300.000 Hektar entfallen. Die Fideikommißbesitzer, 297 Familien, besitzen 1.200.000 Hektar. Den Millionen von Kleingrundbesitzern, die 71 Prozent der ganzen Fläche bebauen, stehen einige Tausende von Großgrundbesitzern gegenüber, die über 29 Prozent der Fläche Österreichs verfügen. Es gibt nur wenige Steueramtsbezirke, in denen keine Großgrundbesitzer begütert sind. In den meisten Bezirken gibt es zwei oder mehrere Großgrundbesitzer, die den maßgebenden politischen, sozialen und gesellschaftlichen Einfluß ausüben. Fast die Hälfte der Großgrundbesitzer sind in mehreren Bezirken des Landes begütert, zahlreiche in mehreren Kronländern des Reiches. In Niederösterreich, Böhmen, Mähren und Schlesien gibt es gar keinen Bezirk ohne sie. Nur die Industrie vermochte sie ein wenig zu verdrängen, so zum Beispiel in Nordböhmen und im böhmisch-mährischen Grenzgebiet. Sonst nimmt der Großgrundbesitz überall an Umfang zu: in Oberösterreich, wo es unter allen Kronländern noch den bestsituierten Bauernstand gibt, ebenso wie in Görz und Gradiska, in der Steiermark, in Salzburg, in Galizien und in der Bukowina, weniger stark in jenen Ländern, die ohnehin schon die Domäne der Großgrundbesitzer sind, nämlich in Böhmen, Mähren, Schlesien und Niederösterreich.

In Niederösterreich entfielen von der gesamten Bodenfläche, die 1.982.300 Hektar umfaßt, auf den Großgrundbesitz (393 Besitzer) 540.655 Hektar, auf die Kirche 79.181 Hektar. 13 Besitzungen von je mehr als 1.000 Hektar umfassen zusammen 425.079 Hektar = 9 Prozent der gesamten Fläche, darunter Graf Hoyos-Sprinzenstein mit 33.124 Hektar. Der Flächeninhalt Mährens beträgt 2.181.220 Hektar, davon entfielen auf die Kirche 81.857 Hektar (3,8 Prozent), 116 Besitzungen über 1.000 Hektar umfassen mehr als die 500.000 Besitzungen bis 10 Hektar, die 92,1 Prozent aller Besitzungen ausmachen. Von den 514.677 Hektar Flächeninhalt Österreichisch-Schlesiens besaß die Kirche 50.845 Hektar und 79 Besitzer zusammen 204.118 Hektar. Böhmen mit einem Flächeninhalt von 5.194.500 Hektar hat ungefähr 1.237.085 Grundbesitzer. Die Grundbesitzverteilung ist durch ungewöhnlich viele Grundbesitzungen kleinsten Umfanges und durch ausgedehnten Großgrundbesitz charakterisiert. Fast 43 Prozent aller Besitzungen sind kleiner als ½ Hektar und über vier Fünftel übersteigen nicht 5 Hektar. Diese 703.577 Grundbesitzungen (81 Prozent) umfassen nur 12,5 Prozent der Fläche Böhmens. Dagegen besitzen 776 Personen 35,6 Prozent der ganzen Fläche, während sie nur 0,1 Prozent aller Grundbesitzungen ausmachen. Noch krasser erscheint die Besitzverteilung, wenn man die größere Kategorie »über 200 Hektar« analysiert. Da findet man folgendes Resultat:

  Hektar Mit zusammen Hektar
380 Personen besitzen je 200 bis 500 116.143
141 Personen besitzen je 500 bis 1. 000 101.748
104 Personen besitzen je 1.000 bis 2.000 150.567
151 Personen besitzen je über 2.000 1.436.084

Von der letzten Gruppe besitzen 31 Personen je 5.000 bis 10.000 Hektar, 21 Personen je 10.000 bis 20.000 Hektar und die Fürsten Mor. Lobkowitz, Ferdinand Kinsky, Karl Schwarzenberg, Alfred Windischgrätz, die Grafen Ernst Waldstein, Johann Harrach, Karl Buquoy je 20.000 bis 30.000 Hektar, Clam-Gallas und Sar. Czernin je über 30.000 Hektar, Joh. Fürst von und zu Liechtenstein 36.189 Hektar, Fürst Max Egon Fürstenberg 39.162 Hektar, Jos. Fürst Colloredo-Mannsfeld 57.691 Hektar und Joh. Ad. Fürst zu Schwarzenberg 177.310 Hektar = 3,4 Prozent der ganzen Fläche Böhmens. Die kaiserlichen Besitzungen umfassen 35.873 Hektar. Der Gesamtbesitz dieser 64 Großgrundbesitzungen beträgt 1.082.884 Hektar = 20,9 Prozent der Fläche Böhmens. Die Kirche besitzt 150.395 Hektar = 3 Prozent der ganzen Fläche Böhmens Ausführlicheres hierüber in: Die Besitzenden und die Besitzlosen in Österreich, von T. W. Teifen. Wien 1906, Erste Wiener Volksbuchhandlung (Ignaz Brand). .

Das war 1896, mittlerweile ist es noch schlimmer geworden. Nach den Ergebnissen der landwirtschaftlichen Betriebszählung von 1902 entfielen auf 18.437 Betriebe (0,7 Prozent der gesamten Zahl) 9.929.920 Hektar oder ein Drittel der gesamten Fläche!

Im Gerichtsbezirk Schwaz wurden sieben, im Gerichtsbezirk Zell sechzehn Alpen, die bisher als Viehweide dienten, von den neuen Grundherren kassiert und in Jagdgründe verwandelt. Das ganze Karwendelgebirge ist für den Auftrieb von Vieh gesperrt. Es ist der hohe Adel Österreichs und Deutschlands, neben reichen bürgerlichen Emporkömmlingen, die in den Alpenländern Flächen bis zu 70.000 und mehr Joch aufkaufen und für Jagdreviere einfriedigen ließen. Ganze Dörfer, Hunderte von Gehöften verschwinden, die Bewohner werden vom Grund und Boden verdrängt und an Stelle der Menschen und des für menschliche Nahrung bestimmten Viehes treten Rehe, Hirsche und Gemsen. Gar mancher von jenen, die in solcher Weise halbe Provinzen zur Verödung bringen, stellt sich nachher in den Parlamenten hin und redet von der »Not des Bauern« und mißbraucht seine Macht, um in Gestalt von Getreide-, Holz-, Vieh- und Fleischzöllen, Branntweinsteuerprämien usw. auf Kosten der Besitzlosen die Hilfe des Staates in Anspruch zu nehmen.

In den vorgeschrittensten Industriestaaten sind es nicht, wie in Österreich, die Luxusbedürfnisse bevorzugter Klassen, die den Kleinbesitz bedrängen, sondern es ist die Notwendigkeit, gegenüber den Ansprüchen einer immer dichter werdenden Bevölkerung die Bewirtschaftungsweise kapitalistisch zu organisieren, um die geforderten Nahrungsmengen erzeugen zu können. Das zeigt sich zunächst in dem industriell hoch entwickelten Belgien. Nach dem »Annuaire statistique«, zitiert durch Emil Vandervelde in einem Artikel »Das Grundeigentum in Belgien in dem Zeitraum von 1834 bis 1899«, heißt es: Es sind ausschließlich die Wirtschaften unter 5 Hektar und namentlich jene unter 2 Hektar, deren Zahl abgenommen hat. Die Wirtschaften im Umfang von über 10 Hektar dagegen sind auf 3.789 angewachsen. Die Konzentration des Grundbesitzes, welcher dem Fortschritt des Großbetriebs und der rationellen Viehzucht entspricht, tritt uns hier in sehr deutlicher Weise entgegen. Es ist seit 1880 eine Bewegung entstanden, die gerade umgekehrt verläuft wie jene von 1866 bis 1880. Während im Jahre 1880 noch 910.396 landwirtschaftliche Betriebe vorhanden waren, gab es deren im Jahre 1895 nur noch 829.625, das ist ein Rückgang in fünfzehn Jahren um 80.771 Betriebe = 9 Prozent. Und zwar trifft der ganze Rückgang die Betriebe von weniger als 5 Hektar, dagegen vermehrten sich die Betriebe von 5 bis 10 Hektar um 675, von 10 bis 20 Hektar um 2.168, von 20 bis 30 Hektar um 414, von 30 bis 40 Hektar um 164, von 40 bis 50 Hektar um 187, über 50 Hektar um 181 Betriebe.


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